Leitsatz (amtlich)

Der betreuende Elternteil kann im eigenen Namen gegen den anderen Elternteil ein Verfahren auf Verpflichtung zum Umgang mit gemeinsamen Kindern anstrengen (Abweichung zu BGH, Beschl. v. 14.5.2008 - XII ZB 225/06, FamRZ 2008, 1334).

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Beschluss vom 07.05.2013)

 

Tenor

Die Beschwerde vom 7.5.2013 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Darmstadt vom 4.4.2013 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung des Beschlusses vom 4.4.2013 wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 3.000 EUR.

 

Gründe

Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte, insbesondere gem. §§ 59 ff. FamFG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.

Zur Darstellung des Sachverhalts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Ziff. I der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

Der erstinstanzlichen Entscheidung steht nicht entgegen, dass das Verfahren auf einen von der allein sorgeberechtigten Kindesmutter im eigenen Namen formulierten Antrag auf Regelung des Umgangs für die Kinder der beteiligten Ehegatten zurückgeht (so aber für den Fall der Einleitung eines auf Umgangsverpflichtung gerichteten Verfahrens durch die Kindesmutter BGH, Beschl. v. 14.5.2008 - XII ZB 225/06, FamRZ 2008, 1334, Rz. 12 zitiert nach juris). Dieses Ergebnis ist jedenfalls zwingend, wenn man davon ausgeht, dass der betreuende Elternteil auch in Verfahren, in denen zwischen den Beteiligten Streit über eine Umgangsverpflichtung besteht, aus eigenem Recht eine Umgangsverpflichtung geltend machen kann (so Veit in: BeckOK/BGB, Hrsg.: Bamberger/Roth, Stand 1.11.2011, § 1684 Rz. 50; Zempel FF 2010, 238, 243; VerfGH Berlin, Beschl. v. 29.1.2004 - 152/03, FamRZ 2004, 970, Rz. 6 zitiert nach juris; so wohl auch Borth, FamRZ 2009, 157, 160, Heistermann FF 2009, 281, 283 und Socha, FamRZ 2010, 947, 948, die ohne Differenzierung zwischen einzelnen Fallkonstellationen davon ausgehen, dass jedem Elternteil aus § 1684 BGB ein materiell-rechtlicher Anspruch erwächst). Dafür spricht, dass das Sorgerecht auch die Befugnis und Pflicht umfasst, im Kindeswohl die Bestimmung des Umgangsrechts zu treffen, was die Entscheidung umfasst, diese Pflicht einzufordern (Zempel, FF 2010, 238, 243). Zu dem Ergebnis, dass hier die Voraussetzungen für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens vorlagen, kommt man ebenfalls, wenn man davon ausgeht, dass das Umgangsverfahren ein Amtsverfahren ist oder jedenfalls auch von Amts wegen eingeleitet werden kann, denn dann ist der im eigenen Namen erfolgte Antrag der Kindesmutter als Anregung einzuordnen, die das AG hier zu einer Aufnahme des Umgangsverfahrens von Amts wegen veranlasst hat (zur Zulässigkeit der Einleitung eines Umgangsverfahrens von Amts wegen OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.6.2011 - 4 WF 144/11; implizierend OLG Köln, Beschl. v. 21.2.2012 - 4 UF 258/11, Rz. 15 zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschl. v. 4.4.2011 - 8 UF 161/10, Rz. 64 zitiert nach juris; Stößer in: Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 51 Rz. 2, § 151 Rz. 15; Ahn-Roth in: Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl., Vor §§ 23, 24 Rz. 3; Feskorn in Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 23 FamFG Rz. 1; Sternal in: Keidel, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 23 Rz. 6; differenzierend danach, ob ein Antrag tatsächlich gestellt ist oder nicht Giers in: Keidel, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 51 Rz. 4; vgl. auch Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2012, Rz. 161; Büte in: Handbuch des Fachanwalts, Familienrecht, 8. Aufl. 2011, 4. Kap. Rz. 631; Schael in: Eckebercht/Große-Boymann/Gutjahr/Paul/Schael von Swieykowski-Trzaska/Weidemann, Verfahrenshandbuch Familiensachen, 2. Aufl. 2010, § 2 Rz. 83; Rauscher in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2006, § 1684 Rz. 373; mit Einschränkung Götz in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, Rz. 9; zum alten materiellen Recht, d.h. zu § 1634 BGB in der bis 1998 geltenden Fassung s. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.10.1992 - 5 UF 237/91, Rz. 5 zitiert nach juris mit weiteren Nachweisen; zur Zulässigkeit der Einleitung eines Abänderungsverfahrens von Amts wegen s. BGH, Beschl. v. 1.2.2012 - XII ZB 188/11, FamRZ 2012, 533, Rz. 21 zitiert nach juris).

Die in der ersten Instanz getroffene Regelung entspricht auch den Vorgaben des § 1684 Abs. 3 BGB. Das Familiengericht kann eine Umgangspflicht des nicht betreuenden Elternteils anordnen (BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 - 1 BVR 1620/04, NJW 2008, 1287, FamRZ 2008, 845, Rz. 62 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.8.2008 - 16 WF 194/08, FamRZ 2009, 354, Rz. 10 zitiert nach juris). Die in § 1684 Abs. 1 BGB statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind ist eine zulässige Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind. Der Umgang dient dazu, die zwischen dem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil bestehenden Bindungen zu pflegen und dem gegenseitigen Liebesbedür...

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