Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 06.12.1989; Aktenzeichen L 6 Ar 473/89)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 1989 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrte höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi); streitig ist noch die Leistung für die Zeit vom 30. Dezember 1988 bis 31. März 1989.

Der 1956 geborene Kläger war vom 2. September 1985 bis 14. Oktober 1988 als Rechtsreferendar Beamter auf Widerruf; seine Anwärterbezüge betrugen zuletzt 1.757,– DM brutto monatlich. Nachdem er am 14. Oktober 1988 die Zweite juristische Staatsprüfung erfolgreich abgelegt hatte, meldete er sich am 17. Oktober 1988 beim Arbeitsamt Marburg arbeitslos zum 1. November 1988 und beantragte Alhi. Das Arbeitsamt bewilligte die beantragte Leistung ab 1. November 1988, und zwar in Höhe von 69,12 DM wöchentlich. Der Bemessung dieser Leistung liegt die Nettolohnersatzquote von 58 vH, ein gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt von 480,– DM (entspricht der Hälfte von 4.156,48 DM monatlich) und die Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse I) sowie ein Anrechnungsbetrag von 118,67 DM wöchentlich zugrunde; den Anrechnungsbetrag begründete das Arbeitsamt mit einem Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Eltern, die nach den Feststellungen des Arbeitsamtes über bereinigte monatliche Nettoeinkünfte von 2.966,81 DM und 2.350,11 DM verfügten (Bescheid vom 6. Dezember 1988, Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 1988).

Vor dem Sozialgericht (SG) hat die Beklagte sich bereiterklärt, dem Kläger bis 29. Dezember 1988 Alhi ohne Anrechnung von Einkommen seiner Eltern zu gewähren. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. Durch Urteil vom 19. April 1989 hat das SG anschließend antragsgemäß die genannten Bescheide über das angenommene Teilanerkenntnis hinaus abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 30. Dezember 1988 bis 31. März 1989 Alhi ohne Anrechnung von Einkommen seiner Eltern im gesetzlichen Umfang zu gewähren. Die Berufung der Beklagten, die das SG zugelassen hatte, hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 6. Dezember 1989), nachdem es der Beklagten gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hatte (Beschluß vom 10. Oktober 1989).

Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi seien erfüllt. Der Kläger habe durch die Referendarzeit die Anwartschaftszeit zurückgelegt, habe sich arbeitslos gemeldet, Alhi beantragt und sei tatsächlich arbeitslos und verfügbar gewesen. Die Verfügbarkeit des Klägers sei nicht dadurch eingeschränkt gewesen, daß er sich nur für eine Tätigkeit als Volljurist bereitgehalten habe; denn dies habe der zuvor durchlaufenen langjährigen Ausbildung entsprochen. Der wöchentliche Leistungssatz in Höhe von 187,80 DM, von dem das Arbeitsamt ausgegangen sei, folge aus den einschlägigen Vorschriften. Auf diesen Leistungssatz habe Elterneinkommen nicht in Anrechnung gebracht werden dürfen. Zwar seien Leistungen, die der Arbeitslose von Dritten erhalte oder beanspruchen könne, nach § 138 Abs 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu berücksichtigen. Der Kläger habe indes weder tatsächliche Unterhaltsleistungen erhalten noch entsprechende Ansprüche gehabt, da er im Sinne des bürgerlichen Unterhaltsrechts nicht außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Seine Ausbildung sei abgeschlossen gewesen. Zweieinhalb Monate nach Examensabschluß könne er sich auch nicht auf verlängerten Ausbildungsunterhalt wegen angemessener Bewerbungsfrist berufen. Jedenfalls nach dieser Zeit sei dem Kläger zuzumuten, bis zur Aufnahme einer der Ausbildung entsprechenden Beschäftigung eine einfache Beschäftigung des allgemeinen Arbeitsmarktes aufzunehmen und sich in ganz erheblichem Umfang um eine solche Beschäftigung zu bemühen. Das habe der Kläger nicht getan.

Ein anzurechnender Unterhaltsanspruch könne auch nicht über § 10 Nr 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) fingiert werden. Nach dieser Vorschrift sei allerdings anzunehmen, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreite oder bestreiten könne, wenn er Handlungen unterlasse, die Voraussetzungen für das Entstehen oder Fortbestehen eines nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigenden Anspruchs seien. Damit könnten die fehlende Bereitschaft zur Ausübung auch ganz einfacher Tätigkeiten und die fehlenden Bemühungen zum Erhalt solcher Tätigkeiten gemeint sein. Eine Anrechnung habe gleichwohl zu unterbleiben, da sich die Vorschrift nicht im Rahmen der Ermächtigungsnorm des § 137 Abs 3 AFG halte. Nach dieser Vorschrift könne der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen durch Rechtsverordnung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen anzunehmen sei, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise bestreite oder bestreiten könne. Dabei regele schon § 10 Nr 1 AlhiV in Übereinstimmung mit der Ermächtigungsnorm, daß anzunehmen sei, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreiten könne, wenn er durch Wahrnehmung einer sonstigen zumutbaren Möglichkeit Einkommen erzielen könnte, das zur Minderung oder Versagung der Alhi führen würde. Insoweit hätte es keiner Neuregelung bedurft, wenn es um die Möglichkeit der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit durch den Kläger gegangen wäre. Vor allem wäre insoweit das zu erzielende Einkommen des Arbeitslosen unmittelbar anrechenbar. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) die Praxis der Beklagten, Einkommen der Eltern von Arbeitslosen auch dann zu berücksichtigen, wenn kein Unterhaltsanspruch bestanden habe, als rechtswidrig bezeichnet habe, habe die Änderung der AlhiV die Rechtsgrundlage für die Fortsetzung der bisherigen Praxis schaffen sollen. Der Verordnungsgeber habe dabei nicht berücksichtigt, daß es für den Bereich des Arbeitslosengeldes (Alg) und der Alhi nur einen einheitlichen Begriff der Verfügbarkeit gebe, wobei der Arbeitslose nur zur Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung verpflichtet sei. Nach der Zumutbarkeitsanordnung sei während der ersten vier Monate der Arbeitslosigkeit nur eine dem Berufsabschluß entsprechende Beschäftigung zumutbar, während der folgenden vier Monate auch Beschäftigungen der nächst niedrigeren Stufe, wenn zuvor ein Beratungsgespräch stattgefunden habe. Während der insgesamt nur fünf Monate dauernden Arbeitslosigkeit des Klägers seien ihm jedenfalls keine Tätigkeiten der untersten Stufe zumutbar gewesen, unter denen sich die im Sinne des Unterhaltsrechts zumutbaren ganz einfachen Beschäftigungen befänden. Die Weigerung des Arbeitslosen, eine im Sinne der Zumutbarkeitsanordnung unzumutbare Beschäftigung auszuführen, schließe seine Verfügbarkeit nicht aus. Mit diesem Grundsatz dürfe sich die AlhiV nicht in Widerspruch setzen.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 134 Abs 1 Nr 3, 137 Abs 1 und 3 AFG, § 10 Nr 3 AlhiV. Sie macht geltend, dem Kläger stehe ab 30. Dezember 1988 ein Anspruch auf ungekürzte Alhi nicht zu, da nicht festgestellt werden könnte, daß er in vollem Umfange bedürftig gewesen sei. Vielmehr sei anzunehmen, daß der Kläger bis zum 31. März 1989 seinen Lebensunterhalt teilweise auf andere Weise als durch Alhi habe bestreiten können, da er Handlungen unterlassen habe, die Voraussetzung für das Entstehen von gegen seine Eltern gerichteten Unterhaltsansprüchen gewesen seien. Nach den Feststellungen des LSG habe sich der Kläger nicht in ausreichendem Maße um einen Arbeitsplatz bemüht, weil er sich nicht auch außerhalb seines Ausbildungsgebiets und unterhalb seines Qualifikationsniveaus um Arbeitsstellen gekümmert habe. Was das LSG dazu ausgeführt habe, sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Damit habe der Kläger iS des § 10 Nr 3 AlhiV Handlungen unterlassen, die Voraussetzung für das Entstehen eines als Einkommen gemäß § 138 Abs 1 Nr 1 AFG anrechenbaren Unterhaltsanspruchs gewesen wären. Folglich greife die Rechtsvermutung des § 10 Satz 1 AlhiV ein, wonach anzunehmen sei, daß der Kläger insoweit seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreite oder bestreiten könne. In diesem Umfange entfalle mangels Bedürftigkeit der Anspruch des Klägers auf Alhi.

Entgegen der Ansicht des LSG sei § 10 Nr 3 AlhiV durch § 137 Abs 3 AFG gedeckt. Dieser Ermächtigungsnorm entspreche der Regelungsbereich des § 10 Nr 3 AlhiV inhaltlich voll. Auch nach Zweck und Ausmaß überschreite § 10 Nr 3 AlhiV nicht den Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Mit der Ermächtigung habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, daß sich erfahrungsgemäß im Laufe der Verwaltungspraxis bestimmte, häufig wiederkehrende Fallgestaltungen ergeben, in denen die Inanspruchnahme der aus Steuermitteln finanzierten Alhi nach den Lebensumständen ungerechtfertigt erscheine, ohne daß jedoch bei vertretbarem Verwaltungsaufwand im Einzelfall der Nachweis vorhandenen Vermögens oder Einkommens geführt werden könne. Für diese Fälle sehe § 10 AlhiV einen Katalog typischer Merkmale vor, die auf eine finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen schließen ließen. Es bestehe in diesen Fällen die widerlegliche Vermutung seiner Nichtbedürftigkeit. Dabei sei § 10 Nr 3 AlhiV lediglich die Konsequenz der bereits in den Nrn 1 und 2 verfolgten Absicht des Verordnungsgebers, einer die Nachrangigkeit der Alhi mißachtenden Inanspruchnahme von Leistungen wirksam entgegenzutreten, um die Subsidiarität der Alhi sicherzustellen. Letztlich trage die Vorschrift dem Gleichbehandlungsgebot Rechnung. Denn ebenso wie in den ersten beiden Fallgestaltungen des § 10 AlhiV gebe ein Arbeitsloser, der insbesondere auf bürgerlich-rechtliche Unterhaltsansprüche verzichte bzw diese vorwerfbar entfallen oder nicht zur Entstehung gelangen lasse, typischerweise zu erkennen, daß er zu Lasten der Allgemeinheit die Verwertung ihm offenstehender Einkunftsquellen zu vermeiden suche. Ein derartiges Verhalten rechtfertige es aber nach dem Zweck der zugrundeliegenden Ermächtigungsnorm, dem Betroffenen die Obliegenheit aufzuerlegen, dem Arbeitsamt seine gleichwohl vorhandene Bedürftigkeit darzulegen und notfalls nachzuweisen. Andere als eben diese Rechtsfolge enthalte § 10 AlhiV entgegen der Auffassung des LSG nicht. Damit erweise sich auch die Rechtsauffassung des LSG, § 10 Nr 3 AlhiV greife unzulässigerweise in die gesetzliche Regelung des § 138 Abs 1 AFG ein, als unzutreffend. Aus der letztgenannten Vorschrift ergebe sich, welches Einkommen stets anzurechnen sei. Bei § 10 AlhiV gehe es dagegen nicht um die generelle Anrechnung eines „fiktiven” Unterhaltsanspruchs, sondern um die Rechtsfolge eines bestimmten Verhaltens des Arbeitslosen, das konkret den Schluß zulasse, er erfülle nicht die Leistungsvoraussetzungen der §§ 134 Abs 1 Nr 3, 137 Abs 1 AFG. Der § 10 Nr 3 AlhiV stelle lediglich eine Beweisregel zum Merkmal der Annahme eines „anderweitigen” Bestreitens iS von § 137 Abs 1 und 3 AFG dar, mit der eine abschließende Sachentscheidung über die Bedürftigkeit des Arbeitslosen nicht getroffen werde. Unrichtig sei auch das gelegentlich vertretene weitere Argument, § 10 Nr 3 AlhiV stehe im Widerspruch zu dem Normzweck der §§ 134 Abs 1, 137 Abs 1 AFG. Zwar habe der erkennende Senat ausgesprochen, § 9 AlhiV dürfe nicht dahin interpretiert werden, daß in Wahrheit nicht vorhandenes Vermögen über die nach der genannten Vorschrift zu ermittelnden Zeiträume hinweg fingiert werden könne, und daß für die Versagung der Alhi es grundsätzlich nicht ausreiche, wenn der Arbeitslose seine Bedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt habe (SozR 4100 § 134 Nr 16). Der § 10 Nr 3 AlhiV fingiere jedoch keinen Unterhaltsanspruch. Er beschränke sich vielmehr darauf, in Fällen, in denen nach dem Verhalten des Arbeitslosen eine Verletzung sowohl des Prinzips der nachrangigen Gewährung von Alhi als auch der aus dem Sozialrechtsverhältnis folgenden Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitslosen angenommen werden müsse, letzterem eine gesteigerte Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Fortbestands seiner Bedürftigkeit aufzuerlegen. Diese Konsequenz entspreche einem im Sozialrecht geltenden allgemeinen Rechtsgedanken (vgl §§ 60, 66 Erstes Buch des Sozialgesetzbuches) und laufe dem Zweck der Leistungsgewährung keineswegs zuwider. Irrig sei schließlich das Argument des LSG, wonach § 10 Nr 3 AlhiV in Widerspruch zur Zumutbarkeitsanordnung stehe. Die Zumutbarkeitsanordnung regele die Frage, zu welchen Tätigkeiten ein Arbeitsloser bereit sein müsse, um die Leistungsvoraussetzung der Verfügbarkeit zu erfüllen. § 10 Nr 3 AlhiV betreffe dagegen die Auswirkung von unterlassenen Eigenbemühungen des Arbeitslosen um Arbeit auf die Beurteilung seiner Bedürftigkeit. Beide Leistungsvoraussetzungen müßten gesondert voneinander betrachtet werden; andernfalls hätte der Gesetzgeber die Leistungsgewährung nicht von ihrem kumulativen Vorliegen abhängig gemacht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen, und hilfsweise, den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger teilt die Auffassung des LSG, daß § 10 Nr 3 AlhiV nicht ermächtigungsgedeckt sei. Die Anrechnung von Einkommen Dritter sei bei der Bedürftigkeitsprüfung nur in den gesetzlich festgelegten Tatbeständen zulässig. Sie sei nur für minderjährige unverheiratete Arbeitslose und nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten vorgesehen (§ 138 Abs 1 Nr 2 AFG). Dagegen verstoße § 10 Nr 3 AlhiV. Die Vorschrift führe praktisch dazu, daß auch das Einkommen der Eltern volljähriger Arbeitsloser unabhängig von einem tatsächlichen Unterhaltsanspruch bei der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt werde. Damit sei die Vorschrift aber nicht mehr eine Beweis- und Darlegungsregel, die von einer widerlegbaren Vermutung der Nichtbedürftigkeit ausgehe, wie die Revision meine. Darüber hinaus verstoße § 10 Nr 3 AlhiV gegen § 103 AFG iVm der Zumutbarkeitsanordnung. Nach § 137 Abs 3 AFG sei der Verordnungsgeber nicht ermächtigt, die Bestimmungen über die Verfügbarkeit im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu verschärfen. § 10 Nr 3 AlhiV verstoße ferner gegen Verfassungsrecht. Zum einen sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Arbeitslose, die von § 10 Nr 3 AlhiV erfaßt würden, würden ohne sachlichen Grund gegenüber Arbeitslosen ohne unterhaltsfähige Verwandte benachteiligt. Darüber hinaus entspreche § 10 Nr 3 AlhiV nicht dem Gebot der Normenklarheit. Die Vorschrift fordere nämlich Handlungen, die einen Anspruch sichern sollten, der durch diese Handlungen dann gerade entfalle.

Billige der erkennende Senat die Auffassung der Revision, sei die Rechtssache an das LSG zurückzuverweisen. Das Arbeitsamt habe den Unterhaltsbedarf der Eltern des Klägers unzutreffend berechnet. Bei der Mutter des Klägers seien Werbungskosten unberücksichtigt geblieben; außerdem seien Unterhaltszahlungen des Vaters für den Bruder des Klägers nicht angesetzt worden. Die Vorinstanzen seien diesen Einwänden bislang nicht nachgegangen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Der Kläger, dem das Arbeitsamt wöchentlich 69,12 DM an Alhi bewilligt hat, will höhere Alhi. In der Sache liegt mithin eine verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage vor (§ 54 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Beträge, die mit der Klage erstrebt werden, hat der Kläger nicht beziffert. Sie ergeben sich jedoch hinreichend aus dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, Alhi ohne Anrechnung von Einkommen seiner Eltern im gesetzlichen Umfang zu gewähren, und der Klagebegründung, die sich nur mit der Anrechnung befaßt. Der Kläger will den vollen ungekürzten Leistungssatz an wöchentlicher Alhi, ohne den vom Arbeitsamt errechneten Leistungssatz oder die dabei zugrunde gelegten Merkmale in Frage zu stellen. Der Bemessung der Alhi ist nach §§ 136 Abs 2 Satz 1 Nr 2, 112 Abs 1 Satz 1, Abs 5 Nr 2, Abs 7 und Abs 10 AFG, wie das LSG näher dargelegt hat, ein gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt von 480,– DM zugrunde zu legen. Der Kläger hat ein Kind. Auf seiner Lohnsteuerkarte ist die Lohnsteuerklasse I eingetragen. Nach § 136 Abs 1 Nr 1 und Abs 3 Satz 2, § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst a AFG und der AFG-Leistungsverordnung 1988 vom 3. Dezember 1987 (BGBl I 2455) ergibt sich hieraus ein Leistungssatz von wöchentlich 187,80 DM, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat. Dieser Leistungssatz gilt auch über den 31. Dezember 1988 hinaus, obwohl die AFG-Leistungsverordnung 1989 vom 30. November 1988 (BGBl I 2166) bei den gleichen Merkmalen einen Leistungssatz von 187,20 DM vorsieht; denn dem Kläger kommt die Übergangsvorschrift des § 2 der Verordnung zugute. Streitig ist hiernach, ob dem Kläger statt der gewährten 69,12 DM vom 30. Dezember 1988 bis 31. März 1989 wöchentlich 187,80 DM zu zahlen sind. Ob das der Fall ist, kann aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.

Das LSG hat das Begehren des Klägers für begründet erachtet. Es hat gemeint, die in § 134 Abs 1 Satz 1 AFG genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi seien gegeben, insbesondere sei der Kläger bedürftig (§§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 137, 138 AFG); der Vorschrift des § 10 Nr 3 AlhiV, eingefügt durch die Zweite Verordnung zur Änderung der AlhiV vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2598), auf die sich die Beklagte berufe, fehle es an der gesetzlichen Ermächtigung. Die Ausführungen zu § 10 Nr 3 AlhiV beanstandet die Revision; indes ist dem LSG für die hier gegebene Fallgestaltung im Ergebnis zu folgen.

Nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG hat Anspruch auf Alhi nur, wer bedürftig ist. Nach § 137 Abs 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig iS des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten sowie seiner Kinder, für die er Anspruch auf Kindergeld oder eine das Kindergeld ausschließende Leistung für Kinder hat, nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht. Die Vorschrift schreibt eine mehrfache Prüfung vor, nämlich eine allgemeine oder generelle Bedürftigkeitsprüfung, die ihrerseits doppelt erfolgt „soweit er seinen Lebensunterhalt … nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann”), sowie eine spezielle „und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht”). Die spezielle Prüfung erübrigt sich, wenn schon die generelle ergibt, daß es an der Bedürftigkeit fehlt; umgekehrt gilt Gleiches (vgl BVerfGE 9, 20, 29; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl 1988, § 137 Rz 3).

Während die generelle Prüfung am „Lebensunterhalt” des Arbeitslosen und seiner Familie ausgerichtet ist, ist Grundlage der speziellen die „Alhi nach § 136”, dh der im Einzelfall in Betracht kommende Leistungssatz nach Maßgabe der AFG-Leistungsverordnung. Bei der generellen Bedürftigkeitsprüfung hat das Gesetz Fälle im Auge, bei denen genauere Feststellungen den Umständen nach überflüssig sind; sie erfolgt mehr global (vgl Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand Januar 1990, § 137 Anm 1; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock aaO § 137 Rz 4; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, § 137 -alt-, Rzn 7 und 9). Die spezielle Prüfung erfordert dagegen regelmäßig genauere Berechnungen des Leistungssatzes und des zu berücksichtigenden Einkommens anhand detaillierter Vorschriften (§ 138 AFG, §§ 11, 12 AlhiV). Ein weiterer Unterschied soll nach einer im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung ferner darin bestehen, daß – anders als bei der speziellen Prüfung – die Verneinung der Bedürftigkeit nach der generellen Prüfung immer zur gänzlichen Ablehnung des geltend gemachten Alhi-Anspruches führt, also auch keine Teil-Alhi zu leisten ist (vgl Ambs ua, GK zum AFG, Stand Mai 1990, § 137 Rz 3; Schönefelder/Kranz/Wanka aaO; Rüdig BArbBl 1961, 318, 320; vgl ferner §§ 7 und 8 der früheren Verordnung zu § 149 Abs 6 AVAVG vom 25. April 1961, BGBl I 478). Ob aufgrund des Gesetzeswortlauts „soweit”) dieser Auffassung zu folgen ist, der weder der Wortlaut des § 10 Nrn 1 und 2 AlhiV noch die Praxis der Beklagten zu § 10 Nr 3 AlhiV entspricht, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl zum Problem Dräger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, § 149 Rz 5); denn aufgrund der generellen Prüfung läßt sich die Bedürftigkeit des Klägers weder ganz noch teilweise verneinen.

Wann der Arbeitslose seinen und seiner berücksichtigungsfähigen Angehörigen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann, hat das Gesetz nicht näher bestimmt. Eine solche Bestimmung stellt insbesondere nicht § 10 AlhiV dar. Denn die dort umschriebenen Tatbestände, auf die noch zurückzukommen ist, begründen nach der Absicht des Verordnungsgebers lediglich Vermutungen. Das ergibt sich aus der amtlichen Überschrift der Vorschrift; sie lautet nämlich „Vermutung für die Bestreitung des Lebensunterhalts”. Es handelt sich in Ermangelung einer gegenteiligen Regelung um widerlegbare Vermutungen (vgl § 292 Zivilprozeßordnung; so zutreffend Ambs ua aaO § 137 Rz 7; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock aaO § 137 Rzn 9 und 10), wie auch die Revision einräumt.

Hat das Gesetz bei der generellen Prüfung Fälle im Auge, bei denen genauere Feststellungen wie bei der speziellen Prüfung den Umständen nach überflüssig sind, müssen diese daher ohne weiteres den Schluß zulassen, daß der Arbeitslose tatsächlich über andere und vorrangige Quellen verfügt oder auf die Erschließung solcher Quellen verwiesen werden kann, und deshalb keiner bzw keiner weiteren Hilfe durch Lohnersatz aus Steuermitteln bedarf (vgl Hennig/Kühl/Heuer aaO § 137 Anm 1; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock aaO § 137 Rz 4; Schönefelder/Kranz/Wanka aaO § 137 -alt Rzn 7 und 9). Solche Umstände liegen hier nicht vor.

Nach dem Schrifttum bestreitet der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi, wenn er in einer Hausgemeinschaft lebt, in der er Unterkunft, Ernährung und Bekleidung erhält (vgl Schmidt, Arbeitslosenhilfe, § 141i AVAVG Anm 2; Schelter, Komm zum AFG, Stand Februar 1990, § 137 Rz 10). Als weiteres Beispiel wird der Fall des Arbeitslosen zu nennen sein, dessen aufwendiger Lebensstil darauf schließen läßt, daß sein Lebensunterhalt anderweit gedeckt ist (vgl § 10 Nr 2 AlhiV). Für einen solchen oder nur vergleichbaren Fall fehlt vorliegend jeglicher Anhaltspunkt. Rückschlüsse aus den Einkommen der Eltern des Klägers lassen sich schon deshalb nicht ziehen, da der Kläger nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) von seinen Eltern weder Unterhalt noch sonstige Zuwendungen erhalten hat. Das LSG hat zwar nur ausgeführt, tatsächliche Unterhaltsleistungen habe der Kläger von seinen Eltern nicht erhalten. Das schließt indes Zuwendungen der Eltern anderer Art ein; denn die tatsächliche Überzeugung des LSG beruht auf der Angabe des Klägers vor dem SG, er habe in dem streitigen Zeitraum von seinen Eltern keinerlei Zuwendungen erhalten. Ebensowenig folgt aus dem Umstand, daß die dem Kläger während seiner Arbeitslosigkeit gezahlte Alhi wesentlich unter den Regelleistungen der Sozialhilfe gelegen hat, daß der Kläger im übrigen offensichtlich über andere vorrangige Quellen verfügte. Denn der Kläger könnte seinen Lebensunterhalt im übrigen durch Darlehen bestritten haben, die seine Bedürftigkeit nicht in Frage stellen (vgl BSGE 58, 160 = SozR 4100 § 138 Nr 11), oder auf Ersparnisse zurückgegriffen haben, obwohl das Vermögen des Klägers der Gewährung von Alhi in der hier streitigen Zeit nach § 137 Abs 2 AFG, §§ 6 ff AlhiV nicht entgegenstand.

Bei dem Tatbestand, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreiten kann, geht es um den Verweis auf die Erschließung feststehender wirtschaftlicher Quellen (Schönefelder/Kranz/Wanka aaO § 137 -alt- Rz 9). Als Beispielsfälle nennt das Schrifttum die Vermietung oder Verpachtung nicht benötigter oder nicht genutzter Räume und landwirtschaftlicher Flächen (Ambs ua aaO § 137 Rz 5; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock aaO § 137 Rz 8; Schönefelder/Kranz/Wanka aaO), die Aufnahme von entgeltlichen Beschäftigungen und sonstigen zum Erwerb führenden Tätigkeiten (Ambs ua aaO; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock aaO; Schönefelder/Kranz/Wanka aaO) sowie Unterhaltsansprüche, die ohne weiteres durchsetzbar sind (Ambs ua aaO). Solche eindeutig feststehenden wirtschaftlichen Quellen, auf die der Kläger hätte verwiesen werden können, sind ebenfalls weder festgestellt worden noch ersichtlich.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dem Kläger Arbeitsstellen oder Tätigkeiten offenstanden, die von ihm nur hätten angenommen werden müssen. Es bestanden auch keine ohne weiteres durchsetzbaren Unterhaltsansprüche des Klägers. Der Kläger war iS des 1602 Abs 1 BGB nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten. Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger sich lediglich um solche Arbeit bemüht, die seiner beruflichen Qualifikation als Volljurist entsprochen hat, nicht auch um einfache Arbeiten. Das LSG hat gemeint, die Eltern hätten, jedenfalls ab 30. Dezember 1988, erwarten dürfen, daß der Kläger sich auch um solche Arbeiten bemüht. Gegen diese Beurteilung des LSG ist nichts einzuwenden, wie die Revision einräumt. Sie entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, wann volljährige Kinder nach Abschluß der Berufsausbildung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (BGHZ 93, 123, 127 = NJW 1985, 806, 807 = JZ 1985, 434, 435; BGH FamRZ 1985, 1245, 1246; BSGE 58, 165, 169 = SozR 4100 § 138 Nr 12; BSGE 64, 52, 54 = SozR 4100 § 138 Nr 23).

Es mag sein, daß Unterhaltsansprüche gegen den Vater und die Mutter bestanden hätten, wenn der Kläger sich auch um einfachste Arbeiten bemüht hätte, was die dem Grunde nach unterhaltspflichtigen Eltern von ihren volljährigen Kindern erwarten dürfen, bevor sie tatsächlich Unterhalt leisten müssen. Indessen hat der Kläger in der Zeit seiner Arbeitslosigkeit nicht darauf verwiesen werden können, sich dadurch andere Einnahmequellen zu erschließen, daß er sich auch um einfachste Arbeiten bemüht. Denn wie der Arbeitslose im Verhältnis zum Arbeitsamt nur solche Beschäftigungen annehmen muß, für die er nach Maßgabe der Verfügbarkeitsanforderungen verfügbar zu sein hat, kann auch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht die Bereitschaft zu Beschäftigungen verlangt werden, deren Annahme die Bedürftigkeit ganz oder teilweise (ggf auch die Arbeitslosigkeit) beseitigen würde, dem Arbeitslosen aber nicht oder noch nicht zumutbar ist. Es würde nämlich einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn im Rahmen der Bedürftigkeit strengere Anforderungen an die Bereitschaft des Arbeitslosen, Beschäftigungen anzunehmen, gestellt würden als die, mit denen sich das Arbeitsförderungsrecht zum Schutze des durch Berufsabschluß oder beruflichen Werdegang erworbenen sozialen Status für eine vorübergehende Zeit der Arbeitslosigkeit sonst zufrieden gibt. Zur Aufnahme ganz einfacher Beschäftigungen, die im Sinne des Unterhaltsrechts einem volljährigen Kind zumutbar sind, braucht sich der Kläger gegenüber dem Arbeitsamt jedoch nicht bereitzuhalten, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

Die Anforderungen, die im Rahmen der Alhi an die Verfügbarkeit zu stellen sind, richten sich nach § 103 AFG. Das folgt aus der Verweisungsvorschrift des § 134 Abs 4 Satz 1 AFG; Besonderheiten gelten nur bezüglich solcher Arbeitsloser, die nur mit Einschränkung hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit imstande sind, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben (§ 134 Abs 4 Satz 2 AFG). Nach § 103 Abs 1 Nr 2 AFG setzt das Erfordernis der – subjektiven – Verfügbarkeit voraus, daß der Arbeitslose bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind die Interessen des Arbeitslosen und die der Gesamtheit der Beitragszahler gegeneinander abzuwägen (§ 103 Abs 2 Satz 1 AFG). Nach den §§ 9 und 12 der Zumutbarkeitsanordnung vom 16. März 1982 (ANBA 523), durch die die Beklagte Näheres über die Zumutbarkeit gemäß § 103 Abs 2 Satz 2 AFG bestimmt hat, sind dem Arbeitslosen während der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit, die in der Regel vier Monate umfaßt (§ 8), Beschäftigungen zumutbar, die den üblichen Bedingungen entsprechen, zu denen Arbeitnehmer mit vergleichbarem Berufsabschluß oder vergleichbarem beruflichen Werdegang Beschäftigungen ausüben, und in den nächsten vier Monaten Beschäftigungen der nächstniedrigeren von insgesamt fünf Qualifikationsstufen. Der Kläger, der als Volljurist der obersten Qualifikationsstufe zuzuordnen ist, brauchte sich während der fünf Monate dauernden Arbeitslosigkeit daher zunächst nur für Beschäftigungen der obersten Qualifikationsstufe und allenfalls im letzten Monat für solche der zweitobersten Qualifikationsstufe zur Verfügung zu stellen, keinesfalls aber für einfache Beschäftigungen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich im vorliegenden Falle nicht aus den Vermutungen des § 10 AlhiV. Nach dieser Vorschrift ist allerdings unter bestimmten Voraussetzungen anzunehmen, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen, für die ein Anspruch auf – den seit 1975 nicht mehr gewährten – Familienzuschlag besteht, iS des § 137 Abs 1 AFG auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann. Von den drei Tatbeständen, die zu diesen Vermutungen führen, kommt nur ein Fall der Nr 3 in Betracht. Denn es sind keine Umstände der Lebensführung des Klägers festgestellt worden, die den Schluß zulassen, daß er nicht oder nur teilweise bedürftig ist (§ 10 Nr 2 AlhiV), noch sind konkrete Möglichkeiten festgestellt worden, durch die der Kläger als Arbeitnehmer, Selbständiger, mithelfender Familienangehöriger oder auf sonstige Weise Einkommen hätte erzielen können, das zur Minderung oder Versagung der Alhi geführt hätte (§ 10 Nr 1 AlhiV).

Nach § 10 Nr 3 AlhiV ist anzunehmen, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen, für die ein Anspruch auf Familienzuschlag besteht, auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann, wenn er ua Handlungen unterläßt,

die Voraussetzungen für das Entstehen oder Fortbestehen eines Anspruchs sind, der nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigen wäre. Ihrem Wortlaut nach erfaßt die Vorschrift Handlungen und Ansprüche aller Art, obwohl mit dieser Vorschrift erklärtermaßen der Beklagten die Beibehaltung der von der Rechtsprechung des BSG nicht gebilligten Praxis ermöglicht werden sollte, Unterhaltsansprüche Arbeitsloser gegen Eltern und Kinder wie nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigen, auch wenn diese deshalb nicht gegeben waren, weil der Arbeitslose sich nicht auch um einfache Arbeiten bemüht hatte (vgl Winkler info also 1989, 18, 22; Begründung zum Entwurf des KOV-Anpassungsgesetzes 1989, BT-Drucks 11/4178 S 6). Die Beklagte macht dem Kläger zum Vorwurf, sich nicht in dem Umfange um Arbeit bemüht zu haben, in dem dies das Unterhaltsrecht von ihm fordert, bevor der Unterhaltsberechtigte als unterhaltsbedürftig gilt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger damit im Wortsinne eine Handlung unterlassen hat, die Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch ist. Das könnte fraglich sein, weil Unterhaltsansprüche unabhängig vom Verhalten des Anspruchstellers schon dann nicht bestehen sollen, wenn entsprechende Arbeitsplätze vorhanden sind (vgl BSGE 64, 52, 57 f = SozR 4100 § 138 Nr 23). Denn auch wenn nach der mit der Bestimmung verfolgten Absicht des Verordnungsgebers davon ausgegangen wird, daß der Kläger iS des § 10 Nr 3 AlhiV Handlungen unterlassen hat, die Voraussetzung für das Entstehen oder Fortbestehen von nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG anrechenbaren Unterhaltsansprüchen gegen seinen Vater und seine Mutter sind, indem er sich nur um eine Beschäftigung als Volljurist und nicht auch um andere Beschäftigungen bemüht hat, greifen die beiden Vermutungen nicht ein.

Soweit nach § 10 Nr 3 AlhiV anzunehmen ist, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreitet, entspricht die Vorschrift nicht der Rechtsetzungsermächtigung des § 137 Abs 3 AFG.

Nach dieser Vorschrift kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen durch Rechtsverordnung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, daß der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt auf andere Weise bestreitet oder bestreiten kann. Hiernach ist der Verordnungsgeber nicht zur abschließenden Regelung befugt worden, wann der Arbeitslose im Sinne des § 137 Abs 1 AFG seinen Lebensunterhalt anderweit bestreitet oder bestreiten kann. Er kann nur bestimmen, wann dies anzunehmen, dh wann dies zu vermuten ist. Die Ermächtigung berechtigt den Verordnungsgeber keineswegs, die generelle Bedürftigkeitsprüfung, wie sie vom Gesetz vorgegeben ist, zu verändern. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß der Gesetzgeber die Ermächtigung geschaffen hat, um bei bestimmten Fallgestaltungen, bei denen die Inanspruchnahme der aus Steuermitteln finanzierten Alhi nach den Lebensumständen ungerechtfertigt erscheint, ohne daß im Einzelfalle Vermögen oder Einkommen nachweisbar ist, die Erlangung von Alhi auszuschließen, wie die Revision meint. Die Ermächtigung bezweckt lediglich, Vorschriften zu ermöglichen, um eine einheitliche Handhabung der generellen Bedürftigkeitsprüfung zu gewährleisten. Dies ergibt sich unzweideutig aus der Begründung zu dem Entwurf des § 141d Abs 4 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) aus dem Jahre 1955, dem späteren § 149 Abs 6 AVAVG (vgl BT-Drucks II/1274 S 155), dem § 137 Abs 3 AFG nachgebildet ist (vgl Begründung zu § 135 Abs 3 AFG-Entwurf, BT-Drucks V/2291 S 86). Aufgrund der Ermächtigung ist der Verordnungsgeber somit nur berechtigt, zur einheitlichen Handhabung der vom Gesetz nicht näher bestimmten Begriffe, widerlegliche Vermutungen bei Fallgruppen vorzuschreiben, bei denen typischerweise genauere Feststellungen wie bei der speziellen Bedürftigkeitsprüfung den Umständen nach überflüssig sind, weil diese in der Regel ohne weiteres den Schluß zulassen, daß der Arbeitslose über andere Quellen verfügt oder solche unschwer erschließen kann. Darüber hinaus hat der Verordnungsgeber die vom Gesetz vorgegebenen Grundsätze des Arbeitsförderungsrechts zu beachten.

Soweit § 10 Nr 3 AlhiV vermutet, daß der Arbeitslose seinen und seiner Familie Lebensunterhalt anders als durch Alhi deckt, wenn er Handlungen unterläßt, die Voraussetzungen für das Entstehen oder Fortbestehen von Ansprüchen sind, die nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigen wären, fehlt es an jeder Grundlage für diese Vermutung. Denn es kann keine Rede davon sein, daß Arbeitslose, die sich so verhalten, typischerweise über Mittel verfügen, die sie für ihren Lebensunterhalt heranziehen. Ein Sachverhalt, der nach § 10 Nr 3 AlhiV diese Vermutung zur Folge haben soll, läßt weder den logischen Schluß noch die Vermutung zu, daß tatsächlich Mittel vorhanden sind. Im Gegenteil, der Anspruch, der nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigen wäre, steht dem Arbeitslosen im Falle des § 10 Nr 3 AlhiV gerade nicht zu. Das gilt auch dann, wenn – wie hier – Unterhaltsansprüche betroffen sind. Daß der Verordnungsgeber rechtstechnisch nur eine widerlegbare Vermutung ausgesprochen hat, ist unerheblich; auch eine durch Rechtsverordnung ausgesprochene widerlegbare Vermutung bedarf der logischen Plausibilität, um der gesetzlichen Ermächtigung zu entsprechen. Würde sich § 10 Nr 3 AlhiV übrigens auf die Vermutung beschränken, der Arbeitslose lebe von Zuwendungen seiner Eltern, wenn er Handlungen unterläßt, die Voraussetzung eines Unterhaltsanspruches sind, wäre die Vermutung hier widerlegt; denn der Kläger hat von seinen Eltern keine Zuwendungen erhalten.

Soweit § 10 Nr 3 AlhiV vermutet, der Arbeitslose könne seinen und seiner Familie Lebensunterhalt anders als durch Alhi decken, ist die Rechtmäßigkeit dieser Vermutung hier nur für den Fall zu beurteilen, daß dem Arbeitslosen vorgeworfen wird, Bemühungen um Arbeitsplätze unterlassen zu haben, die ihm nach Maßgabe des Arbeitsförderungsrechts nicht zumutbar sind. Insoweit ist die Vermutung schon deshalb nicht ermächtigungsgedeckt, weil der Verordnungsgeber dabei die Grenzen nicht beachtet hat, die ihm durch die Anforderungen an die Verfügbarkeit gesetzt sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber Arbeitslose, die keinen Anspruch auf Alg haben, deren Eltern oder Kinder jedoch Unterhalt leisten können, zunächst auf die Möglichkeit, Unterhalt zu erlangen, verweisen darf, ohne den durch die Zumutbarkeitsregelungen gewährten Berufsschutz für alle einzuschränken. Der Verordnungsgeber jedenfalls ist hierzu nicht befugt. Er hat die Verfügbarkeitsregelungen zu beachten. Sie sind durch Gesetz und Anordnungsrecht bestimmt und stehen damit nicht in seinem Belieben. Die im Gesetz getroffene Entscheidung, daß die Verfügbarkeit im Sinne der Zumutbarkeitsanordnung auch für den Anspruch auf Alhi gelten soll, zeigt, daß die fehlende Bereitschaft, eine danach unzumutbare Arbeit anzunehmen, den Anspruch auf Alhi nicht ausschließen soll. Damit darf sich der Verordnungsgeber nicht in Widerspruch setzen (BSGE 64, 52, 57 = SozR 4100 § 138 Nr 23).

Auch in diesem Zusammenhang ist unerheblich, daß § 10 Nr 3 AlhiV nur eine widerlegbare Vermutung enthält. Das gilt um so mehr, als der Nachweis, daß der Arbeitslose entgegen der Vermutung seinen und seiner Familie Lebensunterhalt anders als durch Alhi decken kann, im Falle des § 10 Nr 3 AlhiV nur dann möglich erscheint, wenn der Schuldner des Anspruchs, der nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigen wäre, nicht leistungsfähig ist. Bei Unterhaltsansprüchen von Kindern ist dieser Einwand aber praktisch ausgeschlossen; denn da ein Unterhaltsanspruch voraussetzt, daß der Inanspruchgenommene bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen in der Lage ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den geforderten Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs 1 BGB), kann es in der Regel nur zu der Vermutung kommen, wenn der Unterhaltsschuldner leistungsfähig ist. Diese Feststellung führt aber dazu, daß die Vermutung unwiderlegbar wird.

Ob die Vermutung des § 10 Nr 3 AlhiV auch deshalb nicht ermächtigungsgedeckt ist, weil sie zur Anrechnung eines gedachten Unterhaltsanspruchs und damit zur teilweisen Anrechnung von Einkommen der Eltern eines volljährigen Arbeitslosen führt, obwohl die Berücksichtigung gedachter Ansprüche im Rahmen der speziellen Bedürftigkeitsprüfung § 138 Abs 1 Nr 1 AFG und die Berücksichtigung des Einkommens der Eltern volljähriger Arbeitsloser § 138 Abs 1 Nr 2 AFG widerspricht, bedarf hier keiner Entscheidung. Es bleibt daher offen, ob die Vermutung des § 10 Nr 3 AlhiV, der Arbeitslose könne seinen und seiner Familie Lebensunterhalt anders als durch Alhi decken, bei anderen Fallgestaltungen Platz greift, also dann, wenn dem Arbeitslosen die Unterlassung anderer Handlungen als das Bemühen um nach Arbeitsförderungsrecht nicht zumutbare Beschäftigungen vorgeworfen wird, welche Voraussetzungen eines nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigenden Anspruchs sind. Allerdings wird hierzu bemerkt, daß der generellen Bedürftigkeitsprüfung die Verweisung des Arbeitslosen auf die Erschließung wirtschaftlicher Quellen nicht fremd ist „bestreiten kann”). Dahingestellt bleibt auch, ob § 10 Nr 3 AlhiV in Fällen vorliegender Art gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

Ist nach alledem nach der generellen Bedürftigkeitsprüfung die Bedürftigkeit nicht zu verneinen, muß die spezielle Prüfung durchgeführt werden. Das LSG ist davon ausgegangen, im Rahmen der speziellen Prüfung nach § 138 AFG zu berücksichtigendes Einkommen sei nicht vorhanden. Richtig ist zweifellos, daß das Einkommen der Eltern des Klägers nicht unmittelbar zu berücksichtigen ist. Das wäre nur der Fall, wenn der Kläger noch minderjährig wäre (§ 138 Abs 1 Nr 2 AFG). Zutreffend hat das LSG ferner erkannt, daß nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG keine Unterhaltsansprüche des Klägers gegen seinen Vater und seine Mutter zu berücksichtigen sind, weil solche nicht bestehen. Daß der Arbeitslose Eltern hat, die ohne Gefährdung des eigenen Unterhalts in der Lage wären, ihm Unterhalt zu gewähren, ist unerheblich; die Berücksichtigung gedachter Unterhaltsansprüche, die tatsächlich nicht bestehen, aber bestehen würden, wenn der Arbeitslose sich um Arbeiten jeglicher Art bemühen würde und dennoch seinen Lebensbedarf nicht erwirtschaften könnte, läßt § 138 Abs 1 Nr 1 AFG nicht zu (BSGE 64, 52 = SozR 4100 § 138 Nr 23). Durch § 137 Abs 1a AFG, eingefügt durch das KOV-Anpassungsgesetz 1989 vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1288), hat sich hieran für die hier streitige Zeit nichts geändert. Der Gesetzgeber hat die neue Vorschrift des § 137 Abs 1a AFG nicht mit vor Verkündung des Gesetzes wirkender Kraft versehen. Zwar werden nach dem gleichzeitig eingefügten § 152 Abs 1a AFG unanfechtbare Verwaltungsakte nicht aus unterhaltsrechtlichen Gründen für die Vergangenheit zurückgenommen, soweit für die Zeit vor dem 8. Juli 1989 Unterhaltsansprüche nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG berücksichtigt worden sind; vorliegend geht es indes nicht um die Rücknahme eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes. Es besteht daher keine Veranlassung, zum Umfang der durch § 137 Abs 1a AFG erfaßten Tatbestände oder den verfassungsrechtlichen Bedenken Stellung zu nehmen, die im Schrifttum gegen beide Vorschriften vorgebracht werden (vgl Gitter FamRZ 1989, 1077; Rombach SGb 1989, 291, 295; Schlegel/Otte NJW 1989, 2800; Siegfried Soziale Sicherheit 1990, 19).

Es sind schließlich auch weder Unterhalt noch sonstige Zuwendungen zu berücksichtigen, die der Kläger tatsächlich von den Eltern erhalten hätte.

Trotz dieser nicht zu beanstandenden Ausführungen des LSG ist damit die spezielle Bedürftigkeitsprüfung nicht erschöpft. Das LSG hat übersehen, daß grundsätzlich jedes Einkommen des Arbeitslosen, unabhängig von wem es kommt und aus welchen Gründen es gezahlt wird, nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG zu berücksichtigen ist. Ein Anspruch auf höhere Alhi bis zu dem oben angegebenen Leistungssatz ist infolgedessen nur dann gegeben, wenn zu berücksichtigendes Einkommen gänzlich fehlt, der Kläger mithin auch von anderen als seinen Eltern keine Leistungen erhalten oder zu beanspruchen hat. In Fällen vorliegender Art ist daher auch festzustellen, daß anderweitiges Einkommen nicht erzielt worden ist. Das gilt in Sonderheit, wenn die Beklagte Alhi gänzlich verweigert oder, wie hier, lediglich einen Betrag geleistet hat, der wesentlich unter den Regelleistungen der Sozialhilfe liegt; denn dann drängt sich die Frage auf, womit der Arbeitslose neben der geringen Alhi seinen Lebensbedarf gedeckt hat. Eine solche Feststellung fehlt hier.

Der Senat vermag deshalb nicht abschließend zu entscheiden, ob der Kläger, wie das LSG angenommen hat, uneingeschränkt bedürftig war. Schon das muß zwecks Nachholung tatsächlicher Ermittlungen zur Zurückverweisung der Sache an das LSG gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG führen; denn die Entscheidung des LSG stellt sich nicht aus anderen Gründen schon als richtig dar.

Noch aus einem anderen Grunde sind weitere Feststellungen erforderlich.

Das LSG hat sich trotz der von ihm bestätigten Urteilsformel des SG nicht auf die Prüfung beschränkt, ob Einkommen der Eltern oder tatsächlich bestehende oder gedachte Unterhaltsansprüche des Klägers gegen seine Eltern der Gewährung der Alhi „in gesetzlichem Umfang” entgegenstehen. Es hat vielmehr darüber hinaus geprüft, ob die in § 134 Abs 1 Nrn 1, 2 und 4 AFG genannten Voraussetzungen gegeben sind. Das ist richtig. Die Gerichte dürfen sich nicht darauf beschränken, sich mit den von den Beteiligten für erheblich angesehenen tatsächlichen oder rechtlichen Streitfragen zu befassen, sondern haben unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, ob der prozessuale Anspruch, den der Kläger geltend gemacht hat, hier also das Begehren auf höhere Alhi, begründet ist. Einer solchen Prüfung anhand materiellen Rechts sind die Gerichte zwar enthoben, soweit Entscheidungen vorliegen, die die Beteiligten in der Sache binden (vgl §§ 77, 141 Abs 1 SGG). Solche Bindungen greifen hier jedoch nicht Platz, auch nicht aufgrund der ausgesprochenen Alhi-Bewilligung in Höhe von wöchentlich 69,12 DM; denn diese Bewilligung hat nicht zur Folge, daß hinsichtlich des vom Arbeitsamt abgelehnten und hier streitigen Anspruchs bindend davon auszugehen wäre, daß grundsätzlich alle Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi gegeben sind und nur noch zu prüfen ist, ob der Gewährung der vollen Alhi bestehende oder gedachte Ansprüche des Klägers gegen seine Eltern oder deren Einkommen entgegenstehen.

Nach der Rechtsprechung des BSG erfaßt die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes nach § 77 SGG grundsätzlich lediglich dessen Verfügungssatz, dh die Regelung des Einzelfalles; die Gründe, also die tatsächlichen Annahmen und die rechtlichen Erwägungen, die zu der Regelung geführt haben, entfalten selbständig keine Bindungswirkung. Etwas anderes gilt zwar, wenn bei einer Leistungsgewährung die Ergebnisse rechtlicher Wertungen, welche die Gewährung begründen, zusätzlich durch besondere Verfügungssätze geregelt werden, die ebenso, wie sie gesondert angefochten werden können, gesondert bindend werden (vgl dazu BSG SozR 4100 § 112 Nr 23 mwN). Im Bereich der Arbeitsförderung geschieht dies im allgemeinen jedoch nicht, so daß die Rechtsprechung des BSG durchweg an dem Grundsatz festgehalten hat, daß sich die Bindungswirkung eines Leistungsbescheids auf die bewilligte Leistung beschränkt und die Verpflichtung des Gerichts, den streitigen Anspruch unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, nicht eingeschränkt ist (vgl dazu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des BSG vom 30. Januar 1990 – 11 RAr 47/88 –). Infolgedessen ist bei der Klage auf höheres Alg auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Anspruchs dem Grunde nach vorliegen (BSG aaO); geht es, wie hier, um höhere Alhi, gilt nichts anderes.

Das LSG hat angenommen, die in § 134 Abs 1 Satz 1 Nrn 1, 2 und 4 AFG genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi seien gegeben. Nach den getroffenen Feststellungen ist dies mit Ausnahme der Verfügbarkeit in der Tat nicht zweifelhaft. Zur Verfügbarkeit des Klägers hat das LSG gemeint, sie sei nicht deshalb eingeschränkt gewesen, weil sich der Kläger nur für eine Tätigkeit als Volljurist bereitgehalten habe. Für die Zeit bis zum 28. Februar 1989 ist dem zwar zuzustimmen, für die Zeit danach, hier also für März 1989, reichen die getroffenen Feststellungen jedoch nicht, um diese Beurteilung des LSG zu bestätigen. Wie oben ausgeführt, durfte sich der Kläger nach der Zumutbarkeitsanordnung für die erste Zeit der Arbeitslosigkeit darauf beschränken, sich als Jurist der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen. Indessen umfaßt die erste Zeit der Arbeitslosigkeit in der Regel nur vier Monate (§ 8 Zumutbarkeitsanordnung), dh im vorliegenden Falle die Zeit vom 1. November 1988 bis 28. Februar 1989. War es während dieser Zeit trotz ausreichender und angemessener Vermittlungsbemühungen nicht möglich, den Arbeitslosen in eine Beschäftigung zu vermitteln, so werden während eines weiteren Zeitraums auch Beschäftigungen der nächstniedrigeren Qualifikationsstufe zumutbar, wenn die Gründe, die solche Beschäftigungen zumutbar machen, mit dem Arbeitslosen in einem Beratungsgespräch erörtert worden sind (§ 12 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 Satz 1 der Zumutbarkeitsanordnung). Wenn, wozu das LSG keine Feststellungen getroffen hat, diese Voraussetzungen gegeben waren, hätte der Kläger im März 1989 auch für Beschäftigungen der nächsten Qualifikationsstufe (Aufstiegsfortbildung auf einer Fachschule oder einer vergleichbaren Einrichtung) zur Verfügung stehen müssen. In diesem Fall fehlte es ab März 1989 an der Bereitschaft des Klägers, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf (§ 103 Abs 1 Nr 2 Buchst a AFG), wenn der Kläger, wie festgestellt, sich weiterhin nur für eine Tätigkeit als Volljurist bereitgehalten hat.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist hiernach erheblich, ob der Kläger anderweit Einkommen erzielt hat und im März 1989 bereit war, jede ihm nach der Zumutbarkeitsanordnung zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben konnte und durfte. Da es insoweit an den erforderlichen Feststellungen fehlt, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen, das bei der erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

BSGE, 128

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