Rz. 9

Die Sicherungswirkungen der Vormerkung nach § 883 BGB lassen sich in vier Kategorien untergliedern:[9]

Sicherungswirkung (§ 883 Abs. 2 BGB; § 888 Abs. 1 BGB), aber keine Verfügungsbeschränkung und keine Grundbuchsperre zur Folge; die Vormerkung hindert den Schuldner nicht an vormerkungswidrigen Verfügungen (siehe § 19 GBO Rdn 92 ff.);[10]
Rangwirkung (§ 883 Abs. 3 BGB), die dem vorgemerkten dinglichen Recht bei dessen Eintragung kraft Gesetzes den Rang der Vormerkung verleiht;
Vollwirkung durch Insolvenzschutz (§ 106 InsO) und Schutzwirkung gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (§ 883 Abs. 2 S. 2 BGB, § 48 ZVG):[11] Die wirksame Vormerkung gibt dem Berechtigten in der Insolvenz gegenüber dem Insolvenzverwalter den Anspruch auf Erfüllung des gesicherten Anspruchs, auch wenn im Übrigen ein nicht erfüllter Vertrag nach § 103 InsO nicht erfüllt werden muss. In der Zwangsversteigerung ist bei der Bildung des geringsten Gebots die Vormerkung wie das eingetragene dingliche Recht zu behandeln (§ 48 ZVG).[12] Sie ist als Recht in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG zu berücksichtigen und geht ggf. vorrangigen Ansprüchen – auch den Ansprüchen der WEG-Gemeinschaft aus § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG – nach, wenn aus diesen die Zwangsversteigerung betrieben wird.[13]
Vollwirkung gegen eine Haftungsbeschränkung des Erben des Verpflichteten insbes. bei Nachlassinsolvenz nach § 1975 BGB mit § 106 InsO.
 

Rz. 10

Die Vormerkung ist nur wirksam, wenn ihre materiellen Voraussetzungen vorliegen und sich inhaltlich decken:

schuldrechtlicher Anspruch (§§ 194 Abs. 1, 241 BGB), der einen vormerkungsfähigen Inhalt haben muss (dazu siehe Rdn 14 ff.);
materielle Bewilligungserklärung oder einstweilige Verfügung (§ 885 Abs. 1 BGB; vgl. hierzu Rdn 30 ff.);
Eintragung der Vormerkung im Grundbuch.

Die Reihenfolge der Voraussetzungen ist nicht relevant, was vor allem bei der Sicherung bedingter oder künftiger Ansprüche eine Rolle spielt.[14] Der Rang der Vormerkung bzw. des durch sie gesicherten Rechts richtet sich stets nach dem Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch (§ 883 Abs. 2 S. 1 und § 879 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 11

Die Aufhebung der Vormerkung setzt eine Aufgabeerklärung (§ 875 Abs. 1 BGB) und die Löschung im Grundbuch voraus, die Löschung allein genügt nicht. Die zu Unrecht gelöschte Vormerkung bleibt materiell wirksam[15] und muss nach § 894 BGB[16] möglichst wieder mit altem Rang und Hinweis auf ihre frühere Eintragung und unrechtmäßige Löschung eingetragen werden (vgl. dazu § 22 GBO Rdn 93 und zum Sonderfall des § 25 vgl. § 25 GBO Rdn 33).

 

Rz. 12

Die Vormerkung teilt als akzessorisches Sicherungsmittel das rechtliche Schicksal des vorgemerkten Anspruchs. Sie ist von dessen Bestehen abhängig,[17] geht mit ihm auf den neuen Gläubiger über,[18] erlischt mit ihm,[19] kann bei dauernden Einreden gegen den Anspruch beseitigt werden (§ 886 BGB).

[9] Staudinger/Kesseler, BGB, § 883 Rn 4.
[10] RGZ 132, 419, 424; Staudinger/Kesseler, BGB, § 883 Rn 236 m.w.N.; dennoch wird der Veräußerer eines Grundstücks durch die Vormerkung faktisch an einer weiteren Verwertung des Grundstücks gehindert; zu den Risiken Hagenbucher, MittBayNot 2003, 249.
[11] MüKo-BGB/Lettmaier, BGB, § 883 Rn 73 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 1532.
[12] Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 1533; Keller, Insolvenzrecht, Rn 1273 ff.; Ertl, Rpfleger 1977, 84; MittBayNot 2004, 206 m. Anm. Amann, MittBayNot 2004, 165 zum Schutz der Eigentumsvormerkung im Insolvenzverfahren gegen vormerkungswidrige Belastungen, sowie ders., MittBayNot 2005, 111; zum Vormerkungsschutz in der Bauträgerinsolvenz Kesseler, RNotZ 2004, 177, sowie ders., MittBayNot 2005, 108; zur Insolvenzfestigkeit der abgetretenen Vormerkung DNotI-Report 1999, 65 ff.; zur Insolvenzfestigkeit des vorgemerkten künftigen Anspruchs BGH DNotI-Report 2001, 188.
[13] BGH NJW 2014, 2445 = ZfIR 2014, 654.
[14] Staudinger/Kesseler, BGB, § 885 Rn 21, 22; BGH DNotZ 1981, 179, 181.
[15] BGH DNotZ 1973, 367.
[16] LG Konstanz MittRhNotK 1984, 81.
[17] BayObLG Rpfleger 1980, 294.
[18] BayObLGZ 1971, 310; BGH DNotI-Report 2000, 168 Erlöschen der Vormerkung bei Ausfall der Bedingung des gesicherten Anspruchs.
[19] BGH DNotZ 1981, 181.

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