Beteiligte

Klägerin und Revisionsbeklagte Bevollmächtigter

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit und einen Rückforderungsanspruch der Beklagten.

Die 1951 geborene Klägerin war von 1969 bis 28. Februar 1977 als kaufmännische Angestellte im Unternehmen ihres Vaters beschäftigt. Am 3. März 1977 meldete sie sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Am 5. April 1977 wurde ihr eine Arbeit als "Bürokaufmann" bei der Firma B… & S… KG, O…- F…- P… - Werk in K… mit einer Entlohnung "Nach Tarif" angeboten.

Die Klägerin hat sich am 6. April 1977 bei der Firma B… & S… schriftlich beworben. Die Firma hat sie mit Schreiben vom 13. April 1977 zu einem Vorstellungstermin am 15. April 1977 eingeladen. Mit Schreiben vom 15. April 1977 hat die Klägerin der Firma mitgeteilt, sie habe deren Schreiben erst am 15. April 1977 um 16.00 Uhr erhalten; sie werde sich nunmehr - das Einverständnis der Firma voraussetzend - am 20. April 1977 um 15.00 Uhr vorstellen und bitte um eine kurze Terminbestätigung. Eine solche ist nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 20. April 1977 hat die Klägerin der Firma erklärt, daß sie wohl davon ausgehen müsse, daß die Sache ihre Erledigung gefunden habe. Die Firma B… & S… teilte daraufhin dem Arbeitsamt mit, sie habe die Klägerin nicht eingestellt, weil sie den Vorstellungstermin wegen angeblich verspäteter Postzustellung versäumt habe. Zudem habe die Klägerin versucht, der Firma ihre Terminvorstellungen aufzuzwingen.

Mit Bescheid vom 30. März 1978 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen vom 16. April bis 13. Mai 1977 fest; die Bewilligung des Alg wurde für die Dauer der Sperrzeit aufgehoben. Das für diese Zeit bereits ausgezahlte Alg in Höhe von 75,20 DM wurde mit Bescheid vom 11. April 1978 zurückgefordert. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. April 1978).

Durch Urteil vom 15. September 1978 hat das Sozialgericht (SG) Kassel die Bescheide der Beklagten vom 30. März und 11. April 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 1978 aufgehoben und die Berufung zugelassen. Durch Urteil vom 10. Mai 1979 hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Klägerin die Beklagte verurteilt, die rückständigen Alg-Leistungen mit 4 v.H. zu verzinsen; wegen des weitergehenden Zinsanspruchs hat es die Anschlußberufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG insbesondere ausgeführt: Für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) habe es an einer ausreichenden Belehrung über die Rechtsfolgen gefehlt, die eintreten, wenn ein Arbeitsloser eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht annehme oder antrete. Die Belehrung müsse den Arbeitslosen nicht nur über die Möglichkeit von Folgen i.S. des § 119 AFG unterrichten, sondern insbesondere auch alle Einzelheiten bezüglich der angebotenen Arbeit vermitteln, die für eine sachgerechte Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme nötig seien. Im vorliegenden Falle hätten hinreichende Einzelheiten bezüglich der angebotenen Arbeit gefehlt. Mit den Angaben "Bürokaufmann" und "Entlohnung nach Tarif" hätten jegliche Angaben, für welche tarifliche Entlohnung die angebotene Arbeit vorgesehen gewesen sei, gefehlt. Dem Arbeitsangebot sei insbesondere nicht zu entnehmen gewesen, welcher Tarifvertrag in Betracht gekommen wäre. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob das Verhalten der Klägerin ursächlich für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung gewesen sei. Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch sei als (unselbständige) Anschlußberufung anzusehen, die zum Zwecke der Klagerweiterung in bezug auf eine Nebenforderung erfolgt sei (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG -). Gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch, Allgemeiner Teil - (SGB 1) könne die Klägerin ab 1. Januar 1978 allerdings nur 4% Zinsen für das für die Sperrzeit noch nicht ausgezahlte Alg verlangen.

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Arbeitsangebot ausreichend bestimmt, wenn es alle Angaben enthalte, deren der Arbeitslose bedürfe, um sich über die zulässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden zu können. Dabei sei z.B. die Nennung des Arbeitsentgelts nicht erforderlich; es genüge und entspreche regelmäßig auch dem Interesse der Beteiligten, daß dem Arbeitslosen eine eigene Prüfungsmöglichkeit eröffnet sei, denn nur der Nachweis der Gelegenheit zum Vertragsabschluß sei Aufgabe der Beklagten. Diese Rechtsprechung sei durch das Urteil des BSG vom 10. Oktober 1978 (BSGE 47, 101 = SozR 4100 § 119 Nr. 5) nicht aufgegeben worden, was sich aus der Gesamtheit der Ausführungen dieses Urteils ergebe. Somit sei auch das Arbeitsangebot für die Klägerin ausreichend bestimmt gewesen. Die Klägerin habe es auch so aufgefaßt und sich bei der Firma B… & S… um den offenen Arbeitsplatz beworben. Ihre Verhandlungen mit der Firma, die sich schließlich zerschlagen hatten, hätten lediglich den Vorstellungstermin betroffen. Somit komme es darauf an, ob das Verhalten der Klägerin ursächlich für das Nichtzustandekommen des Arbeitsverhältnisses gewesen sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 1979 (L 1/Ar 1190/78) aufzuheben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

Eine Sperrzeit tritt nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Arbeit nicht annimmt oder nicht antritt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Diese Rechtsfolge tritt jedoch nur ein, wenn die abgelehnte oder nicht angetretene Arbeit vom Arbeitsamt "angeboten" worden ist; durch dieses gegenüber dem früheren Recht (vgl. § 78 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung -AVAVG-, ebenso § 90 AVAVG a.F.) erweiterte Erfordernis der angebotenen Arbeit soll insbesondere sichergestellt werden, daß der Arbeitslose in jedem Einzelfall über die Rechtsfolgen, die im Falle der Ablehnung eintreten können, belehrt wird (vgl. schriftl. Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit zu BT-Drucks. V/4110 S. 21). Das heißt, die Belehrung muß im Zusammenhang und in Verbindung mit dem jeweils konkreten Angebot die jeweils hierfür drohende Rechtsfolge nach Dauer und Wirkung bezeichnen, die eintreten kann, wenn dem Arbeitslosen für die Nichtannahme oder den Nichtantritt der Arbeit kein wichtiger Grund zur Seite steht. Daraus ergibt sich zugleich, daß das Angebot der Arbeitsverwaltung auch dazu dienen soll, bereits in der Phase der Arbeitsvermittlung eine Prüfung zu ermöglichen, ob die angebotene Arbeit "zumutbar" ist oder ob dem Arbeitslosen - im Hinblick auf seine Eignung und seine persönlichen Verhältnisse - zulässige Ablehnungsgründe zur Seite stehen. Die insoweit von der Arbeitsverwaltung bereits bei der Arbeitsvermittlung in Beachtung der Grundsätze der §§ 14 ff. AFG zu treffende Abwägung zwischen der Eignung und den persönlichen Verhältnissen des Arbeitsuchenden einerseits und dem zu vermittelnden Arbeitsplatz andererseits erfordert ein ausreichend bestimmtes (konkretisiertes) Angebot; nur ein solches Angebot ermöglicht dem Arbeitslosen die Prüfung, ob zulässige Ablehnungsgründe gegeben sind (BSGE 4, 1, 3). Genügt das Angebot diesen Bestimmtheitsanforderungen nicht, ist es rechtsunwirksam und daher grundsätzlich nicht geeignet, die Rechtswirkungen einer Leistungssperre im Falle unbegründeter Weigerung der Annahme oder des Antritts der angebotenen Arbeit auszulösen. Dasselbe gilt, wenn das Arbeitsangebot zwar ausreichend bestimmt ist, aber nicht den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entspricht (BSGE 44, 71, 74 = SozR 4100 § 119 Nr. 3).

Der Eintritt der Rechtsfolge einer Leistungssperre nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG setzt mithin voraus,

1.

daß das Angebot ausreichend bestimmt ist,

2.

daß das Angebot nicht gegen die Grundsätze sachgerechter Arbeitsvermittlung im Sinne von §§ 14 ff. AFG verstößt und

3.

daß es außerdem mit einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung verbunden ist bzw. in Zusammenhang steht.

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so löst die Ablehnung des Angebots eine Leistungssperre grundsätzlich nicht aus.

Die Frage, wann ein ausreichend bestimmtes Angebot vorliegt, kann nicht generell beantwortet werden, sondern muß nach den besonderen Umständen des jeweiligen Vermittlungsfalles beurteilt werden (BSGE 4, 1, 3). Maßstäbe für die Beurteilung ergeben sich aus den Aufgaben der Arbeitsvermittlung einerseits und dem Zweck der Sperrzeitregelung andererseits. Da Aufgabe der Arbeitsvermittlung nur die Anbahnung eines Arbeitsvertrages ist, der Abschluß des Arbeitsvertrages hingegen dem Arbeitsuchenden und Arbeitgeber vorbehalten bleibt, ist das Arbeitsangebot des § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG nicht mit der Arbeitsvertragsofferte (§§ 145 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) zu verwechseln (vgl. Eckert u.a., Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand: Dezember 1979, Rd.Nr. 31 zu § 119). Das Angebot eines Arbeitsplatzes durch die Arbeitsverwaltung (Vermittlungsangebot) dient lediglich dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Arbeitsvertrages (BSGE 44, 71, 73 = SozR 4100 § 119 Nr. 3). Demgemäß muß das Vermittlungsangebot nicht alle Arbeitsbedingungen enthalten, deren es zum Abschluß eines Arbeitsvertrages bedürfte. Es genügt vielmehr, daß dem Arbeitsuchenden eine eigene Prüfungsmöglichkeit beim Arbeitgeber eröffnet wird. Durch die Arbeitsvermittlung soll weder dem Arbeitsuchenden noch dem Arbeitgeber die Selbstverantwortung für die Gestaltung ihrer wirtschaftlichen oder beruflichen Existenz abgenommen werden; deshalb muß die Klärung der näheren Einzelheiten des angebahnten Arbeitsverhältnisses grundsätzlich der Fühlungnahme zwischen Arbeitsuchendem und Arbeitgeber vorbehalten bleiben.

Andererseits muß aber das Arbeitsangebot im Hinblick auf die drohenden Rechtsfolgen der Leistungssperre so mit konkretisiert sein, daß sich der Arbeitsuchende über die zulässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden kann (BSGE 4, 1, 3; BSGE 44, 71, 73 = SozR 4100 § 119 Nr. 3; BSGE 47, 101, 105 = SozR 4100 § 119 Nr. 5). Das heißt, der Arbeitsuchende muß sich aufgrund der Angaben der Arbeitsverwaltung eine Vorstellung von der angebotenen Beschäftigung machen können, die es ihm ermöglicht zu prüfen, ob er die angebotene Arbeit annehmen bzw. antreten will oder nicht. Dafür genügt es zunächst, wenn aus den Informationen des Arbeitsamtes ersichtlich wird, daß es sich um einen bestimmten Arbeitsplatz an einem bestimmten Ort handelt, den der Arbeitsuchende aufgrund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit grundsätzlich auszufüllen vermag; das Arbeitsangebot muß deshalb im allgemeinen mindestens den Arbeitgeber, die Arbeitsstätte und die Art der zu verrichtenden Tätigkeit benennen. Welche Angaben über diese Mindestangaben hinaus erforderlich sind, hängt von den Umständen des einzelnen Vermittlungsfalles ab. Angesichts der Komplexität des Vermittlungsauftrags der Bundesanstalt für Arbeit und der Vielfalt der Lebenssachverhalte, die für die Ablehnung einer Arbeit aus wichtigem Grund in Betracht kommen können, lassen sich diesbezügliche Anforderungen nicht generell, sondern nur nach den Gegebenheiten des einzelnen Vermittlungsfalles aufstellen. Hierbei ist zunächst danach zu differenzieren, ob es sich um die Vermittlung in eine Tätigkeit der bisher ausgeübten Art oder jedenfalls eine verwandte Tätigkeit handelt oder ob das Angebot für den Arbeitslosen eine neue Tätigkeit betrifft. Soll der Arbeitsuchende wieder in seinen bisherigen Beruf bzw. verwandten Beruf oder einen ähnlichen Beruf in der gleichen Branche vermittelt werden, sind an die Bestimmtheit im allgemeinen weniger hohe Anforderungen als bei der Vermittlung in einen neuen Beruf zu stellen, weil regelmäßig davon ausgegangen werden kann, daß der Arbeitsuchende bezüglich des bereits ausgeübten Berufs hinreichende Vorstellungen über die zu erwartenden Arbeitsbedingungen besitzt. Das gleiche gilt, wenn die zu vermittelnde - neue - Tätigkeit einem typischen, üblichen Berufsbild entspricht, dessen Bedingungen als bekannt vorausgesetzt werden können. Dies gilt allerdings nur mit der Einschränkung, daß hinsichtlich des anzubietenden konkreten Arbeitsplatzes keine Besonderheiten bestehen (§ 14 Abs. 1 AFG); auf derartige Besonderheiten bzw. unübliche Arbeitsbedingungen hat die Arbeitsverwaltung hinzuweisen. So sind z.B. Angaben über die nähere Gestaltung der Arbeitszeit erforderlich, wenn diese von der üblichen Arbeitszeit abweicht, etwa Nacht- oder Schichtarbeit zu verrichten ist.

Auch die Frage, ob das Arbeitsangebot Angaben über die Höhe der zu erwartenden Entlohnung enthalten muß, hängt im wesentlichen von den Umständen des einzelnen Vermittlungsfalles ab. Da die Höhe des Entgelts zur Ablehnung der angebotenen Arbeit jedenfalls dann berechtigt, wenn nicht der Tariflohn bzw. der im Beruf ortsübliche Lohn gezahlt wird (§ 16 AFG, § 78 Abs. 2 Nr. 1 AVAVG), bedarf es grundsätzlich der Information, daß das zu erwartende Entgelt diesen Anforderungen entspricht. Dies genügt im allgemeinen aber auch nur dann, wenn der Arbeitsuchende sich über die Höhe des zu erwartenden "tariflichen" Entgelts eine ausreichende Vorstellung machen kam, d.h. wenn ihm die Entlohnungsmaßstäbe des in Betracht kommenden Tarifvertrages - etwa aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit - bekannt sind oder wenn er aus sonstigen Informationen über die Qualität der angebotenen Arbeit (z.B. Hilfspolier, Former mit Facharbeiterqualifikation) auf die in dieser Qualifikationsstufe übliche Entlohnung schließen kann. Da der Arbeitslose eine Verschlechterung seines Status und der Arbeitsbedingungen im allgemeinen nur hinzunehmen braucht, wenn dies nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unvermeidbar ist (vgl. Regierungsentwurf zum HStruktG BR-Drucks. 575/75 S. 52; Bericht des Haushaltsausschusses BR-Drucks. 7/4243 S. 9/10), gehört zu einem ausreichend konkretisierten Arbeitsangebot für den Regelfall auch, daß sich der Arbeitslose eine Vorstellung von der qualitativen Wertschätzung der angebotenen Beschäftigung bzw. dem für sie üblichen (tariflichen) Entgelt machen kann, das Indiz für die qualitative Wertschätzung sein kann. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das Arbeitsangebot in die erste Zeit der Arbeitslosigkeit fällt (vgl. BSGE 44, 71 = SozR 4100 § 119 Nr. 3). Denn da in diesen Fällen von der Arbeitsverwaltung zunächst eine dem Berufsbild und der sozialen Stellung des Arbeitsuchenden entsprechende Vermittlung (in eine berufsgerechte, berufsnahe und gleichwertige Tätigkeit) versucht werden muß, kann für die Frage, ob ein wichtiger Grund zur Arbeitsablehnung vorliegt bzw. die angebotene Tätigkeit zumutbar ist, von Bedeutung sein, ob diese gegenüber dem früheren Qualifikationsstand des Arbeitsuchenden einen Abstieg bedeutet bzw. Lohneinbußen mit sich bringt.

Auch in diesen Fällen bedarf es näherer Angaben über die Höhe des zu erwartenden Entgelts lediglich dann nicht, wenn bei dem Arbeitsuchenden Kenntnisse über die Entlohnungsmaßstäbe des einschlägigen Tarifbereichs aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit sicher vorausgesetzt werden können und aufgrund der Angaben über die zu verrichtende Tätigkeit feststeht, daß bei ihm eine ausreichende Vorstellung über die Höhe des Entgelts - etwa hinsichtlich der Zuordnung in die maßgebliche Qualifikationsstufe bzw. Tarifgruppe - vorhanden ist. Hingegen bedarf es konkreter Informationen über das Arbeitsentgelt immer dann, wenn der Arbeitsuchende in einen neuen Beruf vermittelt werden soll oder wenn die angegebene Tätigkeit im bisherigen Berufsbereich so allgemein umschrieben ist, daß sich der zu Vermittelnde ohne entsprechende Hinweise - etwa auf die zu erwartende tarifliche Einstufung - keine Vorstellung über die Entlohnung machen kam.

Allerdings wird es häufig vom Inhalt des einzelnen Vermittlungsauftrages des Arbeitgebers abhängen, ob die Beklagte konkrete Hinweise auf das Entgelt geben kam, so z.B., wenn die Höhe des Arbeitsentgelts bzw. die tarifliche Einstufung bewußt offengehalten und von der speziellen Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden (seiner Ausbildung, Eignung, Erfahrung u.s.w.) für den speziellen Arbeitsplatz oder den betreffenden Betrieb abhängig gemacht wird. Dies kann bei Aufträgen zur Vermittlung von Bewerbern für sog. gehobene Berufe der Fall sein oder bei Vermittlungsaufträgen, die - etwa bei Produktionserweiterung oder Neuansiedlung von Betrieben - bestimmte Gruppen von Fachkräften umfassen, über deren Einsatz und damit über deren endgültige Entlohnung bzw. tarifliche Einstufung erst nach Vorstellung der in Betracht kommenden Bewerber entschieden wird. In derartigen Fällen hat die Arbeitsverwaltung jedoch, sofern nicht wenigstens ein Rahmen für die zu erwartende Entlohnung bzw. tarifliche Einstufung angegeben werden kann, darauf hinzuweisen, daß das Arbeitsentgelt erst in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ausgehandelt werden kann.

Information über das Arbeitsentgelt bedeutet mithin nicht, daß die Beklagte regelmäßig dem Arbeitslosen das Entgelt genau ("auf Heller und Pfennig") anzugeben hätte; es genügt vielmehr - abgesehen von den vorgenannten Sonderfällen -, daß die angebotene Arbeit nach Tätigkeitsart oder -merkmalen, evtl. nach ihrer tariflichen Einstufung, genau bezeichnet ist, wenn erwartet werden kann, daß dem zu Vermittelnden die Entlohnungsgrundsätze bekannt sind. Andernfalls bedarf es konkreter Angaben über die Höhe des Entgelts. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Vermittlung in die erste Zeit der Arbeitslosigkeit fällt. Insoweit weicht der Senat nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Soweit im Urteil vom 22. Juni 1977 (BSGE 44, 71, 73 SozR 4100 § 119 Nr. 3) allgemein ausgeführt wurde, daß es Angaben der Arbeitsverwaltung z.B. zum Entgelt nicht bedürfe und somit im Urteil vom 10. Oktober 1978 (BSGE 47, 101, 105 = SozR 4100 § 119 Nr. 5) gefordert wurde, daß alle diejenigen Einzelheiten bezüglich der angebotenen Arbeit mitzuteilen seien, derer es für eine sachgerechte Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme der Arbeit bedürfe, findet dies seine Grundlage in den dort entschiedenen Einzelfällen.

Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze kann im Falle der Klägerin, wie das LSG zutreffend entschieden hat, nicht von einem ausreichenden Arbeitsangebot gesprochen werden (a.A. LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 1980, 607, 611). Aufgrund der Berufsangabe "Bürokaufmann" und der Bezeichnung des Entgelts als "tariflich" konnte sich die Klägerin, obwohl sie bereits mehrere Jahre als kaufmännische Angestellte tätig war, keine Vorstellungen machen, welcher Qualifikationsstufe die angebotene Arbeit zuzuordnen war bzw. wie hoch etwa ihr Arbeitsentgelt sein würde. Die Berufsbezeichnung "Bürokaufmann" umschreibt allgemein kaufmännische Angestellte im Bürobereich und erfaßt eine Vielzahl qualitativ unterschiedlicher Tätigkeiten, für die in den Tarifverträgen im allgemeinen mehrere Tarifgruppen mit unterschiedlichen, zum Teil stark voneinander abweichenden Gehaltstarifen (Vergütungsstufen) vorgesehen sind. Die Klägerin, die erst kurzzeitig arbeitslos war und daher vorrangig zunächst in eine gleichwertige Tätigkeit zu vermitteln war, konnte sich mangels näherer Hinweise über die Zuordnung der angebotenen Arbeit zu den im kaufmännischen Bereich üblichen Qualifikationsstufen über die Frage eines wichtigen Grundes zur Arbeitsablehnung nicht schlüssig werden. Über die Frage, ob die Angabe "tarifliches Entgelt" ausgereicht hätte, wenn der Klägerin eine wesentlich genauere Beschreibung der Tätigkeit gegeben worden wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

Arbeitsangebote, die - wie im Falle der Klägerin - nicht ausreichend bestimmt sind, sind rechtsunwirksam und können daher die Rechtswirkungen einer Sperrzeit grundsätzlich nicht auslösen. Der Arbeitslose ist in solchen Fällen berechtigt, das derart fehlerhafte Angebot dem vermittelnden Arbeitsamt gegenüber unmittelbar abzulehnen.

Gleichwohl kann der Arbeitslose sich im Nachhinein nicht darauf berufen, daß das Angebot unzureichend konkretisiert war, wenn er von dem Recht zur Ablehnung zunächst keinen Gebrauch macht, sondern aufgrund des ihm unterbreiteten Angebots Kontakte mit dem Arbeitgeber aufnimmt und sich dadurch selbst die Gelegenheit verschafft, bisher fehlende Informationen über das Arbeitsangebot zu erhalten. Er hat dann durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, daß er das Angebot als ausreichend bestimmt akzeptiert und hat sich damit des Rechts begeben, dessen Mangel nachträglich zur Abwendung der gesetzlichen Folgen der Leistungssperre geltend zu machen. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") als Sonderfall des Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gilt auch im Bereich des öffentlichen Rechts, insbesondere auch des Sozialversicherungsrechts, und kommt in diesem Sinne sowohl für das Handeln der Verwaltungsbehörden bzw. der Versicherungsträger als auch für das Verhalten des einzelnen in Betracht (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl., S. 172; Staudinger-Weber, Komm. zum BGB, Bd. II, Teil I b, 11. Aufl. 1961, § 242 Rd.Nrn. A 60 ff.; A 106; D 389 f. m.w.N.; BSGE 7, 199 f.; 23, 62, 65). Es muß sich allerdings bei der Rechtsgestaltung um Beziehungen handeln, deren sachgemäße Abwicklung nur möglich ist, wenn beide Teile ihr Verhalten in einer dem Erfordernis des § 242 BGB für das bürgerliche Recht entsprechenden Weise dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme unterstellen (BSGE 7, 199, 201). Insoweit ist zu berücksichtigen, daß der Arbeitslose, der im Leistungsbezug steht und alsbald wieder in Arbeit vermittelt werden soll, aufgrund des zur Beklagten bestehenden Versicherungsverhältnisses nicht nur zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen (Alg) berechtigt ist und Anspruch auf Betreuung durch die Beklagte hat, sondern als Glied der Solidargemeinschaft auch zur Mitwirkung im Rahmen des Versicherungsverhältnisses - hier bei der Anbahnung eines neuen Arbeitsverhältnisses - verpflichtet ist (vgl. BSGE 4, 1, 7). Ungeachtet der Verpflichtungen der Beklagten aus §§ 4, 13, 14 AFG muß von ihm erwartet werden, daß er Bemühungen der Arbeitsverwaltung bei der Vermittlung eines Arbeitsplatzes unterstützt; dazu gehört auch die Mitteilung derjenigen Umstände, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeitsvermittlung dazu dienen, die Interessen der Beklagten und damit der Versichertengemeinschaft zu wahren (vgl. BSGE 45, 119, 121). Nimmt der Arbeitslose ein von der Arbeitsverwaltung unterbreitetes - nicht ausreichend bestimmtes - Vertragsangebot widerspruchslos hin und verwendet er es bestimmungsgemäß, in dem er sich an den Arbeitgeber wendet und sich dadurch selbst Gelegenheit verschafft, noch fehlende Informationen zu erhalten, so kann er sich nachträglich, wenn es aus anderen Gründen nicht zum Vertragsabschluß kommt, nicht auf die mangelhafte Konkretisierung des Angebots berufen; denn sein Verhalten läßt auf den Willen schließen, daß er von seinem Recht auf Ablehnung des Angebots wegen nicht ausreichender Bestimmtheit keinen Gebrauch machen will, so daß die - spätere - Berufung auf dieses Recht als treuwidriges Verhalten ("protestatio facto contraria") zu werten wäre.

Ist das der Klägerin unterbreitete Vertragsangebot deshalb vorwiegend im Hinblick auf ihr Verhalten als rechtswirksam zu behandeln, so kommt es für die Entscheidung der Frage, ob eine Sperrzeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG eingetreten ist, auf die weitere Prüfung an, ob das Angebot nicht gegen die Grundsätze sachgerechter Arbeitsvermittlung i.S.d. §§ 14 ff. AFG verstößt und ob im Zusammenhang mit dem Angebot eine rechtswirksame Rechtsfolgenbelehrung erteilt war, ferner ob ein Ablehnungstatbestand (Nichtannahme oder Nichtantritt der angebotenen Arbeit) gegeben ist und ob der Klägerin für die Ablehnung ein wichtiger Grund zur Seite gestanden hat. Hierzu hat das LSG - von seiner Rechtsauffassung aus zu Recht - noch keine Feststellungen getroffen.

Bezüglich der Prüfung der Frage, ob eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung erteilt war, wird das LSG zu beachten haben, daß die o.a. Erwägungen über den Verlust des Rechts, sich auf die Unbestimmtheit eines Angebots berufen zu können, bei einer unvollständigen oder aus sonstigen Gründen unzureichenden Rechtsfolgenbelehrung keine Anwendung finden. Denn die in § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG ausdrücklich angeordnete Belehrungspflicht dient einem übergeordneten sozialen Schutzzweck, nämlich den Arbeitslosen vor den Folgen einer unbegründeten Arbeitsablehnung - Sperrzeitwirkung - zu warnen; sie hat deshalb zwingenden, formalen Charakter und muß im Zusammenhang mit jedem einzelnen Vermittlungsangebot erneut erfüllt werden. In diesem Bereich ist das Verhalten des Arbeitslosen wegen des zwingenden Charakters der der Beklagten auferlegten Pflicht einer Beurteilung nach den Grundsätzen des § 242 BGB entzogen; eine mangelhafte Belehrung steht dem Eintritt einer Sperrzeit stets entgegen.

Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die insoweit erforderlichen Feststellungen noch nachzuholen haben wird. Von dem Ergebnis dieser Feststellungen hängt es auch ab, ob der Beklagten der mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachte Rückforderungsanspruch zusteht.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.7 RAr 2/80

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

BSGE, 63

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