Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Klagebefugnis des angestellten Arztes gegen Ablehnung der Genehmigung. abgeschlossene Weiterbildung auf demselben Fachgebiet wie Praxisinhaber. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung, mit der einem Vertragsarzt die Genehmigung zur Beschäftigung eines angestellten Arztes versagt wird, kann der für die Anstellung vorgesehene Arzt mangels eigener rechtlicher Beschwer nicht anfechten.

2. In der vertragsärztlichen Praxis dürfen nur Ärzte angestellt werden, die über eine abgeschlossene Weiterbildung auf demselben Gebiet verfügen wie der Praxisinhaber.

Stand: 24. Oktober 2002

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 1 S. 2; SGB V § 95 Abs. 9 S. 1; Ärzte-ZV § 32b Abs. 1, 2 Sätze 3, 1-2; SGB V § 95 Abs. 9 S. 2; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Detmold (Urteil vom 28.06.1995; Aktenzeichen S 11 Ka 2/94)

 

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28. Juni 1995 werden zurückgewiesen.

Die Kläger haben als Gesamtschuldner die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das Revisionsverfahren zu tragen. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) sind als Hautärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und betreiben in Gütersloh eine dermatologische Gemeinschaftspraxis. Die Klägerin zu 3), die Ehefrau des Klägers zu 1), ist approbierte Ärztin ohne abgeschlossene Weiterbildung. Den von den Klägern zu 1) und 2) im Juli 1993 gestellten Antrag, die Klägerin zu 3) ganztags als angestellte Ärztin in ihrer Praxis beschäftigen zu dürfen, lehnten die Zulassungsinstanzen ab, weil die Beschäftigung eines Arztes im Angestelltenverhältnis im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur zulässig sei, wenn der anzustellende Arzt über dieselbe Weiterbildung verfüge und dieselbe Gebietsbezeichnung führen dürfe wie der Praxisinhaber (Bescheid des beklagten Berufungsausschusses vom 11. Januar 1994).

Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 28. Juni 1995 abgewiesen. Die Klägerin zu 3) sei von vornherein nicht klagebefugt und ihre Klage deshalb unzulässig. Die Rechtsvorschriften, mit denen dem Vertragsarzt die Beschäftigung eines angestellten Arztes ermöglicht werde, dienten ausschließlich der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung; eigene rechtlich geschützte Interessen des anzustellenden Arztes würden durch die Entscheidung nicht berührt. Den Klägern zu 1) und 2) sei die beantragte Genehmigung zu Recht versagt worden. Die Verpflichtung des Vertragsarztes, seine Tätigkeit auf das gewählte Fachgebiet zu beschränken, müsse sich auf die Tätigkeit des angestellten Arztes erstrecken, weil andernfalls die Fachgebietsbindung unterlaufen werden könne. Umgekehrt gewährleiste die fachärztliche Spezialisierung einen gewissen fachlichen Standard, dessen Einhaltung gefährdet sei, wenn der weitgehend selbständig arbeitende angestellte Arzt keine abgeschlossene Weiterbildung erlangt habe. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Gebietszugehörigkeit ergebe sich auch aus den Regelungen über die vertragsärztliche Bedarfsplanung. Wenn danach der angestellte Arzt bei der Ermittlung des Versorgungsgrades der Gebietsgruppe des Praxisinhabers zugerechnet werde, so sei dies nur zu rechtfertigen, wenn er auch über die entsprechende Weiterbildung verfüge. Mit der Forderung, daß der anzustellende Arzt derselben Fachgruppe angehören müsse wie der Praxisinhaber, werde nicht in unzulässiger Weise in dessen Berufsfreiheit eingegriffen. Sofern darin überhaupt ein Grundrechtseingriff gesehen werde, sei dieser jedenfalls durch die Ziele einer fachlich gegliederten ärztlichen Versorgung und einer funktionsfähigen Bedarfsplanung ohne weiteres gerechtfertigt.

Mit ihren vom SG zugelassenen Sprungrevisionen rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Klägerin zu 3) hält sich im Gegensatz zur Auffassung des SG für klagebefugt. Die in § 95 Abs 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 32b Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) getroffenen Bestimmungen über die Beschäftigung angestellter Ärzte in der Vertragsarztpraxis sollten dazu dienen, jungen Ärzten angesichts abnehmender Beschäftigungsmöglichkeiten ein neues Berufsfeld zu verschaffen. Gerade der anstellungswillige Arzt könne sich deshalb auf sie berufen und ihre Einhaltung verlangen. Durch die Verweigerung der Genehmigung einer Anstellung in der Praxis ihres Ehemannes werde sie zudem in ihren Grundrechten aus Art 12 Abs 1 und Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) betroffen. Auch hiergegen müsse sie gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. In der Sache verweisen die Kläger darauf, daß weder im SGB V noch in der Ärzte-ZV eine abgeschlossene Weiterbildung für den angestellten Arzt gefordert werde. Da § 32b Abs 2 Ärzte-ZV ausdrücklich festlege, welche persönlichen und beruflichen Befähigungsnachweise der anstellungswillige Arzt im Genehmigungsverfahren beizubringen habe, könne insoweit nicht von einer Regelungslücke ausgegangen werden. Vielmehr habe der Gesetzgeber gerade auch approbierten Ärzten ohne abgeschlossene Weiterbildung ein Tätigkeitsfeld im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eröffnen wollen. Daß es aus verschiedenen Gründen zweckmäßig sei, wenn der angestellte Arzt über dieselbe fachliche Qualifikation verfüge wie der Vertragsarzt und Praxisinhaber, rechtfertige es nicht, unter Berufung auf Patienteninteressen und Belange der ärztlichen Bedarfsplanung zusätzliche Genehmigungserfordernisse aufzustellen, die das Gesetz nicht vorsehe. Das gelte um so mehr, als durch solche Erfordernisse die berufliche Betätigungsfreiheit der betroffenen Ärzte eingeschränkt werde, was ohne eine eindeutige gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht zulässig sei.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28. Juni 1995 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 1994 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern zu 1) und 2) die Genehmigung für eine ganztägige Beschäftigung der Klägerin zu 3) als angestellte Ärztin zu erteilen.

Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 5) beantragen,

die Revisionen zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässigen Revisionen sind nicht begründet.

Zutreffend geht das SG davon aus, daß der Klägerin zu 3) die Klagebefugnis fehlt. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage ist nach § 54 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), daß der Kläger behauptet, durch die Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes beschwert, dh in seinen rechtlich geschützten Interessen verletzt zu sein. Letzteres ist hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin zu 3) an dem Genehmigungsverfahren nach § 32b Abs 2 Ärzte-ZV nicht beteiligt gewesen und ihr gegenüber keine Entscheidung ergangen ist; denn beschwert iS des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG kann auch ein Drittbetroffener sein, in dessen Rechtssphäre durch den an einen anderen gerichteten Verwaltungsakt eingegriffen wird. Die Klagebefugnis ist aber zu verneinen, wenn eine Verletzung eigener Rechte des Dritten von vornherein ausscheidet, weil die von ihm geltend gemachten Interessen vom Schutzzweck der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm nicht erfaßt werden. Hat die als verletzt angesehene Rechtsnorm keinen drittschützenden Charakter in dem Sinne, daß sie zumindest auch der Verwirklichung individueller Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das Rechtsschutzbegehren unzulässig (vgl mwN Urteile des 12. Senats vom 6. Februar 1992 ≪BSGE 70, 99, 101 = SozR 3-1500 § 54 Nr 15 S 38≫ und des 3. Senats vom 29. November 1995 ≪SozR 3-2500 § 124 Nr 2 S 15≫). Eine rechtliche Betroffenheit der Klägerin zu 3) kommt nach diesen Grundsätzen nicht in Betracht.

Durch die Vorschriften über die Beschäftigung angestellter Ärzte in der vertragsärztlichen Praxis werden nicht die in § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V abschließend aufgezählten Formen der Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erweitert, sondern lediglich dem zugelassenen Vertragsarzt neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Führung seiner Praxis eröffnet. Für nicht zugelassene Ärzte ergeben sich daraus zwar neue Berufschancen. Die Begünstigung dieser Personengruppe stellt sich aber nach der Konzeption des Gesetzes nicht als Zubilligung einer eigenen Rechtsposition, sondern als bloße Reflexwirkung dar. Wie der Senat im Urteil vom 20. September 1995 – 6 RKa 37/94 – (SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 2 f) näher ausgeführt hat, steht dem zur Anstellung vorgesehenen Arzt aufgrund der Regelung in § 95 Abs 9 SGB V iVm § 32b Ärzte-ZV kein vom Willen des Vertragsarztes ablösbares Recht auf Anstellung zu; er wird durch die im Genehmigungsverfahren ergehende Entscheidung möglicherweise in seinen persönlichen oder beruflichen Interessen berührt, aber nicht im Rechtssinne beschwert. Im Hinblick darauf, daß die Beschäftigungsmöglichkeit nach § 32b Ärzte-ZV als ausschließliches Recht des Praxisinhabers ausgestaltet ist, scheidet auch ein Eingriff in Grundrechte des eine Anstellung anstrebenden Arztes aus.

Die von den Klägern zu 1) und 2) erhobenen Klagen sind unbegründet. Der Beklagte hat die von ihnen beabsichtigte Anstellung der Klägerin zu 3) mit Recht nicht genehmigt und dies rechtsfehlerfrei damit begründet, daß die Klägerin zu 3) mangels einer abgeschlossenen Weiterbildung als Hautärztin auf dem Gebiet, für das die Kläger zu 1) und 2) zugelassen sind, nicht tätig sein kann. Daß in der vertragsärztlichen Praxis nur solche Ärzte angestellt werden dürfen, die dieselbe Gebietsbezeichnung führen wie der Praxisinhaber, ist zwar in den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber, wie das SG zutreffend erkannt hat, aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie aus den Vorschriften über die ärztliche Bedarfsplanung.

Die Rechtsgrundlagen für die Beschäftigung angestellter Ärzte in der vertragsärztlichen Praxis sind durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) geschaffen und in das SGB V sowie die Ärzte-ZV eingefügt worden. Das Gesetz selbst beschränkt sich in § 95 Abs 9 Satz 1 SGB V auf die Aussage, daß der Vertragsarzt einen ganztags tätigen Arzt oder höchstens zwei halbtags tätige Ärzte anstellen kann. § 32b Ärzte-ZV, der entsprechend den Vorgaben in § 95 Abs 9 Satz 2 und § 98 Abs 2 Nr 13 SGB V das Nähere regelt, verweist in seinem Absatz 2 bezüglich der für die Anstellung erforderlichen Qualifikationsnachweise auf § 4 Abs 2 bis 4 und § 18 Abs 2 bis 4 Ärzte-ZV. Aus dieser Regelung, insbesondere daraus, daß § 4 Abs 1 und § 18 Abs 1 Ärzte-ZV, die für die Zulassung als Vertragsarzt den Nachweis der Arztregistereintragung verlangen, von der Verweisung ausgenommen sind, wird teilweise geschlossen, daß der angestellte Arzt die in § 3 Abs 2 Buchst b Ärzte-ZV für die Eintragung in das Arztregister geforderte abgeschlossene Weiterbildung nicht benötige (Steinhilper, MedR 1993, 292, 293; ders, NZS 1994, 347, 348; Hess, Kasseler Komm, § 98 SGB V RdNr 39). Nach anderer Ansicht gelten für den angestellten Arzt im wesentlichen dieselben fachlichen Anforderungen, die auch für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit verlangt werden. Die fehlende Bezugnahme auf § 18 Abs 1 in § 32b Abs 2 Ärzte-ZV bedeute danach nur, daß bei dem angestellten Arzt auf die formelle Eintragung in das Arztregister verzichtet werde. Dagegen folge aus der Verweisung auf § 4 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV, daß die materiellen Voraussetzungen für die Eintragung in das Arztregister auch von dem angestellten Arzt erfüllt werden müßten (so Schallen, Kommentar zur Ärzte-ZV, § 32b RdNrn 300, 305). Unabhängig davon, wie diese Streitfrage entschieden wird, kann den angesprochenen Vorschriften unmittelbar allenfalls entnommen werden, daß der angestellte Arzt überhaupt über eine abgeschlossene Weiterbildung oder eine gleichstehende Qualifikation nach Maßgabe des § 95a SGB V verfügen, nicht dagegen, daß sich seine Weiterbildung auf das Fachgebiet erstrecken muß, für das der Praxisinhaber zugelassen ist. Bei der Gesetzesauslegung kann indessen nicht außer Betracht bleiben, daß die Regelung in § 95 Abs 9 SGB V iVm § 32b Ärzte-ZV Teil eines umfassenderen Vorschriftenkomplexes ist, aus dem sich allgemeine, für den gesamten Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit einschließlich der Beschäftigung ärztlicher Mitarbeiter maßgebende Rechtsgrundsätze ergeben. Die Einbeziehung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, daß eine Beschäftigung bei einem für ein bestimmtes Fachgebiet zugelassenen Vertragsarzt unabhängig von sonstigen Voraussetzungen nur zulässig ist, wenn auch der zur Anstellung vorgesehene Arzt die für dieses Fachgebiet vorgeschriebene Weiterbildung durchlaufen hat und die betreffende Gebietsbezeichnung führen darf.

Das Erfordernis einer übereinstimmenden gebietsärztlichen Qualifikation von angestelltem Arzt und Praxisinhaber ist vorrangig aus der (auch) für die vertragsärztliche Tätigkeit geltenden Fachgebietsbindung abzuleiten. Die Heilberufs- und Kammergesetze der für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des ärztlichen Berufsrechts zuständigen Bundesländer bzw die auf ihrer Grundlage ergangenen Berufsordnungen der Ärztekammern, die als autonome Satzungen die Ärzte ebenfalls binden, legen fest, daß derjenige Arzt, der eine Gebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur in dem betreffenden Gebiet tätig werden darf (vgl hier: § 37 Abs 1 des nordrhein-westfälischen Heilberufsgesetzes idF der Bekanntmachung vom 9. März 1989 ≪GVBl NW S 170≫ iVm § 17 Abs 1 der Berufs- und Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe). An diese berufsrechtlichen Regelungen knüpft das Kassenarztrecht an. Der Senat geht deshalb in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß der die Gebietsbezeichnung führende Arzt sich auch in seiner Eigenschaft als Kassen- bzw Vertragsarzt grundsätzlich auf das gewählte Gebiet zu beschränken hat (zuletzt eingehend: Urteil vom 18. Oktober 1995 – 6 RKa 52/94 ≪SozR 3-2500 § 95 Nr 7≫; ferner Urteil vom 20. März 1996 – 6 RKa 34/95 – ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫). Dieses – verfassungsrechtlich unbedenkliche – Beschränkungsgebot wird damit gerechtfertigt, daß durch die Aufgliederung der ärztlichen Tätigkeit in verschiedene Fachdisziplinen und die damit verbundene Spezialisierung innerhalb der Ärzteschaft die medizinische Versorgung der Bevölkerung verbessert und den versicherten Patienten eine qualifizierte und breit gefächerte ärztliche Behandlung und Betreuung zur Verfügung gestellt wird (BVerfGE 33, 125, 167; BSGE 62, 224, 225 = SozR 2200 § 368a Nr 19). Von daher verbietet es sich nicht nur, daß durch eine – nach außen nicht in Erscheinung tretende – andersartige Qualifikation des angestellten Arztes die Fachgebietsbeschränkungen unterlaufen werden und das Leistungsspektrum der Praxis unzulässigerweise erweitert wird, sondern umgekehrt auch, daß durch die Beschäftigung eines Arztes, der für das vom Praxisinhaber vertretene Gebiet nicht ausgebildet ist, die mit der Spezialisierung bezweckte qualitativ hochwertige fachärztliche Versorgung in Frage gestellt wird. Der Patient, der eine Facharztpraxis aufsucht, tut dies in der Erwartung, dort von dem entsprechenden Spezialisten behandelt zu werden. Ebenso vertrauen, worauf das LSG Nordrhein-Westfalen in einem Urteil vom 11. Januar 1995 – L 11 Ka 84/94 – (MedR 1995, 212) hingewiesen hat, die überweisenden Ärzte darauf, daß die mit der Überweisung angeforderte fachärztliche Leistung von einem qualifizierten Gebietsarzt nach den Regeln der gebietsärztlichen Kunst persönlich erbracht wird.

Das bedeutet freilich nicht, daß der Kenntnis- und Ausbildungsstand des angestellten Arztes in jeder Beziehung demjenigen des Praxisinhabers entsprechen muß. Eine weitergehende Spezialisierung des Vertragsarztes, die zur Führung einer Schwerpunktbezeichnung (früher: Teilgebietsbezeichnung) oder einer Zusatzbezeichnung berechtigt, braucht bei dem angestellten Arzt nicht in gleicher Weise vorhanden zu sein, was sich schon daraus ergibt, daß auch der Vertragsarzt selbst nicht auf eine Tätigkeit in dem gewählten Schwerpunkt beschränkt ist (vgl § 22 der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer auf der Grundlage der Beschlüsse des 95. Deutschen Ärztetages 1992). Ob darüber hinaus von dem Erfordernis der übereinstimmenden Fachgebietszugehörigkeit beim Zusammentreffen eng verwandter oder sich inhaltlich überschneidender Fachgebiete ausnahmsweise abgewichen werden kann (so Steinhilper, MedR 1993, 292, 293; ders, NZS 1994, 347, 348) braucht aus Anlaß des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden zu werden. Grundsätzlich ist es jedenfalls mit dem System einer fachlich gegliederten ärztlichen Versorgung nicht zu vereinbaren, wenn der für ein bestimmtes Fachgebiet zugelassene Vertragsarzt einen angestellten Arzt beschäftigt, der die für dieses Gebiet vorgeschriebene Qualifikation nicht erworben hat.

Dem kann nicht mit dem Einwand begegnet werden, der angestellte Arzt stehe in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und könne deshalb vom Praxisinhaber bei seiner Tätigkeit beaufsichtigt und fachlich angeleitet werden. Die Revision beachtet nicht, daß der angestellte Praxisarzt unbeschadet seiner arbeitsrechtlichen Stellung und seiner Weisungsgebundenheit in bezug auf die Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten (§ 32b Abs 3 Ärzte-ZV) in fachlich-medizinischer Hinsicht dieselbe Funktion erfüllt wie der zugelassene Arzt. Anders als der in § 32 Ärzte-ZV angesprochene Assistent führt er die medizinische Behandlung des Patienten nicht nach Anordnung und unter Aufsicht des Vertragsarztes, sondern selbständig in eigener Verantwortung durch. Die Regelungen über das Antrags- und Genehmigungserfordernis (§ 32b Abs 2 Satz 1 und 2 Ärzte-ZV), die Zuständigkeit des Zulassungsausschusses für die Genehmigung (§ 32b Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV), die Eignungsvoraussetzungen (§ 32b Abs 2 Satz 4 iVm § 21 Ärzte-ZV), die Einbeziehung in die Bedarfsplanung (§ 101 Satz 5 SGB V; § 32b Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV) und die Geltung von Altersgrenzen (§ 95 Abs 9 Satz 2 SGB V; § 32b Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV) zeigen, daß er nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit dem Vertragsarzt gleichgestellt ist (so schon Senatsurteil vom 20. September 1995 ≪SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 5 f≫). Seine Stellung entspricht insoweit derjenigen des selbständig arbeitenden Praxisvertreters, der, wie zu Recht aus der Regelung in § 32 Abs 1 Satz 4 Ärzte-ZV in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen des vertragsärztlichen Zulassungsrechts gefolgert wird, ebenfalls derselben oder zumindest einer unmittelbar verwandten Gebietsgruppe angehören muß wie der Vertretene (vgl Schallen, aaO, § 32 RdNr 274 f).

Mit Recht hat das SG schließlich darauf abgehoben, daß die Vorschriften über die Berücksichtigung des angestellten Arztes bei der vertragsärztlichen Bedarfsplanung nur dann sinnvoll zu praktizieren sind, wenn Praxisinhaber und angestellter Arzt derselben Gebietsgruppe angehören. § 32b Abs 2 Satz 3 Ärzte-ZV schreibt vor, daß die Genehmigung der Anstellung zu versagen ist, wenn für den Planungsbereich bereits vor der Antragstellung eine Überversorgung festgestellt war. Die Feststellung der Überversorgung und die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den zuständigen Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen haben, wie sich aus § 101 Satz 4 und 5 sowie § 103 Abs 2 Satz 3 SGB V ergibt, unter Einbeziehung der angestellten Ärzte arztgruppenspezifisch zu erfolgen. Bei der Bedarfsplanung wird deshalb der angestellte Arzt zu dem Fachgebiet gezählt, dem der Praxisinhaber angehört (vgl Abschnitt 9 Nr 40 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung ≪Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte≫ vom 9. März 1993 ≪BAnz Nr 110a vom 18. Juni 1993≫). Die genannten Vorschriften bringen zum Ausdruck, daß auch der angestellte Arzt zur bedarfsgerechten Sicherstellung in dem vom Praxisinhaber vertretenen Fachgebiet beiträgt. Dieser Aufgabenstellung kann er aber nicht gerecht werden, wenn er nicht selbst in dem Fachgebiet weitergebildet ist (vgl Gronwald, Der Arzt und sein Recht, Heft 3/1995 S 4). Hinzu kommt, daß es mit dem Vorrang des niedergelassenen, freipraktizierenden Arztes im System der vertragsärztlichen Versorgung nicht vereinbar wäre, wenn nach Sperrung eines Planungsbereichs wegen Überversorgung weitergebildete Ärzte deshalb von der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeschlossen blieben, weil der Zugang durch nicht entsprechend qualifizierte angestellte Ärzte blockiert ist.

Die Beschränkung der Beschäftigungsmöglichkeiten durch das Erfordernis der übereinstimmenden Gebietszugehörigkeit ist mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar. Es ist schon zweifelhaft, ob hierin überhaupt ein Grundrechtseingriff zu sehen ist, denn das Gesetz hat dadurch, daß es die Möglichkeit zur Beschäftigung angestellter Ärzte geschaffen hat, nicht die Berufsausübung beschränkt, sondern eine nach bisherigem Verständnis der vertragsärztlichen Tätigkeit immanente Einschränkung zugunsten der betroffenen Vertragsärzte gelockert. In jedem Fall ist der Eingriff

sachlich gerechtfertigt, weil er der Sicherung einer hochwertigen, fachlich gegliederten ärztlichen Versorgung dient, ohne die Rechtsposition des an einer Anstellung interessierten Vertragsarztes unzumutbar zu beeinträchtigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE 78, 291

BSGE, 291

SozR 3-5520 § 32b, Nr.2

SozSi 1997, 436

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