Entscheidungsstichwort (Thema)

Schilddrüsenhormonbestimmung. Gynäkologe. fachfremde Leistung. Abgrenzung. Fachgebiet. Berufsrecht. gegliedertes Facharztwesen. Vertrauensschutz. Änderung der Verwaltungspraxis. Information durch Kassenärztliche Vereinigung

 

Leitsatz (amtlich)

Schilddrüsenhormonbestimmungen sind für einen Gynäkologen auch dann als fachfremd nicht abrechenbar, wenn sie im Rahmen der Behandlung der weiblichen Sterilität vorgenommen werden.

 

Orientierungssatz

1. Für die Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete (auch) im kassen- bzw vertragsärztlichen Bereich sind die auf landesgesetzlicher Grundlage beruhenden Bestimmungen der Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern maßgeblich (vgl zuletzt BSG vom 27.10.1987 - 6 RKa 34/86 = BSGE 62, 224 = SozR 2200 § 368a Nr 19).

2. Ein gegliedertes Facharztwesen mit einer arztgruppenbezogenen Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen, die ebenfalls auf die jeweilige Arztgruppe zugeschnitten sind, kann seine Funktion nicht erfüllen, wenn jeder Facharzt Leistungen auf jedem ärztlichen Gebiet ohne Einschränkungen erbringen und abrechnen kann.

3. Aus der unbeanstandeten Abrechnung bestimmter Leistungen über einen längeren Zeitraum erwächst für den betroffenen Kassen- bzw Vertragsarzt kein Recht, auch in Zukunft entsprechend abrechnen zu dürfen (Festhaltung an BSG vom 28.5.1965 - 6 RKa 1/65 = BSGE 23, 97, 104 und BSG vom 18.9.1973 - 6 RKa 14/72 = BSGE 36, 155, 161 = SozR Nr 37 zu § 368a RVO).

4. Es entzieht sich einer generellen Festlegung, wann ein Vertragsarzt bei Änderung der Verwaltungspraxis hinsichtlich der Zuordnung bestimmter Leistungen zu einzelnen Fachdisziplinen beanspruchen kann, von der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vorab informiert zu werden und von der Änderung der Abrechenbarkeit nicht erst nach Abschluß des Quartals durch einen Honorarberichtigungsbescheid in Kenntnis gesetzt zu werden. Ein entsprechender Vertrauensschutz kommt von vornherein nur in Frage, wenn die KÄV Kenntnis davon hatte, daß ein Arzt oder eine Arztgruppe bestimmte Leistungen nicht nur beiläufig und in Einzelfällen, sondern systematisch abrechnen, und die betroffenen Ärzte ihrerseits aus einer langjährigen unbeanstandeten Abrechnung der entsprechenden Leistungen seitens der KÄV den Schluß ziehen durften, die KÄV stelle die Fachgebietszugehörigkeit nicht in Frage.

 

Normenkette

SGB V § 85 Abs. 1, § 95 Abs. 3; EKV-Ä § 31 Abs. 7; SGB V § 82 Abs. 1, § 85 Abs. 4, § 103 Abs. 2 S. 3; BGB § 242; BMÄ Nr 3730; E-GO Nr 3730; ÄWeitBiO BW 1988

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.04.1995; Aktenzeichen L 5 Ka 1127/94)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 13.04.1994; Aktenzeichen S 5 Ka 297/94)

 

Tatbestand

Der als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zugelassene Kläger erbrachte im Quartal III/93 in insgesamt sieben Behandlungsfällen Leistungen zur immunochemischen Bestimmung der Schilddrüsenhormone T3, T4 und TSH nach den Nrn 3730, 3731 und 3733 Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO). Mit Bescheid vom 25. Oktober 1993 strich die Beklagte diese Ansätze mit der Begründung, die immunochemische Schilddrüsen-Hormonbestimmung sei für einen Gynäkologen fachfremd. Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, er müsse Schilddrüsenüberfunktion bzw Unterfunktionen im Rahmen von Sterilitätsbehandlungen und bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung diagnostizieren können, und die nunmehr gestrichenen Leistungen seien bislang stets vergütet worden. Die Beklagte wies den Widerspruch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und verwies ergänzend darauf, dem Kläger komme die Regelung ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM), wonach in bis zu 5 % der Abrechnungsfälle fachfremde Leistungen vergütet werden könnten, nicht zugute, weil die Schilddrüsendiagnostik nicht am Rande des eigentlichen Leistungsspektrums der Frauenheilkunde und Geburtshilfe liege (Bescheid vom 21. Januar 1994).

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Schilddrüsenhormonbestimmungen zu honorieren (Urteil vom 13. April 1994). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung sind Schilddrüsenhormonbestimmungen nicht dem Fachgebiet der Gynäkologie zuzuordnen. Nach dem Inhalt der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg sowie der dazu erlassenen Anlage sei die Endokrinologie Bestandteil der inneren Medizin bzw der Laboratoriumsmedizin, während lediglich die gynäkologische Endokrinologie zur Frauenheilkunde und Geburtshilfe rechne. Die Bestimmung von Schilddrüsenhormonen gehöre nicht zur gynäkologischen Endokrinologie, weil die Schilddrüse keine gynäkologisch-endokrine Drüse sei. Selbst wenn der Kläger für die Behandlung von Fertilitätsstörungen auf die Bestimmung der Schilddrüsenhormone angewiesen sei, führe das nicht zu seiner Berechtigung, entsprechende Hormonbestimmungen selbst erbringen und abrechnen zu dürfen (Urteil vom 5. April 1995).

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger, daß für die Streichung von als fachfremd bewerteten ärztlichen Leistungen eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden sei. Auf § 7 Abs 2 ihres HVM könne sich die Beklagte nicht stützen. Die Frage, ob ein Frauenarzt bestimmte Laboruntersuchungen, für deren Erbringung er qualifiziert sei und die er im Zusammenhang mit der Behandlung von Erkrankungen des gynäkologischen Fachgebietes benötige, erbringen und abrechnen dürfe, betreffe den Zulassungsstatus dieses Arztes (§ 95 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫). In diesen Zulassungsstatus dürfe nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung eingegriffen werden, und diese sei weder in § 85 Abs 2 Satz 4 SGB V noch in § 7 Abs 2 des HVM zu finden. Selbst wenn der berufsrechtliche Grundsatz, wonach sich ein Arzt auf Leistungen aus dem Gebiet zu beschränken habe, für das er zugelassen sei, auch im Kassen- bzw Vertragsarztbereich gelte, folge daraus noch nicht die Berechtigung der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), solche ärztlichen Leistungen von der Honorierung auszuschließen, die sie als fachfremd beurteile. Im übrigen seien Schilddrüsen-Hormonbestimmungen, die im Rahmen der Diagnostik von Fruchtbarkeitsstörungen und im Zusammenhang mit Sterilitätsbehandlungen vorgenommen würden, Bestandteil der gynäkologischen Endokrinologie und damit des Fachgebiets der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Eine sachgerechte Auslegung der maßgeblichen baden-württembergischen Weiterbildungsordnung sowie der dazu erlassenen Anlage, die wörtlich der vom Deutschen Ärztetag beschlossenen Musterweiterbildungsordnung entspreche und im übrigen wörtlich mit der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns übereinstimme, lasse die vom LSG vorgenommene Differenzierung zwischen endokrinen und gynäkologisch-endokrinen Drüsen nicht zu. Im übrigen sei in der Neufassung der Weiterbildungsordnung der baden-württembergischen Ärztekammer vom 17. März 1995 die Bedeutung der gynäkologischen Endokrinologie und der Reproduktionsmedizin für das Fachgebiet der Frauenheilkunde besonders hervorgehoben worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. April 1995 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. April 1994 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, daß die streitbefangenen Schilddrüsen-Hormonbestimmungen für Gynäkologen fachfremd seien, weil sie nicht zu den Laborleistungen zählten, die mit Billigung des Vorstandes der Bundesärztekammer vom Ausschuß für ärztliche Weiterbildung dem Fachgebiet der Gynäkologie zugeordnet worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG erfolgreich (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Das LSG hat zu Recht angenommen, daß die Schilddrüsen-Hormonbestimmungen nach den Nrn 3730 ff E-GO für den Kläger als Gynäkologen fachfremd sind; doch kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilen, ob die angefochtenen Berichtigungsbescheide der Beklagten unter Beachtung des dem Kläger möglicherweise zukommenden Vertrauensschutzes rechtmäßig sind.

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß der Kläger als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe die Schilddrüsenhormonbestimmungen nach den Nrn 3730, 3731 und 3733 E-GO gegenüber der Beklagten nicht abrechnen kann, weil diese Leistungen für ihn fachfremd sind. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidungen der Beklagten ist § 21 Abs 7 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä) in der ab 1. Oktober 1990 geltenden und im Quartal III/93 noch anwendbaren Fassung. Danach prüft die KÄV die Abrechnung der Vertragsärzte auf ihre rechnerische und sachliche Richtigkeit und stellt fehlerhafte Abrechnungen richtig (ähnlich § 34 Abs 4 EKV-Ä in der ab 1. Juli 1994 geltenden Fassung). Im Rahmen dieser Abrechnungsberichtigung war die Beklagte berechtigt, fachfremde Leistungen von der Honorierung auszuschließen, ohne daß es dazu einer ausdrücklichen Regelung im EKV-Ä, in der E-GO oder im maßgeblichen Honorarvertrag (vgl § 14 Abs 1 EKV-Ä) bedarf. Ob die angefochtenen Bescheide der Beklagten auch in § 7 Abs 2 ihres HVM eine rechtliche Grundlage finden, wie das LSG in Auslegung dieser nicht revisiblen (§ 162 SGG) Vorschrift angenommen hat, ist fraglich. Das LSG hat keine Ausführungen dazu gemacht, ob der HVM der Beklagten im Jahre 1993 schon für die Verteilung der von den Ersatzkassen zu entrichtenden Gesamtvergütung an die Vertragsärzte Anwendung gefunden hat, nachdem die Ersatzkassen erst durch das Gesundheits-Strukturgesetz (GSG) zum 1. Januar 1993 in das Gesamtvergütungssystem einbezogen worden waren (vgl Hess, Kasseler Komm, § 85 SGB V RdNr 60). Diese Einbeziehung hat zur Folge, daß die Regelung des § 85 Abs 4 SGB V über die Honorarverteilung auch für die Verteilung der von den Ersatzkassen zu entrichtenden Gesamtvergütung an die Vertragsärzte gilt. Seit dem Inkrafttreten des GSG kann auch die Ersatzkassenvergütung durch einen Honorarverteilungsmaßstab verteilt werden (Jörg, Das neue Kassenarztrecht, 1993, RdNr 397), was bis zum 31. Dezember 1992 nicht der Fall war (Hess, Kasseler Komm, § 85 SGB V RdNr 60). Der EKV-Ä ist jedoch erst zum 1. Juli 1994 an das neue Gesamtvergütungssystem angepaßt worden. Deshalb kann nicht angenommen werden, daß ein ursprünglich nur für den Primärkassenbereich erlassener Honorarverteilungsmaßstab einer KÄV ab dem 1. Januar 1993 automatisch auch für die Verteilung der von den Ersatzkassen entrichteten Gesamtvergütung gegolten hat und mit dem vom LSG festgestellten Inhalt bereits im Quartal III/93 auch für den Ersatzkassenbereich maßgeblich war. Im Hinblick auf den unabhängig von der Ausgestaltung des einzelnen HVM geltenden bundesrechtlichen Grundsatz, wonach fachfremde Leistungen weder im Ersatzkassenbereich noch im (früheren) RVO-Kassenbereich vergütungsfähig waren und sind, bedarf diese Frage hier jedoch keiner abschließenden Klärung.

Der Senat hat seit der Leitentscheidung vom 28. Mai 1965 (BSGE 23, 97 ff) stets daran festgehalten, daß zum einen der einzelne Arzt auch als Kassen- bzw Vertragsarzt verpflichtet ist, seine Tätigkeit auf das Fachgebiet zu beschränken, für das er zugelassen (oder nach früherem Recht: beteiligt) ist. Daraus folgt zum anderen, daß der Kassen- bzw Vertragsarzt für Leistungen, mit denen er in nicht zulässiger Weise sein Fachgebiet überschreitet, grundsätzlich keinen Honoraranspruch gegen seine KÄV hat. Schließlich sind für die Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete (auch) im kassen- bzw vertragsärztlichen Bereich die auf landesgesetzlicher Grundlage beruhenden Bestimmungen der Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern maßgeblich (BSGE 36, 155 ff = SozR Nr 37 zu § 368a RVO; SozR 5528 § 4 Nr 1; BSGE 38, 204 ff = SozR 7325 § 32 Nr 1; BSGE 55, 97 ff = SozR 5520 § 33 Nr 1; BSGE 62, 224 ff = SozR 2200 § 368a Nr 19). In dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 18. Oktober 1995 - 6 RKa 52/94 - (SozR 3-2500 § 95 Nr 7) hat der Senat ausgeführt, daß sich die Bindung des Kassen- bzw Vertragsarztes an die Grenzen seines Fachgebietes auch aus einer Zusammenschau der durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) zum 1. Januar 1989 neugefaßten und zum 1. Januar 1993 durch das GSG modifizierten Vorschriften des vertragsärztlichen Zulassungsrechts im SGB V und in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ergibt. Der Gesetzgeber des GRG und des GSG ist von der klaren Vorstellung einer nach einzelnen ärztlichen Fachgebieten gegliederten ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ausgegangen und hat sich zur Abgrenzung der einzelnen "Arztgruppen" (§ 103 Abs 2 Satz 3 SGB V) auf die auf landesgesetzlicher Grundlage ergangenen Regelungen in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern gestützt. Die Gründe, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Senats unter verfassungsrechtlichen Aspekten für die Aufgliederung der ärztlichen Tätigkeit in verschiedene Fachdisziplinen und die Notwendigkeit der Beschränkung des für ein Fachgebiet zugelassenen Arztes auf die Tätigkeit in diesem Fachgebiet angeführt worden sind, beanspruche nach wie vor Gültigkeit (BSGE 62, 224 ff = SozR 2200 § 368a Nr 19 auch mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). Da der Gesetzgeber bei der Neustrukturierung des Zulassungsrechts zum 1. Januar 1993 erkennbar an die Ergebnisse der Rechtsprechung des Senats zur Notwendigkeit der Aufgliederung der vertragsärztlichen Tätigkeit in verschiedene Fachdisziplinen angeknüpft hat, bedarf es weder für die Normierung der Bindung des Vertragsarztes an die Grenzen des Fachgebietes, für das er zugelassen ist, noch für den Vergütungsausschluß bei fachfremden vertragsärztlichen Leistungen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (aA Schneider, Sozialgerichtsbarkeit 1991, S 238, 240). Ein gegliedertes Facharztwesen mit einer arztgruppenbezogenen Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen, die ebenfalls auf die jeweilige Arztgruppe zugeschnitten sind, kann seine Funktion nicht erfüllen, wenn jeder Facharzt Leistungen auf jedem ärztlichen Gebiet ohne Einschränkungen erbringen und abrechnen kann. Die Tatsache, daß ein niedergelassener Arzt, der systematisch die Grenzen seines Fachgebietes überschreitet, mit berufsrechtlichen Sanktionen seiner Ärztekammer zu rechnen hat, läßt entgegen der Annahme von Schneider (aaO S 240) die Notwendigkeit einer fachgruppenbezogenen Strukturierung der vertragsärztlichen Tätigkeit ebensowenig entfallen wie die Durchsetzung dieser Abgrenzung (auch) durch einen grundsätzlichen Vergütungsausschluß für fachfremde vertragsärztliche Leistungen. Im übrigen hat der Senat mehrfach darauf hingewiesen, daß die Gestaltung der Fachgebietsgrenzen die Einheit des ärztlichen Berufs berücksichtigen muß und insbesondere dann zurückhaltend zu erfolgen hat, wenn ärztliche Leistungen nicht eindeutig bestimmten Fachgebieten zuzuordnen sind oder neue ärztliche Leistungen Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung werden (BSGE 62, 224 ff = SozR 2200 § 368a Nr 19; BSGE 68, 190 ff = SozR 3-2500 § 95 Nr 1).

Zu Recht hat das LSG aus den für den Kläger maßgeblichen Bestimmungen der baden-württembergischen Weiterbildungsordnung in der 1993 geltenden Fassung gefolgert, daß die Bestimmung der Schilddrüsenhormone T3, T4 und TSH für einen Arzt für Gynäkologie fachfremd sind. An der Nachprüfung dieser in Auslegung landesrechtlicher Vorschrift getroffenen Entscheidung ist der Senat nicht deshalb gehindert, weil sich der Geltungsbereich des baden-württembergischen Weiterbildungsrechts nicht über den Zuständigkeitsbereich des LSG hinaus erstreckt (§ 162 SGG). Der Kläger hat hinreichend dargelegt (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG), daß die maßgeblichen Vorschriften des baden-württembergischen Weiterbildungsrechts wörtlich mit den Regelungen in einem anderen Bundesland (Bayern) übereinstimmen und im übrigen in enger Anlehnung an die Vorschriften der Musterweiterbildungsordnung des Deutschen Ärztetages ergangen sind, und daß dies bewußt und gewollt um der Rechtseinheit im gesamten Bundesgebiet Willen geschehen ist (vgl BSGE 56, 45, 51 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 7; BSGE 68, 93, 95 = SozR 3-2500 § 106 Nr 3; SozR 3-2500 § 75 Nr 2). Nach Abschn 1 Ziff 6 der Anlage zur baden-württembergischen Weiterbildungsordnung umfaßt die Frauenheilkunde ua die gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsbiologie. Nach den "Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung" sind in der Weiterbildung "eingehende Kenntnisse" ua in der "Diagnostik und Differentialdiagnostik der gynäkologischen Endokrinologie unter Einbeziehung der Behandlung gynäkologisch-endokriner Störungen zu vermitteln" (Ziff 1.6); dasselbe gilt für die Sterilitätsdiagnostik (Ziff 1.7). Die Endokrinologie ist dagegen Bestandteil der inneren Medizin (Abschn 1 Ziff 10.1 der Anlage zur Weiterbildungsordnung), und die Vermittlung von "speziellen Kenntnissen und Erfahrungen in der Diagnostik und Therapie endokriner Erkrankungen und Stoffwechselleiden einschließlich der endokrinologischen Funktionsteste" ist wesentlicher Inhalt der Weiterbildung zum Internisten (Weiterbildungsrichtlinien Ziff 10.1). Die danach erforderliche Abgrenzung der allgemeinen Endokrinologie von der gynäkologischen Endokrinologie muß in der Weise erfolgen, daß zur gynäkologischen Endokrinologie nur die Diagnostik und Therapie von Gesundheitsstörungen spezifisch gynäkologisch-endokriner Organe zählt, zu denen etwa - wie das LSG ausgeführt hat - die Organe des Ovarbereichs gehören. Schilddrüsenfunktionsstörungen hingegen können bei Frauen wie bei Männern auftreten. Allein die Tatsache, daß der Arzt für Gynäkologie die Schilddrüsenhormon-Bestimmungen im Rahmen gynäkologischer Fragestellungen benötigt, hat nicht zur Folge, daß diese Leistungen Bestandteil des gynäkologischen Fachgebietes werden. Die Therapie von Unter- oder Überfunktionen der Schilddrüse ist Bestandteil des Fachgebietes der inneren Medizin. Es ist in diesem Zusammenhang sachgerecht, die Diagnostik, die einer entsprechenden Therapie vorauszugehen hat, dem Fachgebiet zuzurechnen, in das auch die Therapie einzuordnen ist (vgl BSG SozR 2200 § 368a Nr 20 S 72). Da mithin der Kläger eine von ihm ggf bei einer Patientin diagnostizierte Schilddrüsenfunktionsstörung auch dann nicht selbst behandeln dürfte, wenn diese Behandlung medizinische Voraussetzung für eine erfolgversprechende Therapie der weiblichen Sterilität ist, wird in seine Behandlungsfreiheit nicht unzumutbar eingegriffen, wenn von ihm verlangt wird, die benötigten Schilddrüsen-Hormonbestimmungen durch einen Arzt für innere Medizin vornehmen und auswerten zu lassen. Ob sich an der Abgrenzung von allgemeiner- und spezifisch-gynäkologischer Endokrinologie durch die Neufassung der Anlage zur Weiterbildungsordnung 1995 etwas geändert hat, kann offenbleiben, weil es hier auf das 1993 geltende Recht ankommt.

Obwohl danach die Beklagte die Abrechnung der Leistungen nach den Nrn 3730, 3731 und 3733 E-GO zu Recht als für den Kläger fachfremd angesehen hat, steht noch nicht fest, ob der darauf gestützt Honorarberichtigungsbescheid rechtmäßig ist. Nach den Umständen des Falles kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Verwaltungspraxis der Beklagten hinsichtlich der Abrechenbarkeit von Schilddrüsen-Hormonbestimmungen durch Frauenärzte generell ein Vertrauen des Klägers darauf begründet haben kann, die entsprechenden Leistungen jedenfalls solange erbringen und abrechnen zu dürfen, bis die Beklagte ihn und die anderen betroffenen Ärzte seiner Gebietsgruppe darauf hingewiesen hat, daß sie für die Zukunft ihre Verwaltungspraxis ändern würde. Der Senat hat allerdings entschieden, daß aus der unbeanstandeten Abrechnung bestimmter Leistungen über einen längeren Zeitraum für den betroffenen Kassen- bzw Vertragsarzt kein Recht erwächst, auch in Zukunft entsprechend abrechnen zu dürfen (vgl BSGE 23, 97, 104; BSGE 36, 155, 161 = SozR Nr 37 zu § 368a RVO). Soweit dem Arzt nicht die Erbringung einer bestimmten Leistung durch bestandskräftigen Verwaltungsakt ausdrücklich gestattet worden ist, muß er stets mit Veränderungen hinsichtlich der Abrechenbarkeit seiner Leistungen rechnen, was auch eine Änderung hinsichtlich der fachgebietsbezogenen Zuordnung einzelner Leistungen einschließt (vgl BSGE 23, 104). An dieser Rechtsprechung hält der Senat ausdrücklich fest. Dasselbe gilt für seine Auffassung, wonach im vertragsärztlichen System ein Vergütungsanspruch für gesetz- oder vertragswidrig erbrachte kassenärztliche Leistungen nicht auf bereicherungsrechtliche Gesichtspunkte mit dem Argument gestützt werden kann, die gesetzes- oder vertragswidrig erbrachten Leistungen hätten ggf von anderen Ärzten oder Leistungserbringern erbracht und dann von den Krankenkassen ebenfalls honoriert werden müssen (BSGE 74, 154, 185 = SozR 3-2500 § 85 Nr 6 sowie BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 5). Der Senat hat dargelegt, daß die für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit maßgebenden Rechtsvorschriften auch dazu bestimmt sind, die Funktionsfähigkeit des kassenärztlichen Systems als Ganzes zu sichern, und daß dieser Zweck nicht durch die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze unterlaufen werden darf. Deshalb kann der Kläger einen Honoraranspruch für die von ihm möglicherweise in der Zeit nach Zustellung des hier angefochtenen Berichtigungsbescheides der Beklagten vom 25. Oktober 1993 erbrachten Schilddrüsen-Hormonbestimmungen nicht darauf stützen, diese Leistungen seien im jeweiligen Behandlungsfall notwendigerweise angefallen und hätten von der Beklagten ohnehin vergütet werden müssen. Im streitbefangenen Quartal III/93 kann jedoch die Besonderheit bestehen, daß der Kläger im Hinblick auf eine möglicherweise langjährige Verwaltungspraxis der Beklagten gegenüber allen Gynäkologen, die Schilddrüsen-Hormonbestimmungen erbracht und abgerechnet haben, darauf vertrauen durfte, dies zumindest solange fortsetzen zu dürfen, wie er von der Beklagten keine anderslautende Information erhielt.

Die Fälle, anhand derer der Senat seine Rechtsprechung zur Abgrenzung der Fachgebiete und zum Vergütungsausschluß für fachfremde Leistungen entwickelt hat, sind dadurch gekennzeichnet, daß der jeweils angefochtenen Verwaltungsentscheidung der KÄV Mitteilungen an die betroffenen Ärzte vorangegangen waren, wonach zu einem bestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt eine Vergütung der nunmehr als fachfremd angesehenen Leistungen nicht mehr erfolgen würde. In den einzelnen entschiedenen Fällen hatte die Dauer der Frist zwischen der Bekanntgabe der Änderung der Verwaltungspraxis und dem von der KÄV angekündigten Endzeitpunkt der Honorierung zwischen einigen Monaten (BSGE 23, 97 ff), einem halben Jahr (BSGE 30, 83 ff = SozR Nr 33 zu § 368a RVO) und mehreren Jahren (BSGE 36, 155 ff = SozR Nr 37 zu § 368a RVO) geschwankt. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die von den KÄVen in den früher entschiedenen Fällen zugebilligten Auslauffristen generell oder im jeweiligen Umfang geboten waren. Die Fallkonstellationen zeigen indessen, daß es langjähriger Verwaltungstradition im Bereich der KÄVen entspricht, Änderungen hinsichtlich der Abrechenbarkeit einzelner Leistungen im Rahmen der Fachgebietsabgrenzungen den betroffenen Kassen- bzw Vertragsärzten mitzuteilen, bevor nach der geänderten Praxis verfahren wird. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Anspruch des Vertragsarztes auf ein solches Vorgehen bestehen, zumindest dann, wenn der betroffene Arzt bei rechtzeitiger Information die Leistungen nicht mehr erbracht, sondern an andere Vertragsärzte überwiesen hätte, und damit zumindest die Aufwendungen für die Leistungserbringung hätte einsparen können.

Es entzieht sich allerdings einer generellen Festlegung, wann ein Vertragsarzt bei Änderung der Verwaltungspraxis hinsichtlich der Zuordnung bestimmter Leistungen zu einzelnen Fachdisziplinen beanspruchen kann, von der KÄV vorab informiert zu werden und von der Änderung der Abrechenbarkeit nicht erst nach Abschluß des Quartals durch einen Honorarberichtigungsbescheid in Kenntnis gesetzt zu werden. Ein entsprechender Vertrauensschutz kommt von vornherein nur in Frage, wenn die KÄV Kenntnis davon hatte, daß ein Arzt oder eine Arztgruppe bestimmte Leistungen nicht nur beiläufig und in Einzelfällen, sondern systematisch abrechnen, und die betroffenen Ärzte ihrerseits aus einer langjährigen unbeanstandeten Abrechnung der entsprechenden Leistungen seitens der KÄV den Schluß ziehen durften, die KÄV stelle die Fachgebietszugehörigkeit nicht in Frage. Diese Voraussetzung kann insbesondere erfüllt sein, wenn die Frage der gebietsmäßigen Zuordnung einer bestimmten Leistung Gegenstand von Gesprächen oder Schriftwechseln zwischen einzelnen Ärzten oder ärztlichen Berufsverbänden und den KÄVen gewesen ist und/oder wenn die Fachgebietszuordnung einer bestimmten Leistung Gegenstand von Auseinandersetzungen über den jeweiligen KÄV-Bezirk hinaus ist, so daß von der einzelnen KÄV erwartet werden kann, daß sie gegenüber ihren Mitgliedern ihren eigenen Standpunkt rechtzeitig offenlegt. Ein solcher Sachverhalt könnte hier naheliegen, nachdem das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen in einem den Betroffenen bekannten Urteil vom 13. November 1991 (L 11 Ka 107/88) die Auffassung vertreten hatte, die nuklearmedizinische Bestimmung von Schilddrüsenhormonen sei für Ärzte für Gynäkologie zumindest in eigenen Behandlungsfällen nicht fachfremd. Soweit diese Entscheidung mit der früheren Verwaltungspraxis der Beklagten hinsichtlich der Abrechnung von immunochemischen Schilddrüsen-Hormonbestimmungen durch Gynäkologen übereingestimmt haben sollte, könnte dies für den Schutz des Vertrauens der betroffenen Ärzte gegenüber einer rückwirkenden Änderung der Abrechnungspraxis seitens der Beklagten von Bedeutung sein.

Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen für einer abschließende Entscheidung, ob dem Kläger hinsichtlich der streitbefangenen Leistungen im Quartal III/93 in der soeben dargelegten Weise Vertrauensschutz zugute kommen kann, nicht aus. Das LSG wird zu klären haben, seit wann der Kläger zur (früheren) vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war, seit wann und in welchem Umfang er die immunochemischen Schilddrüsen-Hormonbestimmungen gegenüber der Beklagten abgerechnet hat, wie das Abrechnungsverhalten der Gebietsgruppe der Gynäkologen hinsichtlich der Schilddrüsen-Hormonbestimmungen war, ob über die Frage der Fachgebietszuordnung zwischen dem Kläger und der Beklagten oder zwischen der Beklagten und anderen Ärzten der betroffenen Arztgruppe korrespondiert worden ist und ob die Beklagte erkannt hat oder unschwer hätte erkennen müssen, daß und in welchem Umfang die Gynäkologen Schilddrüsen-Hormonbestimmungen abrechnen. Auf der Grundlage der insoweit zu treffenden Feststellungen wird das LSG zu entscheiden haben, ob der Kläger darauf vertraut hat und darauf hat vertrauen dürfen, daß er die Schilddrüsen-Hormonbestimmungen jedenfalls bis zu einer dem entgegenstehenden Mitteilung seitens der Beklagten hat abrechnen dürfen, und ob dieses Vertrauen unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte für die Zeit bis zur Bekanntgabe des hier angefochtenen Berichtigungsbescheides schutzwürdig ist.

Bei seiner neuen Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 517748

SozSi 1997, 118

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