Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Rotlichtüberwachung mit dem Messgerät Poliscan FM1 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren.

2. Es bedarf keiner Ausführungen zu der Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit und seinem Abstand von der Ampel bei deren Umschalten auf Rotlicht, wenn der Rotlichtverstoß innerhalb geschlossener Ortschaften begangen wurde.

3. Von der vorzuwerfenden Rotzeit, die das Messgerät Poliscan FM1 nach den PTB-Anforderungen unter Berücksichtigung sämtlicher Einflussfaktoren automatisch ermittelt, ist keine (weitere) Toleranz in Abzug zu bringen.

4. Verweigert die Bußgeldbehörde die Herausgabe von Messunterlagen oder Messdaten, bedarf es für eine zulässige Gehörsrüge der Darlegung, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt, in der Hauptverhandlung deren Unterbrechung oder Aussetzung beantragt und dieser Antrag durch Gerichtsbeschluss abgelehnt oder nicht beschieden wurde.

5. Die bloße Nichtbeiziehung von Messunterlagen oder Messdaten, die sich nicht bei der Akte befinden, berührt nicht den Schutzbereich des Grundrechts auf rechtliches Gehör.

 

Normenkette

OWiG § 80 Abs. 1, 3; StVO § 37 Abs. 2 Nr. 1, § 49 Abs. 3 Nr. 2; StPO § 344 Abs. 2

 

Tenor

Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründetverworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 130 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich dessen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Bei Verhängung einer Geldbuße von nicht mehr als 250 Euro ohne Nebenfolge ist die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 OWiG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

1.

Die Sachrüge bietet keinen Anlass, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Der Fall wirft keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und abstraktionsfähige Rechtsfrage von praktischer Bedeutung auf.

a) In der Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass es sich bei der automatischen Rotlichtüberwachung mit dem Laserscanner Poliscan um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. zum Gerätetyp Poliscan F1 HP: KG Berlin VRS 129, 143, 146; BeckRS 2015, 19017; OLG Saarbrücken SVR 2018, 155; OLG Hamm BeckRS 2018, 17940). Für das vorliegend eingesetzte Nachfolgemodell Poliscan FM1, das ebenfalls sowohl für die Geschwindigkeitsmessung als auch für die Rotlichtüberwachung verwendet werden kann, gilt nichts anderes (vgl. OLG Zweibrücken ZfSch 2019, 591; BeckRS 2020, 5104; OLG Brandenburg BeckRS 2020, 24; VG Lüneburg SVR 2020, 78; VG Saarlouis BeckRS 2020, 529).

Das Messgerät Poliscan FM1 (Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage) hat mit Zertifikat der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 23. Juni 2017 (DE-17-M-PTB-0033) die amtliche Bauartzulassung erhalten. Nach der durchgeführten Konformitätsbewertung sind bei diesem Gerätetyp die Messrichtigkeit, Messbeständigkeit und Zuordnungssicherheit gewährleistet, so dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.

b) Ebenso ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt, dass es in dem Urteil keiner Ausführungen zu der Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit und seinem Abstand von der Ampel bei deren Umschalten auf Rotlicht bedarf, wenn der Rotlichtverstoß - wie hier - innerhalb geschlossener Ortschaften begangen wurde (vgl. OLG Jena DAR 2006, 225, 226; OLG Bremen NZV 2010, 42, 43; OLG Hamm BeckRS 2011, 2953; OLG Bamberg DAR 2014, 277; KG Berlin VRS 135, 98, 100 u. BeckRS 2019, 18056). Denn innerorts kann grundsätzlich von einer nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und einer Gelbphase von drei Sekunden ausgegangen werden, was eine gefahrlose Bremsung ermöglicht.

c) Soweit in der Antragsschrift beanstandet wird, dass in dem Urteil Angaben zu den Abständen der Induktionsschleifen fehlen, stellt sich schon keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage.

Die von dem Verteidiger in diesem Zusammenhang verwendeten Textbausteine passen nicht zu dem vorliegenden Fall. Denn sie betreffen Rotlichtüberwachungsanlagen (z. B. Traffipax TraffiPhot III), die auf hinter der Haltelinie verlegten Induktionsschleifen basieren. Bei dem Laserscanner Poliscan FM1 existieren keine Sensoren im Straßenbelag. Vielmehr wird die Fahrzeugposition durch einen Laserstrahlfächer kontinuierlich erfasst. Dadurch erkennt das System, wann das Fahrzeug die Haltelinie überfährt. Da die in das Messfoto eingeblendete Rotzeit unmittelbar beim Überfahren der Haltelinie gemessen wird, entfällt die Rückrechnung, die beim Überfahren von Induktionsschleifen vorzunehmen ist (vgl. zum Gerätetyp Poliscan F1 HP: KG ...

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