Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Rotlichtüberwachung mit dem Messgerät PoliScan F1 HP handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren.

2. Die zulässige Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wegen unterbliebenen Hinweises auf die beabsichtigte Verwertung einer Tatsache als gerichtsbekannt erfordert den Vortrag, dass die als gerichtskundig angesehene Tatsache auch nicht in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt wurde.

3. Durch die bloße Nichtüberlassung sich nicht bei der Akte befindender Messunterlagen und Messdaten, die auch nicht Gegenstand der Urteilsfindung gewesen sind, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht beeinträchtigt (im Anschluss an: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 - 2 RBs 63/15, juris Rn. 26; OLG Bamberg DAR 2016, 337 ff. - juris Rn. 33; StraFo 2016, 461 f. - juris Rn. 5; entgegen OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 - 1 Ss (OWi) 96/16, juris Rn. 4 f.).

4. Eine analoge Anwendung des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG auf Fälle der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren kommt nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Entscheidung vom 17.02.2017; Aktenzeichen 22 OWi 699/16)

 

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 17. Februar 2017 wird kostenpflichtig als unbegründet

v e r w o r f e n.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße in Höhe von 90,-- Euro festgesetzt. Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem er - unausgeführt - die Verletzung materiellen Rechts und unter mehreren, näher dargelegten Gesichtspunkten die Versagung des rechtlichen Gehörs, in einem Fall zugleich die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, rügt.

II.

Der statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete, mithin zulässige Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 80 Abs. 3 Satz 1 und 3, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO) ist unbegründet, da ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist.

1. Wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG) ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall bereits gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ausgeschlossen, da lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100,-- € verhängt worden ist.

2. Zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG) ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht geboten.

a) Dieser Zulassungsgrund kommt nur bei Rechtsfragen in Betracht, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig, d.h. durch Aufstellen abstrakt-genereller Regelungen von praktischer Bedeutung sind (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 17. Aufl., § 80 Rn. 3 m.w.N.). Er ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht gegeben, wenn die sich stellenden Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Wesentlichen geklärt sind oder die Beurteilung des festgestellten Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht entscheidend von den konkreten Gestaltungen des Einzelfalls abhängt (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juni 2017 - SsRS 27/2017 (44/17 OWi) - m.w.N.). Selbst eine falsche Entscheidung im Einzelfall rechtfertigt für sich allein die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts noch nicht, weil die Vorschrift nicht der Einzelfallgerechtigkeit dient (vgl. vorgenannten Senatsbeschluss). Daneben muss die Nachprüfung im Sinne eines Sich-Aufdrängens geboten sein, die Zulassung zur Überprüfung der Anwendung des Rechts also nicht etwa nur nahe liegen, vertretbar, sinnvoll oder wünschenswert sein (vgl. vorgenannten Senatsbeschluss m. w. N.; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. O., § 80 Rn. 15; KK-OWiG/Senge, 4. Aufl., § 80 Rn. 39).

b) Gemessen hieran werden im vorliegenden Fall auf die Sachrüge hin keine Rechtsfragen aufgeworfen, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts erforderlich erscheinen lassen.

Insbesondere ist es in der obergerichtlichen, vom Senat geteilten Rechtsprechung anerkannt, dass es sich bei der automatischen Rotlichtüberwachung mit dem - vorliegend stationär eingesetzten - Messgerät PoliScan F1 HP um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. KG VRS 129, 143, 146; Senatsbeschluss vom 28. Juni 2017 - SsRS 19/2017 (35/17 OWi) -; s.a. König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 37 Rn. 49; Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 3651) mit den sich daraus ergebenden weniger strengen Anforderungen an die Darstellung in den Urteilsgründen. Hieran hat auch der - den Einsatz des genannten Geräts zur Geschwindigkeitsmessung betreffende - Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 29.11.2016 (Az.: 21 OWi 509 Js 35740/15, ZfSch 2017, 114 f. = DAR 2017, 213 f.), auf den sich die Verteidigerin zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung beruft, nichts geändert hat (vgl. OLG Zweibrücken ZfSch 2017,...

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