Rz. 90

Gemeinsamkeit: Vermerke über anhängige Rechtsstreite bilden keine Grundbuchsperre und keine Verfügungsbeschränkung, sondern sind nur Hinweis auf mögliche nachteilige Folgen eines Verfahrens. Eintragungsfähig sind sie wegen der Warn- und Schutzfunktion des Grundbuchs. Durch solche Vermerke werden Eintragungen und Löschungen im Grundbuch nicht gehindert.

Einzelfälle eintragungsfähiger Vermerke:

Vermerk über Anhängigkeit eines Rangklarstellungsverfahrens nach § 91 Abs. 3 GBO (siehe hierzu § 91 GBO Rdn 8).[174]
Vermerk über Anhängigkeit eines Zivilprozesses ("Rechtshängigkeitsvermerk"):[175] Ein solcher Vermerk ist unbestritten eintragungsfähig als Schutz dagegen, dass die Rechtskrafterstreckung des Urteils gegen Rechtsnachfolger (die die Rechtshängigkeit nicht kennen) entfällt (§ 325 Abs. 1, 2 ZPO).[176] Gesetzlich vorgesehen ist ein Rechtshängigkeitsvermerk im Falle des § 113 Abs. 3 S. 2 SachenRBerG bei Anhängigkeit eines Rechtsstreits über das Bestehen eines ehemals volkseigenen Miteigentumsanteils nach § 459 ZGB oder des Anspruchs auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG (§ 116 Abs. 2 S. 2 SachenRBerG),[177] sowie im Falle des § 8 Abs. 4 GBBerG bei Klage auf Eintragung eines Mitbenutzungsrechts nach § 321 ZGB.[178] In den Fällen persönlicher Übereignungspflicht oder Pflicht zur Bestellung eines Grundstücksrechts ist die Sicherung des entsprechenden Anspruchs durch Vormerkung (§ 883 Abs. 1 BGB) statt durch Rechtshängigkeitsvermerk geboten.[179] Streitig war, ob die Eintragung (gem. § 899 BGB) nur aufgrund einstweiliger Verfügung oder Bewilligung des Betroffenen[180] oder auch (analog § 22 GBO) bei Nachweis der Rechtshängigkeit in Form des § 29 zulässig ist.[181] Der BGH hat diese Streitfrage mit Beschluss v. 7.3.2013 dahingehend entschieden, dass eine Eintragung ohne Bewilligung des Buchberechtigten nur im Wege einstweiliger Verfügung erfolgen kann.[182] Mithin gilt § 899 Abs. 2 BGB; die Eintragung (allein) aufgrund Nachweises der Rechtshängigkeit ist damit nicht möglich. Es gibt aber auch Fälle, in denen die nach § 899 Abs. 2 BGB zu einer einstweiligen Verfügung erforderliche Glaubhaftmachung nicht möglich ist oder nicht gelingt, aber der Nachweis der Rechtshängigkeit ohne Schwierigkeiten erbracht werden kann.[183]
"Enteignungsvermerke" (vgl. § 84 Abs. 3 GBO) als Vermerke über Anhängigkeit eines Enteignungsverfahrens aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Enteignungsgesetze: Eintragung auf Ersuchen der Enteignungsbehörde (vgl. § 38 GBO Rdn 38; Art. 52, 53 EGBGB).
Die Eintragung eines "Flurbereinigungsvermerks" über die Anhängigkeit eines Flurbereinigungsverfahrens, in dem kein allgemeines Verfügungsverbot besteht, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber zulässig[184] und sinnvoll, weil das Verfahren für die Beteiligten und Erwerber eines im Flurbereinigungsgebiet liegenden Grundstücks mit Rechtsfolgen (§ 15 FlurbG), für das Grundbuchamt mit Mitteilungspflichten (§ 12 Abs. 3 FlurbG)[185] und für den Notar mit Belehrungspflichten[186] verbunden ist.[187]
Bei Durchführung des notariellen Vermittlungsverfahrens in der Sachenrechtsbereinigung (§§ 87 ff. SachenRBerG)[188] ist auf Ersuchen des Notars ein entsprechender Vermerk in das GB einzutragen (§ 92 Abs. 5 SachenRBerG).[189] Er ist dem Rechtshängigkeitsvermerk verwandt und verhindert im Hinblick auf eine Veräußerung des Grundstücks gutgläubigen Erwerb frei von den Ansprüchen aus der Sachenrechtsbereinigung (§ 111 Abs. 1 SachenRBerG). Bei Eintragung des Vermerks ist der Inhaber der möglichen Ansprüche als Begünstigter namentlich zu bezeichnen.[190] Dem Grundbuchamt steht bei der Eintragung keine materielle Prüfungskompetenz des notariellen Ersuchens zu.[191] Nach Verjährung der Bereinigungsansprüche zum Ablauf des 31.12.2011 dürfte ein notarielles Vermittlungsverfahren aber nicht mehr in Betracht kommen (eingehend § 3 Einl. Rdn 238, 239).
Zur Sicherung der Ansprüche aus der Sachenrechtsbereinigung, insbes. wenn kein selbstständiges Gebäudeeigentum besteht, kann nach Art. 233 § 2c Abs. 2 EGBGB ein Vermerk in Abt. II des Grundbuchs eingetragen werden. Er verhindert gutgläubigen Erwerb des Grundstücks frei von Ansprüchen aus der Sachenrechtsbereinigung und hat die Wirkungen einer Vormerkung. Die Voraussetzungen der Eintragung regelt § 4 Abs. 4 GGV (vgl. § 4 GGV Rdn 17 ff.).[192] Der Vermerk hindert aber ebenso wenig wie eine Vormerkung (§ 886 BGB) nicht die Verjährung der Ansprüche aus der Sachenrechtsbereinigung.
[174] Siehe auch Demharter, § 91 Rn 5; Bauer/Schaub/Waldner, § 91 Rn 5; Meikel/Schneider, § 91 Rn 7.
[175] Zur Streitfrage, ob die Rechtshängigkeit als Verfügungsbeschränkung anzusehen sei Meikel/Böttcher, Nach § 20 Rn 23; die Frage wurde bereits in den Motiven zum BGB erörtert, Bd. III, S. 217.
[176] BayObLG NJW-RR 2003, 234 = Rpfleger 2003, 122; OLG Stuttgart BWNotZ 1979, 146 = DNotZ 1980, 106; OLG München NJW 1966, 1366 m. Anm. Wächter = Rpfleger 1966, 306 m. Anm. Haegele; OLG München MittBayNot 2000, 40 = NJW-RR 2000,...

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