Entscheidungsstichwort (Thema)

Sperrzeit. wichtiger Grund. Zuzug zum Ehegatten. Ungewisser Umzugstermin. Auskunft. Beratung. Zusicherung. Schriftform. Treu und Glauben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Arbeitnehmerin, die – nach Beratung durch das Arbeitsamt – ihr Arbeitsverhältnis am 10.04. zum 30.06. fristgemäß kündigt, weil der Heiratstermin zum 04.06. feststeht, hat auch dann im Sinne von § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG einen wichtigen Grund, wenn der Zuzug zum künfigen Ehegatten zwar beabsichtigt ist, ein Umzugstermin mangels Wohnung jedoch noch nicht feststeht, sie sich aber alsbald intensiv um Arbeit und eine Wohnung bemüht, jedoch ohne Verschulden der Umzug erst im September und die Arbeitsaufnahme erst am 01.10. erfolgen kann.

2. Die Beklagte muß sich nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben jedenfalls dann an einer mündlichen Auskunft eines ihrer Bediensteten wie nach § 34 SGB 10 festhalten lassen, wenn ausdrücklich um eine schriftliche Bestätigung gebeten wird und diese wahrheitswidrig mit der Begründung verweigert wird, daß eine solche nicht möglich sei.

 

Normenkette

AFG §§ 119, 119a; SGB X § 34; GG Art. 6

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 16.02.1989; Aktenzeichen S-11/Ar-814/87)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.06.1990; Aktenzeichen 7 RAr 22/90)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Februar 1989 wird zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Juli 1987 bis 22. September 1987, sowie um Arbeitslosengeld für denselben Zeitraum.

Die am 13. September 1958 geborene Klägerin arbeitete vom 1. August 1975 bis zum 30. Juni 1987 als Küchengehilfin gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt DM 2.157,72. Ausweislich der Bescheinigung des Diakonischen Werkes Kurhessen-Waldeck vom 11. Juni 1987 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis am 10. April 1987 zum 30. Juni 1987. Am 4. Juni 1987 heiratete die Klägerin ihren in Wuppertal arbeitenden und lebenden Ehemann. Am 29. Juni 1987 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das ihr mit Bescheid vom 9. Juli 1987 für die Zeit ab 23. September 1987 gewährt wurde.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1987 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 fest und führte in der Begründung aus, die Klägerin habe zwar angegeben, daß sie gekündigt habe, um zu ihrem Ehemann zu ziehen, ein Umzugstermin stehe jedoch nicht fest. Hiergegen hat die Klägerin am 10. Juli 1987 Widerspruch erhoben und vorgetragen, sie habe sich mit ihrem Ehemann zusammen in Wuppertal eine Wohnung nehmen wollen. Der Umzug sei jedoch noch nicht erfolgt, da sie in Wuppertal noch keine neue Arbeit gefunden habe. Ohne ihre Arbeitsaufnahme könne die Miete und sonstigen Lebenshaltungskosten nicht aus dem Einkommen ihres Mannes allein aufgebracht werden. Außerdem habe sie sich vorher beim Arbeitsamt Korbach (Herrn S.) erkundigt, der zugesichert habe, daß im Falle ihrer Kündigung keine Sperrzeit eintreten werde. Ausweislich eines Vermerkes vom 15. Juli 1987 konnte sich Herr S. an ein Gespräch mit der Klägerin nicht mehr erinnern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1987 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, grundsätzlich stelle eine Heirat und der damit verbundene Zuzug zum Ehemann einen wichtigen Grund zur Lösung des Arbeitsverhältnisses dar. Die Klägerin habe zwar geheiratet, wohne jedoch nach wie vor in V. Ein Umzugstermin stehe noch nicht fest und werde davon abhängig gemacht, daß die Klägerin einen Arbeitsplatz in Wuppertal finde. Es sei ihr zumutbar gewesen, ihr Arbeitsverhältnis so lange fortzusetzen, bis es ihr gelungen sei, in Wuppertal einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Eine besondere Härte liege nicht vor, so daß von der Möglichkeit zur Verkürzung der Sperrzeit kein Gebrauch habe gemacht werden können.

Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juli 1987 Klage erhoben mit dem Ziel der Aufhebung des angefochtenen Sperrzeitbescheids und der Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Juli 1987. Sie hat vorgetragen, zusammen mit ihrem Mann habe sie sich beim Arbeitsamt-Wuppertal beraten lassen, das sie aber an das Arbeitsamt Korbach verwiesen habe. Dort habe sie den Sachverhalt geschildert und nachgefragt, wie sie sich verhalten müsse, damit sie keine Sperrzeit bekomme. Erst danach habe sie das Arbeitsverhältnis gekündigt und die Arbeitssuche für Wuppertal begonnen. Der Ehemann bewohne in Wuppertal eine Ein-Zimmer-Wohnung, in der sie nicht unterkommen könne. Im Juli 1987 habe es sich abgezeichnet, daß im gleichen Hause eine größere Wohnung frei werden würde, die sie dann auch angemietet hätten. ...

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