Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des AlhiV § 1 im Rahmen des AFG § 134 Abs 1 S 2 Nr 4 Buchst c

 

Leitsatz (amtlich)

Beim Wechsel der Fachrichtung im Hochschulstudium bleibt als Beginn der Ausbildung iS des AFG § 134 Abs 1 S 2 Nr 4 Buchst c (Fassung: 1975-12-18) der Beginn des Studiums in der ersten Fachrichtung maßgebend, wenn sich die verschiedenen Studiengänge aneinander anschließen.

 

Orientierungssatz

1. Die nach AFG § 134 Abs 1 S 2 Nr 4 Buchst c für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe geforderte entlohnte Beschäftigung wird auch durch die Tatbestände des AlhiV § 1 Nr 1 und Nr 2 erfüllt (Festhaltung BSG vom 1978-05-30 7 RAr 21/77 = SozR 4100 § 134 Nr 7, 1978-06-20 7 RAr 46/77 = SozR 4100 § 134 Nr 9).

2. Die Ermächtigung des AFG § 134 Abs 3 deckt eine Auslegung des AlhiV § 1 dahin, daß der dort genannte zivile Ersatzdienst aufgrund der Wehrpflicht auch an die Stelle der entlohnten Beschäftigung iS des AFG § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c tritt.

 

Normenkette

AFG § 134 Abs 1 S 2 Nr 4 Buchst c Fassung: 1975-12-18; AlhiV § 1 Nr 1 Fassung: 1974-08-07; AlhiV § 1 Nr 2 Fassung: 1974-08-07; AFG § 134 Abs 3; AFG § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Fassung: 1975-12-18

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 11.12.1979; Aktenzeichen L 14 Ar 50/79)

SG Berlin (Entscheidung vom 19.04.1979; Aktenzeichen S 63 Ar 978/76)

 

Tatbestand

Der Kläger leistete nach dem Abitur vom 2. November 1966 bis zum 30. April 1968 den zivilen Ersatzdienst aufgrund seiner Wehrpflicht. Vom 2. Mai 1968 bis zum 7. August 1968 und vom 6. September 1968 bis zum 27. September 1968 war er im Baugewerbe tätig. Er studierte von Oktober 1968 bis zum 30. Juni 1970 an der Technischen Universität B Architektur. Vom 1. Oktober 1970 bis Januar 1976 studierte er Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule B. Er schloß dieses Studium am 21. Januar 1976 mit der Diplom-Hauptprüfung ab.

Am 27. Januar 1976 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe (Alhi). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17. März 1976 ab und wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 6. Juli 1976). Mit Urteil vom 19. April 1979 hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 27. Januar 1976 Alhi zu gewähren.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 11. Dezember 1979 auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger sei seit Antragstellung und Meldung beim Arbeitsamt arbeitslos gewesen und habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden; einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) habe er nicht gehabt, weil die Anwartschaftszeit nach § 104 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) nicht erfüllt gewesen sei; der Kläger sei schließlich im streitigen Zeitraum bis zur Aufnahme einer Tätigkeit im Januar 1977 bedürftig gewesen. Indessen habe er die hier allein in Betracht kommende Anwartschaftszeit des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG nicht erfüllt; er habe nicht innerhalb des letzten Jahres vor Beginn des abgeschlossenen Hochschulbesuchs mindestens 26 Wochen in entlohnter Beschäftigung im Sinne des Buchst b gestanden. Dahingestellt könne bleiben, ob insoweit vom Beginn des Architekturstudiums ausgegangen werden könne. Jedenfalls sei der Ersatzdienst keine entlohnte Beschäftigung im Sinne des Buchst b noch einer solchen gleichgestellt gewesen. Das AFG verweise in § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c auf die entlohnte Beschäftigung im Sinne des Buchst b und erfasse damit nicht die Tätigkeiten, die gem § 1 der Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiVO) vom 7. August 1974 (BGBl I 1929) an die Stelle der entlohnten Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG treten. Für den Personenkreis des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG werde eine vorangegangene hinreichende Verbindung des Betreffenden mit dem Arbeitsmarkt verlangt, die durch die nötige Dauer einer bezahlten Tätigkeit, nicht aber durch andere Sachverhalte, wie zB solche nach § 1 der AlhiVO erwiesen werde. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, daß bei Studenten der Wehr- oder Ersatzdienst nicht die Fortsetzung oder Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, sondern das Studium zeitweise verhindert bzw hinausgeschoben habe. Entsprechend dieser Auslegung des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG sei durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) in die Bestimmung der Satzteil eingefügt worden: Abs 3 gilt nicht. Nach der Begründung des Gesetzes habe es sich dabei um eine Klarstellung gehandelt.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG und meint, daß von der Zielsetzung des AFG her ein Ersatzdienst im letzten Jahr vor Beginn der Ausbildung die Anwartschaft iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG begründen könne. Das Fünfte Änderungsgesetz zum AFG habe insoweit eine Änderung und nicht eine Klarstellung gebracht.

Der Kläger beantragt,

Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die

Berufung der Beklagten gegen das Urteil des

Sozialgerichts Berlin vom 19. April 1979

zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie macht geltend, mit dem Begriff Ausbildung in § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG könne nur eine geschlossene zusammenhängende Ausbildung gemeint sein. Dementsprechend habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 11. Dezember 1979 - 7 RAr 3/79 - ausgeführt, für die Frage, was als Beginn der Ausbildung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG anzusehen sei, sei im allgemeinen der Beginn der (Hoch-) Schulausbildung, die der Arbeitslose aufgegeben oder abgeschlossen habe, maßgeblich. Allerdings sei der Beginn der Ausbildung nicht in allen Fällen zwingend mit dem Beginn des aufgegebenen oder abgeschlossenen (Hoch-) Schulbesuchs gleichzusetzen. So sei beim Durchlaufen eines einheitlichen Ausbildungsganges mit mehreren sich anschließenden Ausbildungsabschnitten der Beginn des ersten Abschnitts der Beginn der Ausbildung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG. Bei den vom Kläger hier gewählten Studienrichtungen Architektur und Pädagogik könne aber von einem einheitlichen Ausbildungsgang keine Rede sein.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung begründet. Anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob das LSG mit Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen hat.

Das LSG hat festgestellt, daß für den geltend gemachten Anspruch auf Alhi die Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Nrn 1 bis 3 AFG vorliegen. Die weiteren Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG, der hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, hat das LSG mit Gründen verneint, denen der Senat nicht beitreten kann. Der Kläger hat im Jahre vor der Arbeitslosmeldung, also in der Zeit vom 27. Januar 1975 bis zum 26. Januar 1976, mindestens 26 Wochen eine Hochschule besucht und diese Ausbildung abgeschlossen. Entgegen der Auffassung des LSG hat er innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Ausbildung mindestens 26 Wochen in entlohnter Beschäftigung im Sinne des Buchst b gestanden.

Beginn der Ausbildung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 1 AFG ist hier die Aufnahme des Studiums für Architektur, denn als Ausbildung in diesem Sinne ist das gesamte Studium des Klägers anzusehen. Dafür ist es unerheblich, daß der Kläger während dieser Zeit die Fachrichtung und die Hochschule gewechselt hat. Entscheidend ist allein, daß er von Oktober 1968 bis zum 27. Januar 1976 ohne erhebliche Unterbrechung an Hochschulen im Geltungsbereich des AFG studiert, und daß er die Ausbildung abgeschlossen hat.

Zutreffend geht das LSG davon aus, daß das Gesetz den Alhi-Anspruch auf Personen beschränkten will, die zum Kreis der Arbeitnehmer gehören. Die Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer wird vom Gesetz auf verschiedene Weise als nachgewiesen angesehen oder unterstellt, so zB durch den Bezug von Alg oder durch eine entlohnte Beschäftigung im Jahr vor der Arbeitslosmeldung. Der Beschäftigung als Arbeitnehmer war nach § 145 Abs 1 Nr 4 Buchst b des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) eine abgeschlossene oder endgültig aufgegebene Ausbildung auf Hoch- oder anerkannten Fachschulen gleichgestellt. Nach § 2 AlhiVO war eine vorherige entlohnte Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG zur Begründung des Anspruchs auf Alhi nicht erforderlich, wenn der Arbeitslose eine Ausbildung abgeschlossen oder nicht nur vorübergehend aufgegeben und innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung mindestens 26 Wochen oder sechs Monate oder ein Semester eine Hochschule besucht hat. Das HStruktG-AFG hat den Alhi-Anspruch der Hochschulabsolventen an eine weitere Voraussetzung geknüpft, nämlich die entlohnte Beschäftigung von 26 Wochen innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Ausbildung. Damit hat sich auch der Sinn der Vorschrift gewandelt. Nach einer entlohnten Beschäftigung von mindestens 26 Wochen bleibt die Anwartschaft nach Maßgabe des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG auch über eine Zeit der Ausbildung hinaus erhalten. Dies setzt voraus, daß der anwartschaftserhaltende Tatbestand kontinuierlich fortbesteht, sonst würde der Zusammenhang mit der vorangegangenen entlohnten Beschäftigung unterbrochen. Dafür genügt aber nach dem ersten Halbs des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG der kontinuierliche Besuch von Hochschulen. Wenn nach der Vorschrift weiterhin der Beginn "der Ausbildung" maßgebend ist, so ist die Ausbildung der Hochschulbesuch, der auch über einen Wechsel der Fachrichtung hinaus andauern kann.

Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BSG zu § 1259 Abs 1 Nr 4 Buchst b der Reichsversicherungsordnung (RVO) an. Ausfallzeiten iS des § 1259 RVO iVm § 1258 RVO, dh anrechnungsfähige Versicherungsjahre iS der §§ 1253, 1254 RVO nach Maßgabe dieser Bestimmung sind danach Zeiten einer weiteren Schulausbildung oder einer abgeschlossenen Fachschul- oder Hochschulausbildung bis zu einer bestimmten Höchstdauer. Dazu hat das BSG entschieden, daß regelmäßig das gesamte Studium ein Studium iS des § 1259 Abs 1 Nr 4 Buchst b RVO sei, wenn nach einem Wechsel der Fachrichtung das neue Studienfach erfolgreich abgeschlossen werde. Eine längere Unterbrechung zwischen den beiden Studienfächern könne allerdings zu einer anderen Beurteilung führen (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 41). Dazu hat das BSG ausgeführt, das Gesetz erfordere nur, daß die Hochschulausbildung insgesamt erfolgreich abgeschlossen sei. Dies werde nicht für jedes einzelne Fachgebiet des Studiums verlangt, das der Studierende während der Hochschulausbildung durchlaufen habe. Der Versicherte könne sich darauf berufen, daß die Universität nicht nur ein Ausbildungsinstitut, sondern auch eine breit angelegte Bildungsstätte sei und daß sein anfängliches nicht beendetes Studium ihm gleichwohl für seinen späteren Beruf wesentliche Kenntnisse vermittelt und ihn in das wissenschaftliche Arbeiten eingeführt habe (BSGE 30, 34, 37).

Nach dem Zweck des § 1259 Abs 1 Nr 4 Buchst b RVO soll denjenigen Versicherten, die sich über ein bestimmtes Lebensalter hinaus einer für einen späteren Beruf notwendigen weiteren Ausbildung unterzogen haben und deshalb während dieser Ausbildung keine Beiträge leisten konnten, bei der späteren Rentenfeststellung ein angemessener Ausgleich verschafft werden (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 41). Hinsichtlich der im vorliegenden Falle anstehenden Frage unterscheidet sich § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG nicht wesentlich von § 1259 Abs 1 Nr 4 Buchst b RVO. Es geht in beiden Fällen darum, daß eine für den Leistungsanspruch oder seine Höhe maßgebende Beschäftigung wegen einer abgeschlossenen Fachschul- oder Hochschulausbildung vorübergehend nicht ausgeübt werden konnte. Hier wie dort geht es um die Frage, ob ein nicht beendeter Studiengang mit angerechnet wird, wenn der Student die Fachrichtung wechselt und das neue Studienfach erfolgreich abschließt.

Allerdings trifft die Meinung der Beklagten zu, daß die abgeschlossene oder aufgegebene Ausbildung und die begonnene Ausbildung in § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG im allgemeinen identisch sind (BSG 11. Dezember 1979 - 7 RAr 3/79 -). Das Gesetz verlangt einen Zusammenhang zwischen der entlohnten Beschäftigung, dem Beginn der Ausbildung und ihrem Abschluß oder ihrer Aufgabe; aber Ausbildung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 1 AFG ist nicht nur eine von vornherein auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtete Maßnahme. Dagegen spricht schon, daß auch die aufgegebene Ausbildung für die Begründung der Anwartschaft genügen kann. Das Gesetz gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die aufgegebene Ausbildung auf einen bestimmten Abschluß gerichtet sein mußte. Auch dem Zweck des Gesetzes ist nicht zu entnehmen, daß die Zeit zwischen der entlohnten Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit im Falle des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 1 AFG notwendig durch eine zielstrebige Ausbildung überbrückt sein muß. Vielmehr sind entscheidend die Tatsachen der ununterbrochenen Ausbildung an den bestimmten im Gesetz bezeichneten Ausbildungsstätten und der entlohnten Beschäftigung im Jahr vor Beginn dieser Ausbildung.

Diese Auslegung des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 1 AFG steht im Einklang mit der Bestimmung des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 2 AFG. Danach gilt eine Ausbildung nicht als abgeschlossen, wenn im Anschluß daran eine weitere Ausbildung an einer allgemein-bildenden oder beruflichen Schule oder einer Hochschule angestrebt wird oder für den angestrebten Beruf eine noch zu leistende zusätzliche Ausbildung oder praktische Tätigkeit vorgeschrieben ist. Die Bestimmung regelt unmittelbar nur den Ausschluß des Anspruchs auf Alhi nach abgeschlossener Ausbildung. Daraus folgt aber sinngemäß auch die weitere Erhaltung der Anwartschaft für die Zeit nach Abschluß oder Aufgabe der weiteren Ausbildung. Wenn der Schüler oder Student eine Ausbildung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 1 AFG abgeschlossen und die im Anschluß daran angestrebte Ausbildung im Sinne des ersten Satzteiles des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 2 AFG ebenfalls abgeschlossen hat, so besitzt er bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 1 AFG eine Anwartschaft auf Alhi. Voraussetzung dafür ist nach dem ersten Satzteil des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 2 AFG lediglich, daß er von Beginn der Ausbildung an Schulen der im ersten Halbsatz genannten Art kontinuierlich besucht hat, wobei es genügt, daß die weitere Ausbildung im Anschluß an die vorhergehende angestrebt wurde. Mehrere Ausbildungsgänge an allgemeinbildenden oder beruflichen Schulen oder Hochschulen werden also nach dem ersten Halbsatz wie nach dem ersten Satzteil des zweiten Halbsatzes, wenn sie nur sich aneinander anschließen, zu einer Ausbildung zusammengezogen und als einheitliche Ausbildung behandelt.

Allerdings hat der Senat allgemein für die Vorschrift des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG entschieden, daß, wenn die vorangegangene Ausbildungsmaßnahme zu einem vollwertigen Arbeitsmarktberuf geführt habe, diese mit darauf folgenden Bildungsmaßnahmen keine einheitliche Ausbildung bilde; das habe zur Folge, daß erst recht die Ausbildung zu einem zweiten Beruf mit der vorangegangenen Ausbildung, sofern diese zu einem vollwertigen Arbeitsmarktberuf geführt habe, keine zusammenhängende, einheitliche Ausbildung darstelle, die es erlaube, auf die der ersten Ausbildung vorangegangene entlohnte Beschäftigung zurückzugreifen (BSG aaO). Im Gegensatz zu jenem Fall hat im vorliegenden Fall der Kläger jedoch sein Architekturstudium nicht abgeschlossen und mit diesem Ausbildungsgang noch keinen auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf erreicht.

Die Bestimmung des zweiten Satzteiles des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 2 AFG hat einen anderen Zweck als die des ersten Halbsatzes dieser Vorschrift. Sie verknüpft die anwartschaftserhaltenden Zeiten durch das gemeinsame Ziel des angestrebten Berufs. Deshalb verlangt die Vorschrift des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 2 zweiter Satzteil AFG nicht den Besuch bestimmter Ausbildungsstätten. Zur Anwartschaftserhaltung genügt jede Art von Ausbildung und auch eine praktische Tätigkeit.

Der Senat hat zum zweiten Satzteil des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c Halbs 2 AFG hervorgehoben, daß es für die Frage, wann ein Abschluß der Berufsausbildung vorliege, auf objektive Gesichtspunkte ankomme. Sonst würde der Anspruch auf Alhi lediglich von der Absichtserklärung des Arbeitslosen abhängig gemacht, welches Berufsziel er mit seiner bisherigen Berufsausbildung angestrebt hat (BSGE 46, 264 = SozR 4100 § 134 Nr 9). Darüber hinaus hat der Senat entschieden, dieses objektive Kriterium müsse auch maßgebend für die Frage sein, was als "Ausbildung" im Sinne des ersten Halbsatzes des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG anzusehen sei. Es bestehe ein praktisches Bedürfnis, nach objektiven Kriterien zu beurteilen, ob eine oder mehrere Ausbildungen vorlägen (BSG 11. Dezember 1979 - 7 RAr 3/79 -). Indessen ging es auch in diesem Urteil nur um das Ergebnis, daß keine einheitliche zusammenhängende Ausbildung vorliegt, wenn der Ausbildung zu einem zweiten Beruf eine Ausbildung vorausgegangen ist, die zu einem vollwertigen auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf geführt hat.

Die hier vertretene Auslegung des ersten Halbsatzes des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG mag allerdings zur Folge haben, daß in bestimmten Fällen der Alhi-Anspruch lediglich von einer Absichtserklärung des Arbeitslosen abhängt. Wenn er sich nach der Aufgabe des ersten Studiums arbeitslos meldet, wird sich das Arbeitsamt meist mit der Erklärung des Arbeitslosen begnügen müssen, er strebe keinen weiteren Hochschulbesuch an. Die darin liegende Manipulationsmöglichkeit kann aber in Kauf genommen werden. Wenn nämlich dieser Arbeitslose das Studium dann doch alsbald in einer anderen Fachrichtung wieder aufnimmt und sich nach Aufgabe oder Abschluß des neuen Studienganges erneut arbeitslos meldet, kann ihm die Unterbrechung der Ausbildung entgegengehalten werden, so daß er nicht mehr auf die entlohnte Beschäftigung vor dem ersten Studium zurückgreifen kann.

Als Beginn der Ausbildung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG ist die Aufnahme des Studiums in einer Fachrichtung nur solange anzusehen, als dieser Studiengang weiterverfolgt oder ein neuer Studiengang im Anschluß daran aufgenommen wird. Der Student muß kontinuierlich eine Hochschule besuchen. Hier ist das offensichtlich der Fall.

Das LSG nennt allerdings nicht wie das SG den 30. September 1970, sondern den 30. Juni 1970 als den Tag, an dem der Kläger das Architektur-Studium aufgegeben hat. Selbst wenn man aber von diesem Termin ausgeht, der Kläger vom 30. Juni bis zum 1. Oktober 1970 exmatrikuliert gewesen sein sollte, ist das Erfordernis der Kontinuität (des Anschlusses) erfüllt. Der Kläger hat auch bei dieser Sachlage kontinuierlich eine Hochschule besucht, da erfahrungsgemäß die Zeit zwischen der Aufgabe des Architekturstudiums (30. Juni) und der Aufnahme des Pädagogikstudiums (1. Oktober) praktisch nur die vorlesungsfreie Zeit (Semesterferien) umfaßt.

Der Kläger hat im letzten Jahr vor Beginn der Ausbildung, dh vor Aufnahme des Architekturstudiums, 26 Wochen in entlohnter Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG gestanden. Die Ersatzdienstzeit ist als entlohnte Beschäftigung in diesem Sinne zu behandeln. Gem § 1 Nr 2 der AlhiVO tritt der zivile Ersatzdienst aufgrund der Wehrpflicht, den der Kläger geleistet hat, an die Stelle der fehlenden entlohnten Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG. Der ebenfalls in Nr 2 genannte Wehrdienst aufgrund der Wehrpflicht ist als andere Erwerbstätigkeit im Sinne der Ermächtigungsnorm des § 134 Abs 3 AFG der entlohnten Beschäftigung gleichgestellt worden (BSG SozR 4100 § 134 Nr 9). Dies gilt auch für den zivilen Ersatzdienst (Zivildienst). Bereits mehrfach hat der Senat Ersatztatbestände des § 1 AlhiVO auch im Rahmen des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG angewendet und ausdrücklich entschieden, daß diese Vorschrift die Tatbestände des § 1 Nr 1 und Nr 2 AlhiVO einbeziehe (BSG SozR 4100 § 134 Nr 7 und Nr 9). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Die Ermächtigung des § 134 Abs 3 AFG deckt entgegen der von Hennig/Kühl/Heuer (Kommentar zum AFG 11. Lieferung § 134 Anm 6 d) erwähnten Praxis eine Auslegung des § 1 AlhiVO dahin, daß der dort genannte zivile Ersatzdienst aufgrund der Wehrpflicht auch an die Stelle der entlohnten Beschäftigung iS des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG tritt. Nach der Ermächtigungsnorm des § 134 Abs 3 AFG kann bestimmt werden, daß andere Erwerbstätigkeiten einer entlohnten Beschäftigung im Sinne des Abs 1 Nr 4 Buchst b gleichstehen. Dazu hat der Senat bereits ausgeführt, daß die Gleichstellung auch für § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG gelte (BSG SozR 4100 § 134 Nr 7).

Der Senat bleibt bei seiner Meinung, daß § 134 Abs 3 AFG die Ermächtigung zu einer völligen Gleichstellung der anderen Erwerbstätigkeiten enthält, und daß die AlhiVO in diesem Sinne auszulegen ist. Allerdings weist das LSG mit Recht darauf hin, daß Hochschulabsolventen häufig vor ihrem Studium keine Arbeitnehmer waren. Es ist daher durchaus eine Betrachtungsweise denkbar, daß bei dieser Personengruppe der Wehrdienst nicht die Aufnahme der Arbeitnehmertätigkeit, sondern das Studium hinausgeschoben habe. Nicht überzeugend ist aber die Annahme des LSG, der Gesetzgeber habe seine Regelung auf eine derartige typische Ausgangslage abgestellt. Näher liegt die Annahme, daß dem Wehr- oder Ersatzdienstleistenden die entsprechend der Ermächtigung des § 134 Abs 3 AFG begründete Anwartschaft über das Studium hinweg erhalten bleiben sollte. Er konnte wegen der Wehrpflicht keine Anwartschaft auf Alhi nach § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG erlangen; dazu dient die Ausbildung regelmäßig dem nach § 2 Nr 2 AFG geförderten Zweck, die berufliche Beweglichkeit zu sichern und zu verbessern (Gagel NJW 79, 2228).

Durch das am 1. August 1979 in Kraft getretene Fünfte Gesetz zur Änderung des AFG wurden in § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG nach den Worten "gestanden hat" die Worte "Abs 3 gilt nicht" eingefügt. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes dient diese Änderung der Klarstellung, da die Verweisung auf den Buchst b teilweise dahin mißverstanden worden sei, daß auch Abs 3 gelten solle (BT-Drucks 8/2624 zu Nr 43 Buchst b = S 29). Im Hinblick auf seine Rechtsprechung und die darin dargelegten Gründe kann der Senat dieser Ansicht der Bundesregierung nicht folgen. Einer bloßen Klarstellung steht im übrigen der durch das Fünfte Änderungsgesetz eingefügte § 134 Abs 4 AFG entgegen. Abs 1 Nr 4 gilt danach noch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach dem 31. Juli 1979 in der alten Fassung, also entsprechend der Auslegung dieser Vorschrift durch den Senat.

Das LSG hat entsprechend seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen, ob die weitere Voraussetzung des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG erfüllt ist, der Kläger also die Ausbildung mit der Diplomprüfung abgeschlossen hat. Nach dem letzten Satzteil des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst c AFG gilt eine Ausbildung nicht als abgeschlossen, wenn für den angestrebten Beruf eine noch zu leistende zusätzliche Ausbildung oder praktische Tätigkeit vorgeschrieben ist. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des LSG. Der Rechtsstreit ist deshalb zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1655304

BSGE, 221

Breith. 1981, 538

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