Rz. 4

Die Kasuistik zu den Härtegründen ist vielfältig und von der Beurteilungsbandbreite durch die Instanzgerichte geprägt (vgl. im Einzelnen Wetekamp, DWW 1990, 102).

Das Gesetz selbst nennt in § 574 Abs. 2 den Härtegrund, dass angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Hierbei sind wirtschaftliche und persönliche Kriterien zu beachten, nämlich die zukünftige Miete in Relation zum Familieneinkommen (unter Berücksichtigung eines Wohngeldanspruchs) und objektive Kriterien des Wohnungsmarktes im betreffenden Gebiet einschließlich der Umzugsproblematik (Verwurzelung für alte Leute im bisherigen Wohngebiet, Umschulung für die Kinder, erst kürzlich erfolgte Investitionen in die bisherige Wohnung – vgl. Palandt/Weidenkaff, § 574 Rn. 8 ff. mit Rechtsprechungsbeispielen). Zwei Problemkreise sind in diesem Zusammenhang zu beachten:

4.1 Verhältnis zur Räumungsfrist

 

Rz. 5

Nach § 721 ZPO kann dem Mieter eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewährt werden, die allerdings nach § 721 Abs. 5 insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen darf, tatsächlich jedoch auch länger betragen könnte, da die Frist erst vom Tage der Rechtskraft des Urteils an rechnet und sich daher durch den Lauf eines Räumungsrechtsstreits hinausschieben kann. Die Kriterien zur Gewährung einer Räumungsfrist sind im Wesentlichen dieselben wie zu § 574 Abs. 1, nämlich die Wohnungsmarktlage, Einkommen des zur Räumung verurteilten Mieters und dgl. Das bedeutet jedoch nicht, dass die unzumutbare Härte nach § 574 Abs. 1 im Hinblick darauf verneint werden darf, dass dem Mieter eine angemessene Räumungsfrist gewährt werden kann (OLG Stuttgart, RE v. 11.11.1968 = NJW 1969, 240 = DWW 1969, 34 = ZMR 1969, 57; OLG Oldenburg, RE v. 23.6.1970 = ZMR 1970, 329; Sternel, Mietrecht aktuell, Rn. 1256 unter Hinweis auf die teilweise anders lautende Instanzrechtsprechung).

4.2 Bemühung um Ersatzwohnung

 

Rz. 6

Aus der Formulierung des § 574 Abs. 2 "nicht beschafft werden kann" folgt, dass der Mieter sich um zumutbaren Ersatzwohnraum bemühen muss (vgl. dazu insgesamt Gather, DWW 1995, 5 ff. mit Angabe umfangreicher Kasuistik). Wie zu § 721 ZPO genügt es dafür nicht, einen Makler zu beauftragen, eine Anzeige in eine Tageszeitung zu setzen, sondern die Bemühungen müssen vielfältiger Natur sein und parallel laufen: z. B. Anzeigen in der Tagespresse, Reagieren auf Anzeigen, Maklereinschaltung, konkrete Bewerbungen bei Wohnungsbaugesellschaften. Problematisch ist, wann zur Beurteilung des Härtegrundes im Rahmen des § 574 das Bemühen beginnen muss. Von der Systematik des Gesetzes her kann als Anfangszeitpunkt nur der unmittelbar nach der Kündigung gelten, da schon zum Zeitpunkt des Widerspruchs des Mieters nach § 574 Abs. 1 Satz 1 der Härtegrund vorliegen muss (für diesen Zeitpunkt: LG Karlsruhe, DWW 1990, 238; für einen späteren Zeitraum: LG Hamburg, WuM 1990, 28 – allerdings zu § 721 ZPO; Sternel, Mietrecht aktuell, Rn. 1258). Spätere Bemühungen um Ersatzwohnraum sind erst im Rahmen des § 721 ZPO zu beachten.

Die Bemühungen muss der Mieter konkret darlegen (LG Mannheim, DWW 1993, 140; LG Bonn, WuM 1992, 16). Gewisse Abstriche zur bisherigen Wohnqualität muss der Mieter in Kauf nehmen (LG Hamburg, WuM 1990, 118) und ist nicht auf das unmmittelbare bisherige Wohngebiet fixiert (LG München I, WuM 1989, 296).

4.3 Weitere Härtegründe

 

Rz. 7

Als weitere Härtegründe kommen im Wesentlichen Alter und Krankheit in Betracht (OLG Karlsruhe, RE v. 31.7.1970 = DWW 1970, 307 = ZMR 1970, 309; LG Hamburg, DWW 1991, 189; LG Berlin, MM 1994, 327; LG Oldenburg, WuM 1991, 346; LG Berlin, MM 1995, 101; vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, Rn. 1260 ff. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Generelle Feststellungen lassen sich hierzu nicht treffen. Zum Beispiel kann lediglich hohes Lebensalter nicht automatisch einen Härtegrund darstellen, wenn es sich um eine rüstige Person handelt und der Umzug ohne weiteres zumutbar ist.

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