Entscheidungsstichwort (Thema)

Beamtenrecht, Rücknahme einer Ernennung wegen arglistiger Täuschung. fehlerhafte Anwendung der in BVerwGE 16, 340 entwickelten Grundsätze über den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Täuschungshandlung und der Ernennung. zum Begriff der Kenntnis des “wahren Sachverhalts” bei groben Täuschungshandlungen (Ergänzung von BVerwGE 17, 1)

 

Normenkette

BG HE § 14 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1962-03-21; LbV HE § 18 Fassung: 1949-03-23, § 19 Fassung: 1949-03-23; BBG § 12 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Urteil vom 31.05.1966; Aktenzeichen OS I 7/65)

 

Tenor

Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Mai 1966 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Der am 29. Mai 1912 geborene Kläger schied am 15. Juli 1943 nach einer Dienstzeit von 12 Jahren und 76 Tagen als Oberfeldwebel aus dem aktiven Wehrdienst aus. Er stand fortan im Militäranwärterdienstverhältnis. Ab 1. Juli 1942 hatte er die Luftwaffenfachschule für Verwaltung in Be… besucht und dort Anfang April 1943 die Abschlußprüfung II bestanden. Mit Wirkung vom 16. April 1943 wurde er zur Ausbildung für die Laufbahn des gehobenen Verwaltungsdienstes der Luftwaffe zugelassen. Er besuchte von diesem Zeitpunkt an einen Lehrgang der Verwaltungsschule der Luftwaffe in Bu…. Dieser Lehrgang endete am 2. September 1943 ohne Abschlußprüfung. Mit Urkunde des Kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau III vom 30. Juli 1943 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis zum Zahlmeisteranwärter ernannt.

Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft (November 1946) betätigte sich der Kläger zunächst als Waldarbeiter Mit Urkunden des Ministers für politische Befreiung vom 21. Mai 1947 und vom 1. April 1948 wurde er zum öffentlichen Kläger der Spruchkammer in F… bzw. zum aufsichtführenden Kläger ernannt. Die Tätigkeit bei der Spruchkammer endete am 1. September 1948. Am 17. Juni 1948 hatte ihm der Minister für politische Befreiung gemäß § 2 des Gesetzes zur Überführung der bei der politischen Befreiung tätigen Personen in andere Beschäftigungen (Überführungsgesetz) vom ??*3. März 1948 (GVBl. S. 45) eine Zusicherung erteilt. Der Beauftragte für die Durchführung des Überführungsgesetzes im Berufungskammerbereich W… vermittelte den Kläger in das damalige Ministerium für Kultus und Unterricht. Am ??*6. April 1949 wurde er als Angestellter nach Vergütungsgruppe VI b TO…A… in dieses Ministerium übernommen. Seiner Bewerbung hatte er u.a. eine eidesstattliche Erklärung vom ??*3. Januar 1949 beigefügt. Er erklärte darin nach bestem Wissen und Gewissen an Eides Statt, vom 16. April bis zum ??*. September 1943 die Verwaltungsschule der Luftwaffe in … als Inspektoranwärter für den gehobenen Verwaltungsdienst besucht und die Inspektoren-Prüfung mit Erfolg abgelegt zu haben. Weiter führte er aus, er habe seine Abschluß- und Ernennungsurkunde bei der Einberufung in das Beamtenverhältnis dem Luftgaukommando Be… einreichen müssen. Durch den Verlust seiner Wohnung seien ihm fast alle Unterlagen und Abschriften verlorengegangen. In seinem Lebenslauf vom 23. Januar 1949 machte er über das Bestehen der Inspektoren-Prüfung die gleichen Angaben.

Im Juli 1949 bat der Kläger um Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe V b TO…A… Gleichzeitig bat er unter Hinweis auf § 6 Abs. 3 des Überführungsgesetzes um Übernahme in das Beamtenverhältnis. Daraufhin wurde er mit Verfügung vom 19. September 1949 aufgefordert, Personen zu benennen, die seine Angaben über die Prüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst und anschließende Übernahme in das Beamtenverhältnis bezeugen könnten. Er wurde darauf hingewiesen, daß diese Angaben notwendig seien, um Rückfragen des Landespersonalamtes zu vermeiden. Mit Schreiben vom 25. September 1949 benannte der Kläger seine Ehefrau und seine Eltern als Zeugen. Außerdem überreichte er zum Beweis der Richtigkeit seiner Angaben u.a. die Urkunde über seine Berufung in das Beamtenverhältnis und seine Ernennung zum Zahlmeisteranwärter und eine Urkunde über eine Verhandlung vor der Annahme- und Entlassungsstelle (L…) Be… des Luftgaukommandos III vom 15. Juli 1943. Außerdem legte er später eine eidesstattliche Erklärung des Tischl??*ers H… Z… aus S… (…) vom 23./27. Oktober 1949 vor. Darin bestätigt Z… die Angaben des Klägers über die abgelegte Prüfung für die gehobene Verwaltungslaufbahn der Luftwaffe und fügte hinzu, er habe die Ernennungsurkunde zum Regierungsinspektor selbst gesehen.

Der damalige Minister für Kultus und Unterricht ging daraufhin – wie sich aus der Kabinettsvorlage vom 30. September 1949 ergibt – davon aus, daß der Kläger am 2. September 1943 die Prüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst bestanden habe und am selben Tage zum apl. Regierungsinspektor ernannt worden sei. Mit Urkunde vom 14. Januar 1950 wurde der Kläger alsdann unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Kündigung zum Regierungsinspektor ernannt. Durch Urkunde vom 29. Juni 1951 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen, im Dezember 1952 zum Regierungsoberinspektor, im August 1955 zum Regierungsamtmann und im April 1960 zum Amtsrat befördert. Im November 1963 stellte die Personalabteilung des Innenministeriums aus Anlaß der beabsichtigten Beförderung des Klägers zum Regierungsrat fest, daß dieser keinen Inspektoren-Lehrgang besucht und keine. Inspektoren-Prüfung abgelegt hatte. Diese Feststellung gab Ministerialrat I… vom Kultusministerium in Gegenwart des Regierungsrats K… dem Kläger am Vormittag des 18. November 1963 bekannt. Nach der am 25. November 1963 über diesen Vorgang angefertigten Niederschrift bestätigte der Kläger im Verlauf dieser Unterredung schließlich, keinen Inspektoren-Lehrgang besucht und keine Inspektoren-Prüfung abgelegt zu haben.

Am 14. Dezember 1963 wurde dem Kläger die Verfügung des Kultusministers vom 25. November 1963 zugestellt, mit der seine Ernennung zum Regierungsinspektor zurückgenommen wurde. Diese Verfügung wurde damit begründet, der Kläger habe seine Ernennung zum Regierungsinspektor durch arglistige Täuschung herbeigeführt, da er in Bu… nicht an einem Inspektoren-Lehrgang, sondern nur an einem Auswahllehrgang teilgenommen und dort auch nicht die Inspektoren-Prüfung abgelegt habe. Durch seine falschen Angaben habe er die Einstellungsbehörde arglistig getäuscht, da ihm die Bedeutung des Nachweises der von ihm angeblich abgelegten Inspektoren-Prüfung spätestens mit dem Zugang des Erlasses vom 19. September 1949 klar gewesen sei.

Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruch Klage im Verwaltungsstreitverfahren erhoben mit dem Antrag,

die Verfügung des Hessischen Kultusministers vom 25. November 1963 und dessen Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1964 aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat die Klage durch Urteil vom 19. November 1964 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 31. Mai 1966 zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Beamtengesetzes in der Fassung vom 21. März 1962 (GVBl. S. 173) – HBG – sei eine Ernennung zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt worden sei. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien im vorliegenden Fall gegeben. Eine arglistige Täuschung liege vor. Der Kläger habe, wie er auch selbst zugebe, in seinem Lebenslauf vom 23. Januar 1949 und seiner eidesstattlichen Erklärung vom selben Tage wahrheitswidrig angegeben, er habe im Jahre 1943 in Bu… die Inspektoren-Prüfung mit Erfolg abgelegt. Der Minister für Kultus und Unterricht habe ihn demgemäß als früheren Wehrmachtangehörigen der Inspektoren-Gruppe angesehen. Diesen Irrtum habe der Kläger vor seiner Ernennung zum Inspektor bewußt aufrechterhalten, weil er offensichtlich angenommen habe, bei Angabe des wahren Sachverhalts nicht in die Inspektoren-Laufbahn übernommen zu werden. Dies ergebe sich aus seiner Reaktion auf den Erlaß vom 19. September 1949, mit dem er aufgefordert worden sei, zur Vermeidung von Rückfragen des Landespersonalamtes Zeugen dafür zu benennen, daß er die Prüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst abgelegt habe und in das Beamtenverhältnis übernommen worden sei. Um dieser Aufforderung nachzukommen, habe der Kläger seine Eltern und seine Ehefrau als Zeugen benannt. Außerdem habe er Wehrmachturkunden über seine Ernennung zum Zahlmeisteranwärter und über eine Verhandlung vor der Annahme- und Entlassungsstelle (L…) Be… des Luftgaukommandos III vom 14. Juli 1943 vorgelegt. Zur weiteren Erhärtung seiner Angaben habe er schließlich die eidesstattliche Erklärung des Tischlers H… Z… nachgereicht. Auf diese Weise sei es ihm gelungen, seine Dienstbehörde davon zu überzeugen, daß er die Voraussetzungen für die Ernennung zum Regierungsinspektor erfülle. Demgemäß besage die Kabinettsvorlage des Ministers für Kultus und Unterricht vom 30. September 1949 zum Werdegang des Klägers u.a.:

“16.4. – 2.9.1943

Besuch der Luftwaffenfachschule für den gehobenen Verwaltungsdienst

2.9.1943

Ablegung der Prüfung für die Inspektor-Laufbahn

2.9.1943

Ernennung zum apl. Reg.-Inspektor

April 1944

Ernennung zum Reg.-Inspektor.”

Die Täuschung sei, wie sich aus dem Vorstehenden ergebe, vom Kläger auch arglistig in dem Bewußtsein verübt worden, die Ernennungsbehörde hierdurch zu einer ihm günstigen Entscheidung zu bestimmen.

Der Streit gehe im wesentlichen noch darum, ob die arglistige Täuschung die Ernennung zum Inspektor herbeigeführt habe, also für diese ursächlich gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe zu dieser Frage (im Rahmen des mit § 14 Abs. 1 Nr. 1 HBG wörtlich übereinstimmenden § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG) im Urteil vom 12. September 1963 (BVerwGE 16, 340) ausgeführt daß es genüge, wenn die Täuschung eine Bedingung im logischen Sinne für die Ernennung gewesen sei; eine Ernennung sei durch eine Täuschung “herbeigeführt”, wenn die Ernennungsbehörde bei Kenntnis des wahren Sachverhalts von der Ernennung, jeden falls zu diesem Zeitpunkt, Abstand genommen hätte.

Wenn man von diesen Grundsätzen, denen sich der Senat im vollen Umfang anschließe, ausgehe, sei im vorliegenden Fall die Ursächlichkeit der arglistigen Täuschung für die Ernennung des Klägers zum Inspektor zu bejahen. Es habe sich hier um eine reguläre Ernennung gemäß den allgemeinen Laufbahnbestimmungen gehandelt, die – wie unstreitig sei und keiner weiteren Ausführungen bedürfe – eine bestandene Inspektoren-Prüfung voraussetzten. Daß es sich um eine solche reguläre Ernennung gehandelt habe, gehe eindeutig aus dem Erlaß des Kultusministers vom 19. September 1949 hervor. Ferner ergebe sich dies aus der Kabinettsvorlage des Kultusministers vom 30. September 1949, in der es heiße, daß es der Kläger verdiene, gemäß seiner Vorbildung in das Beamtenverhältnis des mittleren Dienstes übernommen zu werden.

Es komme also nicht darauf an, ob der Beklagte den Kläger auf Grund irgendwelcher Sonderbestimmungen auch ohne Inspektoren-Prüfung zum Inspektor hätte ernennen können. In diesem Zusammenhang sei noch zu vermerken, daß eine Ernennung auf Grund des Gesetzes zu Artikel 131 GG im Jahre 1950 schon deswegen nicht in Betracht gekommen wäre, weil dieses Gesetz erst im Mai 1951 verkündet worden sei. Auch das Überführungsgesetz vom 23. März 1948 habe dem Kläger in bezug auf die Laufbahnvorschriften keine besonderen Rechte geboten. Denn § 6 Abs. 3 dieses Gesetzes habe bestimmt, daß der Zusicherungsträger bei Nachweis der persönlichen und fachlichen Eignung sowie bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen des Beamtengesetzes bevorzugt in das Beamtenverhältnis zu überführen sei. Eine bevorzugte Behandlung sei also nur im Rahmen der allgemein geltenden Laufbahnvorschriften möglich gewesen. Nach § 18 Abs. 1 der Verordnung über die Beamtenlaufbahn im Lande Hessen (LaufbahnVO 1949) vom 23. März 1949 (GVBl. S. 33) hätten Angestellte des öffentlichen Dienstes, die zu Nichtbetroffenen im Sinne des Befreiungsgesetzes erklärt worden seien und sich beim Neuaufbau der Verwaltung besonders bewährt hätten, bei der Überführung in das Beamtenverhältnis vom Vorbereitungsdienst befreit werden können. An die Stelle der vorgeschriebenen Prüfung hätte eine vereinfachte Prüfung treten können. Nach § 18 Abs. 3 LaufbahnVO 1949 hätte von dieser vereinfachten Prüfung lediglich dann abgesehen werden können, wenn die betreffende Person zur Zeit des Inkrafttretens dieser Verordnung das 40. Lebensjahr vollendet gehabt habe. Da der Kläger das 40. Lebensjahr erst am 29. Mai 1952 vollendet habe, hätte er hiernach für eine im Jahre 1950 auszusprechende Ernennung zum Inspektor in jedem Falle mindestens eine vereinfachte Prüfung ablegen müssen.

§ 19 LaufbahnVO 1949 habe weiter bestimmt, daß der Direktor des Personalamtes im Einvernehmen mit dem Minister des Innern auf Antrag der obersten Dienstbehörde allgemein oder im Einzelfall Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen könne. Ob der Kultusminister beim Kläger – wenn dieser wahrheitsgemäß angegeben hätte, noch keine Inspektoren-Prüfung abgelegt zu haben – eine Anwendung dieser Bestimmung ins Auge gefaßt hätte, wäre seinem – gerichtlich allenfalls auf Ermessensfehlgebrauch überprüfbaren – Ermessen anheimgestellt gewesen. Eine solche Entscheidung habe der Minister nicht getroffen; folglich könne sich der Kläger auf eine solche Möglichkeit nicht mit Erfolg berufen. Es sei im übrigen nichts dafür dargetan, daß, selbst bei sehr guter Bewährung des Klägers, schon eine Tätigkeit von etwa fünf Monaten (vom 16. April 1949 bis September 1949, dem Zeitpunkt der Kabinettsvorlage) als hinreichender Zeitraum für eine Anwendung des § 19 LaufbahnVO 1949 angesehen worden wäre.

Entgegen der Ansicht des Klägers gälten durch die Rücknahme der Ernennung zum Inspektor auch alle folgenden Ernennungen von Anfang an als nicht zustande gekommen. Dies ergebe sich aus § 16 Abs. 1 HBG. Auch nach § 15 HBG bestünden gegen die angefochtenen Verwaltungsakte keine rechtlichen Bedenken. Die Ernennung des Klägers zum Inspektor sei innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen worden, nachdem die oberste Dienstbehörde von dem Grund zur Rücknahme Kenntnis erlangt habe. Auch sei der Kläger vor der Rücknahme gehört worden; seine diesbezüglich in erster Instanz erhobenen Rügen habe er fallengelassen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die durch Beschluß des erkennenden Senats vom 29. November 1966 zugelassene Revision eingelegt, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt. Hilfsweise beantragt er, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Revision rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Nach seiner Auffassung hat das Berufungsgericht – möglicherweise in Verkennung der in BVerwGE 16, 340 und 17, 1 entwickelten Rechtsgrundsätze – keine eindeutigen Feststellungen darüber getroffen, ob der Kläger zum gleichen Zeitpunkt zum Inspektor ernannt worden wäre, wenn die Behörde das Fehlen der Inspektoren-Prüfung gekannt hätte.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 HBG ist eine Ernennung zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt wurde. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger bereits in seinem Lebenslauf vom 23. Januar 1949 und in seiner eidesstattlichen Versicherung vom selben Tage wahrheitswidrig angegeben, der habe im Jahre 1943 nach Abschluß eines Lehrgangs an der Verwaltungsschule der Luftwaffe in Bu… die Inspektoren-Prüfung mit Erfolg abgelegt; dadurch hat er bei der Ernennungsbehörde einen Irrtum hervorgerufen und diesen Irrtum auch noch vor seiner Ernennung zum Regierungsinspektor (Januar 1950) in dem Bewußtsein seiner Erheblichkeit für die Entschließung der Ernennungsbehörde über die bevorstehende Ernennung bewußt aufrechterhalten. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht den Tatbestand der arglistigen Täuschung als erfüllt angesehen.

Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen dagegen die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Täuschungshandlung des Klägers und seiner Ernennung zum Regierungsinspektor bejaht hat. Das Berufungsgericht ist zwar in den Entscheidungsgründen von dem hier einschlägigen Urteil BVerwGE 16, 340 ausgegangen.

Es kann aber nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht dieses Urteil mißverstanden und die darin entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt unzutreffend angewendet hat.

Nach BVerwGE 16, 340 (342, 343) genügt es für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs bei der Anwendung des – mit § 14 Abs. 1 Nr. 1 HBG wörtlich übereinstimmenden – § 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG, wenn die Ernennungsbehörde – in der Person des Dezernenten oder des maßgeblich an der Entscheidung beteiligten Sachbearbeiters (vgl. BVerwGE 11, 61 [63]) – bei Kenntnis des wahren Sachverhalts von der Ernennung, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, Abstand genommen hätte (vgl. in diesem Sinne auch die den inhaltsgleichen § 46 Abs. 2 Nr. 2 des Soldatengesetzes betreffende Entscheidung BVerwGE 17, 1 [3]). Dabei ist es nur rechtserheblich, ob die Ernennungsbehörde ohne die Täuschung tatsächlich, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer damaligen Verwaltungspraxis, von der Ernennung abgesehen haben würde, nicht jedoch, wie sie bei richtiger Auslegung der Laufbahnbestimmungen hätte verfahren können oder sollen (vgl. hierzu im Anschluß an BVerwGE 16, 340 auch das Urteil des erkennenden Senats vom 21. Oktober 1965 – BVerwG VI C 102.63 –).

Die Ursächlichkeit der Täuschung für die Ernennung des Klägers ist demnach nicht bereits durch die Feststellung des Berufungsgerichts einwandfrei dargetan, es habe sich um eine “reguläre Ernennung” gemäß den allgemeinen Laufbahnbestimmungen gehandelt, die – was unstreitig sei und keiner weiteren Ausführungen bedürfe – eine bestandene Inspektoren-Prüfung vorausgesetzt hätten. Darüber hinaus hätte festgestellt werden müssen, daß der Kläger im Januar 1950 nicht zum Regierungsinspektor ernannt worden wäre, wenn er der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht hätte. Eine eindeutige Feststellung dieses Inhalts ist der Begründung des Berufungsurteils nicht zu entnehmen; abgesehen davon ist das Berufungsurteil gerade in diesem für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschlaggebenden Punkte nicht frei von Widersprüchen und rechtlich bedenklichen oder zum Teil mißverständlichen Schlußfolgerungen. So könnte seine Auffassung (vgl. S. 13 unten der Urteilsausfertigung), es komme “also nicht darauf an, ob der Beklagte den Kläger auf Grund irgendwelcher Sonderbestimmungen auch ohne Inspektoren-Prüfung zum Inspektor hätte ernennen können”, darauf hindeuten, daß das Berufungsgericht die Frage, ob der Kläger damals tatsächlich auch ohne Prüfung zum Inspektor ernannt worden wäre, im Gegensatz zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für unerheblich hält. Andererseits hat es diese Frage in den nachfolgenden – möglicherweise nur als Hilfserwägungen zu verstehenden – Ausführungen (vgl. S. 14, 15 der Urteilsausfertigung) anhand der damals auch für Zusicherungsträger nach dem Überführungsgesetz geltenden laufbahnrechtlichen Ausnahmebestimmungen (vgl. §§ 18, 19 LaufbahnVO 1949) erörtert. In diesem Zusammenhang ist es auf Grund eigener rechtlicher Würdigung zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger nicht von der (vereinfachten) Prüfung nach § 18 Abs. 3 LaufbahnVO 1949 befreit worden wäre. Dabei hat das Berufungsgericht übersehen, daß es nicht darauf ankommt, wie diese Vorschrift richtig auszulegen war, sondern darauf, wie sie damals von der Ernennungsbehörde gerade bei Zusicherungsträgern wirklich – wenn auch vielleicht fehlerhaft – praktiziert worden ist.

Rechtlich unhaltbar ist die Auffassung des Berufungsgerichts zur Frage der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 19 LaufbahnVO 1949. Dazu ist im Berufungsurteil ausgeführt: Ob der Kultusminister beim Kläger, wann dieser wahrheitsgemäß angegeben hätte, noch keine Inspektoren-Prüfung abgelegt zu daben, eine Anwendung dieser Bestimmung ins Auge gefaßt hätte, wäre seinem – gerichtlich allenfalls auf Ermessensfehlgebrauch überprüfbaren – Ermessen anheimgestellt gewesen. Eine solche Entscheidung habe der Minister nicht getroffen; folglich könne sich der Kläger auf eine solche Möglichkeit nicht mit Erfolg berufen. Insoweit scheint das Berufungsgericht grundlegend verkannt zu haben, daß es für die rechtliche Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs nicht darauf ankommt, daß die Ernennungsbehörde dem Kläger eine in ihrem Ermessen liegende Ausnahmegenehmigung nach § 19 LaufbahnVO 1949 nicht erteilt hat, sondern allein darauf, ob sie ihm diese Ausnahmegenehmigung bei Kenntnis des wahren Sachverhalts dennoch erteilt hätte. Mit dieser rechtserheblichen Frage hat sich das Berufungsgericht nicht näher auseinandergesetzt. Die von ihm beiläufig und ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts getroffene Feststellung, es sei im übrigen nichts dafür dargetan, daß, selbst bei sehr guter Bewährung des Klägers, schon eine Tätigkeit von etwa fünf Monaten (vom 16. April 1949 bis September 1949, dem Zeitpunkt der Kabinettsvorlage) als hinreichender Zeitraum für eine Anwendung des § 19 LaufbahnVO 1949 angesehen worden wäre, kann mangels näherer Substantiierung keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine revisionsgerichtliche Entscheidung zugunsten des Beklagten bilden. Eine solche den Rechtsstreit abschließende Entscheidung könnte vom Revisionsgericht – entgegen der Auffassung des Beklagten in der mündlichen Revisionsverhandlung – auch nicht auf Gründe der “allgemeinen Lebenserfahrung” gestützt werden. Zwar sind in der Revisionsinstanz die allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten. Im Bereich der weitgehend von eigenen Regeln und Geschehensabläufen geprägten Personalverwaltung läßt sich aber ein allgemeiner, d.h. ausnahmslos geltender Erfahrungsatz, daß in dem fraglichen Zeitraum (1950) in Fällen der vorliegenden Art stets von einer Ernennung abgesehen worden wäre, schwerlich feststellen.

Wegen der vorbezeichneten rechtlichen Mängel muß das Berufungsurteil aufgehoben werden. Die Sache ist zur Nachholung der unter den oben aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkten erforderlichen Tatsachenfeststellung und -würdigung an das Berufungsgericht gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren hält der erkennende Senat noch folgenden Hinweis für geboten:

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger schon im Januar 1949 anläßlich seiner Bewerbung um Übernahme als Angestellter in den öffentlichen Dienst falsche Angaben über seine Qualifikation zum Regierungsinspektor gemacht und die Richtigkeit dieser Angaben an Eides Statt versichert. Einige Monate später hat er anläßlich der von ihm nachgesuchten Übernahme in das Beamtenverhältnis zur Erhärtung seiner falschen Angaben seine Ehefrau und seine Eltern als Zeugen benannt und außerdem eine eidesstattliche Erklärung des Tischlers H… Z… aus S… (…) vorgelegt. Nach alledem hat sich der Kläger gegenüber der Ernennungsbehörde einer groben Täuschungshandlung schuldig gemacht. Sollte sich bei weiterer Aufklärung des Sachverhalts ergeben, daß die Ernennungsbehörde bei Kenntnis dieses Verhaltens den Kläger überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in dem konkreten Zeitpunkt (Januar 1950) zum Inspektor ernannt haben würde, dann wäre die Ursächlichkeit zwischen der arglistigen Täuschung und der Entschließung der Behörde, den Kläger zum Regierungsinspektor zu ernennen, ohne weiteres zu bejahen. Dabei ist in rechtlicher Hinsicht zu beachten, daß zur Kenntnis des “wahren Sachverhalts” auch die Kenntnis von besonders gravierenden Umständen der Täuschungshandlung gehört. Dies gebietet – wie Bachof in einer kritischen Besprechung der Entscheidung BVerwGE 17, 1 (vgl. Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Band II, Nr. 391 S. 370 ff.) mit Recht betont hat – nicht zuletzt der Zweck der gesetzlichen Regelung, der “insbesondere auf die Wiederherstellung der Entschließungsfreiheit der Ernennungsbehörde und auch auf die Reinhaltung des Berufsbeamtentums von Personen gerichtet ist, die durch unlauteres Verhalten die Entschließungsfreiheit der Ernennungsbehörde eingeschränkt haben” (vgl. BVerwGE 16, 340 [342]).

Aus dieser Sicht käme es allerdings auf die vom Kläger in der Berufungsinstanz angebotenen Beweise, daß der Beklagte damals in großem Umfang Zusicherungsträger auch ohne Erfüllung der Laufbahnvoraussetzungen in den gehobenen und höheren Dienst übernommen habe, nicht an; denn offensichtlich handelt es sich nicht um wirklich vergleichbare Fälle, nämlich nicht um solche Bewerber, die sich bereits beim Eintritt in den öffentlichen Dienst einer groben Täuschung über ihre laufbahnmäßige Qualifikation schuldig gemacht haben. Dennoch könnte es für das Berufungsgericht geboten sein, auf die Beweisangebote des Klägers (vgl. insbesondere Bl. 65/66 der Gerichtsakten) zurückzugreifen; denn möglicherweise ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß die benannten (z.T. sachverständigen) Zeugen – nach entsprechender Ergänzung des Beweisthemas – über Umstände Aufschluß geben können, die für die Feststellung von Bedeutung sind, welche Entscheidung die Ernennungsbehörde im Falle des Klägers damals bei Kenntnis seines Verhaltens und überhaupt des wahren Sachverhalts getroffen hätte.

 

Unterschriften

Kellner, Dr. Waitz, Dr. Becker, Dr. Nehlert, Niedermaier

 

Fundstellen

Haufe-Index 2961038

Buchholz 232, § 12 BBG Nr 15

BVerwGE 31, 1-5

BVerwGE, 1

ZBR 1969, 148

DÖD 1969, 73

MDR 1969, 787

NDBZ 1969, 78

RiA 1969, 77

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