Leitsatz (amtlich)

Haben die Parteien im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren nach Erörterung der Sache einen Vergleich geschlossen und ist dem Antragsteller ausdrücklich für das gesamte Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt worden, dann ist dieser Bewilligungsbeschluss für den Umfang der dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung bindend. Der Vergütungsanspruch ist in diesem Fall nicht auf eine 5/10 Prozessgebühr und eine 10/10 Vergleichsgebühr beschränkt (Abweichung vom OLG München, Beschl. v. 21.11.1986 – 11 WF 1437/86, RPfleger 1987, 101).

 

Normenkette

BRAGO § 122 Abs. 1; ZPO § 118 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 12 O 18502/01)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.03.2004; Aktenzeichen II ZB 21/03)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller hatte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Feststellungsklage beantragt. Das LG hat Termin gem. § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO auf den 13.12.2002 bestimmt. In diesem Termin haben die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen abschließenden Vergleich geschlossen, nachdem das LG dem Antragsteller mit Beschluss vom selben Tage Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt hatte. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das LG mit Beschl. v. 19.2.2003 den Bewilligungsbeschluss dahin gehend abgeändert, dass die Prozesskostenhilfe für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren gewährt wird.

Die an Rechtsanwalt … aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschl. v. 26.3.2002 auf 703,54 Euro festgesetzt (5/10 Prozessgebühr und 10/10 Vergleichsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer). Auf die dagegen von Rechtsanwalt … eingelegte Erinnerung hat das LG durch richterlichen Beschl. v. 7.5.2003 unter Abänderung des Beschl. v. 26.3.2003 über den dort festgesetzten Betrag hinaus eine weitere Vergütung i.H.v. 226,78 Euro (5/10 Verhandlungsgebühr zzgl. Mehrwertsteuer) zugunsten des dem Antragsteller beigeordneten Rechtsanwalts … festgesetzt. Dagegen hat nunmehr der Vertreter der Staatskasse Beschwerde eingelegt unter Hinweis auf die Rspr. des Senats (OLG München, Beschl. v. 21.11.1986 – 11 WF 1437/86, Rpfleger 1987 173), der das LG nicht gefolgt ist.

II. Die Beschwerde der Staatskasse ist zulässig (§ 128 Abs. 4 BRAGO), bleibt aber ohne Erfolg.

Auch wenn für das Prozesskostenhilfeverfahren selbst grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (BGH v. 30.5.1984 – VIII ZR 298/83, BGHZ 91, 311 = MDR 1984, 931 = NJW 1984, 2106), entspricht es nahezu einhelliger Meinung, dass für einen im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren gem. § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO zu schließenden Vergleich, durch den das gesamte Verfahren beendet wird, ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen der bedürftigen Partei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt werden kann (vgl. OLG München, Beschl. v. 21.11.1986 – 11 WF 1437/86, Rpfleger 1987, 173 = AnwBl 1987, 101 = JurBüro 1987, 442; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Prozesskostenhilfeverfahren, Anm. 7 m.w.N.), weil andernfalls der Antragsteller im eigenen (Kosten-)Interesse den Vergleichsabschluss im Prozesskostenhilfeverfahren ablehnen und auf der Durchführung des Hauptsacheverfahrens bestehen müsste, um dann dort – nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts – den Vergleich zu schließen, was im Hinblick auf den damit verbundenen höheren Zeit- und Kostenaufwand unzweckmäßig wäre und der Intention des § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO zuwiderliefe, den Streit der Parteien möglichst frühzeitig zu beenden.

Nach der Rspr. des Senats (OLG München, Beschl. v. 21.11.1986 – 11 WF 1437/86, Rpfleger 1987, 173 = AnwBl 1987, 101) kann im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren allerdings nur für den Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe bewilligt werden und nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren (ebenso OLG Hamburg JurBüro 1983, 287; OLG Celle JurBüro 1997, 200; Stein/Jonas-Bork, ZPO, 21. Aufl., § 114 Rz. 12) mit der Folge, dass dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse nur eine 5/10 Prozessgebühr und eine 10/10 Vergleichsgebühr zu vergüten ist. Nach mittlerweile h.M. kann – oder muss – dagegen bei Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO die Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die bedürftige Partei auf das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren erstreckt werden (vgl. OLG Stuttgart JurBüro 1986, 1576; OLG Bamberg JurBüro 1988, 901; JurBüro 1995, 423; OLG Hamm v. 23.1.1987 – 10 WF 449/86, FamRZ 1987, 1062; FamRZ 1998, 1302; OLG Koblenz v. 19.9.1989 – 15 WF 1000/89, FamRZ 1990, 180; OLG Nürnberg FamRZ 1998, 837; v. 1.7.1999 – 10 WF 2190/99, MDR 1999, 1286 = OLGReport Nürnberg 2000, 118 = 838; OLG Düsseldorf v. 23.1.2001 – 5 WF 234/00, FamRZ 2001, 11...

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