Verfahrensgang

SG Bremen (Urteil vom 28.07.1987)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 28. Juli 1987 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Klägerin zum Bezug von Mehrkostenzuschüssen (MKZ) für Förderungszeiten ab 1. Dezember 1986.

Die Klägerin, eine Fachfirma für Isolierarbeiten im Baubereich, stellte am 28. Juli 1986 Anträge auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von MKZ. Im einzelnen handelt es sich um 27 Anträge für die Zeit vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1987 (MKZ-Stamm-Nrn 560/87-0 bis 560/87-26), 21 Anträge für die Zeit vom 1. Dezember 1987 bis 31. März 1988 (MKZ-Stamm-Nrn 560/88-0 bis 560/88-20) und 19 Anträge für die Zeit vom 1. Dezember 1988 bis 31. März 1989 (MKZ-Stamm-Nrn 560/89-0 bis 560/89-18). Die Klägerin hatte entsprechend den ihr erteilten oder von ihr erwarteten Aufträgen die Absicht, in diesen Zeiträumen auf den von ihr angeführten Baustellen Isolierarbeiten an verschiedenen Gebäuden, Anlagen und Apparaten auszuführen. Sie gab in allen Anträgen an, daß für die Baustellen geeignete Schutzvorkehrungen bereitgestellt und ab 1. Dezember 1986 zum Einsatz auf den Baustellen zur Verfügung stehen würden.

Mit gleichlautenden Bescheiden vom 22. August 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1986 lehnte die Beklagte die Anträge der Klägerin ab. Nach § 238 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), der mit Art 11 des Gesetzes zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 1986 eingefügt worden sei, würden die Leistungen der Produktiven Winterbauförderung nach den §§ 77 bis 79 AFG bis zum 31. März 1989 nicht gewährt, es sei denn, daß die Anerkennung vor dem 1. Juli 1986 beantragt worden sei. Die Klägerin habe ihre Anträge erst am 28. Juli 1986 und damit verspätet gestellt. Daß die Gesetzesänderung im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden war, sei unerheblich. Die Klägerin könne auch nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der Antrag vor dem 1. Juli 1986 eingegangen sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Es hat in dem Tenor seines Urteils vom 28. Juli 1987 die Revision zugelassen. Seine Entscheidung hat es im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Beklagte habe gemäß § 238 AFG Leistungen der Produktiven Winterbauförderung bereits wegen verspäteter Antragstellung zu Recht versagt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe durch die Stichtagsregelung des § 238 AFG ausdrücklich klargestellt, daß die Antragstellung vor dem 1. Juli 1986 eine materiell-rechtlich zwingend zu beachtende

Anspruchsvoraussetzung sein solle. § 238 AFG verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz (GG).

Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, daß ihr früher MKZ gewährt worden seien. Der zeitweilige Wegfall der Leistungen nach § 78 AFG berühre nicht den Schutzbereich des Art 14 GG. Die Leistungen der Produktiven Winterbauförderung dienten nicht der Existenzsicherung des berechtigten Arbeitgebers. Vielmehr werde mit ihnen der Zweck verfolgt, witterungsbedingte Arbeitsausfälle, die zu Kurzarbeit und Entlassung von Arbeitnehmern führen könnten, durch Ausgleichszahlungen an den Arbeitgeber wegen der in diesem Zusammenhang entstehenden Mehrkosten zu vermeiden oder zu mindern. Abgesehen davon dürfe der Gesetzgeber in durch Art 14 GG geschützte subjektive Rechte dann eingreifen, wenn dies aus Gründen des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sei. Der Eingriff müßte zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfe er den Betroffenen nicht übermäßig belasten und deshalb unzumutbar sein. Diese Kriterien würden durch § 238 AFG nicht verletzt. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Betriebe der Bauwirtschaft im Bereich der Lohnnebenkosten spürbar zu entlasten und damit deren Wirtschaftskraft – was auch im allgemeinen Interesse liege – zu verbessern. Die vom Gesetzgeber getroffenen Maßnahmen – Absenkung der Winterbauumlage durch Verordnung vom 3. November 1986 ab 1. Januar 1987 von 3 auf 2 % der Bruttolohnsumme und im Gegenzug der Wegfall der MKZ-Leistungen für ab 1. Juli 1986 gestellte Anträge – seien zweifelsfrei geeignet und auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung von noch verbleibenden Winterbauförderungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Durch den Wegfall der MKZ sei die Klägerin nicht übermäßig betroffen. Sie habe innerhalb des ihr verbleibenden Zeitraumes bis zur nächsten Förderungszeit noch vier Monate Zeit gehabt, um sich auf die neue Regelung einzustellen.

§ 238 AFG verstoße auch nicht gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das sich insbesondere als Vertrauensschutz auswirke. Die Unabänderlichkeit von einmal bestehenden Rechtspositionen werde dadurch nicht gewährleistet. Eine in aller Regel unzulässige echte Rückwirkung liege nicht vor, weil nicht nachträglich in einen abgeschlossenen, der Vergangenheit angehörenden Tatbestand eingegriffen werde. Wenn man in der durch § 238 AFG getroffenen Regelung eine unechte Rückwirkung sehen wolle, dann sei die Regelung nur verfassungswidrig, wenn die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für die Allgemeinheit das Interesse des einzelnen am Fortbestand des bisherigen Zustandes nicht übersteige. Das Anliegen des Gesetzgebers – Stärkung der Wirtschaftskraft der Bauindustrie durch Erhaltung einer soliden Finanzbasis für die verbliebenen Aufgaben der Winterbauförderung – wiege ohnedies schwerer als der Entzug der MKZ für einen erstmals ab Dezember 1986 einsetzenden Zeitraum. Aus diesen Gründen verstoße § 238 AFG auch nicht gegen das Willkürverbot nach Art 3 GG.

Der Gesetzgeber habe auch als Stichtag einen Zeitpunkt vor Verkündung des Gesetzes (31. Juli 1986) festlegen dürfen. Dies sei erforderlich erschienen, um die aus der Beitragsmasse der Winterbauumlage noch zu erbringenden Leistungen möglichst gering zu halten. Soweit die Klägerin durch die Stichtagsregelung gegenüber solchen Antragstellern ungleich behandelt werde, deren Antrag vor dem 1. Juli 1986 bei der Beklagten eingegangen sei, müßten solche Ungleichheiten hingenommen werden und könnten nicht als Verletzung von Art 3 GG angesehen werden.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, der sie die schriftliche Zustimmung der Beklagten hierzu beigefügt hat. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr müsse Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Sie sei ohne Verschulden verhindert gewesen, ihre Anträge fristgerecht einzureichen, da zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes die Frist bereits abgelaufen sei. Dies folge aus § 27 Sozialgesetzbuch -Verwaltungsverfahren- (SGB 10). § 238 AFG sei im Lichte des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des „Eigentumsschutzes durch Verfahren” zu sehen. Ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Verfahren sei dann nicht mehr gewährleistet, wenn der Gesetzgeber dem vom Gesetz Betroffenen im Gesetz eine Frist setze, die bei Verkündung des Gesetzes bereits abgelaufen sei. Zumindest müsse in diesem Fall die Verwaltung bei der Rechtsanwendung den Grundrechten der Betroffenen dadurch Geltung verschaffen, daß sie die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anwende.

Darüber hinaus falle die Gewährung von MKZ in den Schutzbereich des Art 14 GG. Das Leistungssystem der Produktiven Winterbauförderung sei in einem seit 1959 währenden Prozeß entstanden. Die Klägerin werde seit Inkrafttreten der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zur Zahlung der Winterbauumlage herangezogen. Es sei mithin davon auszugehen, daß der MKZ auf erheblichen Eigenleistungen der Klägerin beruhe. Darüber hinaus dürfe nicht verkannt werden, daß durch die Förderung der Beschäftigungsverhältnisse auch zur Existenzsicherung der Bauwirtschaft, also der Unternehmen selbst, beigetragen werde.

Bei seinen Erwägungen habe das SG völlig übersehen, daß die Klägerin langfristige Verträge zu erfüllen habe. Die Bauvorhaben zögen sich über Jahre hin. Es seien den Auftraggebern in den Verträgen verbindliche Preise und verbindliche Fertigstellungstermine zugesagt worden. Dies habe zur Folge, daß sie von der überraschenden Stichtagsregelung und der damit verbundenen Kürzung des MKZ besonders hart getroffen werde. Schon um gegenüber der Konkurrenz standhalten zu können und um nicht ihren guten Namen zu verlieren, sei sie gehalten, auch unter den neuen Bedingungen die laufenden Verträge zu erfüllen, was nachhaltige und schwerwiegende Auswirkungen auf die Ertragssituation habe.

§ 238 AFG verstoße auch gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Klägerin werde gegenüber solchen Mitbewerbern ungleich behandelt, die vor dem 1. Juli 1986 einen Antrag gestellt haben. Diese Ungleichbehandlung sei durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigt. Sie sei willkürlich. Die gewählte Stichtagsregelung mache die Gewährung von Zuschüssen vom Zufall abhängig. Alle Antragsteller, die rein zufällig vor dem 1. Juli 1986 einen Antrag gestellt hätten, seien anspruchsberechtigt. Als ursprünglicher Stichtag sei der 1. April 1986 vorgesehen gewesen. Wenn der Gesetzgeber diesen Stichtag um ein Vierteljahr verschoben habe, so frage es sich, welcher Grund hierfür maßgeblich gewesen sei. Es sei nicht auszuschließen, daß möglicherweise bestimmten, besonders informierten Mitbewerbern die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, doch noch in den Genuß des MKZ für die Winterperiode 1986/87 und für zwei weitere Jahre zu kommen. Der Gesetzgeber habe durch die angegriffene Stichtagsregelung in den Wettbewerb in der Bauwirtschaft massiv eingegriffen und damit gegen Art 2 Abs 1 GG verstoßen.

Auch Art 20 Abs 3 GG werde durch die beanstandete gesetzliche Regelung verletzt. Dem Gesetz komme eine unechte Rückwirkung zu. Regelungen mit unechter Rückwirkung seien zwar grundsätzlich zulässig. Ergebe jedoch eine Abwägung des Interesses des einzelnen mit denjenigen der Allgemeinheit, daß das Vertrauen auf die Fortgeltung der bestehenden Lage den Vorrang verdiene, dann sei die Regelung unzulässig. Die Klägerin habe mit dem Eingriff nicht zu rechnen brauchen, zumal da die Ermäßigung der Winterbauumlage erst mit Verordnung vom 3. November 1986 erfolgt sei. Auch die Regelungen über den MKZ hätten seit über 20 Jahren existiert. Aufgrund dieser langen Dauer habe sich bei der Klägerin ein Vertrauen in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung gebildet. Dieses Vertrauen sei nachhaltig enttäuscht worden, zumal der Klägerin überhaupt keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich auf die Änderung der Rechtslage einzustellen. Die erforderliche Abwägung ergebe, daß jedenfalls die vom Gesetzgeber verabschiedete Stichtagsregelung im Interesse der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen sei. Zumindest für die Winterperiode 1986/87 überwiege das Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung. Nicht gefolgt werden könne der Auffassung des SG, daß sich durch die immer nur abschnittsweise erfolgte Bewilligung ein Vertrauenstatbestand nicht habe bilden können. Das SG verwechsele hier die Grundaussagen einer beständigen Winterbauförderung mit den dazu ergangenen Verfahrensbestimmungen. Sämtlichen Anträgen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien, lägen Verträge zugrunde, die auf Kalkulationen basierten, die den MKZ bereits berücksichtigten. Durch dessen Streichung seien diese Kalkulationen hinfällig geworden. Die Klägerin müsse die zugrundeliegenden Verträge zwar erfüllen, könne dies jedoch nicht mehr auf wirtschaftlich vertretbarer Basis tun. Sie werde erhebliche Verluste erleiden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Sozialversicherungsrechts dürfe das Vertrauen des Bürgers um so weniger enttäuscht werden, wenn es darum gehe, daß er sich auf den Fortbestand seiner finanziellen Situation verlassen und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen habe und er nunmehr durch eine Gesetzesänderung in eine wesentlich schlechtere Lage geraten solle, die er aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen könne. Diese Rechtsprechung zum Sozialversicherungsrecht müsse als grundlegend für das gesamte Sozialrecht betrachtet werden. § 238 AFG sei deshalb nichtig. Das Verfahren sei auszusetzen, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift einzuholen.

Auf Anfrage hat die Klägerin mitgeteilt, daß zu sämtlichen durchgeführten Bauarbeiten jeweils bis spätestens zum 30. Juni Leistungsanträge gem § 81 Abs 2 Satz 2 AFG gestellt worden seien.

Im Revisionsverfahren hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen, nämlich soweit es sich um Anträge hinsichtlich bestimmter Baustellen handelt, auf denen die geplanten Arbeiten tatsächlich nicht durchgeführt worden sind.

Die Klägerin beantragt:

  1. Die Bescheide der Beklagten vom 22. August 1986 mit den Aktenzeichen (Stamm-Nummern) MKZ 560/87 – 0 bis 8, 10 bis 16, 18, 21 bis 25 – MKZ 560/88 – 0 bis 3, 5 bis 8, 10 bis 18 und 20 – MKZ 560/89 – 0 bis 7, 9 bis 12, 14 und 17 –, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1986, werden aufgehoben. In diesem Umfang wird auch das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 28. Juli 1987 aufgehoben.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Mehrkostenzuschüsse für die Bauarbeiten zu gewähren, für die sie in den unter 1. genannten Bescheiden die Anerkennung der Förderungsvoraussetzungen abgelehnt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Mit dem SG vertritt die Beklagte die Auffassung, daß § 27 SGB 10 auf die Stichtagsregelung des § 238 AFG nicht anwendbar und diese Regelung zugleich mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klage ist zulässig, was auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist. Die Unzulässigkeit der Klage ist ein Mangel im Verfahren, der in die Revisionsinstanz fortwirkt. Die verfahrensrechtliche Grundlage für eine Entscheidung in der Sache und damit eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung wäre nicht vorhanden (BSG SozR 1500 § 87 Nr 6).

Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 22. August 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1986, soweit sie von der teilweisen Klagerücknahme (§ 102 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) nicht berührt sind. Die Klägerin hat sich hiergegen zunächst mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gewandt (§ 54 Abs 1 SGG). Das hierfür als Klagevoraussetzung erforderliche Vorverfahren (§ 78 Abs 1 und 3 SGG) ist durchgeführt worden.

Nach dem Verfügungssatz der gleichlautenden Bescheide vom 22. August 1986 regelte die Beklagte darin, daß den Anerkennungsanträgen der Klägerin vom 25. Juli 1986 nicht entsprochen werde. Damit hat die Beklagte das vom Gesetzgeber für Ansprüche auf MKZ gewählte Verwaltungsverfahren beachtet. Der MKZ, der zu den Leistungen der Produktiven Winterbauförderung gehört, wird Arbeitgebern des Baugewerbes in Form von Zuschüssen zu den sonstigen witterungsbedingten Mehrkosten der Bauarbeiten gewährt, die sie in der Förderungszeit (1. Dezember bis 31. März, vgl § 75 Abs 2 Nr 1 AFG) durchgeführt haben (§ 78 Abs 1 AFG). Er wird frühestens von dem Tage an gewährt, an dem der Antrag nach § 81 Abs 2 Satz 1 AFG beim Arbeitsamt (AA) eingegangen ist (§ 79 Abs 1 AFG). Das Verfahren für die Gewährung des MKZ ist – wie beim Kurzarbeitergeld (Kug, § 72 AFG) und Schlechtwettergeld (SWG, § 88 AFG) – zweistufig ausgestaltet. Mit dem sog Anerkennungsantrag (§ 81 Abs 2 Satz 1 AFG) wird eine Entscheidung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) darüber herbeigeführt, ob die für den Bezug des MKZ erforderlichen Voraussetzungen nach § 78 AFG als gegeben angesehen werden. Der Anerkennungsbescheid als solcher stellt sich als ein verselbständigter Teil einer Entscheidung dar, durch die Leistungen bewilligt werden (BSG vom 11. November 1982 – 7 RAr 16/82 –, Dienstblatt der BA Rechtsprechung – DBlR – Nr 2782a zu § 78 AFG; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, § 81 Anm 7 – Dezember 1982); er beinhaltet die Zusicherung der BA, daß der Arbeitgeber nach Maßgabe der erbrachten Arbeitsstunden und, falls die BA die angezeigten Arbeiten schon im Anerkennungsbescheid klassifiziert hat, nach Maßgabe des zugesagten Förderungssatzes den Zuschuß erhält (BSG vom 17. April 1986 – 7 RAr 91/84 –; Ketelsen in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 81 Rz 19). Demgegenüber wird mit dem zusätzlich erforderlichen Leistungsantrag, der bis zum Ablauf einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach dem Ende der Schlechtwetterzeit zu stellen ist (§ 81 Abs 2 Satz 2 AFG), das Ziel verfolgt, die Auszahlung des MKZ herbeizuführen.

Im vorliegenden Fall enthalten die Bescheide vom 22. August 1986 die Ablehnung der beantragten Anerkennung iS von § 81 Abs 2 Satz 1 AFG; sie sind sogenannte negative Anerkennungsbescheide. Dasselbe muß trotz einiger abweichender Formulierungen letztlich auch für den Widerspruchsbescheid vom 25. September 1986 gelten, in dessen Gestalt die ursprünglichen Bescheide prozessual zu gelten haben (§ 95 SGG). Grundsätzlich ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG die richtige Klageart für den Rechtsschutz gegenüber solchen belastenden Verwaltungsakten.

Gleichwohl war hier von Anfang an die Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG die allein zulässige Klageart. Dies folgt aus dem Umstand, daß die Klägerin schon während des Vorverfahrens den Leistungsantrag nach § 81 Abs 2 Satz 2 AFG wirksam gestellt hatte. Für einen solchen Antrag genügt es, wenn der Antragsteller unmißverständlich den Willen zum Ausdruck bringt, daß er von der BA die Auszahlung von MKZ begehrt und erreichen möchte. Nach Auffassung des Senats ist diese Antragstellung in den Widersprüchen der Klägerin gegen die oa negativen Anerkennungsbescheide zu erblicken.

Der Senat hat bereits für das ebenfalls zweigestufte Verfahren beim Kug nach § 72 AFG entschieden, daß im Widerspruch gegen einen negativen Anerkennungsbescheid ein Leistungsantrag zu erblicken ist, wenn ein dahin gerichteter Wille der Widersprechenden unverkennbar ist. Insoweit wird auf das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 16. August 1989 – 7 RAr 24/88 – Bezug genommen. Die Verfahrenslage ist für Ansprüche auf MKZ strukturell gleichartig geregelt, so daß hier keine Gründe für eine andere Betrachtung ersichtlich sind. Im übrigen steht dies mit den Verwaltungsanweisungen der Beklagten zum MKZ im Einklang. Danach ist eine formlose schriftliche Antragstellung zulässig und als solche kann auch ein Widerspruch gegen die Ablehnung des Anerkennungsantrags gewertet werden (vgl Runderlaß 346/72.4 Nr 208.4). Soweit die Beklagte hierbei Angaben zum Abrechnungszeitraum, zur Bezeichnung der Baustelle, zur Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und zum ungefähren Gesamtbetrag an MKZ erwartet, bezeichnet sie diese Angaben selbst zutreffend als „Soll-Forderung”, weil es sich insoweit nicht um gesetzliche Merkmale für die Wirksamkeit des Antrags handelt. Dementsprechend ist auch in § 13 Abs 1 der Winterbau-Anordnung vom 4. Juli 1972 (ANBA S.511) die Benutzung des Vordrucks der BA lediglich als Sollvorschrift geregelt.

Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Aufklärung, ob die Angaben der Klägerin zutreffen, daß sie darüber hinaus auch stets rechtzeitig die Auszahlung der MKZ in dem schon mit den Anzeigen geltend gemachten Umfang nochmals förmlich gem § 81 Abs 2 Satz 2 AFG beantragt hat. Dasselbe gilt für die Frage, ob die Beklagte solche Anträge inzwischen förmlich abgelehnt hat, wozu Feststellungen fehlen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, bestünde kein Verfahrenshindernis für eine Sachentscheidung durch den Senat; denn ein möglicher Verstoß des SG gegen den Grundsatz, daß nachträgliche ändernde und ersetzende Verwaltungsakte ohne weiteres Gegenstand des Verfahrens werden (§ 96 SGG), wäre nur auf Rüge hin zu beachten (BSG SozR 4100 § 113 Nr 5). Abgesehen davon, daß es an einer solchen Rüge fehlt, wäre sie nach § 161 Abs 4 SGG ohnedies unbeachtlich.

Mit Rücksicht auf den somit rechtzeitig gestellten Leistungsantrag der Klägerin iS von § 81 Abs 2 Satz 2 AFG sind – ungeachtet der auch materiell-rechtlichen Bedeutung dieses Antrags – alle Verfahrenserfordernisse für die Zulässigkeit einer Leistungsklage neben der Anfechtungsklage erfüllt. Unter diesen Umständen war für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage prozessual kein Raum mehr, weil die Klageart des § 54 Abs 4 (iVm § 54 Abs 1) der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 vorgeht (vgl BSGE 41, 218, 219 = SozR 1300 § 35 Nr 3). Mit dem Übergang zur Anfechtungs- und Leistungsklage im Revisionsverfahren hat die Klägerin dem in rechtlich erlaubter und gebotener Weise Rechnung getragen. Insoweit handelt es sich nicht um eine im Revisionsverfahren verbotene Klageänderung (§ 168 SGG). Vielmehr liegt eine Erweiterung des Klageantrags gem § 99 Abs 3 Nr 2 SGG vor, der auch für das Revisionsverfahren gilt (§§ 165, 153 Abs 1 SGG).

Eine solche Sachlage ist hier gegeben, weil durch den Leistungsantrag der Streitstoff insgesamt nicht verändert wird (vgl Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 3. Aufl, RdNr 4 zu § 99 mwN). Die Klägerin will den eigentlichen Zweck ihres Prozesses gegen die Beklagte erreichen, den sie mit dem anfänglichen Verpflichtungsbegehren nur mittelbar betrieben hat. Der Anspruch auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Förderung nach § 78 AFG hat insoweit nur eine Hilfsfunktion und soll den Leistungsanspruch lediglich vorbereiten. Zur gleichen Sachlage beim Kug hat der Senat bereits entschieden, daß die Annahme einer Klageerweiterung gerechtfertigt ist, weil sich weder der Sachverhalt, auf den die ursprüngliche Klage gestützt wurde, geändert hat, noch die Anspruchsgrundlage eine andere geworden ist (Urteil vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 13/82 – insoweit in SozR 4100 § 63 Nr 2 nicht abgedruckt).

Dem Vorgehen der Klägerin steht nicht entgegen, daß (falls) die Beklagte bisher über den Antrag der Klägerin auf Gewährung des beantragten MKZ nicht entschieden hat. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche Entscheidung nicht zumindestens objektiv in dem dem Antrag folgenden Widerspruchsbescheid zu erblicken ist, auch wenn die Beklagte den Widerspruch möglicherweise noch nicht als Antrag iS von § 81 Abs 2 Satz 2 AFG verstanden hat. Jedenfalls folgt aus § 99 SGG, daß für eine zulässige Klageerweiterung eine Entscheidung der Verwaltung über den Leistungsantrag nicht erforderlich ist (BSG aaO mit Hinweis auf BSG SozR 1500 § 99 Nr 2 und Peters/Sautter/Wolff, Komm zum SGG, § 99 Anm 4 b). Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen es an der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage (mit verbundener Leistungsklage) deshalb fehlt, weil zum Streitgegenstand – anders als hier – überhaupt noch keine Verwaltungsentscheidung getroffen worden ist (vgl ua BSGE 59, 227, 229 = SozR 4100 § 134 Nr 29).

In der Sache hat die sonach zulässige Klage keinen Erfolg.

Die Beklagte hat zu Recht entschieden, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von MKZ für die Förderungszeiten vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1989 nicht vorliegen.

Gemäß § 238 AFG, der durch Art 11 des Gesetzes zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 1986 (BGBl I 1169) eingefügt worden und am Tag nach der am 31. Juli 1986 erfolgten Verkündung in Kraft getreten ist (Art 14 Abs 1), werden die Leistungen der Produktiven Winterbauförderung nach den §§ 77 bis 79 bis zum 31. März 1989 nicht gewährt, es sei denn, daß die Anerkennung einer Förderung vor dem 1. Juli 1986 beantragt worden ist. Durch das Gesetz zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343), in Kraft getreten am 1. Januar 1989 (Art 10), ist in § 238 AFG die Jahreszahl „1989” durch „1992” ersetzt worden (Art 1 Nr 35).

Der Klageanspruch scheitert daran, daß es am Ausnahmetatbestand des § 238 AFG fehlt. Der Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ ist nicht vor dem 1. Juli 1986 gestellt worden. Die vom Gesetzgeber für die Förderungszeiten ab 1. Dezember 1986 vorgesehene Suspension des MKZ kommt zum Tragen.

Ein der Klägerin günstigeres Ergebnis läßt sich, wie vom SG im Ergebnis richtig gesehen, nicht aus der Rechtsfigur der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB 10) herleiten, wonach jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 8. Juni 1989 – 7 RAr 88/88 – entschieden, das den Beteiligten zur Kenntnisnahme übersandt worden ist. Der Senat hat dort folgendes ausgeführt: „Auch wenn man dieses Rechtsinstitut nicht allein auf Verfahrenshandlungen (vgl dazu Hauck/Haines, SGB 10, 1 und 2, Stand Mai 1988, § 27 Rz 4), sondern auch auf materielle Fristen für anwendbar hält (BSG vom 25. Oktober 1988 – 12 RK 22/87 – demnächst in SozR 1300 § 27 Nr 4), muß seine Anwendung hier scheitern; die Vorschrift des § 238 AFG bewertet Anerkennungsanträge, die bis zum 30. Juni 1986 gestellt wurden, anders als Anerkennungsanträge, die nach diesem Zeitpunkt gestellt wurden; sie beinhaltet demnach eine Stichtagsregelung, nicht eine Handlungsfrist. Selbst wenn man ihr Fristcharakter zuspräche, käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht; denn diese ist, wie aus § 27 Abs 5 SGB 10 hervorgeht, nicht zulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, daß sie ausgeschlossen ist. Der Anerkennungsantrag des § 81 Abs 2 Satz 1 AFG läßt – ähnlich wie die Anzeige des Arbeitsausfalles als Voraussetzung für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld gemäß den §§ 64 Abs 1 Nr 4, 66 Satz 1 AFG (BSG vom 14. Februar 1989 – 7 RAr 18/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) – nach Sinn und Zweck eine Rückdatierung im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu. Das ist einerseits § 79 Abs 1 AFG zu entnehmen, wonach der MKZ nicht rückwirkend, sondern erst von dem Tage an gewährt wird, an dem der Anerkennungsantrag bei dem zuständigen AA eingegangen ist und alle weiteren Voraussetzungen für die Leistung gegeben sind (Krebs/Schelter, Komm zum AFG, Stand Oktober 1988, § 81 Rz 8). Das ergibt sich andererseits zwingend aus § 238 AFG. Wäre bezüglich der Stichtagsregelung dieser Vorschrift eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft, müßten auf nach dem 30. Juni 1986 gestellte Förderungsanträge entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers Leistungen ggf doch bewilligt werden. Eine vorübergehende Aussetzung der Leistungen der Produktiven Winterbauförderung nach den §§ 77 bis 79 AFG wäre nicht gewährleistet. Dies lag nicht in der Absicht des Gesetzgebers”.

In dem oa Urteil hat der Senat ferner dargelegt, daß es der Beklagten nicht verwehrt ist, sich unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben auf die verspätete Stellung des Anerkennungsantrages zu berufen und daß es der Beklagten nicht angelastet werden kann, die Klägerin nicht vor dem 1. Juli 1986 über die Stichtagsregelung des § 238 AFG informiert zu haben; es heißt dort: „Auch im Sozialrecht ist anerkannt, daß ein Verhalten, das zu eigenem früheren Verhalten im Widerspruch steht „venire contra factum poprium”), als Sonderfall des Grundsatzes von Treu und Glauben rechtsmißbräuchlich und mit dem Verlust des geltend gemachten Rechts verbunden sein kann (BSGE 22, 257 = SozR Nr 2 zu § 143 l AVAVG; BSG SozR 4100 § 72 Nr 2; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; BSGE 49, 76, 81 = SozR 2200 § 1418 Nr 6; BSGE 50, 213, 216 = SozR 2200 § 1419 Nr 7; BSG vom 21. Juli 1981 – 7 RAr 37/80 –; BSGE 52, 63, 69 = SozR 4100 § 119 Nr 15; BSG SozR 4100 § 141e Nr 7; BSG vom 14. Februar 1989 – 7 RAr 18/87 –). Hier greift der der Beklagten gemachte Vorwurf des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens indessen nicht durch. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen die Klägerin berechtigterweise davon ausgehen durfte, eine Antragstellung auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ für die Förderungszeiten 1986/89 sei vor dem 1. Juli 1986 entbehrlich. Es mag richtig sein, daß die Beklagte – wie die Klägerin vorträgt – erstmals am 30. Oktober 1986 im Wege einer Pressemitteilung auf die Stichtagsregelung des § 238 AFG aufmerksam gemacht hat. Es mag ferner zutreffen, daß sie die Baubetriebe Berlins immer rechtzeitig vor Beginn eines Förderungszeitraumes über einschlägige Änderungen von Rechtsvorschriften unterrichtet hat und daß sich aus diesem Grunde zwischen ihr und den Baubetrieben Berlins ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt hat. Doch reicht das nicht für die Annahme aus, die Beklagte habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen die Klägerin berechtigterweise erwarten durfte, die Stellung eines Anerkennungsantrages vor dem 1. Juli 1986 sei unnötig. Die Besonderheit der Neuregelung des § 238 AFG ist darin zu sehen, daß sie am 31. Juli 1986 im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist, am 1. August 1986 in Kraft getreten ist, am 16. August 1986 in GVBl Berlin verkündet worden ist und den 30. Juni 1986 zum maßgebenden Stichtag erklärt hat. Der Beklagten kann nicht iS einer Verpflichtung, die ihre Berufung auf die Versäumung des Stichtags als rechtsmißbräuchlich erscheinen läßt, abverlangt werden, mögliche anspruchsberechtigte Unternehmen schon geraume Zeit vorher umfassend über ein Gesetz zu informieren, das erst im August in Kraft tritt. Sie wäre insoweit überfordert.

Der sog sozialrechtliche Herstellungsanspruch führt zu keinem der Klägerin günstigeren Ergebnis. Er ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aus einem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl hierzu etwa BSG SozR 4100 § 56 Nr 18; BSG vom 11. Januar 1989 – 7/11b RAr 16/87 – jeweils mwN). Voraussetzung ist folglich ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten. Hier kann der Beklagten, wie aufgezeigt, nicht angelastet werden, die Klägerin nicht vor dem 1. Juli 1986 über die Stichtagsregelung des § 238 AFG informiert zu haben.”

Wie der Senat in seinem oa Urteil vom 8. Juni 1989 weiter ausgeführt hat, verstößt die Stichtagsregelung nicht gegen die Verfassung. Ein Verstoß gegen den Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 GG liegt deshalb nicht vor, weil die Gewährung von MKZ nicht aus einer auf Eigenleistung beruhenden Position erwächst. Der Senat hat hierzu ausgeführt: „Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient (BVerfGE 69, 272, 300; 72, 9, 18 f; 76, 220, 235). Dahinstehen kann, ob das Erfordernis der Existenzsicherung zu den unabdingbaren Voraussetzungen der Anerkennung einer dem Eigentumsschutz unterfallenden sozialen Rechtsposition zu rechnen ist oder ob es, wie in der Literatur betont wird, den Grenzen des Eigentumsschutzes zuzuordnen ist (vgl dazu etwa Stober, SGb 1989, 53, 58 ff). Des weiteren kann offenbleiben, ob dem MKZ der Charakter einer Sozialleistung zuzubilligen ist, was ua deswegen zweifelhaft erscheint, weil er der Einkommensteuerpflicht unterliegt (Krebs/Schelter, aaO, § 81 Rz 14). Jedenfalls erwächst die Gewährung des MKZ nicht aus einer auf Eigenleistung beruhenden sozialversicherungsrechtlichen Position. Dem stehen Zielsetzung und Finanzierung des MKZ entgegen. Vorrangiges Ziel der Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft – und damit des MKZ – ist es, der witterungsbedingten Saisonarbeitslosigkeit der Bauarbeiter entgegenzuwirken. Die andernfalls hohen Leistungsansprüche der Bauarbeiter in den Wintermonaten lassen außergewöhnliche Maßnahmen zur Verkürzung ihrer Saisonarbeitslosigkeit wirtschaftlich erscheinen. Überdies besteht ein gesamtwirtschaftliches Interesse an einer besseren Ausnutzung der Baukapazitäten durch gleichmäßigere Verteilung der Baulasten über das ganze Jahr (Hennig/Kühl/Heuer, aaO, Vorbem vor § 74). Schon hieraus erhellt, daß die Gewährung des MKZ mehr im Interesse des Gemeinwohls als im Interesse der Baubetriebe liegt. Die Art der Finanzierung des MKZ unterstreicht dies. Die Mittel für die Produktive Winterbauförderung werden von den Arbeitgebern des Baugewerbes im Wege einer Umlage aufgebracht (§ 186a AFG). Die Umlage bemißt sich nach den Bruttoarbeitsentgelten der in den förderungsfähigen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer. Die Ermächtigung des § 76 Abs 2 AFG berechtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, generalisierend und typisierend die Gruppen von Baubetrieben zu beschreiben, die wesentlich gefördert werden können. Innerhalb dieser Gruppen sind dann auch einzelne Betriebe, die wegen ihrer Besonderheiten nicht wesentlich gefördert werden können, in die Umlagepflicht einbezogen (BSG SozR 4100 § 186a Nr 8). Ein Arbeitgeber kann selbst dann umlagepflichtig sein, wenn er sich mit eigenen Mitteln witterungsunabhängig gemacht hat, so daß sein Betrieb gegenwärtig nicht förderungsfähig ist (BSG SozR 4100 § 186a Nr 16). Demgemäß beruhen die Leistungen der Produktiven Winterbauförderung – und damit der MKZ – weniger auf den eigenen Aufwendungen des einzelnen Baubetriebes als vielmehr auf der solidarischen Anstrengung der Gesamtheit der Bauunternehmen. Man mag deshalb von einer Aussicht sprechen, die sich im Zeitpunkt der Antragstellung auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ zu einem Anspruch verdichtet, sofern alle weiteren Voraussetzungen verwirklicht sind. Von einer auf Eigenleistung beruhenden Rechtsposition kann nicht die Rede sein”. Damit kann auch die von der Klägerin behauptete Verletzung des Grundsatzes „Eigentumsschutz durch Verfahren” nicht vorliegen.

Die Stichtagsregelung steht, wie der Senat bereits ausgeführt hat, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zur Rückwirkung von Gesetzen im Einklang. Eine echte Rückwirkung, die die Nichtigkeit des Gesetzes zur Folge hätte (BVerfGE 25, 371, 403; 30, 367, 385; 392, 401), liegt nicht vor. Die neue Regelung des § 238 AFG greift nicht nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein. Auszuschließen ist allerdings nicht, daß durch die Regelung im Hinblick auf die Behauptung der Klägerin, sie habe bereits vor der Stichtagsregelung die Absicht gehabt, in den jeweiligen Förderungszeiten konkretisierte Bauarbeiten durchzuführen, auf Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt wird. Insoweit könnte eine unechte Rückwirkung vorliegen. Dies hätte grundsätzlich zur Folge, daß eine Güterabwägung zwischen der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens und dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens vorzunehmen ist, um festzustellen, ob die Gesetzgebung iS von Art 20 Abs 3 GG in die verfassungsmäßige Ordnung eingreift (BVerfGE 14, 288, 299; 25, 142, 154). Hierbei ist zu beachten, daß das Vertrauen des Bürgers dann keinen Schutz mehr verdient, wenn er in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolgen rückbezogen wird, mit der Neuregelung rechnen mußte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 30, 272, 287; 72, 200, 261) ist der Wegfall des schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der bisherigen Rechtslage auf den Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die normative Neuregelung festgelegt. Das ist hier der 27. Juni 1986, der Tag der dritten Lesung des Gesetzes (s Plenarprotokoll 10/226 des stenografischen Berichts über die 226. Sitzung am Freitag, dem 27. Juni 1986). Von diesem Zeitpunkt an ist die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die bisherige Rechtslage entfallen.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu erkennen. Die Klägerin wird zwar gegenüber solchen Betrieben anders behandelt, die vor dem 1. Juli 1986 einen Antrag gestellt haben. Dies ist indes darauf zurückzuführen, daß diese Betriebe die ihnen wie allen anderen Mitbewerbern gegebenen Chancen wahrgenommen haben. Daß der Stichtag ursprünglich auf den 1. April 1986 gelegt werden sollte, trifft zu. Seine Verlegung auf den 1. Juli 1987 ist, wie die Gesetzesmaterialien eindeutig ergeben, jedoch nicht darauf zurückzuführen, daß besonders informierten Mitbewerbern die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, in den Genuß des MKZ zu gelangen, sondern darauf, daß das Gesetzgebungsverfahren am 1. April 1986 noch nicht zum Abschluß gekommen war. Dem Gesetzgeber kann auch nicht vorgeworfen werden, daß er überhaupt eine Stichtagsregelung getroffen hat. Er hat damit den davon betroffenen Bewerbern noch eine Chance eingeräumt, entsprechende Anträge zu stellen und mehr getan als das, was er aus rechtsstaatlichen Gründen hätte tun müssen. Im übrigen waren in dem Gesetzgebungsverfahren auch die Verbände des Baugewerbes gehört worden, so daß der Gesetzgeber davon ausgehen durfte, den Betroffenen sei hinlänglich Gelegenheit zu der Kenntnis gegeben, daß sie mit einer Einschränkung der Winterbauförderung rechnen mußten. Angesichts dessen fehlt es an ausreichenden Gründen, daß sich die Klägerin berechtigterweise auf ein Vertrauen in den ungeschmälerten Fortbestand der bisherigen Rechtslage berufen kann. Das gilt auch für die Wettbewerbschancen, die sich die Klägerin nach ihrem Vortrag ursprünglich ausgerechnet hatte. Da anfangs als Stichtag der 1. April 1986 vorgesehen war, der dann auf den 1. Juli 1986 verlegt wurde, hatte die Klägerin wie alle anderen Betriebe des Baugewerbes die Chance, sich kundig zu machen und rechtzeitig auf eine entsprechende Antragstellung einzustellen. Wenn sie dies nicht getan hat, dann fällt dies in ihren Verantwortungsbereich. Eine Verletzung der in Art 2 Abs 1 GG geschützten persönlichen Freiheitsrechte liegt daher nicht vor.

Die Revision kann nach allem keinen Erfolg haben. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1174466

BSGE, 272

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge