Leitsatz (amtlich)

Die Einleitung von Umgangsverfahren nach §§ 1684 Abs. 3 BGB und 166 Abs. 1 FamFG, 1696 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt von Amts wegen (§ 24 FamFG). Das Familiengericht ist zur Einleitung eines Verfahrens verpflichtet, wenn Kindeswohl oder Elternrecht eine gerichtliche Regelung des Umgangs erfordern oder triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Umstände die Abänderung einer gerichtlichen Umgangsregelung erfordern.

Weil sich die Kindeseltern einer Beteiligung am Verfahren nicht entziehen können (§ 7 Abs. 2 FamFG), ist ihnen in einem Umgangsverfahren auf ihren Antrag hin bei wirtschaftlicher Bedürftigkeit grundsätzlich unabhängig von der Erfolgsaussicht etwaiger Sachanträge Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Daraus folgt zwingend, dass das Familiengericht noch vor Bescheidung der Verfahrenskostenhilfeanträge der Eltern über die Einleitung des Umgangsverfahrens zu entscheiden hat. Wird ein Verfahrenskostenhilfeantrag bereits vorher zurückgewiesen, ist diese Entscheidung auf das Rechtsmittel des Beschwerten aufzuheben und die Sache zur Nachholung der Prüfung einer Verfahrenseinleitung und zur anschließenden Neubescheidung des VKH-Antrags an das Familiengericht zurückzuverweisen.

 

Normenkette

BGB § 1684 Abs. 3, § 1696 Abs. 1 S. 1; FamFG § 7 Abs. 2, §§ 24, 76 Abs. 1, § 166 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Büdingen (Aktenzeichen 53 F 277/20)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen mit der Maßgabe, zunächst über die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung einer Abänderung der von den Kindeseltern am 04.04.2019 zu Az. 53 F 121/19 UG getroffenen und mit Beschluss vom 21.04.2020 gerichtlich gebilligten Umgangsregelung, und gegebenenfalls anschließend erneut über den Verfahrenskostenhilfeantrag des Kindesvaters und über die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu entscheiden. Dem Kindesvater ist im Falle der Einleitung eines Verfahrens ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

 

Gründe

Mit seiner am 22.09.2020 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde vom selben Tag wendet sich der Kindesvater gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein von ihm mit Datum 21.04.2020 angeregtes Verfahren zur Prüfung einer Abänderung einer gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung vom 04.04.2019, Az. 53 F 121/19 UG des Amtsgerichts - Familiengericht - Büdingen. Unter Bezugnahme auf das schriftliche Gutachten der im parallel geführten Sorgeverfahren (Az. 53 F 911/18 SO) beauftragten Sachverständigen ... vom 30.09.2019, die unter Kindeswohlgesichtspunkten ein "umfangreiches Umgangsrecht" empfiehlt, begehrt der Kindesvater in der Sache eine deutliche Ausdehnung der vereinbarten Umgangskontakte zu seinem ...jährigen Sohn. Das Familiengericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der beabsichtigten Rechtsverfolgung des Kindesvaters fehle es an den erforderlichen Erfolgsaussichten; es liege bereits eine Umgangsregelung vor.

Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht, das vor einer erneuten Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag des Kindesvaters zunächst über die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung einer Abänderung der gerichtlich gebilligten Umgangsregelung zu entscheiden hat. Anhand der Akten ist nicht erkennbar, dass bislang über die Prüfung des Verfahrenskostenhilfegesuchs hinausreichende Schritte (Zustellungen, Anhörungen, Bestellung eines Verfahrensbeistands) unternommen wurden.

Bei Kindschaftssachen, die das Umgangsrecht betreffen, sowohl bei Erstverfahren nach § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB als auch bei Abänderungsverfahren nach §§ 166 Abs. 1 FamFG, 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB, handelt es sich nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen um von Amts wegen zu führende Verfahren iSd. § 24 FamFG (st. Rspr. des Senats, vgl. FamRZ 2020, 1109; Beschlüsse vom 22.06.2018 - 4 WF 83/18 und vom 13.11.2017 - 4 WF 209/17, n. v.; Beschluss vom 19.03.2013 - 4 UF 261/12, juris; so auch BGH FamRZ 2017, 1668; OLG Frankfurt (5. Familiensenat) FamRZ 2015, 1991; OLG Frankfurt (6 Familiensenat) FamRZ 2014, 576 mwN.; OLG Frankfurt (1. Familiensenat) FamRZ 2014, 53; OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1993; zum Abänderungsverfahren ausdrücklich OLG Celle ZKJ 2011, 433; vgl. Palandt/Götz, BGB, 79. A., § 1696 Rn. 6). Wird - wie hier - die Einleitung eines Umgangsverfahrens angeregt, hat das Amtsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob es ein Verfahren einleitet. Hierzu ist es verpflichtet, wenn sich aus der Anregung und den dem Gericht bekannten Tatsachen, von denen das Gericht gegebenenfalls im Rahmen weiterer Vorermittlungen Kenntnis erlangt hat, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Kindeswohl oder das aus dem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht erwachsende Umgangsrecht eine gerichtliche Umgangs...

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