Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kündigungsschutz nach Kündigungsschutzgesetz für Arbeitnehmer amtsangehöriger Gemeinden, die selber nicht mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beschäftigt eine amtsangehörige Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern noch eigene Arbeitnehmer, ist für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 KSchG auf die Verhältnisse in der Gemeinde und nicht auf die Verhältnisse im Amt abzustellen (so schon LAG Mecklenburg-Vorpommern 26.September 2006 – 5 Sa 67/06 –).

2. Auch bei Kündigungen, die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, muss der Arbeitgeber ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen (LAG Mecklenburg-Vorpommern 26.September 2006 aaO). Insofern darf die Kündigung nicht willkürlich ausgesprochen werden. Zur Wirksamkeit der Kündigung reicht es aber im Regelfall aus, wenn mit ihr ein rechtlich gebilligter Zweck verfolgt wird.

3. Es ist kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG, wenn die Unterzeichner des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) in § 34 Absatz 2 TVöD den tariflichen Schutz vor ordentlichen Kündigungen bei Vorliegen der dort geregelten Voraussetzungen auf das Tarifgebiet West beschränken.

 

Normenkette

KSchG § 23; BGB § 242; TVöD § 34 Abs. 2; GG Art. 3

 

Tenor

1. Auf die klägerische Berufung und unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils wird festgestellt, dass die Kündigung vom 19.05.2010 das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31.12.2010 beendet hat.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu ¾ und im Übrigen die Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten inzwischen noch um die Wirksamkeit einer von der Beklagten mit Datum vom 19. Mai 2010 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. In Streit steht die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und auch die maßgebliche Kündigungsfrist.

Der 1954 geborene Kläger ist bei der beklagten Gemeinde seit 1992 als Gemeindearbeiter zuletzt mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von durchschnittlich 2.100,00 Euro beschäftigt. Der Kläger gehört zum Kreis der anerkannt schwerbehinderten Menschen. Im heute noch maßgeblichen Formulararbeitsvertrag vom 1. Oktober 1992 heißt es zur Anwendung von Tarifverträgen wörtlich (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift überreichte Kopie, hier Blatt 10 f Bezug genommen):

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BMT-G-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.”

Die beklagte Gemeinde gehört nach der Kreisgebietsreform 2011 zum Landkreis L.-P.. Bereits im September 1991 hatte sie mit anderen Gemeinden rund um die Stadt H. den Errichtungsvertrag über die Gründung der Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinden um H. unterzeichnet (Kopie als Anlage B 3 überreicht, hier Blatt 127 ff). Aus dieser Verwaltungsgemeinschaft ist durch die Erste Landesverordnung zur Bildung der Ämter und die Bestimmung von amtsfreien Gemeinden Ende März 1992 das Amt H.-Land entstanden, dem die beklagte Gemeinde noch heute angehört. Das Amt ist nach § 128 Kommunalverfassung MV 2011 (KV MV) Träger der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises (§ 3 KV MV), also der kommunalen Pflichtaufgaben. Zu diesem Zwecke hat das hier betroffene Amt eine eigene Amtsverwaltung eingerichtet, in der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne von § 23 KSchG beschäftigt sind.

Zur selbstständigen Erledigung sind den amtsangehörigen Gemeinden daher nur die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (freiwillige kommunale Aufgaben, § 2 KV MV) verblieben. Zur Erledigung dieser Aufgaben hat die beklagte Gemeinde, in der rund 700 Einwohner wohnen, bis zur Kündigung des Klägers lediglich diesen und eine Gemeindesekretärin in Teilzeit beschäftigt. Der Kläger als Gemeindearbeiter war mit Hausmeistertätigkeiten an den Gemeindegebäuden (insbesondere dem Kindergarten) betraut und hat im Übrigen nach näherer Weisung des Bürgermeisters nach Kräften für die Ordnung, Sauberkeit und Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Anlagen gesorgt. Im Zustimmungsbescheid es Integrationsamtes ist insoweit von „Heizungen, Grünpflege, Denkmalpflege und Straßenreinigung” die Rede. Hinsichtlich dieser freiwilligen Aufgaben der Gemeinde heißt es in § 127 Absatz 1 KV MV, das Amt bereite im Einvernehmen mit dem Bürgermeister die Beschlüsse und Entscheidungen der Gemeindeorgane vor und führt sie aus.

Die beklagte Gemeinde ist hoch verschuldet und ihre bescheidene Einnahmesituation zwingt sie dazu, ihre Aufgaben im eigenen Wirkungskreis weiter einzuschränken. Im Zusammenwirken mit dem Amt ist zur Abwendung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen der Kreisverwaltung ein Haushaltssicherungskonzept erarbeitet worden, das die Gemeindevertretung im Juni 2010 verabschiedet hat. Dieses Konzept sieht die...

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