Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Beschluss vom 30.12.2015; Aktenzeichen 3 O 225/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Karlsruhe vom 30.12.2015, Az. 3 O 225/15, aufgehoben. Die Sache wird an das zuständige LG Karlsruhe zurückverwiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.667 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten vor dem LG Karlsruhe auf Unterlassung sowie Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Er behauptet, der Beklagte habe ihn im Anschluss an einen Streit im Straßenverkehr beleidigt und geschlagen. Er begehrt deshalb ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 1000 EUR, den Ersatz eines Schadens am Kofferraum von 400 EUR und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren von 650,34 EUR. Zudem strebt er die Verurteilung des Beklagten dahin an, dem Kläger "nicht Prügel anzudrohen, den Kläger nicht anzugreifen sowie nicht auf sonstige Weise körperlich zu misshandeln sowie nicht außerhalb behördlicher und gerichtlicher Verfahren mit dem Kläger in Kontakt zu treten."

Wegen des zuletzt genannten Antrags hat sich das LG durch Beschluss vom 30.12.2015 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Familiengericht - Pforzheim verwiesen. Es hat angenommen, es handele sich insoweit um eine Gewaltsschutzsache im Sinne von §§ 1, 2 GewaltschutzG, für die nach § 210 FamFG die Zuständigkeit des Familiengerichts begründet sei.

Gegen diesen ihm am 8.1.2016 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 22.1.2016 eingegangenen sofortigen Beschwerde.

II. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3, Abs. 6 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das LG Karlsruhe ist für den Rechtsstreit insgesamt zuständig.

Die Zuständigkeit des Familiengerichts in Gewaltschutzsachen (§ 210 FamFG) schließt die Geltendmachung der allgemeinen Abwehransprüche nach den §§ 1004, 862, 823 BGB mit einer Klage beim Zivilgericht nicht aus (Neumann in Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 210 Rn. 1 Schwab in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 210 Rn. 2.1, Rn. 12).

Ob eine in die Zuständigkeit der Familiengerichte fallende Gewaltschutzsache oder eine allgemeine Zivilsache vorliegt, ist durch Auslegung des Antrags zu ermitteln (BT-Drucks. 16/6308, S. 251; Neumann in Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 210 Rn. 15; Schwab in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 210 Rn. 2.1, Rn. 12; vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 28.9.2009 - 21 WF 207/09, juris Rn. 16). Die Annahme einer Gewaltschutzsache (§ 210 FamFG) setzt voraus, dass eine Schutzmaßnahme nach § 1 oder § 2 des Gewaltschutzgesetzes begehrt wird (Schwab in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 210 Rn. 4); solche Maßnahmen können nur auf Antrag ergehen (MüKo. FamFG/Erbarth, 2. Aufl., § 210 Rn. 9, Rn. 32).

Die Auslegung des Antrags ergibt hier, dass eine Schutzmaßnahme nach dem Gewaltschutzgesetz nicht begehrt wird. Wie sich aus Antrag und Klagebegründung ergeben, ist die Klage unter anderem auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Beleidigung) gestützt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als solches wird durch das Gewaltschutzgesetz nicht geschützt (OLG Hamm, Beschluss vom 23.5.2011 - 8 UF 77/11, juris Rn. 3). Insoweit ist für Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz kein Raum. Der Inhalt eines etwa bestehenden Unterlassungsanspruchs bestimmt sich insoweit ausschließlich nach § 1004 BGB (MüKo. BGB/Krüger, 6. Aufl., § 1 GewaltSchG Rn. 19). Darauf beruft sich der Kläger auch ausdrücklich, wenn er die Grundlage seines Antrags im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und § 1004 BGB sieht (Schriftsatz vom 11.3.2016, Seite 1 = Bl. 93 GA). Ob diese Anspruchsgrundlagen den gestellten Antrag in vollem Umfang rechtfertigen, ist eine Frage der Begründetheit. In dieser Hinsicht etwa bestehende Zweifel sind nicht geeignet, das Vorliegen einer Gewaltschutzsache im Sinne des § 210 FamFG zu begründen. Dies gilt jedenfalls mit Blick darauf, dass der Kläger im Anschluss an einen Hinweis des Senats erneut klargestellt hat, ein Kontaktverbot nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GewaltschutzG gerade nicht anzustreben. Aufgrund dieser eindeutigen Festlegung kann dem Kläger ein solches Begehren nicht unterstellt werden. Zwar umfasst der Antrag seinem Wortlaut nach - auch in der im Beschwerdeverfahren geänderten Fassung - das an den Beklagten gerichtete Verbot "... nicht außerhalb behördlicher und gerichtlicher Verfahren mit dem Kläger in Kontakt zu treten". Dies kann jedoch nicht gegen den ausdrücklichen Willen des Klägers als Antrag auf eine Schutzmaßnahme nach § 1 des Gewaltschutzgesetzes ausgelegt werden. Denn dieser Antrag kann - wie dargelegt - auch auf eine (behauptete) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Verbindung mit § 1004 BGB gestützt werden. Dies ist hier nach der eindeutigen Festlegung des Klägers anzunehmen. Unabhängig davon, ob der Antrag mit dieser Begründung Erfolg haben ...

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