Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlen zur Vertreterversammlung einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Notwendige Beiladung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Jahre 1968 war die Wahl zur Vertreterversammlung einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft ohne Wahlhandlung durchzuführen.

2. Die Sitzverteilung durch die zuständige Landesbehörde ist eine Ermessensentscheidung. Die Mitgliederzahlen der Listenträger und der eine verdeckte Gemeinschaftsliste tragenden Organisationen sind eine sich im Rahmen des Ermessens haltende Grundlage für die Sitzverteilung.

3. Die Wahl kann nur durch Klage gegen den Versicherungsträger angefochten werden, auch wenn die durch die zuständige Landesbehörde vorgenommene Sitzverteilung beanstandet wird. Die zuständige Landesbehörde ist für eine Anfechtungsklage nicht passiv legitimiert.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist der Klageantrag darauf gerichtet, daß bei einem zusprechenden Urteil nicht nur ein Tätigwerden des beklagten Versicherungsträgers, sondern auch ein Handeln der zuständigen Landesbehörde nötig wird, ist deren Bindung an das Urteil durch (vorherige) Beiladung zu bewirken.

 

Normenkette

SVwG §§ 30, 29; SVwGÄndG 7 Art. 3 Fassung: 1967-08-03; SVWO § 27 Abs. 1 Fassung: 1967-11-06; SGG § 75 Abs. 2, § 54

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. November 1972 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beigeladenen die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Wahl zur Vertreterversammlung der H landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (Beklagte zu 1) fand im Jahre 1968 gemäß Art. 3 § 1 des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes - 7. ÄndG SVwG - vom 3. August 1967 (BGBl I 845) ohne Wahlhandlung statt. Die Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) besteht nach § 15 ihrer Satzung aus 36 Mitgliedern; davon sind 12 Vertreter der versicherten Arbeitnehmer (Versicherte). Der Arbeitnehmerverband ländlicher Berufe e.V. im Christlichen Gewerkschaftsbund (Kläger) und die Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft, Landesbezirk Niedersachsen, (Beigeladene) hatten für die Gruppe der versicherten Arbeitnehmer je eine Vorschlagsliste eingereicht, die zugelassen wurde. Die Vorschlagsliste des Klägers war eine sog. verdeckte Gemeinschaftsliste mit dem Kläger als Listenträger und der Beteiligung von 4 weiteren Arbeitnehmerorganisationen (Deutscher land- und forstwirtschaftlicher Angestelltenbund, Bund deutscher Forstmänner, Niedersächsische Landjugend, Verband der Milchkontroll- und Tierzuchtangestellten). Da in beiden Vorschlagslisten insgesamt mehr Bewerber benannt als für die Gruppe der versicherten Arbeitnehmer zu wählen waren, forderte der Niedersächsische Sozialminister (Beklagte zu 2) zur Vorbereitung der von ihm vorzunehmenden Sitzverteilung (Art. 3 § 1 Abs. 2 und 3 des 7. ÄndG SVwG) die Listenführer auf, die Zahl der Mitglieder ihrer Organisationen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu 1) bekanntzugeben. Dieser Aufforderung entsprach nur die Beigeladene; sie gab ihre Mitgliederzahl mit 13.127 an. Der Kläger kam der noch mehrfach wiederholten Aufforderung nicht nach. Seiner Meinung nach sei, wie schon im Jahre 1962 geschehen, eine Wahl mit Wahlhandlung durchzuführen. Zudem umfasse seine Vorschlagsliste zahlreiche Berufszweige, so daß die bloße Mitgliederzahl keine Grundlage für die Berufung in die Vertreterversammlung sein könne. Durch Schreiben vom 23. September 1968 teilte der Niedersächsische Sozialminister den Listenführern die Namen der je 10 Mitglieder und Stellvertreter mit, die er aus der Vorschlagsliste der Beigeladenen und der je 2 Mitglieder und Stellvertreter, die er aus der Liste des Klägers in die Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) berufen habe. Entsprechend stellte der Wahlausschuß der Beklagten zu 1) am 31. Oktober 1968 das endgültige Wahlergebnis fest und machte es am 23. November 1968 öffentlich bekannt.

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die unter dem 10. Oktober 1968 erhobene Klage des Klägers, den Bescheid des Niedersächsischen Sozialministers vom 23. September 1968 aufzuheben und festzustellen, daß die durch den Bescheid berufenen Personen nicht als für die Vertreterversammlung der beklagten Berufsgenossenschaft gewählt gelten, abgewiesen (Urteil vom 17. März 1971). Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen zurückgewiesen (Urteil vom 21. November 1972). In den Gründen hat es u.a. ausgeführt: Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Wahlanfechtung, bei der es sich um eine auf Feststellung der Ungültigkeit des Wahlergebnisses gerichtete Feststellungsklage handele, sei zulässig. Zwar habe der Kläger die Klage bereits vor der Bekanntmachung des endgültigen Wahlergebnisses erhoben, die nach § 30 Abs. 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz - SVwG) idF vom 23. August 1967 (BGBl I 918) für die Wahlanfechtung Sachurteilsvoraussetzung sei. Es genüge jedoch, daß diese Sachurteilsvoraussetzung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorgelegen habe. Als vorschlagsberechtigte Gewerkschaft oder Vereinigung von Arbeitnehmern sei der Kläger auch zur Klage befugt (§ 30 Abs. 1 SVwG). Die Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) sei zu Recht gemäß Art. 3 § 1 des 7. ÄndG SVwG ohne Wahlhandlung durchgeführt worden. Denn diese Vorschrift begründe die unwiderlegbare Vermutung, daß es bei der gegenwärtigen Organisation der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften nicht möglich sei, die Wahlberechtigten in ihrer Gruppenzugehörigkeit hinreichend zu erfassen und mit Wahlausweisen zu versehen. Da aus der Gruppe der versicherten Arbeitnehmer mehrere gültige Vorschlagslisten eingereicht und in ihnen insgesamt mehr Bewerber benannt worden seien als Mitglieder zu wählen waren, seien die Mitglieder der Vertreterversammlung durch den Niedersächsischen Sozialminister zu berufen gewesen (Art. 3 § 1 Abs. 2 des 7. ÄndG SVwG). Die Beklagte zu 1) sei ein landesunmittelbarer Versicherungsträger, welcher der Aufsicht des Niedersächsischen Sozialministers unterstehe (§ 3 des Bundesversicherungsamtsgesetzes - BVAG - vom 9. Mai 1956 - BGBl I 415), auch wenn sie bis zu einer endgültigen Regelung mit der Durchführung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung im Land Berlin beauftragt sei (§ 14 Abs. 2 des Gesetzes über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und zur Überleitung des Unfallversicherungsrechts im Lande Berlin vom 29. April 1952 - BGBl 253 - idF des Art. 2 § 11 des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 - BGBl I 845). Die Sitzverteilung auf die beiden Vorschlagslisten habe der Niedersächsische Sozialminister fehlerfrei vorgenommen. Nach Art. 3 § 1 Abs. 3 des 7. ÄndG SVwG habe die zuständige Stelle die Sitze anteilmäßig, jedoch unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten zu verteilen. Da es sich bei dem Begriff "Anteil" um einen Mengenbegriff handele und innerhalb einer Gruppe jede Stimme eines Wählers gleiches Gewicht habe, sei für das Ergebnis der Wahl allein die Zahl der abgegebenen Stimmen maßgebend. Demnach komme es bei der Berufung von Mitgliedern der Vertreterversammlung auf das Zahlenverhältnis der landwirtschaftlich versicherten Arbeitnehmer (Mitglieder) des Klägers und der Beigeladenen an. Das Verhältnis lasse sich jedoch nicht feststellen, weil der Kläger die Zahl seiner Mitglieder nicht angegeben habe. Daher lasse sich auch nicht feststellen, daß die Berufung von 2 Mitgliedern aus seiner Vorschlagsliste seinem Anteil nicht entspreche.

Soweit sich die Wahlanfechtung des Klägers auch gegen den Beklagten zu 2) richte, sei die Klage wegen der fehlenden Passivlegitimation des Beklagten zu 2) unbegründet. Nach § 30 Abs. 1 SVwG könne sich die Klage nur gegen den Versicherungsträger richten. Die darüber hinaus auch gegen den Bescheid vom 23. September 1968 erhobene Anfechtungsklage sei unzulässig. Die Berufung der Mitglieder der Vertreterversammlung durch den Niedersächsischen Sozialminister sei kein Verwaltungsakt, sondern eine innerbehördliche Maßnahme im Rahmen des Wahlverfahrens.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Das angefochtene Urteil beruhe auf einer unrichtigen Anwendung des Art. 3 § 1 des 7. ÄndG SVwG. Diese Vorschrift gehe entgegen der Auffassung des LSG nicht davon aus, daß die Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) nicht durchführbar sei, weil die Wahlberechtigten in ihrer Gruppenzugehörigkeit nicht hinreichend hätten erfaßt werden können. Der wahlberechtigte Personenkreis sei bei der Wahl im Jahre 1962 bekannt gewesen, daher hätte auch im Jahre 1968 gewählt werden können. Falls das der Gesetzgeber wegen der geringen Wahlbeteiligung von 8,4 % im Jahre 1962 für untunlich gehalten habe, hätte er ausdrücklich bestimmen müssen, daß die Wahlen zu den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bis auf weiteres ohne Wahlhandlung durchzuführen seien. Das sei jedoch nicht geschehen. Selbst wenn aber zu Recht eine Wahl ohne Wahlhandlung stattgefunden habe, hätte die Berufung der Mitglieder der Vertreterversammlung aus den beiden Vorschlagslisten nicht nach der Zahl der Mitglieder der Listenträger vorgenommen werden dürfen. Die Vertreterversammlung sei eine Repräsentation der versicherten Mitglieder. Der Niedersächsische Sozialminister hätte daher seine Auswahl anhand einer Überprüfung der vorgeschlagenen Bewerber hinsichtlich ihrer anteilmäßigen Zugehörigkeit zum Mitgliederbestand der Beklagten zu 1) treffen müssen. Die Mitgliederzahl der Listenträger sei ohne Bedeutung. Aber auch dann, wenn die Auswahl nach der Zahl der Mitglieder vorzunehmen gewesen wäre, hätte dabei berücksichtigt werden müssen, daß seine Vorschlagsliste von insgesamt 5 Verbänden getragen worden sei. Der Niedersächsische Sozialminister hätte daher nicht nur nach der Mitgliederzahl des Listenträgers, sondern auch nach den Mitgliederzahlen der 4 anderen Verbände fragen müssen. Wäre das geschehen, hätte er diese Zahlen auch erhalten und es hätte sich ergeben, daß die Mitgliederzahl der Beigeladenen übertroffen werde.

Die Klage sei auch zulässig, soweit sie sich gegen des Beklagten zu 2) richte. Denn ohne dessen Einbeziehung in das Verfahren als Beklagter wäre eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 23. September 1968 über die Berufung der Mitgliederversammlung nicht möglich.

Der Kläger beantragt,

1.

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 21. November 1972 aufzuheben,

2.

den Bescheid des Beklagten zu 2) vom 23. September 1968 aufzuheben,

3.

festzustellen, daß die durch den Bescheid vom 23. September 1968 berufenen Personen nicht als für die Vertreterversammlung der beklagten Berufsgenossenschaft gewählt gelten,

hilfsweise

das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG in Celle zurückzuverweisen.

Die Beklagte zu 1) und 2) sowie die Beigeladene beantragen,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) trägt vor, daß die Wahl zu ihrer Vertreterversammlung im Jahre 1968 zu Recht ohne Wahlhandlung durchgeführt worden sei. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich unmißverständlich, daß gerade die im Jahre 1962 in ihrem Bereich durchgeführte Wahl der Anlaß für die gegenwärtige gesetzliche Regelung gewesen sei. Damals habe sich ergeben, daß der für die Wahl in Betracht kommende Personenkreis nicht in der erforderlichen Klarheit durch Gesetz bestimmt gewesen sei. Ein Rechtsverstoß bei der Sitzverteilung sei nicht ersichtlich. Da der Kläger sich geweigert habe, seine Mitgliederzahlen bekanntzugeben, sei es nicht möglich gewesen, seine zahlenmäßige Bedeutung zu erkennen.

Der Beklagte zu 2) hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene trägt vor, daß gegen die Durchführung der Wahl ohne Wahlhandlung keine Bedenken bestünden. Auch in seiner jetzt geltenden Fassung gehe das SVwG davon aus, daß die Voraussetzungen für ein ordentliches Wahlverfahren bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften nicht gegeben seien. Hinsichtlich der Sitzverteilung sei der Kläger den Beweis schuldig geblieben, daß der Niedersächsische Sozialminister das Verhältnis zwischen den Mitgliedern der beiden Listenträger nicht richtig angenommen habe.

II.

Die zugelassene Revision des Klägers ist statthaft, aber nicht begründet.

Das LSG hat die angefochtene Wahl zutreffend für gültig gehalten.

Für die Wahlanfechtung ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit durch § 30 Abs. 2 SVwG eröffnet (§ 51 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -; bis 31. Dezember 1969: § 51 Abs. 3 SGG). Die Klage ist auch vor dem gemäß § 57 b SGG örtlich zuständigen Gericht erhoben worden. Entgegen der Ansicht des LSG ist die Wahlanfechtungsklage keine Feststellungsklage, sondern eine Klage besonderer Art (vgl. BSG 23, 92), deren Besonderheiten der Gesetzgeber durch Einfügung des § 131 Abs. 4 SGG (idF des Art. 2 § 4 Nr. 3 des 7. ÄndG SVwG) Rechnung getragen hat. Nach dieser Vorschrift spricht das Gericht, das eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen i. S. des § 57 b SGG für ungültig hält, dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben. Es kann daher dahinstehen, welcher der im Klagesystem des SGG ausdrücklich aufgezählten Klagearten die Wahlanfechtungsklage entspricht.

Der Kläger ist zur Wahlanfechtung berechtigt. Er gehört zu den nach § 7 Abs. 2 SVwG vorschlagsberechtigten Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitnehmern, welche die Wahl gemäß § 30 Abs. 1 SVwG durch Klage gegen den Versicherungsträger anfechten können, wenn gegen Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, daß durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte. Mit seinem Vorbringen, die Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) hätte nicht ohne Wahlhandlung durchgeführt werden dürfen, und, falls dies dennoch zulässig gewesen sein sollte, hätte die Sitzverteilung durch den Niedersächsischen Sozialminister anders als geschehen erfolgen müssen, rügt er Verstöße gegen Vorschriften über das Wahlrecht und das Wahlverfahren, die, wenn sie vorlägen, das Wahlergebnis geändert hätten. Unerheblich ist, daß der Kläger die Klage bereits vor der öffentlichen Bekanntmachung des endgültigen Wahlergebnisses erhoben hat. Zwar wird die Frist von einem Monat für die Erhebung der Wahlanfechtungsklage erst vom Tage der öffentlichen Bekanntmachung des endgültigen Wahlergebnisses an gerechnet (§ 30 Abs. 2 SVwG), die vorher erhobene Klage ist jedoch nicht unzulässig. Entscheidend ist, daß zumindest am Ende der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen vorgelegen haben, von denen eine Entscheidung in der Sache abhängt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Auflg. S. 242 d und d I). Das ist hier der Fall. Einer Sachentscheidung steht auch nicht entgegen, daß im Jahre 1974 die Amtsdauer der Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) abgelaufen war (§ 6 Abs. 1 SVwG) und inzwischen Neuwahlen stattgefunden haben, wodurch die ursprünglich angefochtene Wahl im Jahre 1968 gegenstandslos geworden ist. Die streitige Frage, ob die Wahl im Jahre 1968 mit oder ohne Wahlhandlung durchzuführen war und nach welchen Grundsätzen die Sitzverteilung vorgenommen werden mußte, ist wegen des weiterhin geltenden Art. 3 § 1 des 7. ÄndG SVwG bis in die Gegenwart hinein von Bedeutung. Der Kläger hat daher ein Rechtsschutzbedürfnis, daß über seine Wahlanfechtung auch jetzt noch entschieden wird (zur entsprechenden Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG vgl. BSG 23, 92, 94 f.).

In der Sache selbst erwies sich die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Wahlanfechtungsklage jedoch als unbegründet.

Die Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) hat im Jahre 1968 zu Recht gemäß Art. 3 § 1 Abs. 1 des 7. ÄndG SVwG ohne Wahlhandlung stattgefunden. Nach dieser Vorschrift werden die Wahlen zu den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften solange ohne Wahlhandlung durchgeführt, bis die Wahlberechtigten in ihrer Gruppenzugehörigkeit hinreichend erfaßt und mit Wahlausweisen versehen werden können. Bereits die Entstehungsgeschichte des 7. ÄndG SVwG läßt eindeutig erkennen, daß der Gesetzgeber für die Wahlen zu den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften im Jahre 1968 eine Wahl ohne Wahlhandlung vorgesehen hat, ohne daß im Einzelfall geprüft zu werden braucht, ob die Wahlberechtigten tatsächlich nicht in ihrer Gruppenzugehörigkeit erfaßt und mit Wahlausweisen versehen werden könnten. Anlaß für die Novellierung des bis dahin geltenden Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz - GSv) idF vom 13. August 1953 (BGBl I 427) und Zielpunkt für die gesetzgeberischen Arbeiten waren die bevorstehenden Sozialversicherungswahlen. Um die dafür erforderliche Zeit zu gewinnen, wurde durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes vom 19. Juli 1965 (BGBl I 618) die Amtsdauer der gewählten Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane um 2 Jahre und 3 Monate bis zum 30. September 1968 verlängert (vgl. Fenge BABl 1967, 341). Als die Bundesregierung den Entwurf eines 7. ÄndG SVwG vorlegte, begründete sie Art. 3 § 1, welcher der endgültigen Fassung entspricht, mit dem Ergebnis der Wahlen in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung im Jahre 1962. Damals hatte nur bei einer einzigen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, der Beklagten zu 1), eine Wahl mit Wahlhandlung stattgefunden; die Wahlbeteiligung betrug 8,4 % (Theile BABl 1963, 174, 179 Übersicht 3: Wahlbeteiligung). Es war offenkundig geworden, daß die derzeitige Organisation der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften es nicht ermöglichte, die Wahlberechtigten in ihrer Gruppenzugehörigkeit hinreichend zu erfassen und mit Wahlausweisen zu versehen. Die Bundesregierung zog darauf "die notwendige Folgerung, daß die Wahlen zu den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vorläufig ohne Wahlhandlung stattfinden müssen" (BT-Drucksache V/1674 S. 25 zu Art. 3 § 1). Dem Vorschlag des Bundesrats, nur die nächsten Wahlen - im Jahre 1968 - ohne Wahlhandlung durchzuführen (BT-Drucksache V/1674, Anlage 2 S. 32 zu Art. 3 Nr. 29 a), stimmte die Bundesregierung nicht zu, denn es "sollte vermieden werden, daß im Laufe der nächsten Wahlperiode die Wahlen zu den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften nochmals hinausgeschoben werden müssen, weil damit gerechnet werden kann, daß auch dann die Voraussetzungen für die Durchführung der Wahl noch nicht gegeben sind" (BT-Drucksache V/1674, Anlage 3 S. 35 zu Nr. 29). Der Bundesrat hat daraufhin der von der Bundesregierung vorgeschlagenen und vom Bundestag angenommenen Fassung des Art. 3 § 1 des 7. ÄndG SVwG zugestimmt (Bundesrat, 312. Sitzung vom 14. Juli 1967, Stenographischer Bericht S. 151, Punkt 11 der Tagesordnung). Die Auffassung, daß der Gesetzgeber für die Wahlen zu den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften im Jahre 1968 ausdrücklich eine Wahl ohne Wahlhandlung gewollt hat, wird entscheidend auch durch die von ihm vorgenommenen Änderungen des Selbstverwaltungsgesetzes und der Wahlordnung gestützt. Nach § 12 Abs. 1 GSv iVm § 20 Abs. 1 der Wahlordnung für die Sozialversicherung idF vom 23. Februar 1962 - WOSozVers 1962 - (BGBl I 104) wurde im Jahre 1962 aufgrund von Wahlausweisen gewählt, die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gemäß § 12 Abs. 4 GSv iVm § 21 Abs. 5 WOSozVers 1962 in der Regel von den Gemeindeverwaltungen auszustellen waren, und zwar nur auf Antrag. Im Jahre 1962 bestanden somit die gesetzlichen Voraussetzungen zur Durchführung einer Wahl mit Wahlhandlung. Für die Wahl im Jahre 1968 bestimmten § 27 Abs. 1 SVwG iVm § 27 Abs. 1 WOSozVers idF vom 6. November 1967 - WOSozVers 1967 - (BGBl I 1063) zwar gleichfalls, daß aufgrund von Wahlausweisen gewählt wird. Abweichend von der für die Wahlen im Jahre 1962 geltenden Regelung ist jedoch weder im SVwG noch in der WOSozVers 1967 eine Stelle bezeichnet, die in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung für die Gruppen der Versicherten, der Arbeitgeber und der Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte (§§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 2 und 21 SVwG) die Wahlausweise auszustellen hat. Die WOSozVers 1967 führt in den §§ 29 bis 36 a lediglich Stellen auf, die für die Wahlen in der Krankenversicherung, in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten, in der allgemeinen und in der See-Unfallversicherung, in den Gemeindeunfallversicherungsverbänden und den besonderen Trägern der Unfallversicherung für die Feuerwehren, in den Ausführungsbehörden für Unfallversicherung sowie in der Unfallversicherung der Schüler, Lernenden und Studierenden Wahlausweise auszustellen haben.

Die Durchführung von Wahlen ohne Wahlhandlung zu den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften widerspricht nicht dem in der Bundesrepublik Deutschland für Bund, Länder und Kommunen geltenden demokratischen Prinzip (Art. 28 Abs. 1 GG). Dieses Prinzip ist, wenn überhaupt, nur mit Einschränkungen auf Nichtgebietskörperschaften zu übertragen. Die Sozialversicherungsträger haben kein "Volk" und deshalb auch keine Volksvertretung. Nach Verfassungsrecht brauchen sie überhaupt keine Vertretung zu haben, so daß nicht verlangt werden kann, daß eine vom Gesetzgeber vorgesehene Vertretung ausnahmslos aus Wahlen hervorgehen muß, die den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG genügen (vgl. BSG 36, 242, 243 f.).

Für die aus den Vorschlagslisten des Klägers und der Beigeladenen gemäß Art. 3 § 1 Abs. 2 des 7. ÄndG SVwG vorzunehmende Berufung der Mitglieder der Vertreterversammlung war der Niedersächsische Sozialminister (im Einvernehmen mit dem Niedersächsischen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) zuständig, da die Beklagte zu 1) ein landesunmittelbarer Versicherungsträger ist und seiner Aufsicht untersteht (§ 3 BVAG). Der Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) erstreckt sich nach § 2 ihrer Satzung nicht über das Land Niedersachsen hinaus. Zwar ist die Beklagte zu 1) bis zu einer endgültigen Regelung auch noch mit der Durchführung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung im Land Berlin beauftragt (§ 14 des Zulagengesetzes vom 29. April 1952 - aaO), jedoch ist sie dadurch nicht zu einem bundesunmittelbaren Versicherungsträger i.S. von Art. 87 Abs. 2 GG geworden, dessen Mitglieder der Vertreterversammlung nach Art. 3 § 1 Abs. 2 des 7. ÄndG SVwG der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (im Einvernehmen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) zu berufen hätte. Der räumliche Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu 1), auf den im Rahmen des Art. 87 Abs. 2 GG abzustellen ist, hat sich durch die nur für vorübergehende Zeit getroffene Regelung nicht geändert (vgl. BSG 1,17,33; v.Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Auflg Art. 87 V 3 b S. 2280). Es ist lediglich der sachliche Zuständigkeitsbereich kraft gesetzlichen Auftrags bis zu einer endgültigen Regelung erweitert worden.

Nach Art. 3 § 1 Abs. 3 des 7. ÄndG SVwG hat die zuständige Stelle die Sitze anteilmäßig, jedoch unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten zu verteilen; an die Reihenfolge innerhalb der Vorschläge ist sie gebunden. Damit sind die Grundzüge normiert, nach denen die zuständige Landesbehörde die Anzahl der aus mehreren Vorschlagslisten zu berufenen Mitglieder der Vertreterversammlung zu bestimmen hat. Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser Vorschrift lassen erkennen, daß der zuständigen Landesbehörde innerhalb ihres Funktionsbereichs ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, die zahlenmäßige Sitzverteilung daher nur im Hinblick auf das Vorliegen von Ermessensfehlern nachgeprüft werden kann (§ 54 Abs. 2 SGG). Die anteilmäßige Sitzverteilung und die dabei zu beachtende billige Berücksichtigung der Minderheiten sind zwei miteinander untrennbar verbundene Tatbestandsvoraussetzungen: Die billige Berücksichtigung der Minderheiten wirkt sich bei der Sitzverteilung zwingend auf die Zahl der Sitze aus, die anteilmäßig zu verteilen sind, da die Zahl der Sitze aufgrund der Satzung des Versicherungsträgers feststeht (§ 3 Abs. 3 SVwG). Die enge Verbindung beider Voraussetzungen und der in Art. 3 § 1 Abs. 3 des 7. ÄndG SVwG verwendete Begriff der Billigkeit, dem im Bereich der Ermessensentscheidungen überragende Bedeutung zukommt, machen deutlich, daß für die Entscheidung der zuständigen Landesbehörde bei der Sitzverteilung nicht die logische Subsumtion, sondern das an den Umständen des Einzelfalls orientierte Ermessen maßgebend sein soll (vgl. BVerwG 39, 355 ff.). Im Rahmen ihres Funktionsbereichs hat die zuständige Landesbehörde den fehlenden Wählerwillen zu ersetzen. Obwohl es sich bei den Wahlen ohne Wahlhandlung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung um einen gesetzlich geregelten Sonderfall handelt, sind auch sie Wahlen nach dem SVwG. Die zuständige Landesbehörde hat daher bei der Sitzverteilung die allgemeinen Grundsätze des SVwG über die Sitzverteilung in den Vertreterversammlungen in Betracht zu ziehen. Nach § 7 SVwG wird in Gruppen (Abs. 1) aufgrund von Vorschlagslisten (Abs. 2) gewählt, und zwar nach sog. starren Listen. Die für eine Gruppe Wahlberechtigten können sich nur für eine von mehrerer Vorschlagslisten ihrer Gruppe entscheiden. Sie haben keinen Einfluß auf die Reihenfolge der Bewerber dieser Listen (vgl. Maunz/Schraft, Die Sozialversicherung und ihre Selbstverwaltung, Stand 6. November 1974, A 1 Bl. 69; Becher, Wegweiser für die Wahlen der Sozialversicherung, 5. Aufl. E 19). Für die Listenwahl gelten nach § 7 Abs. 5 SVwG die Grundsätze der Verhältniswahl, wobei das Ergebnis gemäß § 7 Abs. 6 SVwG nach dem Höchstzahlverfahren d'Hondt ermittelt wird. Maßgebend für die Sitzverteilung sind demnach die für die einzelnen Vorschlagslisten abgegebenen gültigen Stimmen der Wähler, wobei die Stimme eines jeden Wählers das gleiche Gewicht hat. Je mehr gültige Stimmen auf eine Vorschlagsliste entfallen, um so mehr Sitze erreicht sie anteilmäßig. Da auch bei den Wahlen ohne Wahlhandlung zu den Vertreterversammlungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften aufgrund von Vorschlagslisten "gewählt" wird, jedoch die Wahlberechtigten ihre Stimme nicht abgeben können, hat die zuständige Landesbehörde die Aufgabe, den mutmaßlichen Wählerwillen - die Stimmen - zu ermitteln und diesem entsprechend die Sitze zu verteilen. Sie ist dabei durch Art. 3 § 1 des 7. ÄndG SVwG als ermächtigt und verpflichtet anzusehen, die unter den dargelegten Grundsätzen sachgerechte Methode zur Ermittlung des mutmaßlichen Wählerwillens auszuwählen und entsprechend dem dadurch gewonnenen Ergebnis die Sitzverteilung vorzunehmen.

Der Niedersächsische Sozialminister hat sowohl bei der Ermittlung des mutmaßlichen Wählerwillens als auch bei der darauf gegründeten Sitzverteilung ohne Ermessensfehlgebrauch gehandelt. Zur Feststellung des mutmaßlichen Wählerwillens hat er die Mitgliederzahlen der beiden Listenträger (Kläger und Beigeladene) zu ermitteln unternommen. Dies war sachgerecht, denn die Mitgliederzahlen der Listenträger sind geeignet, das gegenseitige mutmaßliche Kraftverhältnis erkennbar zu machen. Dieser Methode liegt die zutreffende Erwägung zugrunde, daß die Mitglieder einer Organisation in der Regel die Vorschlagsliste ihrer Organisation wählen werden. Allerdings ist zu beachten, daß im zu entscheidenden Fall, die Vorschlagsliste des Klägers eine sog. verdeckte Gemeinschaftsliste war. Darunter ist eine Vorschlagsliste zu verstehen, die nach außen als Einzelliste erscheint, in der Regel mit einer Organisation als Listenträger (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SVwG), an der aber noch mindestens eine weitere Organisation oder eine Mehrheit von Wahlberechtigten beteiligt ist (vgl. Becher aaO E 602). Nach Angaben des Klägers repräsentieren die auf seiner Vorschlagsliste aufgeführten Bewerber aus der Gruppe der versicherten Arbeitnehmer insgesamt 5 Organisationen. In einem solchen Fall muß die Mitgliederzahl aller beteiligten Organisationen ermittelt werden. Da die Mitgliederzahl ein sachgerechtes Kriterium zur Ermittlung des mutmaßlichen Wählerwillens darstellt, kann dahinstehen, ob daneben noch andere Methoden hätten gewählt werden können. Auszuscheiden hat jedenfalls die Ermittlung der Zahl der bei der Beklagten zu 1) versicherten Arbeitnehmer. Da bereits der Gesetzgeber in Art. 3 § 1 des 7. ÄndG SVwG davon ausgeht, daß die Wahlberechtigten in ihrer Gruppenzugehörigkeit nicht hinreichend zu erfassen sind, kann nicht angenommen werden, daß er die für die Berufung der Mitglieder der Vertreterversammlung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zuständigen Stellen zur Ermittlung der Wahlberechtigten verpflichten wollte.

Der Aufforderung des Niedersächsischen Sozialministers, die Mitgliederzahlen bekanntzugeben, ist nur die Beigeladene nachgekommen. Der Kläger hat sich geweigert, und zwar bezog sich seine Weigerung auf die Mitgliederzahlen aller in der verdeckten Gemeinschaftsliste vertretenen Organisationen. In einem Schreiben vom 2. August 1968 hat er dem Niedersächsischen Sozialminister erklärt, daß er sich mit einer Berufung nach Mitgliederzahlen der Listenträger nicht abfinden und konsequenterweise die Mitgliederzahlen der beteiligten Verbände nicht nennen werde. Der Niedersächsische Sozialminister hatte keine Möglichkeit, den Kläger oder die seine Liste mittragenden Organisationen zur Bekanntgabe der Mitgliederzahlen zu zwingen.

Da somit der zuständigen Landesbehörde für die Sitzverteilung für die Mitgliederzahl der Beigeladenen (13.127) zur Verfügung stand, läßt sich nicht feststellen, daß die Berufung von je 10 Mitgliedern und Stellvertretern aus der Vorschlagsliste der Beigeladenen und je 2 Mitgliedern und Stellvertretern aus der Vorschlagsliste des Klägers für die Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) ermessensfehlerhaft war. Das Wahlergebnis des Jahres 1962 - damals hatten der Kläger 9 und die Beigeladene 3 Sitze erhalten (Theile aaO S. 176 Übersicht 2: Wahlergebnisse) - hat der Niedersächsische Sozialminister zu Recht nicht berücksichtigt, da im Hinblick auf die damalige geringe Wahlbeteiligung von nur 8,4 % von einem auf dem Wählerwillen beruhenden Wahlergebnis nicht gesprochen werden kann.

Soweit sich die Klage gegen den Beklagten zu 2) richtet, ist sie ebenfalls unbegründet.

Das LSG hat im angefochtenen Urteil zwischen der Wahlanfechtung gegen das Land Niedersachsen, die unbegründet sei, und der Anfechtungsklage gegen den "Bescheid" vom 23. September 1968 unterschieden, die unzulässig sei. Eine solche Unterscheidung ist nicht gerechtfertigt. Die Berufung der Mitglieder der Vertreterversammlung der Beklagten zu 1) aus der Gruppe der Versicherten ist bei der Wahl ohne Wahlhandlung eine - sogar die entscheidende - Maßnahme im Wahlverfahren. Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können aber, soweit nicht der Beschwerdewahlausschuß nach der WOSozVers 1967 zuständig ist, gemäß § 29 SVwG nur mit dem im SVwG vorgesehenen Rechtsbehelf angefochten werden. Dies ist die in § 30 SVwG bewußt als ausschließlich zulässiger Rechtsbehelf geregelte Wahlanfechtung durch Klage gegen den Versicherungsträger (vgl. BT-Drucksache V/1674 S. 24 zu § 11 e; BSG 36 245, 247). Die gegen das Land Niedersachsen, vertreten durch den Niedersächsischen Sozialminister, gerichtete Klage ist somit bereits deshalb unbegründet, weil es dem Land für eine Wahlanfechtungsklage neben der Hannoverschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft an der Passivlegitimation fehlt. Diese ergibt sich ausnahmsweise auch nicht daraus, daß die Regelungen für eine Wahl ohne Wahlhandlung und die Berufung der Mitglieder der Vertreterversammlung durch die zuständige Landesbehörde gemäß Art. 3 § 1 des 7. ÄndG SVwG nur für eine vorübergehende Zeit gelten sollen und daher in den auf Dauer angelegten Vorschriften der §§ 29 und 30 SVwG nicht berücksichtigt worden ist, daß für eine Wahlanfechtung nicht nur Maßnahmen des Versicherungsträgers, sondern auch der Aufsichtsbehörde in Betracht kommen können. Denn auch dort, wo nach den Vorschriften des SVwG die Aufsichtsbehörde bei der Ergänzung der Organe der Sozialversicherungsträger (Vertreterversammlung: § 9 Abs. 5 SVwG; Vorstand: § 10 Abs. 6 SVwG) und der Nachfolge von Versichertenältesten (§ 11 Abs. 3 SVwG) befugt ist, Personen in diese Organe und als Versichertenälteste zu berufen, falls sie nicht von den dafür zuständigen Gremien gewählt werden, bestimmt § 30 Abs. 3 SVwG die entsprechende Geltung der Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift, also die Wahlanfechtung durch Klage gegen den Versicherungsträger. Die Ergänzungsverfahren kommen in engem Rahmen einer Wahl gleich (vgl. BT-Drucksache V/1674 S. 25 zu § 11 f Abs. 3). Der Gesetzgeber hat es demnach bei der Wahlanfechtung bewußt bei der Klage nur gegen den Versicherungsträger belassen und dies als ausreichenden Rechtsschutz angesehen. Es besteht daher kein Anlaß, im Falle der Wahl ohne Wahlhandlung nach Art. 3 § 1 des 7. ÄndG SVwG eine zusätzliche Anfechtungsmöglichkeit gegen die bei der Wahl mitwirkende zuständige Landesbehörde für erforderlich zu halten.

Unbeschadet der Tatsache, daß in dem zu entscheidenden Fall das Land Niedersachsen für das Wahlanfechtungsverfahren passiv nicht legitimiert ist, bleibt es formell am Verfahren beteiligt mit der Folge, daß die Rechtskraft des Urteils gemäß § 141 Abs. 1 SGG auch das Land bindet. Wegen der nach Ansicht des Senats in jedem Falle notwendigen Beteiligung der zuständigen Landesbehörde an einem Wahlanfechtungsverfahren der vorliegenden Art wäre das Land sonst beizuladen gewesen (§ 75 Abs. 2 SGG 1. Alternative). Dadurch wird gewährleistet, daß auch in Fällen einer ungültigen Wahl der Urteilsausspruch hinsichtlich der nach § 131 Abs. 4 SGG zu bestimmenden Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit der Wahl ergeben, die Landesbehörde bindet. Eine Regelung, die bei ungültiger Wahl auch eine Verurteilung der zuständigen Landesbehörde zu den von ihr bei einer Wiederholung der Wahl durchzuführenden Maßnahmen und deren Vollstreckung (§ 201 SGG) ermöglichst, konnte der Gesetzgeber für entbehrlich halten, ohne damit gegen die verfassungsrechtliche Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) zu verstoßen. Die Wahlanfechtungsklage gegen den Versicherungsträger eröffnet zugleich auch den Rechtsweg gegen Maßnahmen der zuständigen Landesbehörde im Wahlverfahren. Zwar führt die Anfechtungsklage nicht zur Verurteilung der am Verfahren beteiligten Landesbehörde, es kann aber davon ausgegangen werden, daß sie von sich aus die Maßnahmen durchführen wird, die aufgrund eines auch sie bindenden Urteils vorzunehmen sind (vgl. BSG 10, 21, 24).

Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1656406

BSGE, 244

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge