Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Entstehen der Zahlungsverpflichtung. wesentliche Leistungen eines Krankenhauses. Vorliegen einer vollstationären Behandlung. keine starre Mindestaufenthaltsdauer. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung. beschleunigte Abwicklung von Krankenhausabrechnungen und eine zügige Klärung medizinischer Zweifelsfragen

 

Orientierungssatz

1. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 erforderlich ist (vgl BSG vom 18.9.2008 - B 3 KR 15/07 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 11).

2. Aus der in § 107 Abs 1 SGB 5 enthaltenen Umschreibung der Krankenhäuser in organisatorischer Hinsicht, wonach die Krankenbehandlung vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung zu erfolgen hat, lässt sich der Schluss ziehen, dass diese die wesentlichen Leistungen eines Krankenhauses darstellen, wobei die intensive, aktive und fortdauernde ärztliche Betreuung im Vordergrund steht und die Pflege in aller Regel untergeordnet ist (vgl BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 17/06 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 8).

3. Eine vollstationäre Versorgung liegt augenfällig dann vor, wenn sich die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt.

4. Die Aufenthaltsdauer eines Versicherten in einer Klinik von knapp 16 Stunden schließt eine vollstationäre Behandlung nicht von vornherein aus, denn eine 24stündige Mindestaufenthaltsdauer des Patienten im Krankenhaus ist hierfür nicht Voraussetzung.

5. Aus der Rechtsprechung des BSG lässt sich eine starre Mindestaufenthaltsdauer nicht entnehmen.

6. Die Regelung des § 275 SGB 5 bezweckt in seiner ab 1.4.2007 geltenden Fassung zusammen mit anderen Bestimmungen - insbesondere § 8 Abs 7 KHEntgG und den Vereinbarungen in den Verträgen nach § 112 SGB 5 - vor allem die beschleunigte Abwicklung von Krankenhausabrechnungen und eine zügige Klärung medizinischer Zweifelsfragen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.09.2013; Aktenzeichen B 3 KR 34/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. September 2011 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 678,14 nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 4. Mai 2010 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.

Die 1985 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte A.G. wurde am 31. März 2010 um 20.38 Uhr in einer von der Klägerin betriebenen Klinik als Notfall aufgenommen und am Folgetag um 12.28 Uhr regulär entlassen. In den von der Klägerin an die Beklagte nach § 301 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) übermittelten Daten wurde als Aufnahmediagnose ein Volumenmangel (ICD E86) genannt. Bei der Entlassung wurden als Hauptdiagnose eine sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen Ursprungs (A09.O) sowie als Nebendiagnose ein Volumenmangel genannt.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten mit Rechnung vom 12. April 2010 einen Betrag in Höhe von EUR 678,14 für eine vollstationäre Behandlung der Versicherten. Die Beklagte verweigerte die Begleichung der Rechnung mit der Begründung, es habe keine vollstationäre, sondern lediglich eine ambulante Behandlung vorgelegen, da der Versicherte nicht mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verweilt habe. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde nicht eingeschaltet.

Die Klägerin hat am 8. März 2011 Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrages nebst Zinsen erhoben. Sie trägt vor, das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar ausgeführt, dass eine stationäre Behandlung vorliege, wenn der Patient vor oder nach dem Eingriff eine Nacht im Krankenhaus verbringe, von einer starren Mindestfrist von 24 Stunden sei indes keine Rede gewesen. Im Übrigen sei mittlerweile die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V abgelaufen, sodass die Beklagte keine Einwendungen mehr vorbringen könne, die einer Überprüfung durch den MDK zugänglich wären.

Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, eine Abgrenzung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung könne nur anhand der tatsächlichen Aufenthaltsdauer des Versicherten erfolgen. Dementsprechend habe das BSG festgestellt, dass der Patient bei der vollstationären Versorgung zeitlich ununterbrochen, also Tag und Nacht, im Krankenhaus untergebracht sein müsse. Dies könne bei herkömmlicher Betrachtungsweise nur so verstanden werden, dass eine Aufenthaltsdauer von mindestens 24 Stunden erforderlich sei. Da somit keine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege und im Übrigen nur eine Rechtsfrage streitig sei, entfalle die Pflicht zur Prüfung durch den ...

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