Leitsatz (amtlich)

Der Geschäftswert für das Verfahren zur Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 Abs. 2, 3 AktG bestimmt sich nach § 30 Abs. 2 KostO; die EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie findet keine Anwendung.

 

Normenkette

AktG §§ 101, 104; EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie vom 17.7.1969 (69/335/EWG) Art. 10; EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie vom 17.7.1969 (69/335/EWG) Art. 12 Abs. 1 Buchst. e; KostO § 14 Abs. 3, § 30 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 4 HK T 9203/99)

AG Nürnberg

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. November 1999 wird aufgehoben.

II. Der Geschäftswert für die Beschlüsse des Amtsgerichts Nürnberg vom 5. November und 11. November 1998 wird unter Abänderung des Beschlusses dieses Gerichts vom 22. September 1999 auf jeweils DM 500 000 festgesetzt.

III. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Auf Antrag der Beteiligten vom 28.10.1998 bestellte das Amtsgericht – Registergericht – für die Beteiligte mit Beschluß vom 5.11.1998 zwei neue Aufsichtsratsmitglieder und auf Antrag vom 30.10.1998 mit Beschluß vom 11.11.1998 ein weiteres Aufsichtsratsmitglied. Grund für die Bestellung war, daß drei Mitglieder aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden waren.

Am 22.9.1999 bestimmte das Amtsgericht den Gegenstandswert für die Beschlüsse vom 5.11. und 11.11.1998 auf jeweils DM 1 Mio. Mit Kostenrechnung vom 27.9.1999 setzte der Kostenbeamte die Gebühren auf je DM 1 610 fest. Auf die Beschwerde der Beteiligten änderte das Landgericht die Geschäftswerte auf jeweils DM 500 000 und verwies die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Amtsgericht Nürnberg zurück. Dagegen wendet sich die Staatskasse mit der weiteren Beschwerde, die das Landgericht in seiner Entscheidung zugelassen hat. Die Staatskasse erstrebt eine Festsetzung des Geschäftswerts auf jeweils DM 1 000 000.

II.

1. Die Geschäftswertbeschwerde des weiteren Beteiligten ist zulässig gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 14 Abs. 3 Satz 1 KostO, § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

2. Das Landgericht hat ausgeführt, gemäß Art. 10 der Richtlinie 69/335 EWG vom 17.7.1969 i. d. F. der Richtlinie 85/303 EWG vom 10.6.1985 dürfe von Gesellschaften keinerlei Steuer auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der die Gesellschaft unterworfen werden könne, erhoben werden. Die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG sei eine sonstige Formalität im Sinne dieser Vorschrift. Entscheidend sei, daß der Vorstand der Gesellschaft gemäß § 104 Abs. 3 Ziff. 2 i. V. m. § 104 Abs. 1 AktG unverzüglich Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zu stellen habe. Damit finde die durch den Europäischen Gerichtshof getroffene Auslegung der Art. 10 und 12 der Richtlinie Anwendung. Für den Geschäftswert sei § 30 KostO maßgebend. Diese Bestimmung sei aber richtlinienkonform dahin auszulegen, daß Gebühren nur insoweit in Ansatz zu bringen seien, als sie den tatsächlichen Aufwand des Gerichts für seine Tätigkeit nicht überstiegen. Bis zu einer richtlinienkonformen Neufassung der Kostenordnung könne die Gebühr weiter aus dem nach § 30 Abs. 2 KostO festgesetzten Geschäftswert errechnet werden. Solange die Gebühr nicht offensichtlich den tatsächlichen Kostenaufwand weit übersteige, sei zunächst der Geschäftswert festzusetzen. Sodann habe eine Vergleichsbetrachtung mit einem Kostenansatz nach tatsächlichem Aufwand zu erfolgen. Erst dann könne entschieden werden, welche Berechnungsmethode zu wählen sei. Der Gegenstandswert betrage für jeden der beiden Bestellvorgänge DM 500 000. Es habe sich um einen dringenden Fall gehandelt. Im Antrag vom 30.10.1998 sei darauf hingewiesen worden, daß die nächste Aufsichtsratssitzung bereits am 26.11.1998 stattfinde. Ohne die Bestellung wäre das zahlenmäßige Verhältnis nach § 104 Abs. 4 AktG nicht hergestellt gewesen. Bei einem Stammkapital von DM 100 Mio. und einem Betriebsvermögen von DM 272 Mio. habe die Beteiligte 1997 und 1998 ca. DM 123,8 Mio. Verlust erlitten. Die gerichtliche Tätigkeit sei einfacher Art gewesen. Über die Anträge habe ohne weitere Ermittlung entschieden werden können. Deshalb sei für jeden der beiden Bestellungsvorgänge ein Gegenstandswert von DM 500 000 ausreichend und angemessen. Hinsichtlich der Grundsätze, die bei der notwendigen Vergleichsberechnung der Bestellungskosten nach tatsächlichem Aufwand zu berücksichtigen seien, werde auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 25.11.1998 verwiesen. Da der Kammer keine hinreichenden eigenen Feststellungen zu dem tatsächlichen Aufwand für die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern möglich sei, sei die Sache zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

3. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts und zur eigenen Festsetzung des Geschäftswerts durch den Senat.

Die Entscheidung des Landgerichts kann schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Das Landgericht hat den...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge