Gesetzestext

 

(1)Hat der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens dem Bedachten zugewendet, so ist die Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist.

(2)Sind dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist.

A. Normzweck

 

Rz. 1

Der Erblasser kann durch Testament oder Erbvertrag einen oder mehrere Erben als Gesamtrechtsnachfolger seines Nachlasses bestimmen (Erbeinsetzung) oder aber lediglich einzelne Vermögensvorteile zuwenden (Vermächtnisanordnung).[1] Die Auslegungsregeln des § 2087 BGB befassen sich mit der Abgrenzungsproblematik, wann eine Erbeinsetzung und wann ein Vermächtnis vorliegt. Sie folgen dem allg. erbrechtlichen Grundsatz, dass dem wirklichen Erblasserwillen Geltung verschafft werden soll, unabhängig von einer unglücklichen, nicht eindeutigen oder sogar einer anderslautenden Formulierung (§§ 133, 2084 BGB). Die Auslegungsregeln des § 2087 BGB kommen erst zum Tragen, wenn sich der wirkliche und auch der mutmaßliche Erblasserwille im Wege allg. erbrechtlicher Auslegung nicht feststellen lassen (Vorrang der individuellen Auslegung!).[2]

 

Rz. 2

Die Auslegungsregeln stellen zusammengefasst den Satz auf, dass die (abstrakte) Zuwendung des Vermögens – auch wenn sie auf einen Bruchteil beschränkt ist – im Zweifel als Erbeinsetzung zu werten ist und die (konkrete) Zuwendung einzelner Gegenstände (Sachen, Forderungen) im Zweifel als Vermächtnisanordnung. Hintergrund dieser Differenzierung ist, dass das BGB dem (rechtstechnischen) Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge folgt (§ 1922 Abs. 1 BGB); das BGB kennt keine Erbeinsetzung auf bestimmte Gegenstände (im Sinne einer unmittelbaren/direkten Rechtnachfolge), keine dinglich wirkende Teilungsanordnung.[3]

 

Rz. 3

Die Vorschrift des § 2087 BGB gilt auch für vertragsgemäße Verfügungen (§ 2279 Abs. 1 BGB). Sie gilt auch für die Einsetzung eines Nacherben (§ 2100 BGB, besondere Form der Erbeinsetzung).[4]

[1] §§ 1937, 1939 BGB (Erbvertrag: § 1941 BGB). Daneben hat der Erblasser die Möglichkeit, Auflagen anzuordnen (§ 1940 BGB).
[2] Dies gilt auch für Abs. 1, obwohl dort die Worte "im Zweifel" fehlen (siehe unten Rdn 13).
[3] Hahn, ZEV 2016, 360; Ausnahme bzw. anders die Sondererbfolge in die Rechtsstellung eines persönlich haftenden Gesellschafters und in einigen Anerbengesetzen, insbesondere in der HöfeO (siehe dazu Zimmermann/Sticherling, Erbrechtliche Nebengesetze, 2. Aufl. 2017, HöfeO).
[4] RGZ 152, 190; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 926: Abgrenzung aufschiebend bedingtes Vermächtnis (§ 2177 BGB) und teilweise Nacherbfolge; siehe dazu auch Schrader, NJW 1987, 117.

B. Tatbestand

I. Zuwendung des ganzen Vermögens oder eines Bruchteils (Abs. 1)

1. Allgemeine Auslegungskriterien

a) Einsetzung eines Erben als Gesamtrechtsnachfolger

 

Rz. 4

Für die Auslegung der Zuwendung als Erbeinsetzung ist entscheidend, dass der Erblasser den Bedachten zur Gesamtrechtsnachfolge berufen wollte. Weniger rechtstechnisch betrachtet/formuliert: Entscheidend ist, ob der Erblasser durch den Bedachten seine wirtschaftliche Stellung fortgesetzt wissen wollte,[5] ob er dem Bedachten unmittelbar die materielle Rechtsinhaberschaft (Verfügungsbefugnis) zukommen lassen wollte,[6] ob der Bedachte unmittelbar Rechte am Nachlass oder aber als Vermächtnisnehmer nur Ansprüche gegen andere Bedachte erwerben sollte.[7]

 

Rz. 5

Die Berufung zum Erben setzt nicht notwendig voraus, dass dem Erben letztendlich ein mehr oder weniger großer oder sogar der größte Teil des Nachlasses verbleibt.[8]

 

Rz. 6

Wesentliche Indizien dafür, dass eine Person als Erbe zur Gesamtrechtsnachfolge berufen ist, ergeben sich daraus, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass zu regeln, die Nachlassverbindlichkeiten zu tilgen sowie für Bestattung und Grabpflege zu sorgen hat.[9] Für eine Erbeinsetzung können daneben sprechen ein besonderer ideeller Wert an einem zugewendeten Gegenstand ("Haus darf nicht verkauft werden")[10] und ein im Vergleich zu anderen zugewendeten Gegenständen besonders hoher wirtschaftlicher Wert (Hauptnachlassgegenstand, dazu siehe Rdn 20 f. und 28 ff.).

 

Rz. 7

Hat der Erblasser den Bedachten als Vertrauensperson gesehen, so kann auch dieser – außerhalb der Verfügung von Todes wegen liegende – Umstand von Bedeutung sein. Hierfür kann bereits die Erteilung einer (Bank-)Vollmacht sprechen, in Kombination mit der Übergabe des Originaltestaments zur Verwahrung.[11] War dem Bedachten (neben einer transmortalen Bankvollmacht) eine transmortale Generalvollmacht (auch zur Durchführung einer Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht) erteilt, können diese Umstände – bei einem gewissen zeitlichen Zusammenhang zur Errichtung der Verfügung von Todes wegen – für eine Erbeinsetzung sprechen;[12] das gilt allerdings nicht, wenn dem Bedachten im Testament lediglich die wertlose Wohnungseinrichtung zugewendet ist.[13]

 

Rz. 8

Bedenken sich Ehegatten in gemeinschaftlichen Testamenten (oder Erbverträgen) neben anderen Personen, so ist hierin regelmäßig eine (Allein-)Erbeinsetzung zu sehen.[14]

[5] BayObLG ZEV 1997, 162 = FamRZ 1997, 1177; BayObLG FamRZ 1999, 1392; BayOb...

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