Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

Gründe :

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung von Kinderzuschüssen zu seinem Altersruhegeld.

Die Beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bewilligte dem am 30. Dezember 1918 geborenen Kläger auf dessen Antrag vom Februar 1983 ab 1. Januar 1984 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Bescheid vom 9. Januar 1984). Mit weiterem Bescheid vom 8. Februar 1984 lehnte sie die Gewährung von Kinderzuschüssen für die vier in Ausbildung befindlichen Söhne des Klägers ab, weil nach der Neufassung des § 39 Abs. 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- (im folgenden: § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F.) durch Art. 2 Nr. 16 des Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbe-gleitgesetz 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532; im folgenden: HBeglG 1984) ein Anspruch auf Kinderzuschuß nur noch für ein Kind bestehe, für das der Rentenberechtigte bereits vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt habe. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 1984). Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hamburg abgewiesen (Urteil vom 20. November 1984) und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Kinderzuschüsse für seine Söhne gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. nicht zu. Er habe vor dem 1. Januar 1984 keinen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt. Sein Anspruch auf das Altersruhegeld sei nach § 67 Abs. 1 Satz 2 AVG erst mit Ablauf des Monats Dezember 1983 und somit mit dem 1. Januar 1984 entstanden, nachdem der Versicherungsfall (Vollendung des 65. Lebensjahres) am 29. Dezember 1983 eingetreten sei. Der Kinderzuschuß sei eine Nebenleistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Deswegen habe auch der Anspruch hierauf erst nach Ablauf des Monats Dezember 1983 entstehen können. § 39 Abs. 7 AVG stehe dem nicht entgegen. Diese Vorschrift könne nicht dahingehend interpretiert werden, daß der Kinderzuschuß bereits vom Beginn des Monats an zu gewähren sei, in dem der Versicherungsfall eingetreten sei. Zu den in dieser Vorschrift genannten "Voraussetzungen des Anspruchs" gehöre neben weiteren Voraussetzungen (§ 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 3 AVG) zunächst und vor allem das Bestehen des Rentenanspruchs. § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. lasse keinen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) erkennen. Die Neuregelung behandelte nicht gleiche Sachverhalte ungleich, weil sie erst solche Rentenempfänger erfasse, denen bis zum 31. Dezember 1983 kein Anspruch auf Kinderzuschuß zugestanden habe. Die Zuschußberechtigung für Rentner, die bereits vor dem 1. Januar 1984 einen Kinderzuschuß erhalten hätten, werde nicht berührt. Für die Stichtagsregelung seien im Gesetzgebungsverfahren eine Reine von Gründen angeführt worden, die es ausschlössen, die Neuregelung als willkürlich anzusehen (Hinweis auf BT-Drucks 10/335 vom 2. September 1983, S. 60). Im übrigen sei der Kinderzuschuß nicht etwa ersatzlos weggefallen; vielmehr stehe den betroffenen Rentnern stattdessen ein Anspruch auf staatliches Kindergeld zu, welches - wenn auch zum Teil in geringerer Höhe - ein Äquivalent darstelle.

Mit der vom SG durch Beschluß nachträglich zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger Verletzungen der §§ 39 Abs. 1 und 7 und § 67 Abs. 1 Satz 2 AVG sowie der Art. 3 und 6 GG. Die in § 67 Abs. 1 Satz 2 AVG getroffene Regelung über den Rentenbeginn sei lediglich eine Fälligkeitsbestimmung. Der Anspruch auf Altersruhegeld als solcher entstehe hingegen schon mit der Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen. Das sei bei ihm (Kläger) am 29. Dezember 1983 der Fall gewesen. Somit hätten ihm die begehrten Kinderzuschüsse gemäß § 39 Abs. 7 AVG bereits ab 1. Dezember 1983 und demnach schon vor dem 1. Januar 1984 zugestanden, so daß die im Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 1984 enthaltene Beschränkung ihm gegenüber nicht eingreife. Falls jedoch die Neuregelung seinem Anspruch auf Kinderzuschuß entgegenstehe, sei hierin ein Verstoß gegen Art. 3 und 6 GG zu erblicken.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. November 1984 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 8. Februar 1984 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 1984 zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 1983 Kinderzuschüsse für seine Söhne Richard, Philipp, Ludwig und Robert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Entgegen der Auffassung des Klägers gehöre zur Entstehung des Rentenanspruchs nicht nur die Erfüllung der für das Altersruhegeld erforderlichen Voraussetzungen, sondern darüber hinaus, daß die Rente auch zu gewähren - bzw. im Falle des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. vor dem Stichtag (1. Januar 1984) zu gewähren gewesen - sei. Gemäß § 67 Abs. 1 AVG sei die Rente des Klägers mit Ablauf des Monats Dezember 1983 und somit ab 1. Januar 1984 zu gewähren gewesen. Auch ein Anspruch auf Kinderzuschuß habe daher vor diesem Zeitpunkt, wie es § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. vorschreibe, nicht entstehen können. Als unselbständige Nebenleistung sei der Kinderzuschuß vom Bestehen des Rentenanspruchs abhängig und setze letzteren voraus. § 39 Abs. 7 AVG treffe keine Bestimmung über die Entstehung des Rentenanspruchs. Auch § 40 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB 1), der die Entstehung von Ansprüchen auf Sozialleistungen behandele, stehe ihrer (der Beklagten) Ansicht nicht entgegen. Zu den in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen gehöre auch der Zeitpunkt der Rentengewährung. Bei den Vorschriften über den Rentenbeginn (§§ 67, 45 Abs. 4, § 53 Abs. 1 AVG) handele es sich um Entstehenstatbestände und keinesfalls um Fälligkeitsregelungen. § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. lasse einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 6 Abs. 1 GG nicht erkennen. Mit der Ersetzung des in der Rentenversicherung höheren Kinderzuschusses durch das staatliche Kindergeld habe der Gesetzgeber lediglich eine bisher bestehende Bevorzugung der Rentner gegenüber den Arbeitnehmern beseitigt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die durch nachträgliche Zulassung statthafte Sprungrevision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erhöhung des ihm ab 1. Januar 1984 gezahlten Altersruhegeldes um Kinderzuschüsse für seine vier Söhne nicht zu.

Rechtsgrundlage eines solchen Anspruchs ist der ab 1. Januar 1984 geltende § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F.. Danach erhöht sich u.a. das Altersruhegeld für jedes Kind, für das der Rentenberechtigte vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt hat, um den Kinderzuschuß. Im Vergleich zu dieser Neufassung hat § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG in seiner bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Fassung (= a.F.) den Satzteil "für das der Rentenberechtigte vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt hat" nicht enthalten.

Der vorliegende Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, daß einerseits der Kläger am 29. Dezember 1983 sein 65. Lebensjahr vollendet hat und somit noch im Monat Dezember 1983 der für die Gewährung des Altersruhegeldes maßgebende Versicherungsfall (§ 25 Abs. 5 AVG) eingetreten ist. Andererseits ist das Altersruhegeld erst vom Ablauf des Monats Dezember 1983 an (§ 67 Abs. 1 Satz 1 AVG) und demnach ab 1. Januar 1984 zu gewähren. Das wirft die Frage auf, ob § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG in seiner bis zum 31. Dezember 1983 oder in der ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung anzuwenden und insbesondere ob das dafür maßgebende Unterscheidungskriterium der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls oder aber der Zeitpunkt des Rentenbeginns ist.

Maßgebend ist der Zeitpunkt des Rentenbeginns mit der Folge, daß auf den vorliegenden Sachverhalt § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. anzuwenden ist.

Allerdings ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem HBeglG 1984. Dieses beschränkt sich bezüglich der Änderungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG und des damit übereinstimmenden § 1262 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO- (letzterer geändert durch Art. 1 Nr. 39 HBeglG 1984) auf die Bestimmung (Art. 39 Abs. 1 HBeglG 1984), daß die Änderungen am 1. Januar 1984 in Kraft treten. Hingegen enthält es weine Überleitungsvorschriften, aufgrund derer sich die Frage beantworten ließe, welche Fassung des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG anwendbar ist, wenn der Versicherungsfall noch im Jahre und speziell im Monat Dezember 1983 eingetreten ist, die aufgrund dieses Versicherungsfalles zu gewährende Rente jedoch erst nach dem 31. Dezember 1983 beginnt. Insoweit hat auch die den § 39 AVG (= § 1262 RVO) betreffende Überleitungsvorschrift des Art. 2 § 16 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG; = Art 2 § 16 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -ArVNG-) durch das HBeglG 1984 im Hinblick auf die damit erfolgte Neufassung des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG eine Änderung oder Ergänzung nicht erfahren.

Dessen hat es jedoch nicht bedurft. Die Frage, ob auf einen Sachverhalt der vorliegenden Art. § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG in der bis zum 31. Dezember 1983 oder in der ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung anzuwenden ist, ist allein aufgrund dieser Vorschrift zu beantworten.

Nach ihrem Wortlaut "erhöht" sich die Rente um den Kinderzuschuß. "Erhöhen" kann sich begriffsnotwendigerweise nur eine zahlenmäßig vorhandene und feststehende Größe. Vor ihrer Entstehung ist sie einer "Erhöhung" nicht zugänglich. Für das Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung bedeutet dies, daß ein lediglich dem Grunde nach bestehender Leistungsanspruch nicht "erhöht'' werden kann. Das ist erst dann und von dem Zeitpunkt an möglich, wenn und sobald der Leistungsberechtigte neben der Bewilligung der Leistung auch die Auszahlung des entsprechenden Betrages verlangen kann (vgl. hierzu die Urteile des erkennenden Senats in BSGE 53, 6, 10 = SozR 7710 § 1813 Nr. 1 S. 3 und in BSGE 55, 131, 134f = SozR 6555 Art. 26 Nr. 1 S. 4). Demzufolge kommt die "Erhöhung" einer Rente um den Kinderzuschuß i.S. des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG nur in Betracht und der Anspruch auf Kinderzuschuß erst dann zur Entstehung, wenn und sobald der Anspruchsberechtigte die Auszahlung der Rente verlangen kann. Dies ist zugleich das maßgebende Kriterium dafür, ob in solchen "Übergangsfällen" § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG in seiner bis zum 31. Dezember 1983 oder in der an 1. Januar 1984 geltenden Fassung anzuwenden ist. Hat der Rentenberechtigte schon vor dem 1. Januar 1984 eine Auszahlung der ihm zustehenden Rente beanspruchen können, so richtet sich der Anspruch auf Kinderzuschuß, wenn dessen übrige Voraussetzungen bis dahin erfüllt sind, nach § 39 AVG a.F. Liegt der Rentenbeginn dagegen erst nach dem 31. Dezember 1983, so ist für den Anspruch auf Kinderzuschuß § 39 AVG n.F. einschlägig. Maßgebend ist stets der Zeitpunkt, von dem an der Rentenberechtigte die Auszahlung der ihm zustehenden Rentenleistung verlangen kann. Darauf hingegen, wann der Versicherungsfall eingetreten, wann die daraus resultierende Rente bescheidmässig (§ 204 AVG i.V.m. § 1631 RVO) festgestellt worden oder wann die Rentenzahlung tatsächlich aufgenommen worden ist, kommt es nicht an.

Diese am Wortlaut des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG orientierte Auslegung wird durch den gesetzessystematischen Zusammenhang der Vorschrift bestätigt. Sie hat ihren Standort in den Bestimmungen des AVG über "Renten an Versicherte" und dort speziell in den "Gemeinsamen Bestimmungen für die Berechnung der Renten" des Abschnitts über "Zusammensetzung und Berechnung der Renten". § 39 AVG stellt damit ungeachtet dessen, daß darin auch die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Kinderzuschuß geregelt worden sind, eine Berechnungsvorschrift dar. Der Gesetzgeber hat den Kinderzuschuß ausdrücklich als bloßen Faktor der Rentenberechnung verstanden und geregelt (vgl. BSG SozR Nr. 5 zu Art. 2 § 42 ArVNG; dazu auch BSGE 32, 141, 144). In Übereinstimmung damit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Kinderzuschuß Bestandteil der Versichertenrente und kein selbständiger Anspruch (BSGE 10, 131, 133; 19, 241, 242 = SozR Nr. 7 zu § 1262 RVO; BSG SozR Nr. 25 zu § 183 RVO; BSGE 35, 137 = SozR Nr. 1 zu Art. 22 Abk Spanien SozSich vom 29. Oktober 1959). Er ist ein unselbständiger Rentenbestandteil im Sinne eines Anspruchs auf Erhöhung der Rente um den Kinderzuschuß, der bei Fälligkeit des Rentenanspruchs zu zahlen ist (BSGE 35, 87, 91 = SozR Nr. 32 zu § 1262 RVO). Damit läßt auch die systematische Stellung des § 39 AVG darauf schließen, daß für die Frage, welche Fassung seines Abs. 1 Satz 1 in Übergangsfällen anwendbar ist, entscheidend auf den Zeitpunkt abzustellen ist, von dem an der Versicherte eine Auszahlung der ihm zustehenden Rentenleistung beanspruchen kann.

Die - in sich allerdings nicht ganz widerspruchsfreie - Begründung zu § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG (= § 1262 Abs. 1 Satz 1 RVO) in den Materialien des HBeglG 1984 bestätigt letztlich diese Auslegung. Die Änderung der Vorschrift geht auf einen Vorschlag der Bundesregierung in dem von ihr eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) zurück (BR-Drucks 302/83, BT-Drucks 10/335; jeweils S. 10 zu § 1262 Abs. 1 Satz 1 RVO und § 14 f zu § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG; im folgenden zitiert allein nach den Motiven zu § 1262 Abs 1 Satz 1 RVO). Nach diesem Vorschlag hat § 1262 Abs. 1 Satz 1 RVO folgende Neufassung erhalten sollen: "Die Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit und das Altersruhegeld erhöhen sich für jedes Kind, für das vor dem 1. Januar 1984 ein Anspruch auf Kinderzuschuß bestanden hat, um den Kinderzuschuß". Im Vorspann des Gesetzentwurfs sowie im Allgemeinen Teil der Begründung (BE- und BT-Drucks, aaO; jeweils S. 2 und 42) ist als eine der Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung die "Ersetzung der bisherigen kindbezogenen Leistungen der Rentenversicherung und der Unfallversicherung durch das gesetzliche Kindergeld bei Neurenten" geschildert worden. In der Allgemeinen Begründung zum sozialrechtlichen Teil (aaO, jeweils S. 60) ist u.a. ausgeführt worden, der Kinderzuschuß der Rentenversicherung solle vom 1. Januar 1984 an "für künftige Versicherungsfälle" durch das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ersetzt werden; um Eingriffe in laufende Leistungen zu vermeiden, solle die vorgesehene Ersetzung des Kinderzuschusses durch das Kindergeld nur "für künftige Versicherungsfälle" gelten. Demgegenüber ist in der Besonderen Begründung zum sozialrechtlichen Teil zu Art. 1 Nr. 35 (aaO, jeweils S. 74) dargelegt worden, die Änderung (des § 1262 Abs. 1 Satz 1 RVO) betreffe nur die Kinder, für die vor 1984 "noch kein Anspruch auf einen Kinderzuschuß" bestanden habe. Ihre später zum Gesetz gewordenen Fassungen haben § 1262 Abs. 1 Satz 1 RVO und § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG aufgrund einer Beschlußempfehlung des federführenden Haushaltsausschusses erhalten (vgl. BT-Drucks 10/690, S. 18 und 27). Dieser hat damit einen Vorschlag des mitberatenden Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 10/691, S. 3) aufgegriffen. Hierzu ist in der "Begründung zu den Maßnahmen im einzelnen" u.a. ausgeführt worden, der Ausschuß (für Arbeit und Sozialordnung) habe mit einem bestimmten Stimmenverhältnis "den Regelungen, wonach für künftige Versicherungsfälle die Kinderzulage der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kinderzuschuß der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz ersetzt werden sollen, mit einer klarstellenden Ergänzung zugestimmt" (BT-Drucks 10/691, S. 12). Diese klarstellende Ergänzung ist damit begründet worden (aaO, S. 24 zu Art. 1 Nr. 35), daß es durch die Neufassung für die Leistung künftiger Kinderzuschüsse nicht nur auf die Personengleichheit beim Kind, sondern auch beim Rentenberechtigten ankomme.

Die verschiedenen Passagen der Gesetzesbegründung lassen nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen, ob bezüglich der Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. darauf hat abgestellt werden sollen, daß der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist, oder darauf, ob vor diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Kinderzuschuß bestanden hat. Jedoch hat nur letzteres im Wortlaut der Vorschrift sowohl in ihrer im Regierungsentwurf enthaltenen als auch in der schließlich zum Gesetz gewordenen Fassung seinen Ausdruck gefunden. Unter Berücksichtigung dessen sowie des Hinweises, daß Eingriffe in laufende Leistungen vermieden werden sollen - womit dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes für vor dem 1. Januar 1984 bereits zustehende Kinderzuschüsse Rechnung getragen wird -, ist die Formulierung "künftige Versicherungsfälle" dahin zu verstehen, daß damit künftige - d.h. nach dem 31. Dezember 1983 entstehende - Ansprüche auf (eine Rentenerhöhung um den) Kinderzuschuß gemeint sind. Hätte der Gesetzgeber den Stichtag des 1. Januar 1984 für die Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. an den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles knüpfen wollen, so hätte dies in einer entsprechenden Gesetzesfassung zum Ausdruck gebracht werden müssen. Das ist nicht geschehen. Auch der Gesamtzusammenhang der Gesetzesmaterialien läßt nicht auf einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers schließen. Die Orientierung des Stichtages für die Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. am Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles hätte dazu geführt, daß für alle Rentenbezieher, deren Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist, auch zukünftig über längere Zeiträume hinweg bei Hinzutritt zuschußberechtigter Kinder noch Ansprüche auf Kinderzuschuß hätten entstehen können. Dies widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, die Umgestaltung des Familienlastenausgleichs möglichst rasch zu erreichen und die Besserstellung von Rentnern gegenüber Kindergeldberechtigten alsbald zu beseitigen (BR-Drucks 302/83, BT-Drucks 10/335, jeweils S. 60).

Der Senat gelangt nach alledem zu dem Ergebnis, daß für die Frage, ob § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG in der bis zum 31. Dezember 1983 oder in der ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung anzuwenden ist, maßgebend darauf abzustellen ist, ob - ungeachtet des Zeitpunktes des Eintritts des Versicherungsfalles - der Rentenberechtigte bereits vor dem 1. Januar 1984 oder erst nach dem 31. Dezember 1983 eine Auszahlung der ihm zustehenden Rente hat beanspruchen können. Auf den letzteren Fall ist § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. anzuwenden. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Beim Kläger ist der Versicherungsfall der Vollendung des 65. Lebensjahres am 29. Dezember 1983 eingetreten. Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ist - außer in dem hier nicht vorliegenden Fall einer "Verschiebung des Versicherungsfalles" (§ 25 Abs. 6 AVG) - vom Ablauf des Monats an zu gewähren, in dem seine Voraussetzungen erfüllt sind (§ 67 Abs. 1 Satz 1 AVG). Das ist bei Eintritt des Versicherungsfalles im Monat Dezember der 1. Januar des folgenden Jahres und somit vorliegend der 1. Januar 1984. Dabei kann auf sich beruhen, ob die Regelung über den Rentenbeginn als Voraussetzung für die Entstehung des Rentenanspruchs anzusehen ist (so Peters, Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, Stand 1. Februar 1985, § 40, Anm. 5 und § 41, Anm. 5) oder ob sie lediglich eine gegenüber § 41 SGB I besondere Regelung über die Fälligkeit der Rente darstellt (so Gitter in Bochumer Kommentar zum Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, 1979, § 41, Rn. 8; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, Stand April 1984, K § 41 Rz. 2). In dem einen wie in dem anderen Fall bestimmt sie den Zeitpunkt, von dem an die Rente erstmals zu zahlen ist. Der Kläger hat die Zahlung des ihm bewilligten Altersruhegeldes erst ab 1. Januar 1984 verlangen können. Deswegen richtet sich sein Anspruch auf Erhöhung des Altersruhegeldes um Kinderzuschüsse für seine Söhne nach § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F.

Dessen Voraussetzungen für die Gewährung von Kinderzuschüssen, sind nicht erfüllt. Der Kläger hat nicht vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuß gehabt.

Das ergibt sich schon aus den vorstehenden Ausführungen: Wenn - die Erfüllung der übrigen positiven und negativen Anspruchsvorausset-zungen (§ 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 AVG) unterstellt - der Anspruch auf Kinderzuschuß als unselbständiger Bestandteil der Rente frühestens mit dem Zeitpunkt entstehen kann, von dem an der Rentenberechtigte die Auszahlung der ihm zustehenden Rente verlangen kann, und der Kläger die Auszahlung des ihm bewilligten Altersruhegeldes erst ab 1. Januar 1984 hat beanspruchen können, so folgt daraus, daß er vor diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Kinderzuschuß nicht gehabt hat. Ein solcher Anspruch hätte bei unveränderter Fortgeltung des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG a.F. erst mit dem 1. Januar 1984 entstehen können. Er muß jedoch, um Kinderzuschuß auch nach dem 31. Dezember 1983 gewähren zu können, gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. schon vor dem 1. Januar 1984 entstanden sein. Das ist hier nicht der Fall.

Die Rechtsansicht des Klägers, ihm hätten gemäß § 39 Abs. 7 AVG die beantragten Kinderzuschüsse schon vom 1. Dezember 1983 an zugestanden, teilt der Senat nicht. Nach dieser Vorschrift wird der Kinderzuschuß vom Beginn des Monats an, in dem die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem sie entfallen, gewährt. Hieraus ergibt sich nicht, daß ein Anspruch auf Kinderzuschuß schon in der Zeit vor Rentenbeginn entstehen kann. Zu den "Voraussetzungen des Anspruchs" i.S. des § 39 Abs. 7 AVG gehören nicht nur die in § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 AVG normierten positiven und negativen Anspruchsvoraussetzun-gen. Weitere zwingende Voraussetzung für die Erhöhung einer Rente um den Kinderzuschuß als einen unselbständigen Rentenbestandteil ist der Anspruch auf Rentenzahlung. Unter dieser Voraussetzung enthält § 39 Abs. 7 AVG eine spezielle Regelung für solche Fälle, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Kinderzuschusses nach Rentenbeginn, also während des laufenden Bezugs erstmals oder nach einem zwischenzeitlichen Wegfall des Kinderzuschusses erneut auftreten (vgl. Kommentar zur Reichsversicherungsordnung, Viertes und Fünftes Buch, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger - Verbandskommentar -, Stand 1. Juli 1984, § 1262, Rn. 24; Kaltenbach/Maier in Koch/Hartmann, Das Angestelltenversicherungsgesetz, Band IVa, § 39 AVG, Anm. B 9.1). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

Der Kläger erfüllt nach alledem die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. für eine Erhöhung des ihm bewilligten Altersruhegeldes um Kinderzuschüsse für seine Söhne nicht. Seiner Ansicht, die Vorschrift sei wegen Verstoßes gegen Art. 3 und 6 GG verfassungswidrig, folgt der Senat nicht. § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. ist mit dem GG vereinbar.

Er widerspricht nicht dem Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. hierzu auch Urteil des 11a Senats des BSG vom 30. Oktober 1985 - 11a RA 70/84 -). Zwar führt § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. zu einer benachteiligenden Ungleichbehandlung der Neurentner (Beginn des Rentenbezuges nach dem 31. Dezember 1983) im Vergleich zu den Altrentnern (Beginn des Rentenbezuges vor dem 1. Januar 1984). Letzteren wird bei Erfüllung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 AVG) Kinderzuschuß auch für Bezugszeiten nach dem 31. Dezember 1983 gewährt. Neurentner hingegen erhalten nur noch das - gegenüber dem Kinderzuschuß für das erste und zweite Kind stets und für weitere Kinder bei Überschreitung bestimmter Einkommensgrenzen niedrigere (vgl. § 10 BKGG i.d.F. des Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts - Haushaltsbegleitgesetz 1983 - vom 20. Dezember 1982, BGBl I S. 1857; = HBeglG 1983) -Kindergeld (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Neuregelung Urteil des BSG vom 22. Januar 1986 - 10 BKg 20/84 -). Indes steht diese Ungleichbehandlung nicht im Widerspruch zu dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Gleichheitssatz. Dieser verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders zu behandeln, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. u.a. BVerfGE 67, 231, 236 und 348, 365; 68, 287, 301; jeweils m.w.N.). Speziell eine vom Gesetzgeber gewählte Stichtagsregelung ist nur dann nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Wahl einer zeitlichen Begrenzung, am gegebenen Sachverhalt orientiert, sachlich unvertretbar ist. Ist hingegen die Einführung eines Stichtages notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt, damit sachlich vertretbar, so müssen Härten, die jeder Stichtagsregelung innewohnen, -hingenommen werden (BVerfGE 58, 81, 126 m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 66, 234, 244). Das gilt auch für § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. Mit der Vorlage des HBeglG 1984 hat die Bundesregierung u.a. das Ziel verfolgt, die von der (damals) seit Jahren ungünstigen Wirtschafts-entwicklung tiefgreifend beeinflußte Finanzentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu verbessern und zu stabilisieren. Deswegen sind nach ihrer Vorstellung die erforderlichen Maßnahmen so angelegt worden, daß sie sich in eine Gesamtkonzeption zur nachhaltigen Verbesserung der Struktur der gesetzlichen Rentenversicherung einfügen, die das Ziel hat, die Rentenversicherung an die veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen und an die langfristig zu erwartenden Veränderungen des zahlenmäßigen Verhältnisses von Beitragszahlern und Rentnern anzupassen. Als eine dieser Maßnahmen ist die Ersetzung der bisherigen kindbezogenen Leistungen der Rentenversicherung und der Unfallversicherung durch das gesetzliche Kindergeld vorgesehen worden (BR-Drucks 302/83, BT-Drucks 10/335, jeweils S. 42 zu Ziffer I 3 und S. 57 zu Ziffer II A 1). Sie hat die Rentenversicherung von einer Leistung entlasten sollen, die nach Einführung des allgemeinen Kindergeldes zunehmend problematisch geworden sei und deren Finanzierung heute im Rahmen des Familienlastenausgleichs grundsätzlich aus Mitteln der Allgemeinheit, d.h. aus Steuermitteln erfolge (aaO, jeweils S. 60). Diese Erwägungen zur Begründung einer Ersetzung des Kinderzuschusses durch das Kindergeld können grundsätzlich nicht als sachwidrig angesehen werden. Allerdings hat auch bedacht werden müssen, daß eine Ersetzung bereits gezahlter oder zustehender Kinderzuschüs-se durch das Kindergeld in bestehende Rechtspositionen hätte eingreifen und dem Gebot der Besitzstandswahrung hätte widersprechen können. Angesichts dieses Zielkonfliktes ist es sachlich vertretbar, als Stichtag, von dem eine Rente nicht mehr um den Kinderzuschuß erhöht, sondern dem Rentenberechtigten bei Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen nur noch Kindergeld gewährt wird, den 1. Januar 1984 zu wählen. Damit hat sich einerseits das Vorhaben des Gesetzgebers realisieren lassen, im Zusammenhang mit anderen kostendämpfenden Maßnahmen alsbald auch eine Neuordnung des Familienlastenausgleichs vorzunehmen. Andererseits ist dadurch eine Minderung bereits vor dem Inkrafttreten des HBeglG 1984 gezahlter oder zustehender Renten um einen darin enthaltenen Kinderzu-schuß vermieden und ein insoweit bestehender Besitzstand nicht angetastet worden. § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. ist somit unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden.

Er widerspricht ebenfalls nicht dem Art. 6 Abs. 1 GG. Auch unter Beachtung seiner darin statuierten Pflicht zum besonderen Schutz der Familie ist der Gesetzgeber des HBeglG 1984 nicht verpflichtet gewesen, entsprechend der bis zum 31. Dezember 1983 maßgebenden Rechtslage auch für die nach diesem Zeitpunkt beginnenden Renten bei Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen eine Erhöhung um den Kinderzuschuß vorzusehen und eine Einbeziehung der Neurentner in den Kreis der Kindergeldberechtigten zu unterlassen. Zwar verfolgt Art. 6 Abs. 1 GG auch das Ziel, den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie zu fördern; das gilt besonders im Bereich der Sozialversicherung (vgl. BVerfGE 62, 323, 332 m.w.N.). Jedoch geht die grundsätzliche Pflicht des Staates zur materiellen Förderung der Familie nicht so weit, daß er gehalten wäre, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten (BVerfGE 43, 108, 121; 55, 114, 127; jeweils m.w.N.). Grundsätzlich kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfrei-heit selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz von Ehe und Familie verwirklichen will (BVerfGE 55, 114, 127 m.w.N.). Die Neufassung des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG durch das HBeglG 1984 und der damit bewirkte Ausschluß der Neurentner von Ansprüchen auf Erhöhung ihrer Renten um Kinderzuschüsse halten sich im Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit. Der Kinderzuschuß zur Rente ist erstmals im Bereich der Arbeiterrentenversicherung mit Wirkung ab 1. Januar 1912 (vgl. § 1291 RVO vom 19. Juli 1911, RGBl S. 509) und somit lange Zeit vor dem Inkrafttreten einer allgemeinen Kindergeldgesetzgebung (Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen - Kindergeldgesetz - vom 13. November 1954; BGBl I S. 333) eingeführt worden. Er dient dem Zweck, die Aufwendungen des Rentenberechtigten infolge der Betreuung und des Unterhaltes von Kindern teilweise auszugleichen (BVerfGE 39, 316, 327). Auch das Kindergeld dient einem "Familienlastenausgleich" und ist eine staatliche Sozialleistung, welche die durch Kinder bedingten erhöhten wirtschaftlichen Aufwendungen und Belastungen ausgleichen soll (BVerfGE 23, 258, 263; 29, 71, 79). Angesichts dieser übereinstimmenden Zweckrichtung sowohl des Kinderzuschusses zur Rente als auch des Kindergeldes hat es dem Gesetzgeber freigestanden, zwecks der von ihm aus sozialpolitischen Gründen als geboten erachteten Vereinheitlichung des Familienlastenausgleichs den Kinderzuschuß aus dem Leistungsbereich der gesetzlichen Rentenversicherung herauszunehmen und durch das Kindergeld zu ersetzen. Das gilt ungeachtet dessen, daß - wie erwähnt - im Vergleich zur Höhe des Kinderzuschusses (monatlich 152, 90 DM; vgl. § 39 Abs. 4 AVG) das Kindergeld für das erste und zweite Kind stets und für weitere Kinder bei Überschreitung bestimmter Einkommensgrenzen niedriger ist. Gleichwohl kann auch hierin eine unzureichende staatliche Förderung der Familie nicht gesehen werden. Das schließt eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG aus.

§ 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. verstößt schließlich nicht gegen Art. 14 GG oder gegen ein aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgendes Verbot der Rückwirkung von Gesetzen.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) unterliegen dem Schutz der Eigentumsgarantie Ansprüche auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und solche Rechtspositionen der Versicherten nach Begründung des Rentenversicherungsverhältnisses, die bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen - etwa des Ablaufs der Wartezeit und des Eintritts des Versicherungsfalles - zum Vollrecht erstarken können (Rentenanwartschaften) (vgl. BVerfGE 69, 272, 298). Voraussetzung für einen Eigentumsschutz anderer sozialversicherungsrechtlicher und damit auch rentenversicherungsrechtlicher Positionen ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechtes dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie - im Gegensatz zu Leistungen, die der Staat ausschließlich in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt hat - auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und der Existenzsicherung des Berechtigten zu dienen bestimmt ist. Im Gegensatz dazu unterliegen dem Eigentumsschutz u.a. nicht solche Rechtspositionen, auf die nach der jeweiligen Gesetzeslage lediglich eine Aussicht besteht, die anders als eine Anwartschaft nicht allein durch Erfüllung weiterer Voraussetzungen, etwa des Ablaufs einer Wartezeit und des Eintritts des Versicherungsfalles, zum Vollrecht erstarken kann (BVerfGE 69, 272, 300 ff).

Der Senat läßt ausdrücklich offen, ob die Aussicht auf Erhöhung einer Versichertenrente um den Kinderzuschuß, deren Erstarkung zu einem entsprechenden Rechtsanspruch nur noch von dem Eintritt des Zeitpunktes für den Beginn der Versichertenrente abhängt, eine eigentumsschutzfähige Rechtsposition ist (vgl. auch Beschluß des BVerG vom 8. Januar 1986 - 1 BvR 1622/84 -). Das BSG hat wiederholt ausgesprochen, daß der Kinderzuschuß eine nach Grund und Höhe nicht von der Entrichtung besonderer Beiträge abhängige und dem reinen Versicherungsprinzip an sich widersprechende Leistung ist, die von den versicherungsfremden Prinzipien der Fürsorge und des Familienlastenausgleichs geprägt ist und als Teil eines sozialen Ausgleichs zwecks Minderung der durch Kinder erhöhten finanziellen Belastungen gewährt wird (BSGE 19, 241, 243 = SozR Nr. 7 zu § 1262 RVO; BSG SozR 2200 § 1262 Nr. 8 S. 14f; BSGE 44, 147, 150 = SozR 2200 § 1262 Nr. 10 S. 26; BSG SozR aaO Nr. 14 S. 41f ; BSGE 54, 276, 278 = SozR 2600 § 10 Nr. 3 S. 12f). Auch nach der Rechtsprechung des BVerfG haben gerade in der Ausgestaltung des Kinderzuschusses die "versicherungsfremden" Prinzipien der Fürsorge und des sozialen Ausgleichs ihren Niederschlag gefunden (BVerfGE 17, 1, 9f; 39, 316, 330). Das steht jedoch einem Eigentumsschutz der hier in Rede stehenden Rechtsposition nicht von vornherein entgegen. Im Einklang damit, daß im Bereich der Sozialversicherung, zu deren Wesen die Beitragszahlung gehört, ausschließlich auf staatlicher Gewährung beruhende Ansprüche kaum vorkommen (vgl. BVerfGE 69, 272, 302), werden auch die Mittel für die Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls zu einem Teil von den dort Versicherten aufgebracht. Damit schließt der Charakter des Kinderzuschusses als einer von den Prinzipien der Fürsorge und des sozialen Ausgleichs geprägten Leistung nicht die Annahme aus, daß er gleichwohl auf einer nicht unerheblichen Eigenleistung des Rentenberechtigten beruht (vgl. BVerfGE 69, 272, 301) und des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes fähig ist.

Diese Frage braucht indes nicht vertieft zu werden. Ungeachtet dessen, ob die Aussicht auf Erhöhung einer Versichertenrente um den Kinderzuschuß ab Beginn der Rentenzahlung eine dem Schutz der Eigentumsgarantie unterliegende Rechtsposition ist oder nicht, ist § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. auch unter diesen Gesichtspunkten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Im ersteren Falle stellt die Vorschrift eine nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums dar. Zu den dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegenden Rentenanwartschaften hat das BVerfG ausgesprochen, ihnen hafte nicht eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen an. Das widerspräche dem Wesen des Rentenversicherungsverhältnisses, welches im Gegensatz zum Privatversicherungsverhältnis von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruhe. Demzufolge komme dem Gesetzgeber im Rahmen der ihm durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verliehenen Befugnis bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Insbesondere bei Regelungen, die dazu dienten, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, sei der Gesetzgeber auch befugt, Rentenansprüche und -anwartschaften zu beschränken. Soweit dies einem Zweck des Gemeinwohls diene und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, sei es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Leistungen zu kürzen, den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaf-ten zu vermindern oder diese umzugestalten. Dabei seien allerdings für das Ausmaß der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Eigenart und Funktion des jeweiligen Eigentumsobjektes von maßgeblicher Bedeutung. Je höher der einem Rentenanspruch oder einer Rentenanwartschhaft zugrundeliegende Anteil eigener Leistung des Versicherten sei und je mehr damit der Rentenanspruch oder die Rentenanwartschaft durch den personalen Bezug eigener Leistung des Versicherten geprägt seien, um so mehr verenge sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Dagegen gehe seine Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung um so weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion stehe. Dementsprechend müßten Eigentumsbindungen stets verhältnismäßig sein (vgl. zu alledem BVerfGE 53, 257, 292f; 58, 81, 109f; 64, 87, 101; 70, 101, 111).

Bei Heranziehung dieser Grundsätze zur Bestimmung des Umfanges und der Grenzen des Eigentumsschutzes auch sonstiger diesem Schutz unterliegender sozialversicherungsrechtlicher Rechtspositionen und unter der Voraussetzung, daß zu diesen Rechtspositionen die Aussicht auf Erhöhung einer Versichertenrente um den Kinderzuschuß ab Beginn der Rentenzahlung zu rechnen ist, widerspricht § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. nicht dem Art. 14 GG. Die Ersetzung der bisherigen kindbezogenen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung durch das gesetzliche Kindergeld ist - wie schon in anderem Zusammenhang dargestellt - eine der Maßnahmen zur Verbesserung der Struktur und der Finanzentwicklung der Rentenversicherung und zugleich zu deren Entlastung von einer Leistung gewesen, deren Aufbringung aus Mitteln der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung nach Einführung des allgemeinen Kindergeldes zunehmend problematisch geworden ist und systemgerechter als Kindergeld aus allgemeinen Steuermitteln zu erfolgen hat. Sie hat überdies der Problematik Rechnung tragen wollen, daß der für das erste und zweite Kind über dem Kindergeld liegende Kinderzuschuß den Rentnern grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre und ihrer Familie gesamte Einkommenssituation geleistet und deshalb in zahlreichen Fällen auch dann erbracht worden ist, wenn die Einkommenssituation des Rentners und seiner Familie besser ist als diejenige vieler Kindergeldberechtigter wie z.B. Arbeitnehmer mit niedrigem Arbeitsverdienst, Arbeitslose oder andere Empfänger von Sozialleistungen (vgl. BR-Drucks 302/83 und BT-Drucks 10/335, jeweils S. 60 zu Ziffer II A 7). Diese Erwägungen stellen eine sachgerechte Begründung für die Änderung des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG dar und halten sich im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit. Die Konsequenzen der Gesetzesänderung widersprechen nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sofern dadurch gesellschaftspolitischen Veränderungen und damit verbundenen wechselnden Interessenlagen, insbesondere auch der Belastbarkeit der Solidargemeinschaft aller Versicherten, Rechnung getragen werden soll, ist der Gesetzgeber nicht gehindert, eine günstigere Leistung in eine andere Leistung umzugestalten, sofern auch diese zur Erreichung des Leistungszwecks noch angemessen ist (ähnlich zur Umgestaltung einer Versicherungsmöglichkeit BVerfGE 69, 272, 309f). Zwar ist im Vergleich zum Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung das gesetzliche Kindergeld für das erste und zweite Kind stets und für weitere Kinder je nach den Einkommensver-hältnissen des Bezugsberechtigten niedriger. Gleichwohl läßt sich auch damit noch der zuvor mit der Gewährung des Kinderzuschusses verfolgte Zweck eines teilweisen Ausgleichs der durch Kinder bedingten Mehraufwendungen erreichen. Der Senat vermag nach alledem einen Widerspruch des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG n.F. zu Art. 14 GG nicht festzustellen.

Geht man entgegen der den vorstehenden Ausführungen zugrundegelegten Prämisse davon aus, daß die Aussicht auf Erhöhung einer Versichertenrente um den Kinderzuschuß ab Beginn der Rentenzahlung nicht zu den dem Eigentumsschutz unterliegenden sozialversiche-rungsrechtlichen Rechtsposition gehört, so sind für die verfassungsrechtliche Beurteilung die allgemeinen Regeln maßgebend, welche die Rechtsprechung des BVerfG in Fällen entwickelt hat, in denen eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 69, 272, 309 m.w.N.). In diesen Fällen bedarf es einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des Schadens des Vertrauens des einzelnen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Leistungsregelung einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit andererseits (BVerfGE 69, 272, 309f. m.w.N.), wie sie entsprechend im Rahmen des Art. 14 GG bei gesetzgeberischen Eingriffen in dem Eigentumsschutz unterliegende Rechtspositionen vorzunehmen ist (BVerfGE 64, 87, 104 m.w.N.). Diese Abwägung führt hier dazu, daß das Vertrauen der "Neurentner" auf den Fortbestand des § 39 Abs. 1 Satz 1 AVG a.F. gegenüber der Bedeutung des mit der Neufassung der Vorschrift durch das HBeglG 1984 verfolgten gesetzgeberischen Anliegens zurückzutreten hat. Das ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, mit denen der Senat eine Verletzung des Art. 14 GG verneint hat.

Das klageabweisende Urteil des SG erweist sich als zutreffend. Dies führt zur Zurückweisung der Sprungrevision des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 18

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