Rz. 22

Die Beeinflussung der Willensbildung des Erblassers durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung (§ 123 BGB) begründet die Erbunwürdigkeit des Täters nach Abs. 1 Nr. 3. Die Definition der arglistigen Täuschung entspricht der in § 123 BGB.[39] Sie kann durch Tun oder Unterlassen geschehen.

 

Rz. 23

Ob bei der Anwendung von Gewalt (vis absoluta) ein Fall des Abs. 1 Nr. 3 gegeben ist, war umstritten. Von der h.M. (Rspr. ist bislang nicht bekannt) wird inzwischen zutreffend angenommen, dass bei Errichtung des Testaments unter Anwendung unmittelbarer Gewalt kein Bedürfnis für das Eingreifen der Vorschriften der Erbunwürdigkeit bestünde, weil die letztwillige Verfügung ohnehin unwirksam sei.[40] Zweck der Vorschrift sei allein der Schutz vor letztwilligen Verfügungen, bei denen durch unlautere Einflussnahme auf den Erblasser eine Unsicherheit darüber herbeigeführt wurde, wie dieser sonst verfügt haben würde. Regelmäßig wird der Unwürdige den Erblasser auch durch Drohungen zur Errichtung des Testaments bestimmen. Hier steht neben der Erbunwürdigkeitsklage die Möglichkeit der Testamentsanfechtung zur Verfügung.

 

Rz. 24

Nach älterer Rspr. soll der Ehegatte, der ein fortdauerndes ehewidriges Verhältnis verschweigt, obwohl er weiß, dass der andere Ehegatte im Vertrauen auf die Beteuerung seiner ehelichen Treue ein Testament zu seinen Gunsten errichtet, gem. Abs. 1 Nr. 3 erbunwürdig sein.[41] Der BGH nahm jedoch keine Offenbarungspflicht an, wenn es sich bei der Verfehlung um eine länger zurückliegende handelt. Die Lit. und das OLG Frankfurt gehen von einer Aufklärungspflicht bei ehelicher Untreue durch den Ehegatten nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonders gravierender Umstände aus.[42] Der Entscheidung des BGH kann nicht mehr ohne Weiteres gefolgt werden. Der Gesetzgeber hat durch das 1. EheRG v. 14.6.1976 den Ehebruch als Pflichtteilsentziehungsgrund in § 2335 BGB gestrichen. Nach § 2335 BGB a.F. konnte der Erblasser dem Ehegatten den Pflichtteil entziehen, wenn ein Scheidungsgrund vorlag. Dieser war nach dem damals geltenden Verschuldensprinzip gem. § 42 EheG insbesondere bei Ehebruch gegeben. Weil gem. § 50 Abs. 2 EheG eine Scheidung nicht mehr zulässig wäre, wenn seit dem Eintritt des Scheidungsgrundes zehn Jahre verstrichen sind, ging der BGH davon aus, dass "länger zurückliegende" Eheverfehlungen nicht mehr zu offenbaren sind. Sind an den Ehebruch seit dem ersten EheRG v. 14.6.1976 selbst keine Rechtsfolgen mehr geknüpft, widerspricht es nunmehr dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, dass dieser dennoch zur Erbunwürdigkeit führen soll. Schließlich würde sonst auch die Grenze zur Anfechtung verwischt: "Ausbleiben von Wohlverhalten" kann eine Anfechtung rechtfertigen, aber keine Unwürdigkeit herbeiführen.

 

Rz. 25

Eine Adoption kann ein gesetzliches Erbrecht herbeiführen. Verhindert eine Person die Adoption, ist dies aber kein Fall des Abs. 1 Nr. 3.[43] Ziel des Täterhandelns ist keine letztwillige Verfügung. Die Tat kann aber die Voraussetzungen von Abs. 1 Nr. 2 erfüllen, wenn der Erblasser aufgrund einer Täuschung eine ursprünglich beabsichtigte Verfügung von Todes wegen nicht errichtete.

 

Rz. 26

Täuschung oder Drohung stellen zugleich Anfechtungsgründe nach §§ 2078 ff. BGB dar mit dem Ziel, die letztwillige Verfügung zu beseitigen. Allerdings führt die Anfechtung nach § 2078 BGB nur zur Unwirksamkeit der Verfügung, bei der der Anfechtungsgrund durchgreift, während §§ 2339, 2344 BGB den Anfall der Erbschaft zugunsten des Täters insgesamt verhindert. Während bei der Anfechtung eines Testaments die Anfechtungsfristen in Bezug auf die Erbunwürdigkeitsklage und die Testamentsanfechtung gem. §§ 2078, 2082, 2340 Abs. 3 BGB gleich laufen, ist die Erbunwürdigkeitsklage die einzige Möglichkeit, nach Abschluss eines Erbvertrages die Erbenstellung des Täuschenden oder Drohenden zu beseitigen, wenn die Verfügung nicht mehr durch einen Dritten gem. §§ 2078, 2080, 2285 BGB angefochten werden kann, weil der Erblasser zu Lebzeiten die Anfechtungsfrist versäumt hat.

[39] BGH – III ZR 208/66, NJW 1968, 642.
[40] MüKo/Helms, § 2339 Rn 24; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 2339 Rn 13 je m.w.N.
[41] BGH – III ZR 208/66, NJW 1968, 642; ebenso Röwer, FamRZ 1961, 1.
[42] OLG Frankfurt – 21 U 9/10, FamRZ 2011, 1177; Staudinger/Olshausen, § 2339 Rn 39; MüKo/Helms, § 2339 Rn 25; Deubner, JuS 1968, 449.
[43] OLG Köln – 2 U 27/50, NJW 1951, 158; vgl. dazu auch MüKo/Helms, § 2339 Rn 25.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge