1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die §§ 574ff. übernehmen die bisherige sog. Sozialklausel des § 556a und regeln wie bisher die Möglichkeit des Mieters zum Widerspruch gegen eine Kündigung unter Berufung auf Härtegründe. Nach der Intention des Gesetzgebers bleiben die Vorschriften neben § 573 (§ 564b a. F.) ein elementarer Bestandteil des sozialen Mietrechts (auch wenn in der täglichen Mietrechtspraxis die Bedeutung nicht sehr hoch ist). Die aus acht Absätzen bestehende bisherige Vorschrift des § 556a ist allerdings nunmehr entzerrt und insgesamt in den Vorschriften der §§ 574–574c aufgenommen.

Die systematische Stellung der Vorschriften beschränkt den Anwendungsbereich auf Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit. Hier gelten sie sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist. Bedingt durch die Neukonzeption des Zeitmietvertrags (§ 575) sollen sie dagegen nach dem Eintritt der vertraglich vereinbarten Beendigung nicht gelten. Der bisherige § 556b (Sozialklausel bei befristetem Mietverhältnis) ist daher entfallen. Lediglich für die außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist eines noch laufenden Zeitmietvertrags (§ 575a) soll die Sozialklausel (allerdings in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt) Anwendung finden, was mit der Verweisung in § 575a Abs. 2 ausgedrückt ist.

Die Sozialklausel (der Begriff taucht allerdings im Gesetz jetzt nicht mehr auf, bleibt aber nach wie vor im Sprachgebrauch) ist eine besondere Ausprägung des sozialen Mietrechts und gibt dem Mieter weiteren Schutz, wenn trotz der eingeschränkten Kündigungsmöglichkeit des Vermieters nach § 573 eine wirksame Kündigung vorliegt und Räumung droht.

Nach § 574 Abs. 1 Satz 2 gilt die Vorschrift nicht für die außerordentliche fristlose Kündigung.

2 Fortsetzungsanspruch – § 574 Abs. 1

 

Rz. 2

Voraussetzung für den Fortsetzungsanspruch nach § 574 Abs. 1 ist eine wirksame Kündigung des Vermieters nach den gesetzlichen Vorschriften, die zu einer Beendigung des Mietverhältnisses führt. Das Wort "vertragsmäßige" (Beendigung des Mietverhältnisses) in § 556a Abs. 1 Satz 1 a. F. ist gestrichen worden, um zu verdeutlichen, dass die Sozialklausel auch bei der außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist gilt. Ob diese Gesetzesbegründung schlüssig ist, mag dahinstehen. Jedenfalls ergibt sich schon aus der allgemeinen Formulierung, dass der Mieter der Kündigung widersprechen kann, dass alle Kündigungen mit Ausnahme der außerordentlichen fristlosen Kündigung (§ 574 Abs. 1 Satz 2) erfasst werden, was auch bisher schon allgemeine Meinung war (vgl. BGHZ 84, 90 [101] = NJW 1982, 1696 [1699]). Aufgenommen worden ist, dass die Vorschrift nur im Fall der Vermieterkündigung greift, was sich schon klar aus der bisherigen Regelung ergab.

Für eine Anfechtung des Mietverhältnisses gilt § 574 nicht, da es sich nicht um eine Kündigung handelt (kaum praktische Bedeutung).

Es muss sich um ein Wohnraummietverhältnis handeln, was sich schon aus der systematischen Stellung im zweiten Abschnitt der Mietverhältnisse über Wohnraum ergibt. § 578 im Anwendungsbereich für Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, bringt keinen Verweis auf § 574.

Auch ein Untermietverhältnis ist ein Wohnraummietverhältnis. Die bisherige Ausnahme des § 556a Abs. 8 a. F. ist in § 574 nicht vorgesehen, ergibt sich jedoch aus der allgemeinen Vorschrift des § 549 Abs. 2, die bei der Anwendung des § 574 im Auge behalten werden muss.

Die Sozialklausel gilt nicht im Verhältnis von Hauptvermieter zu Untermieter, so dass der Herausgabeanspruch des Vermieters nach § 546 Abs. 2 nicht berührt ist.

Bei der gewerblichen Weitervermietung (§ 565) gilt § 574 dann, wenn insoweit Kündigungsschutz besteht (vgl. die dortige Kommentierung).

3 Berechtigter Personenkreis

 

Rz. 3

Es müssen bestimmte Härtegründe für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts vorliegen, die in Abwägung zu den Interessen des Vermieters die Kündigung des Mietverhältnisses nicht rechtfertigen würden. Der Kreis der in den Schutzbereich der Sozialklausel einbezogenen Personen ist bezüglich der Haushaltsangehörigen erweitert worden, also um die Personen, die dauerhaft im Haushalt des Mieters leben, z. B. der Lebenspartner, der mit dem Mieter "einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt", Pflegekinder oder Kinder des Lebenspartners. Dies entspricht dem Personenkreis, der auch in anderen Vorschriften jetzt erfasst wird (vgl. z. B. § 554 Abs. 2).

Anspruchsinhaber ist der Mieter. Haben mehrere, nicht miteinander verwandte Personen den Mietvertrag gemeinschaftlich abgeschlossen, genügt es, dass Härtegründe für einen der Mieter vorliegen, um den Anspruch auszulösen – dies unabhängig von der Frage, ob der eine oder alle Mieter gemeinschaftlich den Widerspruch erheben müssen.

Mit der Erweiterung des Schutzbereichs der Vorschrift hat sich der bisherige Streit, ob auch der nichteheliche Lebenspartner, den die Rechtsprechung (vgl. BGH, NJW 1993, 999) im Rahmen des § 569a Abs. 2 a. F. berücksichtigt hatte, von der Sozialklausel geschützt wird, erledigt.

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