Leitsatz (amtlich)

1. Ein Versicherter hat zum Unterhalt eines Kindes iS des RVO § 1267 iVm § 1262 Abs 2 Nr 7 und BKGG § 2 Abs 1 S 1 Nr 6 BKGG nicht unerheblich beigetragen, wenn er mindestens 20 % des Unterhalts des Kindes getragen hat.

2. Zur Berechnung der Höhe dieses Unterhaltsanteils, wenn der Versicherte Einkommen hat, seine Ehefrau sich auf die Haushaltsführung beschränkt und das Einkommen des Kindes zur Deckung seines eigenen Unterhalts nicht ausreicht.

 

Normenkette

RVO § 1267 Fassung: 1957-02-23, § 1262 Abs. 1 Nr. 7 Fassung: 1957-02-23; BKGG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 5. Juni 1969 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Dezember 1968 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. August 1967 dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für die Zeiten vom 1. Juli 1963 bis 31. Mai 1965 und vom 1. April 1967 bis 30. November 1968 Waisenrente nach dem Versicherten H S zu zahlen und über die Höhe der Waisenrente einen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Waisenrente hat.

Der ... 1943 geborene Kläger lebte seit dem 1. April 1944 im Haushalt des Versicherten H S und dessen Ehefrau wie deren eigenes Kind. Der Versicherte starb ... 1963, seine Ehefrau ... 1965. Der verstorbene Versicherte bezog zuletzt ein Altersruhegeld in Höhe von 517,40 DM monatlich. Die Ehefrau war ohne eigenes Einkommen und versorgte den Haushalt. Der Kläger war zu dieser Zeit Lehrling und erhielt von Januar bis Mai 1963 eine Erziehungsbeihilfe und ein Pflegegeld in Höhe von insgesamt 193,30 DM netto monatlich. Dieser Betrag erhöhte sich bis zum Abschluß der Lehre im September 1963 um 5,50 DM brutto. Nach anschließender weiterer Ausbildung als Justizanwärter war der Kläger vom 13. Mai 1965 bis zum 31. März 1967 als Justizassistent beschäftigt. Anschließend bis über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus war er Stadtinspektorenanwärter mit einem Unterhaltszuschuß von zunächst 378,40 DM monatlich. Am 28. April 1967 beantragte der Kläger die Waisenrente aus der Versicherung des verstorbenen H S. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. August 1967 ab.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage am 11. Dezember 1968 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung am 5. Juni 1969 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Begriff des Kindes bestimme sich gemäß § 1267 in Verbindung mit § 1262 Abs. 2 Nr. 7 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i. d. F. vom 14. April 1964 (BGBl I S. 265), weil eine inhaltliche Änderung der bis zum 30. Juni 1964 geltenden Fassung nicht festzustellen sei. Der Kläger sei zwar vor Eintritt des Versicherungsfalls in den Haushalt des Versicherten aufgenommen und diesem durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden gewesen. Der Versicherte habe aber nicht einen nicht unerheblichen Beitrag zu den Kosten des Unterhalts des Klägers geleistet. Zur Zeit des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Versicherungsfall habe das Gesamteinkommen der Familie (517,40 + 193,30 =) 710,70 DM betragen, so daß auf jeden Familienangehörigen ein Betrag von (710,70 : 3 =) 236,90 DM entfallen sei. Da der Kläger hierzu selbst 193,30 DM beigesteuert habe, sei der Versicherte an dem Anteil des Klägers nur mit (236,90 - 193,30 =) 43,60 DM beteiligt gewesen. Das sei weniger als ein Fünftel von 236,90 DM und deshalb mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu geringfügigen Einkünften bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht als erheblich anzusehen. Zwar handele es sich nur um eine geringfügige Differenz, da das Fünftel 47,38 DM betrage. Um die Einheitlichkeit in der Beurteilung gleichgelagerter Fälle zu gewährleisten, sei jedoch eine von diesem Grundsatz abweichende Entscheidung nicht möglich. Die vom SG noch zusätzlich durchgeführte, auf die individuellen Gegebenheiten eingehende Berechnung sei für den Kläger noch ungünstiger und beruhe im übrigen auf Ansätzen, die beweiskräftig nicht mehr zu ermitteln seien. Der Wert der Hausarbeit der Pflegemutter müsse unberücksichtigt bleiben. Das BSG habe dies zu § 1258 Abs. 3 RVO a. F. festgestellt (BSG Bd. 12, S. 1 ff.), wo vom "Bestreiten des Unterhalts" gesprochen worden sei. Mit dem LSG Hamburg (Breithaupt 1967, S. 250 ff.) sei davon auszugehen, daß die Neufassung des BKGG, wonach der Berechtigte zu den "Kosten des Unterhalts" nicht unerheblich beitragen müsse, auch nur den finanziellen Aufwand betreffe. Bei anderer Auslegung seien kaum noch Fälle denkbar, bei denen sich ein unerheblicher Beitrag ergebe, weil der Wert der Hausarbeit nie unerheblich sein könne. Der Wert der Betreuung werde außerdem bereits durch die anderen Merkmale, nämlich Aufnahme in den Haushalt und familienähnliches Band, erfaßt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24. Juli 1963 (Bd. 17, S. 1 ff.) sei nicht nur zu anderen gesetzlichen Vorschriften ergangen, sondern beziehe sich auch auf Berechtigungen und Verpflichtungen im unterhaltsrechtlichen Sinne. Hier gehe es aber um freiwillig gewährte Leistungen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, es werde davon auszugehen sein, daß "nicht unerheblich" ein Beitrag von 20 v. H. und mehr sei. Es frage sich aber, ob bei der Ermittlung des Unterhaltsbeitrages das Gesamteinkommen zu dritteln oder der tatsächliche Unterhaltsaufwand festzustellen sei. Der Wert der durch die Pflegemutter geleisteten Hausarbeit sei aber jedenfalls zu berücksichtigen. Bewerte man die Betreuung durch die Hausfrau nur mit 100 DM monatlich, so ergebe sich aber, daß der Kläger nicht unerheblich unterstützt worden sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung, des Urteils des SG Berlin vom 11. Dezember 1968 sowie des Bescheides der Beklagten vom 11. August 1967, die Beklagte zu verurteilen, Halbwaisenrente aus der Versicherung des am 5. Juni 1963 verstorbenen H S für die Zeit vom 1. Juli 1963 bis zum 31. Mai 1965 und Vollwaisenrente für die Zeit vom 1. April 1967 bis zum 30. November 1968 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis und in der Begründung für richtig.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte nach § 1267 in Verbindung mit § 1262 Abs. 1 Nr. 7 RVO und § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BKGG dem Grunde nach einen Anspruch auf Waisenrente.

Es mag dahingestellt bleiben, ob die am 1. Juli 1964 in Kraft getretene Neufassung des § 2 Abs. 1 Nr. 6 BKGG nur eine redaktionelle oder auch eine inhaltliche Änderung der Vorschrift brachte. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls die bis zum 30. Juni 1964 geltende Fassung des BKGG anzuwenden. Grundsätzlich richtet sich der Anspruch nach dem Recht, das zur Zeit des Versicherungsfalles galt (vgl. BSG Bd. 12 S. 35). Die Neufassung des BKGG hat sich keine rückwirkende Kraft beigemessen, so daß sich die Frage, ob der Kläger ein Kind des Versicherten war, nach der zur Zeit des Todes des Versicherten geltenden Fassung des BKGG richtet.

Das LSG ist ohne Rechtsirrtum und in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, daß der Versicherte den Kläger vor seinem Tode in seinen Haushalt aufgenommen hat und daß er mit dem Kläger durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden gewesen ist. Der Anspruch hängt daher nur noch davon ab, ob der Versicherte zu den Kosten des Unterhalts des Klägers nicht unerheblich beigetragen hat. Das ist im Gegensatz zur Meinung der Vorinstanzen und der Beklagten der Fall.

Läßt sich - wie im vorliegenden Falle - der tatsächliche Unterhalt der einzelnen Familienmitglieder nicht konkrete feststellen, so ist bei Vorhandensein von ausschließlich erwachsenen Familienmitgliedern davon auszugehen, daß auf jedes Familienmitglied ein gleicher Anteil des Gesamtunterhalts der Familie entfällt. Weiter kann bei den Einkommensverhältnissen pflichtversicherter Arbeitnehmer in der Regel davon ausgegangen werden, daß das Gesamteinkommen im wesentlichen dem Unterhalt dient. Bei der Ermittlung des Familieneinkommens ist nicht nur das Bareinkommen zu berücksichtigen, sondern auch jeder andere geldwerte Beitrag eines Familienmitgliedes. Dazu gehört insbesondere auch die Leistung, die die Ehefrau und Mutter durch die Haushaltsführung erbringt, wie das BVerfG entschieden hat (vgl. BVerfGE Bd. 17 S. 1 ff). Zwar ist diese Entscheidung des BVerfG zu anderen Vorschriften und zu anderen Fragen ergangen. Wenn aber der Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) dazu zwingt, die Haushaltsführung der Ehefrau im Verhältnis zu ihrem Ehemann auch im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als Unterhaltsleistung anzusehen, so wirkt sich diese Unterhaltsleistung nicht nur auf das Verhältnis der Ehegatten zueinander, sondern auf den gesamten Familienunterhalt aus (vgl. auch SozR Nr. 2 zu § 12 BKGG).

Nachdem also der tatsächliche Unterhalt des Klägers auf diese Weise durch Drittelung des gesamten Familieneinkommens einschließlich des Wertes der Haushaltsführung durch die Ehefrau und Mutter ermittelt worden ist, muß geprüft werden, welchen Anteil der Versicherte zu diesem Unterhalt beigetragen hat. Dabei ist davon auszugehen, daß der Kläger sich in Höhe seines eigenen Einkommens selbst unterhalten hat und nur in Höhe der Differenz zwischen seinem tatsächlichen Unterhalt und seinem eigenen Einkommen von den Pflegeeltern unterhalten worden ist. Ferner ist zu berücksichtigen, daß es für den Anspruch auf die Waisenrente nicht auf die Erheblichkeit des gemeinsamen Anteils der Pflegeeltern an dem Unterhalt des Klägers ankommt, sondern nur darauf, daß der Versicherte allein nicht unerheblich zum Unterhalt des Kindes beigetragen hat. Zwar spricht § 2 Abs. 1 Nr. 6 BKGG in der anzuwendenden Fassung nicht wie die jetzige Fassung von dem Berechtigten, der zum Unterhalt des Kindes nicht unerheblich beigetragen haben muß, sondern von "Personen", bei denen das der Fall ist. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß es auf den gemeinsamen Unterhaltsbeitrag der Pflegeeltern ankommt. Das BKGG in der anzuwendenden Fassung spricht nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern auch an anderen Stellen von "Personen". Das mag der Systematik des BKGG entsprechen, im Rentenversicherungsrecht dagegen kann es nur darauf ankommen, ob in diesen Fällen der Versicherte eine Unterhaltsleistung erbracht hat; denn Renten sollen den wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den wegen des Todes des Versicherten wegfallenden Unterhalt ersetzen. Wenn auch der Unterhaltsbeitrag der Ehefrau durch Haushaltsführung aus rein rechnerischen Gründen bei der erforderlichen Ermittlung des Gesamtfamilieneinkommens und damit des Gesamtunterhalts der Familie und letztlich des tatsächlichen Unterhalts des Klägers berücksichtigt werden muß, so darf doch nicht übersehen werden, daß es bei der Entscheidung über den Anspruch auf Rente selbst allein auf den Anteil des Versicherten an der Deckung des Unterhaltsdefizits des Klägers ankommt.

Das besagt allerdings nichts über den Weg, der zur Feststellung dieses Anteils führt. Man muß bedenken, daß die Arbeitsleistung der Ehefrau im Haushalt erst durch die ihr erbrachten Barleistungen ihres Ehemannes und ihren dadurch sichergestellten Unterhalt ermöglicht wird; bei der Berechnung ihrer Leistung muß die ihr von ihrem Ehemann erbrachte Leistung also mitberücksichtigt werden. Dasselbe gilt natürlich auch umgekehrt. Auch der Ehemann kann seine Barleistungen nur erbringen, weil seine Ehefrau den Haushalt führt oder - bei Rentnern - den Haushalt auch bereits während des Arbeitslebens des Versicherten geführt und damit seinen heutigen Rentenanspruch erst mit ermöglicht hat. Die gegenseitigen Unterhaltsleistungen der Eheleute sind so ineinander verwoben, daß sich der Anteil der einzelnen Eheleute an der Deckung des Unterhaltsdefizits des Klägers nur aus dem Verhältnis der Beiträge des Versicherten und seiner Ehefrau am Gesamteinkommen der Eheleute bestimmen läßt.

Der so ermittelte Anteil des Versicherten an dem Unterhaltsdefizit des Klägers darf nicht unerheblich sein (vgl. dazu SozR Nr. 11 zu § 2 BKGG). Der 4. Senat hat in dem zitierten Urteil einen Unterhaltsbeitrag von 40,- bis 50,- DM monatlich, der rd. 25 v. H. des Aufwands ausmacht, genügen lassen, ohne eine untere Grenze zu ziehen. Der erkennende Senat hält auch einen Unterhaltsbeitrag, der weniger als 25 v. H. des Aufwands des Kindes beträgt, für nicht unerheblich, wenn er wenigstens 20 v. H. dieses Aufwands ausmacht. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber in den §§ 168 Abs. 2 Buchst. b und 1228 Abs. 2 Buchst. b RVO ein Fünftel des Gesamteinkommens als nicht unerheblich angesehen hat. Ebenso hat die Rechtsprechung zu § 1247 Abs. 2 RVO Einkünfte als geringfügig, d. h. unerheblich angesehen, wenn sie niedriger sind als ein Fünftel des durchschnittlichen Bruttotariflohnes eines vergleichbaren gesunden Versicherten (vgl. SozR Nr. 6 zu § 1247 RVO). In Kreisen von Pflichtversicherten und Rentnern würde schon der Verlust von einem Fünftel des Unterhalts ins Gewicht fallen, weil davon auszugehen ist, daß der Beitrag von einem Fünftel des Unterhaltsbedarfs des Kindes nicht unerheblich ist.

Nun steht zwar im vorliegenden Fall das Gesamtfamilieneinkommen zahlenmäßig nicht fest, weil der Wert der Haushaltsführung durch die Ehefrau nicht festgestellt ist. Der Rechtsstreit brauchte aber dennoch nicht zur Nachholung dieser Feststellung zurückverwiesen zu werden, denn jede praktisch mögliche Feststellung würde zum selben Ergebnis führen. Gleichgültig, ob man den Beitrag der Ehefrau zum Gesamtfamilieneinkommen mit dem praktisch geringstmöglichen Wert von 100 DM oder mit dem praktisch höchstmöglichen Wert von 500 DM einsetzt, in jedem Falle beträgt der nach den oben entwickelten Grundsätzen errechnete Anteil des Versicherten am Unterhaltsdefizit des Klägers deutlich mehr als 20 v. H. des Gesamtaufwands des Klägers.

Hat danach der Versicherte bis zu seinem Tode nicht unerheblich zu dem Unterhalt des Klägers beigetragen, und war der Kläger damit ein Pflegekind des Versicherten, so steht ihm nach § 1267 RVO die Waisenrente aus der Versicherung seines verstorbenen Pflegevaters für solche Zeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres zu, in denen er sich in der Berufsausbildung befand. Das LSG ist ohne Rechtsirrtum und in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, daß sich der Kläger sowohl als Lehrling wie auch als Justizassistent und Stadtinspektorenanwärter in der Berufsausbildung befand (vgl. SozR Nr. 2 zu § 1267 RVO). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Ausbildung als Stadtinspektorenanwärter als eine Fortsetzung der Ausbildung als Justizanwärter angesehen oder aber als Ausbildung für einen weiteren Beruf gewertet wird, denn auch dem Kind steht die Waisenrente zu, das bereits einen Beruf hat und für einen weiteren Beruf ausgebildet wird (vgl. SozR Nr. 17 zu § 1267 RVO). Die Rente beginnt gem. § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO unabhängig von der Antragstellung mit dem Ablauf des Todesmonats des Versicherten, d. h. am 1. Juli 1963. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß die Voraussetzungen zur Gewährung der Rente zum ersten Mal nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers erfüllt worden sind (vgl. SozR Nr. 30 zu § 1267 RVO). Dem Kläger steht also für die beantragten Zeiträume die Waisenrente zu.

Der Kläger hat zwar für die Zeit vom 1. April 1967 bis zum 30. November 1968 die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der Vollwaisenrente beantragt. Der Senat konnte über diesen Antrag jedoch noch nicht entscheiden. Ein Pflegekind ist nicht schon dann Vollwaise, wenn es sowohl Pflegevater als auch Pflegemutter verloren hat, sondern erst dann, wenn außerdem die leiblichen Eltern gestorben sind (vgl. SozR Nr. 3 zu § 1269 RVO). Das angefochtene Urteil enthält aber keine Feststellung darüber, ob die leiblichen Eltern des Klägers noch leben. Der Senat brauchte die Sache jedoch nicht zur Nachholung dieser Feststellung an das LSG zurückzuverweisen. Die Frage, ob einem Kind nicht nur die Halbwaisenrente, sondern auch die Vollwaisenrente zusteht, betrifft nicht den Anspruchsgrund, sondern die Höhe der Rente. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 1269 RVO, sondern auch daraus, daß er in den Abschnitt über die Zusammensetzung und Berechnung der Renten eingeordnet ist. Solange der Anspruchsgrund streitig und über die Höhe der Rente noch nicht durch Verwaltungsakt entschieden ist, kann über die zusammengefaßte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG durch ein den Rechtsstreit beendendes Grundurteil nach § 130 SGG entschieden werden (vgl. SozR Nr. 6 zu § 130 SGG). Es wird Aufgabe der Beklagten sein, nunmehr über die Höhe der Rente durch Verwaltungsakt zu befinden.

Die danach begründete Revision des Klägers muß daher dazu führen, daß die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, des erstinstanzlichen Urteils und ihres angefochtenen Bescheides zur Gewährung der Waisenrente für die streitigen Zeiträume und zur Erteilung eines Bescheides über die Höhe der Waisenrente verurteilt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 141

NJW 1971, 724

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge