Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der Anzahl der Mitarbeiter in der Verwaltung bei Kündigungsschutzgesetz. Gemeinde als Grundlage der Zahl der Mitarbeiter nach § 23 KSchG. Einheitlicher Verwaltungsapparat bei Anwendungsbereich des § 23 KSchG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Ermittlung der für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes erforderlichen Anzahl der i.d.R. beschäftigten Arbeitnehmer (§ 23 KSchG) ist auf die Verhältnisse der Gemeinde, nicht auf die Verhältnisse des Amtes abzustellen.

2. Eine gemeinsame Verwaltung mehrerer Verwaltungsträger analog dem gemeinsamen Betrieb setzt voraus, dass der Kern der Arbeitgeberfunktion, insbesondere das arbeitgeberseitige Weisungsrecht, bei derselben institutionellen Verwaltungsleitung liegt.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 23; BGB § 242; KV MV §§ 126-127; ZPO § 97

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 08.06.2021; Aktenzeichen 13 Ca 470/20)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund, Kammern Neubrandenburg, vom 08.06.2021 zum Az.: 13 Ca 470/20 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, insbesondere um die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.

Der im Dezember 1963 geborene Kläger war seit Juli 1991 bei der dem Amt L. zugehörigen Beklagten als Gemeindearbeiter in der Funktion eines Vorarbeiters zuletzt zu einem Bruttomonatsverdienst von ca. 3.108,50 € beschäftigt. Es gehörte zu seinen Pflichten, sich um die Pflege und Unterhaltung der kommunalen Einrichtungen, Grünflächen, Sportanlagen, Spielplätze, Verkehrsanlagen einschließlich Winterdienst, Bau- und Gewässerpflegearbeiten zu kümmern, kleinere Instandsetzungsarbeiten und Reparaturen durchzuführen, die dafür notwendige Technik zu bewirtschaften und bei der Vor- und Nachbereitung kommunaler Veranstaltungen Hilfe zu leisten. Die Beklagte hat neben dem Kläger drei weitere Gemeindearbeiter beschäftigt.

Die Beklagte erfüllt mit 1.335 Einwohnern nicht die Voraussetzungen für eine Amtsfreiheit gem. § 125 Abs. 4 S. 1 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V).

Zum Amt L. gehören neun Kommunen. Es verfügt über den Fachbereich "zentrale Steuerung" unter anderem mit dem Bereich Personalmanagement. Der ehrenamtliche Bürgermeister der Beklagten ist gem. § 39 Abs. 2 KV M-V Dienstvorgesetzter der Gemeindebediensteten. Er entscheidet z. B. über deren Urlaubsanträge und leitet diese sodann zum Zwecke der Führung der Urlaubskartei und der Personalakte an das Amt L. weiter.

Nach seiner Amtsübernahme im Jahr 2019 hat der Bürgermeister der Beklagten den Mitarbeitern die Anweisung erteilt, nicht mehr - wie es bis dahin üblich war - mit der Beklagten gehörender Gerätschaft Arbeiten auf Privatgrundstücken durchzuführen.

Mit Schreiben vom 29.11.2019 (Anlage 5, Bl. 29 d. A.) hat die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung erteilt mit dem Vorwurf, durch seine Anweisung veranlasst zusammen mit drei weiteren Mitarbeitern auf einem Privatgrundstück unter Einsatz der Gemeinde gehörender Technik gärtnerische Arbeiten durchgeführt zu haben.

Am 04.11.2020 ist der Kläger nach der Entsorgung von Elektroschrott während seiner Arbeitszeit zu seinem fünf Kilometer entfernt liegenden Privatgrundstück in A-Stadt gefahren, hat dort Grünschnitt aufgeladen und diesen beim Wertstoffhof in H. entsorgt.

Die Beklagte hat beabsichtigt, wegen dieses Verhaltens die außerordentliche Kündigung für das Arbeitsverhältnis des Klägers auszusprechen. Nach Beratung im Gemeinderat hat die Beklagte unter Berücksichtigung sozialer Belange des Klägers das Arbeitsverhältnis mit ihm durch Schreiben vom 25.11.2020 ordentlich zum 30.06.2021 gekündigt. Der Kläger hat dieses Kündigungsschreiben am 08.12.2020 seinem Briefkasten entnommen.

Mit der am 10.12.2020 vorab per Fax beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil ihr die erforderliche soziale Rechtfertigung fehle. Das Kündigungsschutzgesetz sei anwendbar, weil ein gemeinsamer Betrieb mit mehr als fünf Beschäftigten vorliege. Die dem Amt zugehörigen Gemeinden hätten sich für den Kern der Arbeitgeberfunktionen auf eine einheitliche institutionelle Leitung im sozialen und personellen Bereich geeinigt und bildeten damit eine der Rechtsfigur des Gemeinschaftsbetriebes entsprechende Einheit. Es liege eine "Gemeinschaftsverwaltung" vor und es sei kein Grund ersichtlich, wieso die für privatrechtlich organisierte Betriebe geltende Rechtsprechung im Hinblick auf die kündigungsschutzrechtliche Beziehung zu einer Gemeinde anders zu beantworten sein sollte. Für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes spräche, dass die Beklagte nach außen unter der Bezeichnung "Gemeinde W. - im Amt L." auftrete, dass der Amtsausschuss die unter § 2 der Hauptsatzung des Amtes genannten Angelegenheiten erörtere, dass das Amt in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung d...

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