Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 11.12.1987; Aktenzeichen L 4 Ar 28/86)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 11. Dezember 1987 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug).

Die Klägerin, bei der ein Betriebsrat nicht besteht, stellt Präzisionsmeßinstrumente her und beschäftigte 1984 vier Arbeitnehmer. Von diesen waren F. und K. in der Produktion tätig. Mit Schreiben vom 11. Mai 1984, bei der Beklagten eingegangen am 23. Mai 1984, zeigte die Klägerin an, daß absatzbedingt in der Produktion in der Zeit vom 14. Mai bis 16. November 1984 kurzgearbeitet werde. Gleichzeitig übersandte sie einen Antrag auf Verzicht auf die Empfangsbestätigung (Einzelquittung) der Arbeitnehmer sowie auf Auszahlung des Kug sowie der Beitragszuschüsse zur Kranken- und Rentenversicherung vor Prüfung der Unterlagen im Betrieb (Vordruck Kug 19). Aufgrund einer Anfang Juni von der Beklagten durchgeführten Betriebsprüfung gelangte diese zu dem Ergebnis, daß bei der Klägerin seit 1975 alljährlich vor allem in den Sommermonaten verkürzt gearbeitet wurde und die Klägerin für ihre Arbeitnehmer für die entsprechenden Ausfallzeiträume teilweise Kug beantragt und erhalten hatte.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 7. Juni 1984 mit, daß Kug nicht gewährt werden könne, da der Arbeitsausfall betriebsüblich sei und daher die betrieblichen Voraussetzungen iS des § 64 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht erfüllt seien. Im Anschluß an die Rechtsbehelfsbelehrung enthält der Bescheid den Zusatz, daß das Kug gegebenenfalls auch dann innerhalb der Ausschlußfrist des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG beantragt werden müsse „(vgl Nr 10.4 des Merkblattes Kurzarbeitergeld für Arbeitgeber und Betriebsvertretungen)”, wenn die Klägerin von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch mache; in diesem Fall genüge es, wenn die jeweiligen Anträge zunächst formlos gestellt würden. Der am 27. Juni 1984 eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. August 1984).

Mit Urteil vom 3. Dezember 1985 hat das Sozialgericht (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin Kug ab 23. Mai 1984 „nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren”. Hinsichtlich der Zeit vom 11. bis 22. Mai 1984 hat die Klägerin die Klage zurückgenommen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Dezember 1987).

Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, für die vom SG ausgesprochene Verurteilung zur Leistungsgewährung sei erforderlich, daß hierfür sämtliche Voraussetzungen erfüllt seien. Dies treffe hier nicht zu. Es fehle an der erforderlichen Antragstellung. Nach § 72 Abs 2 AFG werde Kug nur auf Antrag gewährt, der innerhalb der Ausschlußfrist des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG schriftlich zu stellen sei. Einen derartigen schriftlichen Antrag habe die Klägerin, wie sie selbst eingeräumt habe, nicht ausdrücklich gestellt. Die schriftliche Anzeige über den Arbeitsausfall könne den fehlenden Antrag nicht ersetzen. Das gelte auch für den Antrag auf Verzicht auf die Einzelquittung der Arbeitnehmer und auf die Auszahlung des Kug sowie der Beitragszuschüsse aus der Kranken- und Rentenversicherung vor Prüfung der Unterlagen im Betrieb.

Die Antragstellung sei hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin gegen den negativen Anerkennungsbescheid der Beklagten Widerspruch eingelegt und Klage erhoben habe. Die Antragsfrist laufe, da es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist handele, kalendermäßig ab, und zwar unabhängig davon, ob der Ablehnungsbescheid angefochten sei oder nicht. Werde der Antrag nicht innerhalb der Ausschlußfrist gestellt, habe dies das Erlöschen des Anspruchs auf Kug zur Folge; denn bei Versäumung der Antragsfrist sei weder eine Nachsichtgewährung noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB 10) möglich, da es sich hier nicht um eine verfahrensrechtliche Frist handele. Eine Hemmung der Antragsfrist durch und für die Dauer des hier anhängigen Rechtsmittelverfahrens scheitere daran, daß es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle; denn die Regelungen der §§ 202 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht entsprechend anwendbar. Die Beklagte handele auch nicht rechtsmißbräuchlich, wenn sie sich auf den Ablauf der Antragsfrist und das dadurch eingetretene Erlöschen der Ansprüche auf Kug berufe. Die Klägerin sei im Ablehnungsbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß auch bei Anfechtung dieses Bescheids die Antragstellung innerhalb der dreimonatigen Ausschlußfrist erfolgen müsse.

Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung der §§ 63 – 65, 72 AFG sowie des § 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB 1) und trägt hierzu im wesentlichen vor: Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt habe, sei ein wirksamer Antrag in der Anzeige des Arbeitsausfalles zusammen mit der Übersendung des Formantrages (Vordruck Kug 19) zu sehen. Nach der Rechtsprechung könne ein Antrag auf Gewährung von Kug bereits mit der Anzeige des Arbeitsausfalles verbunden werden. Dem stehe es nicht entgegen, daß die Klägerin hierfür nicht die von der Beklagten in § 2 der Kug-Anordnung vorgeschriebenen Vordrucke verwendet habe. Das Gesetz sehe in § 72 AFG lediglich vor, daß der entsprechende Antrag schriftlich zu stellen sei.

Das LSG verkenne, daß bereits die Anzeige über den Arbeitsausfall den entsprechenden Antrag auf Kug beinhalte. Hierzu komme, daß der Anzeige vom 11. Mai 1984 auch das Mitteilungsschreiben der Klägerin vom 3. Mai 1984 an die Belegschaft beigefügt worden sei, dem die Beklagte habe entnehmen können, daß Kug beantragt werde. Damit habe die Klägerin gegenüber der Beklagten hinreichend deutlich gemacht, daß sie Leistungen beanspruche.

Außerdem sei gemäß § 2 Abs 1 SGB 1 zu berücksichtigen, daß durch die Erhebung des Widerspruchs gegen den ablehnenden Anerkennungsbescheid der Wille des Widersprechenden, ihm die gesetzlich zustehenden Leistungen zu gewähren, deutlich zum Ausdruck komme. Dadurch werde auf jeden Fall die Ausschlußfrist gehemmt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Berlin vom 11. Dezember 1987 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Berlin vom 3. Dezember 1985 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend auf folgendes hin:

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Antrag nach § 72 Abs 2 AFG innerhalb der darin geregelten Ausschlußfrist wesentliche materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Gemeinsamer Sinn der materiell-rechtlichen Ausschlußfristen beim Kug, Schlechtwettergeld und Wintergeld sei es, eine klare Sach- und Beweislage zu schaffen, um so nach längerer Zeit möglicherweise auftretende Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Daher genüge es nicht, daß der Arbeitgeber, der für seine Arbeitnehmer Kug begehrte, dies rechtzeitig schriftlich gegenüber der Beklagten zum Ausdruck bringe. Erforderlich sei vielmehr zusätzlich, daß er dies rechtzeitig mit der notwendigen Bestimmtheit tue. Dies bedeute, daß er das Kug für jeden betroffenen Arbeitnehmer gesondert beantragen müsse, und zwar unter Angabe des Gewährungszeitraumes, der von Kurzarbeit betroffenen betrieblichen Einheiten, der Zahl der Kurzarbeiter und ihrer jeweiligen Ausfallstunden sowie des ungefähren Gesamtbetrages an Kug und Beitragszuschüssen zur Kranken- und Rentenversicherung. Nur dann, wenn die vorstehenden Daten der Beklagten bekannt seien, liege ein prüffähiger und damit rechtswirksam gestellter Antrag im Sinne des § 72 Abs 2 AFG vor. Wollte man dies anders sehen, müßten wesentliche Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere auch betrieblicher Natur wie die nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG, unberücksichtigt bleiben, was die gesetzliche Regelung über den Antrag und die Ausschlußfrist gänzlich entwerten und der Beklagten keinerlei Entscheidung erlauben würde.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.

Die Klage ist zulässig, was auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist. Die Unzulässigkeit der Klage ist ein Mangel im Verfahren, der in die Revisionsinstanz fortwirkt. Die verfahrensrechtliche Grundlage für eine Entscheidung in der Sache und damit eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung wäre nicht vorhanden (BSG SozR 1500 § 87 Nr 6). Ein solcher Mangel liegt indessen nicht vor.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 7. Juni 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 1984, soweit diese Bescheide von der teilweisen Rücknahme der Klage nicht betroffen sind (§ 102 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Klägerin hat sich hiergegen mit der Anfechtungs- und Leistungsklage gewandt (§ 54 Abs 4 SGG). Das hierfür als Klagevoraussetzung gemäß § 78 Abs 1 SGG erforderliche Vorverfahren ist durchgeführt worden.

Der Verfügungssatz des Bescheides vom 7. Juni 1984 ging dahin, in dem Betrieb der Klägerin könne Kug nicht gewährt werden, weil die in § 64 AFG geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Damit hat die Beklagte das für Ansprüche auf Kug vorgesehene Verwaltungsverfahren eingehalten. Dieses ist zweistufig geregelt. Mit dem sogenannten Anerkennungsbescheid aufgrund der Anzeige nach § 64 Abs 1 Nr 4 AFG wird eine Entscheidung darüber getroffen, ob die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug als gegeben angesehen werden können. Der Anerkennungsbescheid als solcher stellt sich als verselbständigter Teil einer Entscheidung dar, durch die der eigentliche Leistungsanspruch vorbereitet werden soll (BSG Urteil vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 13/82 insoweit in SozR 4100 § 63 Nr 2 nicht abgedruckt). Demgegenüber wird mit dem zusätzlich erforderlichen Leistungsantrag, der bis zum Ablauf einer Ausschlußfrist von drei Monaten zu stellen ist, die mit dem Ablauf des Kalendermonats beginnt, in dem die Tage, für die das Kug beantragt ist, liegen (§ 72 Abs 2 AFG), das eigentliche Ziel, die Bewilligung der Leistung durch einen Leistungsbescheid, begehrt.

Der Bescheid vom 7. Juni 1984 ist ein sogenannter negativer Anerkennungsbescheid. Er enthält nach seinem Verfügungssatz die Ablehnung der beantragten Anerkennung iS von § 72 Abs 1 AFG, und zwar gemäß § 95 SGG in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 23. August 1984 erhalten hat. Dieser weicht in seinem Regelungsinhalt nicht wesentlich von dem ursprünglichen Verwaltungsakt ab. Trotz einiger mißverständlicher Formulierungen sind diese Bescheide dahin zu verstehen, daß sie lediglich eine (negative) Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Kug nach den §§ 63 und 64 Abs 1 AFG enthalten. Anderenfalls hätte es des Zusatzes im Anschluß an die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 7. Juni 1984 nicht bedurft. Grundsätzlich ist daher die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG die richtige Klageart für den Rechtsschutz gegenüber solchen Verwaltungsakten. Gleichwohl war hier von Anfang an die Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG die allein richtige Klageart. Dies folgt daraus, daß die Klägerin schon während des Vorverfahrens den Leistungsantrag nach § 72 Abs 2 AFG wirksam, dh form- und fristgerecht, gestellt hat, so daß sie einen Rechtsanspruch auf Zahlung von Kug erheben konnte, für dessen Begründetheit es nur noch auf das Vorliegen der übrigen materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ankommt.

Zur Wahrung der Antragsfrist ist erforderlich, daß ein Antrag in Form einer schriftlichen Erklärung vorliegt, was aus § 72 Abs 2 Satz 2 AFG iVm § 72 Abs 1 Satz 1 AFG folgt. Das heißt, es muß eine vom Antragsteller unterzeichnete Urkunde vorliegen. Dieser muß außerdem zu entnehmen sein, daß der Antragsteller mit der in ihr enthaltenen Erklärung einen Antrag auf Kug stellen will. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), läßt sich der Anzeige gemäß § 64 Abs 1 Nr 4 AFG eine solche Erklärung ebensowenig entnehmen wie dem Antrag auf Vordruck Kug 19. Indes hat das LSG nicht berücksichtigt, daß ein solcher Antrag in dem Widerspruch gegen den negativen Anerkennungsbescheid zu sehen ist. Mit diesem Widerspruch gibt der Widersprechende grundsätzlich eindeutig zu erkennen, daß er damit den eigentlichen Leistungsanspruch geltend machen will. Das Nahziel mag zwar nach wie vor die Anerkennung der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug sein. Indes ist dem Begehren gleichzeitig die konkrete Erklärung zu entnehmen, er wolle nunmehr auch die Gewährung und Auszahlung von Kug erreichen. Es muß daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß ein Arbeitgeber, der einen solchen Rechtsbehelf einlegt, die von der Entscheidung über den Verwaltungsakt abhängige Leistung begehrt. Andernfalls würde er nämlich die von der Beklagten getroffene Entscheidung hinnehmen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn seiner Erklärung und seinem Verhalten eindeutig zu entnehmen ist, er wolle mit dem Widerspruch keinen Leistungsanspruch geltend machen, sondern allein den negativen Anerkennungsbescheid anfechten, was hier nicht der Fall ist.

Diese Sachlage hat auch die Beklagte erkannt und in ihren Dienstanweisungen berücksichtigt (s ua Runderlaß 307/76.4 vom 20. Oktober 1976 und Runderlaß 307/76 idF vom 14. Februar 1989 RdNr 205.53). Hiernach ist eine formlose schriftliche Antragstellung zulässig. Als solche kann auch ein Widerspruch gegen die Ablehnung des Anerkennungsantrags gewertet werden. Soweit die Beklagte hierbei Angaben zur Bezeichnung des Betriebes oder der Betriebsabteilung, für die Kug beantragt wird, zur voraussichtlichen Zahl der Kurzarbeiter und der Ausfallstunden, zum ungefähren Gesamtbetrag an Kug und zur ungefähren Höhe der Beitragszuschüsse zur Sozialversicherung erwartet, bezeichnet sie diese Anforderungen selbst zutreffend als Soll-Forderungen. Abgesehen davon lassen sich die Angaben unschwer der Anzeige entnehmen, ausgenommen die ungefähren Gesamtbeträge an Kug und anfallenden Beitragszuschüssen zur Sozialversicherung. Wie der Senat entschieden hat, genügt ein gleichzeitig mit der Anzeige über Arbeitsausfall gestellter Antrag auf Kug den gesetzlichen Anforderungen, wenn im Zeitpunkt der Anzeige zweifelsfrei vorhersehbar ist, daß der Arbeitsausfall den Mindestzeitraum des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG erreichen wird. Da die Klägerin ausdrücklich bei der Anzeige erklärt hat, daß als Gewährungszeitraum die Zeit vom 14. Mai bis 16. November 1984 gelten solle und auch ihrem Widerspruch nichts anderes zu entnehmen ist, liegt damit ein den Erfordernissen des § 72 Abs 2 Satz 3 AFG entsprechender bestimmter Antrag vor (BSGE 46, 218, 226 = SozR 4100 § 63 Nr 1). Soweit die Beklagte geltend macht, gemeinsamer Sinn der materiell-rechtlichen Ausschlußfristen beim Kug, dem Schlechtwettergeld und dem Wintergeld sei es, eine klare Sach- und Rechtslage zu schaffen, um so nach längerer Zeit möglicherweise auftretende Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, übersieht sie, daß Beweisschwierigkeiten in den Fällen, in denen der Antrag schon frühzeitig gestellt wird, gerade nicht zu erwarten sind.

Fehl geht die Beklagte ferner mit der Auffassung, es genüge nicht, daß der Arbeitgeber, der für seine Arbeitnehmer Kug begehrt, dies rechtzeitig ihr gegenüber zum Ausdruck bringe. Erforderlich sei vielmehr zusätzlich, daß er dies rechtzeitig mit der notwendigen Bestimmtheit tue und dies geschehe nur dadurch, daß er das Kug für jeden betroffenen Arbeitnehmer gesondert beantragte, und zwar unter Angabe des Gewährungszeitraums, der von Kurzarbeit betroffenen betrieblichen Einheiten, der Zahlen der Kurzarbeiter, der jeweiligen Ausfallstunden sowie des ungefähren Gesamtbetrages an Kug und Beitragszuschüssen zur Sozialversicherung. Derartige umfassende Anforderungen an die Wirksamkeit eines Antrags nach § 72 Abs 2 AFG verlangt nicht einmal das Gesetz. Es verweist lediglich auf § 72 Abs 1 Sätze 1 und 2 AFG also zB nicht auf die für die Anzeige erforderliche Glaubhaftmachung der Voraussetzungen nach den §§ 63 und 64 Abs 1 AFG (§ 72 Abs 1 Satz 3 AFG). Ebenso sehen die Verwaltungsanweisungen der Beklagten nicht allgemein eine so weitgehende Substantiierungspflicht für die Wirksamkeit des Antrags vor (vgl Runderlaß 307/76 aaO). Schließlich könnte die Beklagte unabhängig hiervon mit diesem Vorbringen schon deshalb nicht durchdringen, weil sie sich damit zu ihrem bisherigen Verhalten in Widerspruch setzt und damit gegen Treu und Glauben verstößt. In dem negativen Anerkennungsbescheid hat sie zwar darauf hingewiesen, das Kug müsse auch dann innerhalb der Ausschlußfrist des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG beantragt werden, wenn die Klägerin von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch mache. In diesen Fällen genüge es, wenn die jeweiligen Anträge zunächst formlos gestellt würden. Die Klägerin konnte nach dieser von der Beklagten erteilten Belehrung davon ausgehen, daß eine in irgendeiner Form abgegebene Erklärung, die erkennen läßt, sie wolle Kug beantragen, für ihr Begehren ausreichend war. Wenn die Beklagte jetzt substantiierte Angaben für eine wirksame Antragstellung fordert, steht dies im Widerspruch zu der früheren Belehrung.

Im Hinblick auf den somit rechtzeitig gestellten Leistungsantrag iS von § 72 Abs 2 AFG sind – ungeachtet der materiell-rechtlichen Bedeutung dieses Antrags – alle Verfahrenserfordernisse für die Zulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage erfüllt. Unerheblich ist, daß im Vorverfahren nicht beachtet wurde, daß die Klägerin durch die Erhebung des Widerspruchs auch einen Leistungsantrag gestellt hat, über den nicht ausdrücklich entschieden worden ist. Die Widerspruchsstelle hat damit nicht alle rechtlichen Gesichtspunkte für ihre Entscheidung gewürdigt. Das ändert jedoch nichts daran, daß der Widerspruchsbescheid die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung ist. Insoweit gilt nichts anderes als für den Fall, in dem der Arbeitgeber erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens den Leistungsantrag stellt und dann neben der Anfechtungsklage von der Verpflichtungs- zur Leistungsklage im Wege der – zulässigen – Klageerweiterung übergeht. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, daß es die Zulässigkeit der erweiterten Klage nicht berührt, wenn eine förmliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Leistungsantrag nicht ergangen ist (Urteil vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 13/82 – insoweit in SozR 4100 § 63 Nr 2 nicht abgedruckt). Es sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, anders zu verfahren, wenn nach Stellung des Leistungsantrags im Vorverfahren und dem nachfolgenden Widerspruchsbescheid sofort die (richtige) kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben wird. Entscheidend ist für die Zulässigkeit dieser Klage, daß zum Streitgegenstand ein Vorverfahren gemäß § 78 SGG stattgefunden hat. Unter diesen Umständen ist mithin im vorliegenden Fall für eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kein Raum, weil diese Klageart weniger weit reicht als die Anfechtungs- und Leistungsklage iS von § 54 Abs 4 SGG (BSGE 41, 218, 219 = SozR 1300 § 35 Nr 3; im Ergebnis ebenso BSG Urteil vom 27. April 1989 – 11/7 RAr 127/87 –).

Ob die hiernach zulässige Klage in der Sache Erfolg hat, läßt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Nach den vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin zwar einen form- und fristgerechten Antrag auf Gewährung von Kug gestellt. Indes fehlen Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen für den Anspruch auf Kug, insbesondere zu den §§ 64, 65 und 68 AFG.

Das Urteil des LSG war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

BSGE, 238

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