Gesetzestext

 

(1)Erbunwürdig ist:

1. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
2. wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
3. wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
4. wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.

(2)Die Erbunwürdigkeit tritt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3, 4 nicht ein, wenn vor dem Eintritt des Erbfalls die Verfügung, zu deren Errichtung der Erblasser bestimmt oder in Ansehung deren die Straftat begangen worden ist, unwirksam geworden ist, oder die Verfügung, zu deren Aufhebung er bestimmt worden ist, unwirksam geworden sein würde.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Das Gesetz geht bei den in § 2339 BGB genannten Verfehlungen typisierend davon aus, dass der hypothetische Erblasserwille auf eine Enterbung des Täters gerichtet ist. Die Erbunwürdigkeit ergänzt die Institute der Enterbung (§ 1938 BGB), der Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 ff. BGB) und der Anfechtung letztwilliger Verfügungen (§§ 2078 ff. BGB). Soweit die §§ 2078, 2333 u. 2339 BGB tatbestandlich übereinstimmen, schließen die Regeln über die Erbunwürdigkeit eine Lücke, wenn der Erblasser vom Unwürdigen am Widerruf einer letztwilligen Verfügung oder dem Vollzug der Entziehungserklärung gehindert wurde oder keine Kenntnis von den Verfehlungen besitzt.

B. Tatbestand

I. Vorsatz, Rechtswidrigkeit, Schuld

 

Rz. 2

Der Erbunwürdige muss vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt haben und schuldfähig gewesen sein,[1] auch wenn Letzteres bei Abs. 1 Nr. 1–3 nicht ausdrücklich genannt ist. Aus § 2345 BGB ergibt sich, dass sich der Täter einer in der Vorschrift bezeichneten Verfehlung "schuldig" gemacht haben muss. Mit Rücksicht auf den Normzweck ist beim Eingreifen von Entschuldigungsgründen eine Verfehlung gegen den Erblasser nicht zu bejahen.

 

Rz. 3

Dies gilt trotz der Entscheidung des BVerfG zur Pflichtteilsentziehung bei der Erbunwürdigkeit weiter.[2] Das BVerfG hatte trotz Schuldunfähigkeit beim Vorliegen von "natürlichem Vorsatz" einen Fall des § 2333 Nr. 1 BGB a.F. anerkannt. Natürlicher Vorsatz soll vorliegen, wenn der Täter zwar im strafrechtlichen Sinne nicht schuldfähig, aber in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Anders als bei der Pflichtteilsentziehung wird bei der Erbunwürdigkeit aber kein realer, sondern ein hypothetischer Erblasserwille verwirklicht. Ein hypothetischer Wille, nachdem ein Erblasser einen schuldunfähigen Täter als erbunwürdig ansieht, kann aber nicht allgemein angenommen und daher nicht als vom Gesetzgeber als ausreichend angesehen werden.[3]

 

Rz. 4

Bei der Pflichtteilsunwürdigkeit (§ 2345 BGB) sollte dies nach hier vertretener Ansicht anders beurteilt werden. Es liegt immer eine Äußerung des Erblassers vor. Er hat mit einer letztwilligen Verfügung den Pflichtteilsberechtigten schon so weit ausgeschlossen, wie dies möglich war. Damit sollte ein hypothetischer Wille für eine vollständige Enterbung angenommen werden. Zumindest bei natürlichem Vorsatz kommt es daher zur Pflichtteilsunwürdigkeit. Der BGH hat diese Frage bislang bewusst unbeantwortet gelassen.[4]

Bei einem Irrtum über die Rechtswidrigkeit entfällt der Vorsatz und damit auch die Schuld.[5] Die Beweislast für die Schuldunfähigkeit zur Tatzeit trägt derjenige, der für erbunwürdig erklärt werden soll.[6]

[3] Str., wie hier: Muscheler, ZEV 2009, 101; MüKo/Helms, § 2339 Rn 11; a.A.: OLG Köln – 2 U 77/05, BeckRS 2011, 10396 (Vorinstanz zu BGH – IV ZR 102/09, ZEV 2011, 370, der die Frage bewusst offen ließ); Dauner-Lieb/Grziwotz/Herzog, § 2345 Rn 17–22; Holtmeyer, ZErb 2010, 6.
[4] BGH – IV ZR 102/09, ZEV 2011, 370.
[5] Soergel/Damrau, § 2339 Rn 3.

II. Keine Analogien

 

Rz. 5

Die Erbunwürdigkeitsgründe sind nach h.M. nicht analogiefähig.[7] Zur Begründung wird auf den Strafcharakter oder die erschöpfende Aufzählung der Erbunwürdigkeitsgründe verwiesen. Zudem hätte der Gesetzgeber bei der Überarbeitung der Pflichtteilsentziehungsnormen auch die Erbunwürdigkeitsgründe erweitern können. Andererseits wird in der Lit. entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes zum Teil die Anwendung unmittelbarer Gewalt unter Abs. 1 Nr. 3 subsumiert (vgl. Rdn 23), und der BGH geht bei der Tötung des Vorerben durch den Nacherben von einer Regelungslücke i.R.d. §§ 2339 ff. BGB aus (vgl. Rdn 11).

III. Täterschaft und Teilnahme

 

Rz. 6

Wenn mehrere Personen die Tat begangen haben, kommt es auf den einzelnen Tat...

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