Leitsatz (amtlich)

Vertritt ein Anwalt mehrere Streitgenossen und ist zwei von ihnen ohne Einschränkung Prozesskostenhilfe bewilligt worden, so ist der Vergütungsanspruch des beigeordneten Anwalts gegen die Staatskasse nicht auf den Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 RVG-VV beschränkt; es ist die volle Vergütung nach § 49 RVG zu zahlen, soweit diese die Anteile nicht übersteigt, die im Innenverhältnis der Streitgenossen auf die bedürftigen Parteien entfallen.

 

Normenkette

RVG § 7 Abs. 2, §§ 49, 59; RVG-VV Nr. 1008

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 12.11.2008; Aktenzeichen 37 O 194/08)

 

Tenor

Der Beschluss I des Rechtspflegers beim LG Köln vom 12.11.2008 - 37 O 194/08 - i.d.F. des Beschlusses vom 23.4.2009 wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Rechtsanwalt T aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 843,47 EUR festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Den Beklagten zu 2) und 3) wurde einschränkungslos Prozesskostenhilfe bewilligt. Zugleich wurde ihnen Rechtsanwalt T beigeordnet, der auch den Beklagten zu 1) vertrat. Im Termin vom 27.8.2008 haben alle Beklagten ihre Zahlungsverpflichtungen anerkannt. Es erging Anerkenntnisurteil mit einer Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten als Gesamtschuldner. Rechtsanwalt T hat Antrag auf Festsetzung der ihm zustehenden Gebühren gestellt, der mit einem Betrag von 843,47 EUR endet. Mit Beschluss vom 12.11.2008 hat der Rechtspfleger unter Bezugnahme auf den Beschluss des BGH v. 1.3.1993 - II ZR 179/91 - (Rpfleger 1993, 452) lediglich 375,66 EUR festgesetzt und ausgeführt, die Prozesskostenhilfebewilligung erstrecke sich nur auf die Erhöhungsgebühr nebst Umsatzsteuer. Auf das Rechtsmittel von Rechtsanwalt T hin hat der Rechtspfleger die Sache dem Bezirksrevisor vorgelegt. Dieser hält die Entscheidung des BGH für vorliegend nicht anwendbar, weil den Beklagten zu 2) und 3) uneingeschränkt Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Zugleich hat er auf den Beschluss des Senates vom 29.6.1998 - 17 W 302/96 - (= OLGR 1998, 438) hingewiesen, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt von der Staatskasse den Betrag verlangen kann, den sein Mandant, dem er beigeordnet wurde, im Innenverhältnis zum gleichzeitig vertretenen Streitgenossen zu tragen hätte, dem keine Prozesskostenhilfe gewährt wurde.

Daraufhin hat der Rechtspfleger weitere 245,30 EUR, insgesamt mithin 620,96 EUR zugunsten von Rechtsanwalt T festgesetzt und die Sache wegen des Differenzbetrages i.H.v. 222,51 EUR dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 RVG unbedenklich zulässige Beschwerde hat auch in der Sache selbst vollen Erfolg.

Die nur teilweise Festsetzung durch den Rechtspfleger ist rechtsfehlerhaft. Dem beigeordneten Rechtsanwalt T stehen die beantragten 843,47 EUR in voller Höhe zu. Gemäß § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwaltes nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Geschieht dies wie vorliegend ohne Einschränkung, dann ist auch für eine reduzierte Gewährung von Gebühren kein Raum. Bei Wertgebühren ist der Anspruch gem. § 7 Abs. 2 RVG allerdings auf die Grundvergütung nach § 49 RVG zu reduzieren.

Keinesfalls beschränkt sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedoch allein auf die Erhöhung nach Nr. 1008 RVG-VV, wenn zwei Streitgenossen von dem selben Prozessbevollmächtigten in der selben Angelegenheit vertreten werden, aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Mit der nahezu einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung und der teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht (OLG Bamberg OLGReport Bamberg 2001, 28; OLG Brandenburg JB 2007, 259; OLG Celle Rpfleger 2007, 151 = AGS 2007, 250; OLG Düsseldorf Rpfleger 1997, 532; OLG Hamm Rpfleger 2003, 447 = AGS 2003, 509; OLG Jena OLGReport Jena 2007, 163; OLG München NJW-RR 1997, 191; OLG Schleswig JB 1998, 476; OLG Stuttgart JB 1997, 200; LG Frankenthal JB 1997, 92; LAG Rheinland-Pfalz JB 1997, 30; Fischer JB 1998, 4; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 48 RVG Rz. 65; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 48; Mathias, in: Bischof/Jungbauer u.a., RVG, 3. Aufl., § 48 Rz. 21; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u.a., RVG, 18. Aufl., § 49 Rz. 11; Rönnebeck NJW 1994, 2273; Schnapp, in: N. Schneider/Wolf, RVG, 4. Aufl., § 48 Rz. 58) hält der Senat an seiner Ansicht fest, dass der anderslautenden Entscheidung des BGH nicht zu folgen ist (a.A. ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten dem BGH folgend: OLG Koblenz MDR 2001, 1262; JB 2004, 384; OLG Naumburg Rpfleger 2004, 168; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 114 Rz. 7).

Die Auffassung des BGH wird dem Umstand nicht gerecht, dass der Rechtsanwalt sowohl ggü. dem bedürftigen wie auch dem gleichzeitig von ihm vertretenen vermögenden Streitgenossen gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG "die Gebühren und Auslagen zustehen, die sie...

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