Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Berufung bei Neufeststellung der Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse. Neuberechnung des Jahresarbeitsverdienstes nach Abschluß der ärztlichen Berufsausbildung. Verzinsungspflicht für fällig gewordene Teilbeträge der Verletztenrente

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Neuberechnung des Jahresarbeitsverdienstes nach Abschluß der ärztlichen Berufsausbildung gemäß § 573 Abs 1 RVO sind ortsüblich gezahlte Entgelte - hier: Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft in einer Klinik - auch dann zu berücksichtigen, wenn sie die tariflich vereinbarte Vergütung überschreiten.

In der gesetzlichen Unfallversicherung sind rückständige Geldleistungen ab 1.1.1978 mit 4 vH zu verzinsen, wenn das Verwaltungsverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war und neben den übrigen Voraussetzungen des § 44 SGB 1 ein vollständiger Leistungsantrag vorgelegen hat (Anschluß BSG 1980-06-26 8a RU 62/79 = SozR 1200 § 44 Nr 3).

 

Orientierungssatz

Wird eine Neufeststellung der Dauerrente vorgenommen, bevor Meinungsverschiedenheiten über die erste Feststellung der Dauerrente beseitigt sind, so teilt die Neufeststellung notwendig das Schicksal der Entscheidung über die erste Feststellung der Dauerrente, weil eine Rente logischerweise nicht bindend neu festgestellt werden kann, bevor sie überhaupt erstmalig endgültig feststeht. Infolgedessen kann über die erste Dauerrentenfeststellung wirksam nur entschieden werden, wenn die Neufeststellungsbescheide in die Entscheidung einbezogen werden (vgl BSG 1957-06-28 2 RU 7/55 = BSGE 5, 222).

 

Normenkette

SGG § 145 Nr. 4, § 96 Abs. 1; RVO § 573 Abs. 1 S. 1; SGB 1 § 44 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 05.12.1979; Aktenzeichen L 2 Ua 1135/77)

SG Karlsruhe (Entscheidung vom 29.11.1976; Aktenzeichen S 8 U 1430/74)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Sache über die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes (JAV), welcher der Verletztenrente des in Schweden tätigen Klägers zugrunde zu legen ist, sowie über die Verpflichtung des Beklagten, fällig gewordene Teilbeträge der Verletztenrente und Kosten, welche mit einer Untersuchung des Klägers zusammenhängen, zu verzinsen.

Der Kläger erlitt am 2. Januar 1971 während seines Medizinstudiums einen Unfall. Wegen der Folgen des Unfalles bezieht er aufgrund des Bescheides vom 25. April 1974 Verletztenrente, und zwar ab 2. Januar 1973 in Höhe von 40 vH der Vollrente. Gegen diesen Bescheid hat er Klage erhoben, weil nach seiner Überzeugung ein zu niedriger JAV in Ansatz gebracht worden ist. Mit dem während des erstinstanzlichen Verfahrens erteilten Bescheid vom 27. Juli 1976 stellte der Beklagte den JAV ab 16. Juni 1974 - dem Tag, an welchem der Kläger ohne den Unfall seine Medizinalassistentenzeit beendet haben würde - neu fest. Dabei legte er den Arbeitsverdienst eines Assistenzarztes am Städtischen Krankenhaus in O - dem gemeldeten Hauptwohnsitz des Klägers - zugrunde, wobei er die Vergütung für die Teilnahme am Bereitschaftsdienst außer Betracht ließ. Diesen JAV paßte er nach den Vorschriften des 19. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) vom 3. Juni 1976 an (Bescheid vom 25. November 1976).

Die Klage hat das Sozialgericht (SG) insoweit als unbegründet angesehen und durch Urteil vom 29. November 1976 abgewiesen, als der Kläger für die Zeit ab 16. Juni 1974 die Berücksichtigung der Vergütung für die Teilnahme am Bereitschaftsdienst und die Anpassung des JAV nach dem 18. RAG verlangt hat; wegen eines geltend gemachten Schadensersatzanspruches hat es die Klage als unzulässig betrachtet.

Während des Berufungsverfahrens paßte der Beklagte den JAV nach den Vorschriften des 20. und 21. RAG an (Bescheide vom 30. Dezember 1977 und 24. November 1978) und erhöhte ihn mit dem weiteren Bescheid vom 12. November 1979 nach der Verordnung über den Anpassungsfaktor für Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung 1980 vom 16. Dezember 1979 (BGBl I 1942).

Der Kläger hat die im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachten Ansprüche im Berufungsverfahren weiterverfolgt. Außerdem hat er ua Kosten für eine Reise zur Nachuntersuchung nach F im B und, nach deren Erstattung, Zinsen in Höhe von 8 vH auf die Reisekosten beantragt. Die Berufung hat zum Teil Erfolg gehabt (Urteil vom 5. Dezember 1979). Das Landessozialgericht (LSG hat die Berufung auch bezüglich der Bescheide vom 27. Juli 1976 und 25. November 1976 sowie des geltend gemachten Zinsanspruches als zulässig angesehen. Es hat entschieden, daß auch die Vergütung von Zeiten des Bereitschaftsdienstes und der Rufbereitschaft bei der Berechnung des JAV zu berücksichtigen ist und den Beklagten demgemäß verurteilt, für die Zeit vom 16. Juni 1974 bis 31. Dezember 1976 den Höchst-JAV von 36.000,-- DM (§ 575 Abs 2 Reichsversicherungsordnung -RVO-), für das Jahr 1977 den im Bescheid vom 25. November 1976 festgestellten höheren JAV von 36.958,59 DM und für die Jahre 1978 bis 1979 den angepaßten JAV sowie ab 1. Januar 1980 einen JAV von 60.000,-- DM der Berechnung der Rente zugrunde zu legen; außerdem hat es den Beklagten verurteilt, die ab 1. Januar 1978 fällig gewordenen höheren Teilbeträge der Verletztenrente sowie vom 1. August 1978 bis 31. Juli 1979 die Kosten für die Reise zur Nachuntersuchung mit 4 vH zu verzinsen.

Gegen dieses Urteil wendet der Beklagte sich mit der zugelassenen Revision. Er meint, die Berufung sei unzulässig, soweit sie gegen die im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens erteilten Neufeststellungsbescheide vom 27. Juli 1976 und 25. November 1976 gerichtet gewesen sei. Die im Verlaufe des Berufungsverfahrens erfolgte Änderung der Klage durch die Geltendmachung von Kosten und Zinsen für eine Nachuntersuchung sei ebenfalls nicht zulässig gewesen. Die Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft rechne nicht zum tariflichen Entgelt eines Assistenzarztes; es handele sich dabei um eine nach tariflichen Bestimmungen berechnete anderweitige Vergütung. Bei der für den Beklagten überraschenden Anwendung der Verordnungen der Baden-Württembergischen Landesregierung vom 11. April 1972 (GBl S 233) und vom 28. Februar 1978 (GBl S 155) habe das LSG gegen materielles Recht verstoßen. Es hätte für die Zeit bis Ende 1977 einen Höchst-JAV von 48.000,-- DM zugrunde legen müssen. Für die Folgezeit sei von diesem anzupassenden Höchstbetrag auszugehen gewesen, so daß sich für die Jahre 1978 bis 1980 auch bei Berücksichtigung der Überstundenvergütung ein niedrigerer JAV ergebe als das LSG errechnet habe. Der Beklagte hält außerdem die ihm auferlegte Verzinsungsverpflichtung für überprüfungsbedürftig. Nach seiner Meinung bestand schließlich hinsichtlich des schon durch Bescheid vom 25. November 1976 festgestellten JAV in Höhe von 36.958,59 DM kein Rechtsschutzbedürfnis.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg

vom 5. Dezember 1979 abzuändern, die Berufung gegen das

Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom

29. November 1976 in vollem Umfange zurückzuweisen

und die während des Berufungsverfahrens erhobene

Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält Berufung und Klageänderung für zulässig. Die Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft gehört nach seiner Überzeugung zu dem dem JAV zugrunde zu legenden Entgelt. Das LSG habe das materielle Recht auch sonst zutreffend angewendet.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Sie war zurückzuweisen.

Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß das Revisionsgericht bei einer zugelassenen Revision zu prüfen hat, ob die Prozeßvoraussetzungen für das Berufungsverfahren vorliegen (BSGE 2, 225; SozR § 145 SGG Nr 9). Hierzu gehört in erster Linie die Statthaftigkeit der Berufung. Diese hat das LSG zu Recht bejaht. Allerdings ist nach § 145 Nr 4 SGG die Berufung ua ausgeschlossen, soweit sie die Neufeststellung der Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse betrifft. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 28. September 1971 (SozR § 145 SGG Nr 19) außerdem entschieden, daß die Anpassung einer Rente aufgrund eines RAG - wie hier durch den Bescheid vom 25. November 1976 - eine Neufeststellung iS von § 145 Nr 4 SGG ist. Auch der Bescheid vom 27. Juli 1976, welcher auf § 573 Abs 1 RVO beruht und den Kläger ab 16. Juni 1974 so stellt, als ob er die Ausbildung ohne den Unfall beendet hätte, beinhaltet eine Neufeststellung der Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse (BSGE 10, 282, 284). Das allein bedeutet jedoch nicht, daß der Berufungsausschlußgrund des § 145 Nr 4 SGG vorläge. Hierzu hat das BSG bereits in dem Urteil vom 28. September 1971 aaO dargelegt, daß durch diese Regelung die Berufung in solchen Verfahren grundsätzlich ausgeschlossen sein soll, in denen über die zu gewährende Dauerrente im Grunde keine Meinungsverschiedenheit besteht. Hier genügt die Überprüfung der Neufeststellung in einer Instanz. Diese Grundsätze können dann nicht gelten, wenn eine Neufeststellung vorgenommen wird, bevor Meinungsverschiedenheiten über die erste Feststellung der Dauerrente beseitigt sind. In diesem Falle teilt die Neufeststellung notwendig das Schicksal der Entscheidung über die erste Feststellung der Dauerrente, weil eine Rente logischerweise nicht bindend neu festgestellt werden kann, bevor sie überhaupt erstmalig endgültig feststeht. Dies folgt auch aus der Anwendung und dem Grundgedanken des § 96 SGG, welcher für die Bescheide vom 27. Juli 1976 und 25. November 1976 gilt. Die Bescheide haben den angefochtenen ersten Dauerrentenbescheid ersetzt und sind von einem bestimmten Zeitpunkt an an dessen Stelle getreten. Die Bescheide beinhalten folglich nicht lediglich eine Neufeststellung; sie halten im übrigen auch die getroffene erste Regelung zumindest bis zur rechtskräftigen anderweitigen Entscheidung aufrecht. Infolgedessen kann über die erste Dauerrentenfeststellung wirksam nur entschieden werden, wenn die Neufeststellungsbescheide in die Entscheidung einbezogen werden (vgl BSGE 5, 222, 225; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl, S 250m III; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, § 145 Anm 6). Das LSG ist folglich zutreffend von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen.

Es hat auch die Zulässigkeit der Klageänderung, welche durch die Geltendmachung von Reisekosten und Zinsen erfolgt ist, zu Recht bejaht, weil der Beklagte dieser Erweiterung des Streitgegenstandes nicht widersprochen hat (§ 99 Abs 2 SGG). Die Klageänderung ist mit Schriftsatz vom 4. April 1978 erfolgt. Hierzu hat der Beklagte erstmalig am 15. August 1978 Stellung genommen und mitgeteilt, der Kläger sei "klaglos gestellt". Dies setzt logisch voraus, daß der Beklagte zum einen von einer vor dem LSG erhobenen Klage ausging und sich hierauf auch eingelassen hat. An diese schlüssig erklärte Einwilligung war das LSG gebunden (Meyer-Ladewig aaO § 99 Anm 9).

Das LSG ist bei der Berechnung des JAV rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft zu berücksichtigen ist. Zunächst hat es - ebenso wie schon der Beklagte - zutreffend das in dem erlernten Beruf erzielte Entgelt zugrundegelegt, obwohl der Unfall sich nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer der Berufsausbildung dienenden Tätigkeit ereignet hat (vgl BSGE 38, 216, 218, 219; Brackmann aaO S 574 k; vgl aber Lauterbach Gesetzliche UV, 3. Aufl, § 573 Anm 6 f und die dort Zitierten). Das LSG hat § 573 Abs 1 RVO auch ansonsten richtig angewendet. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift ist der neuen Berechnung das Entgelt zugrunde zu legen, das für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist. Der Beklagte geht davon aus, daß in erster Linie das durch Tarif festgesetzte Entgelt maßgeblich ist und eine nach tariflichen Bestimmungen darüber hinaus an die Vergleichspersonen gezahlte Leistung außer Betracht bleiben müsse. Es kann dahinstehen, ob die Vergütung für den Bereitschaftsdienst nicht bereits zu dem durch Tarif festgesetzten Entgelt gehört. Der Beklagte verkennt jedenfalls, daß durch § 573 Abs 1 RVO ein wirtschaftlicher Ausgleich für die in frühem Lebensalter Verletzten herbeigeführt werden soll. Dieser würde nicht erreicht werden, wenn zwar das tariflich vereinbarte, nicht aber das etwa darüber hinaus gewährte Entgelt der Vergleichspersonen - soweit es ortsüblich ist - in die Berechnung des JAV einbezogen würde. Demzufolge hat der 8. Senat (BSGE 39, 271) entschieden, daß das tariflich und das tatsächlich gezahlte ortsübliche Entgelt miteinander verglichen und der höhere Betrag in Ansatz gebracht werden muß. Dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen (SozR 2200 § 573 Nr 5). Hiervon abzugehen geben die Darlegungen des Beklagten keinen Anlaß. Das LSG ist daher rechtsfehlerfrei von dem ortsüblichen Entgelt ausgegangen.

Ausgehend von dem auf diese Weise ermittelten Entgelt der Vergleichspersonen hat das LSG einen JAV errechnet, welcher über dem in § 575 Abs 2 RVO festgesetzten Höchst-JAV von 36.000,-- DM liegt. Das LSG hat auch für das Jahr 1977 einen JAV festgelegt, welcher den in § 575 Abs 2 RVO bestimmten Höchst-JAV übersteigt, weil der Beklagte diesen höheren Betrag seinem für das Jahr 1977 maßgebenden Bescheid vom 25. November 1976 zugrunde gelegt hat. Dieser Entscheidung widerspricht der Beklagte in der Sache nicht. Er macht aber mit Recht geltend, daß das LSG ihn nicht hätte verurteilen dürfen, für das Jahr 1977 einen JAV zugrunde zu legen, der bereits von ihm im Bescheid vom 25. November 1976 berücksichtigt war. Hierzu bestand kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Senat versteht den Ausspruch des LSG jedoch in dem Sinne, daß klargestellt werden sollte, daß der Beklagte an den von ihm festgestellten JAV gebunden war, obwohl nach Auffassung des Berufungsgerichts nur der in § 575 Abs 2 RVO festgelegte niedrigere Betrag hätte berücksichtigt werden dürfen. Diese Klarstellung hätte allerdings in den Entscheidungsgründen erfolgen und die Klage insoweit abgewiesen werden sollen, weil der Kläger nach der Meinung des LSG nur erhalten durfte, was ihm bereits durch Bescheid gewährt worden war. Der Beklagte legt aber nicht dar, daß er durch den Ausspruch des Berufungsgerichts beschwert sein könnte.

Für die Zeit seit dem 1. Januar 1978 kann der Beklagte die Revision nicht mit einer abweichenden Auslegung der Verordnungen vom 11. April 1972 und vom 28. Februar 1978 begründen, weil die Revision nach § 162 SGG nur darauf gestützt werden kann, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Bei der Berechnung des JAV ist das Berufungsgericht in der Weise vorgegangen, daß es den ursprünglichen JAV ohne Berücksichtigung der in § 575 Abs 2 RVO festgelegten Höchstgrenze mit dem in den Anpassungsgesetzen bestimmten Faktor multipliziert hat, während der Beklagte die Auffassung vertritt, das LSG hätte von dem bisherigen Höchstbetrag ausgehen müssen. Welche der Berechnungsarten hier richtig ist, durfte der Senat jedoch nicht entscheiden. Wie dem Urteil zu entnehmen ist und auch von dem Beklagten angenommen wird, beruht die verschiedenartige Berechnungsweise auf einer unterschiedlichen Auslegung der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg vom 28. Februar 1978. Zwar ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, welche Gründe im einzelnen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, ob beispielsweise angenommen worden ist, mit der Außerkraftsetzung der bisherigen Höchstgrenze in § 3 Abs 2 der Verordnung vom 11. April 1972 sei die Begrenzung ab Januar 1978 in jeder Hinsicht und demgemäß auch für eine ab Januar 1978 vorgeschriebene Anpassung hinfällig geworden. Die dem Urteil im einzelnen nicht zu entnehmenden Gründe müssen hier dahinstehen; denn die Auslegung der Verordnung vom 28. Februar 1978 ist, wie bereits ausgeführt worden ist, vom Revisionsgericht nicht nachprüfbar. Im vorliegenden Fall brauchte das LSG auf die beabsichtigte Anwendung der Verordnungen des Landes Baden-Württemberg nicht hinzuweisen. Berücksichtigte das Berufungsgericht nämlich die Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, so wurde zwangsläufig der in § 575 Abs 2 festgelegte Höchst-JAV überschritten, so daß die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung vom 11. April 1972 mit dem höheren Betrag nicht zu umgehen war.

Der Beklagte wendet sich schließlich zu Unrecht gegen die Verurteilung zur Zinszahlung. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 44 Abs 1 und 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) hier anwendbar ist, da das Verwaltungsverfahren wegen der in Betracht kommenden Geldleistungen noch nicht abgeschlossen war (Art 2 § 23 Abs 2 SGB 1; BSG SozR 1200 § 44 Nrn 1 und 3). Zu den von dem Beklagten in seinem Schriftsatz vom 20. Juni 1980 aufgeführten Bedenken gegen die Anwendung des § 44 SGB 1 auf von einem Antrag unabhängige Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hat der 8. Senat des BSG bereits in seinem Urteil vom 26. Juni 1980 (SozR aaO Nr 3) Stellung genommen und entschieden, daß auch in der gesetzlichen Unfallversicherung rückständige Geldleistungen ab 1. Januar 1978 mit 4 vH zu verzinsen sind, wenn das Verwaltungsverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war und neben den übrigen Voraussetzungen des § 44 SGB 1, die hier erfüllt sind, ein vollständiger Leistungsantrag vorgelegen hat. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Jedenfalls am 1. November 1977 hat ein vollständiger Leistungsantrag des Klägers vorgelegen, so daß die entsprechenden Leistungen ab 1. Januar 1978 zu verzinsen sind.

Die Revision des Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660880

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