StVO: Bei Rot über die Ampel – wann gilt Vorsatz?

Wer vorsätzlich eine Ampel bei Rot überfährt, dem drohen empfindlich hohe Geldbußen. Doch wann kann Vorsatz unterstellt werden und wann nicht? Dazu hat sich das Kammergericht Berlin geäußert.

Ein Autofahrer näherte sich einer Ampel, die gerade von Grün auf Gelb umgesprungen war. Bremsen oder Gas geben und hoffen, die Ampel noch vor dem Umspringen auf rot zu überfahren? Der Mann entschied sich für Letzteres, beschleunigte und überfuhr die Ampel, nachdem diese bereits auf Rot gesprungen war.

200 Euro Geldbuße

Das Amtsgericht Berlin sah in diesem Verhalten einen vorsätzlichen Rotlichtverstoß und verhängte eine Geldbuße von 200 Euro. Dagegen wehrte sich der Fahrer. Das Kammergericht Berlin folgte dieser Argumentation nicht. Es bestätigte die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Rotlichtverstoßes.

Vorsatz setzt Wissen und Wollen der Tat voraus. Das Tatgericht müsse darlegen, aufgrund welcher Umstände der Betroffene es mindestens für möglich hielt, die Haltlinie der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage bei Rot überfahren zu haben.

Voraussetzungen für einen vorsätzlichen Rotlichtverstoß

Die bloße Feststellung, dass der Fahrzeugführer jederzeit sein Fahrzeug hätte verkehrsgerecht anhalten können, lasse nicht den Schluss zu, dass der Fahrer entschlossen war, die Haltelinie bei Rot zu überfahren. Ebenso wenig dürfe allein aus der Dauer des Rotlichtverstoßes – ohne weitere belastbare Anzeichen – auf ein vorsätzliches Handeln geschlossen werden.

Welche Bedeutung der Geschwindigkeit und der Entfernung zur Ampel zukommt

Die bisherige Rechtsprechung des Senats ging davon aus, dass eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Rotlichtverstoßes nur dann erfolgen könne, wenn das Gericht festgestellt hat, mit welcher Geschwindigkeit sich der Betroffene einer Ampel genähert und aus welcher Entfernung zur Haltlinie er das dem Rotlicht vorausgehende Gelb bemerkt hat.

Könne das Gericht – wie im vorliegenden Fall – diese Feststellungen nicht treffen, bedeute dies aber nicht, dass eine entsprechende Verurteilung gestützt auf andere Feststelllungen nicht möglich sei. Verkehrssituationen, in denen es zu einem vorsätzlichen Rotlichtverstoß kommen könne, könnten vielfältig sein.

Diverse Verhaltensweisen können einen Vorsatz begründen

So sei es dankbar, dass ein Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeit vor einer Ampel zunächst verringere oder sogar vor ihr anhalte, beispielsweise um den Querverkehr passieren zu lassen, dann aber eine Kreuzung trotz Rotlichts überfahre. In einem solchen Fall komme es weder auf die gefahrene Geschwindigkeit noch auf die Entfernung zur Haltelinie, sondern auf andere Feststellungen an, um einen Vorsatz zu begründen, so wie im vorliegenden Fall.

Zwei Polizisten, die mit einer gezielten Rotlichtüberwachung beauftrag waren, hatten bemerkt, dass das Fahrzeug beschleunigt wurde, als es zwei bis drei Autolängen von der Haltelinie der bereits auf Rot gesprungenen Ampel entfernt war. Der Autofahrer habe die Haltlinie dann ungebremst überfahren.

Mögliche Fehleinschätzung für das Gericht nicht relevant

Das Gericht sah keine Veranlassung, sich mit hypothetischen, für den Betroffenen günstigen Handlungsalternativen auseinanderzusetzen. Etwa mit der Frage, ob der Autofahrer der Fehleinschätzung unterlag, er könne die Haltelinie noch vor dem Umspringen der Ampel auf Rot passieren.

Ebenfalls nicht relevant war für das Gericht die Frage, ob der Autofahrer das Gelb- und anschließende Rotlicht möglicherweise aufgrund einer Unaufmerksamkeit so spät bemerkt haben könnte, dass es ihm nicht mehr möglich war, das Auto vor der Ampel zum Stehen zu bringen.


KG Berlin, Beschluss v. 24.06.2021, (3 Ws (B) 131/21)


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