Leitsatz (amtlich)

Eine Anwesenheitsprämie, die arbeitsvertraglich als fünfprozentiger Zuschlag zum Stundenlohn gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer weniger als drei Tage im Monat gefehlt hat (ausgenommen: bezahlter Urlaub), ist stundenlohnbezogenes Arbeitsentgelt iS von § 68 Abs 1 Nr 1, Abs 2 AFG und deshalb bei der Bemessung des Kurzarbeitergeldes zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AFG § 68 Abs 1 S 1; AFG § 68 Abs 1 S 2 Nr 1; AFG § 68 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 06.12.1983; Aktenzeichen L 5 Ar 434/82)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 19.01.1982; Aktenzeichen S 1 Ar 2287/81)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Kurzarbeitergeldes (Kug) streitig.

Die beigeladene Firma W. zahlte allen Beschäftigten aufgrund einzelvertraglicher Regelung eine Anwesenheitsprämie in Höhe von 5 % des Grundlohnes bzw Gehalts, wenn sie während eines Monats weniger als drei Tage fehlten. Krankheitsbedingte Abwesenheit, mit oder ohne ärztlicher Bescheinigung, und unbezahlter Urlaub galten als solche Fehlzeiten. Arbeitsausfall wegen Kurzarbeit wurde nicht als Fehltag angesehen. Arbeiter und Angestellte im gewerblichen Bereich erhielten im übrigen neben dem Grundlohn (Stundenlohn) bzw Grundgehalt (Monatsgehalt) eine feststehende Leistungszulage und eine Produktivitätsprämie. Die Produktivitätsprämie wurde den Arbeitern in der Produktion leistungsabhängig und den Arbeitern in dem die Produktion tangierenden Bereich in der gleichbleibenden Höhe von 10 % gezahlt. Die Gehaltsempfänger (Meister) in der Produktion erhielten eine Produktivitätsprämie zwischen 5 % und 30 %, die von dem Durchschnitt der in ihrer Abteilung im laufenden Monat erbrachten Mehrleistungen abhängig war. In dem die Produktion tangierenden Bereich erhielten die Angestellten eine feste Produktivitätsprämie in Höhe von 10 %. Die im kaufmännischen Bereich Tätigen erhielten (nur) ein Grundgehalt.

Die Beigeladene, bei der von Januar bis März 1981 kurzgearbeitet wurde, erhielt Kug in der beantragten Höhe. In Kenntnis der Rechtsansicht der Beklagten, wonach die Anwesenheitsprämie bei der Bemessung von Kug außer Betracht bleiben müsse, hatte sie bei der Aufstellung der Lohnausfälle (Abrechnungslisten) für die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer die Anwesenheitsprämie nicht berücksichtigt. Sie traf mit der Beklagten eine Vereinbarung, daß dies der Zahlung von höherem Kug nicht entgegenstehen sollte. Der Kläger vertrat gegenüber der Beklagten die Auffassung, daß die Anwesenheitsprämie bei der Bemessung des Kug zu berücksichtigen sei (Schreiben vom 21. Januar und 11. März 1981). Durch Bescheid vom 9. Juni 1981 lehnte die Beklagte die Zuerkennung eines höheren Anspruchs auf Kug ab, weil die Anwesenheitsprämie kein Arbeitsentgelt iS des Gesetzes darstelle und nicht in jeder Stunde anfalle. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10. August 1981).

Das Sozialgericht (SG) hat unter Zulassung der Berufung die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, daß bei der Berechnung des Kug der Beigeladenen die Anwesenheitsprämie als Arbeitsentgelt gemäß § 68 Abs 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu berücksichtigen sei (Urteil vom 19. Januar 1982).

Durch Urteil vom 6. Dezember 1983 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß anstelle der vom SG getroffenen Feststellung die Beklagte verurteilt werde, der Beigeladenen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1981 Kug unter Berücksichtigung der Anwesenheitsprämie zu zahlen, soweit ihre Arbeitnehmer mit leistungsabhängiger Produktivitätszulage im Bemessungszeitraum nach § 68 Abs 2 AFG und die übrigen in dem Kalendermonat, zu dem die Ausfallzeit gehört, weniger als drei Arbeitstage wegen Krankheit oder unbezahlten Urlaubs gefehlt haben.

Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die im Wege zulässiger Klageänderung erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage sei zulässig und begründet. Die Anwesenheitsprämie sei beim Kug zu berücksichtigen. Arbeitslohn und Arbeitslohnbestandteile seien bei der Bemessung von Kug nach § 68 AFG nur zugrunde zu legen, wenn es sich bei diesen Vergütungen um Arbeitsentgelt handele. Nach dem Wortsinn sei darunter das Entgelt zu verstehen, das der Arbeitnehmer für die Arbeitsleistung als solche erhalte. Die vorliegende Anwesenheitsprämie erfülle diese Voraussetzung, da sie die stetige und deshalb betriebswirtschaftlich wertvollere Arbeitsleistung vergüte. Weiterhin könne nur das Entgelt als Arbeitsentgelt iS des § 68 AFG angesehen werden, welches auf die einzelne Arbeitsstunde bezogen sei. Die Anwesenheitsprämie werde in einem Vomhundertsatz des Stunden- bzw Monatsentgelts gezahlt. Auch das Monatsgehalt sei stundenbezogen, da es durch die im betreffenden Monat geleisteten Arbeitsstunden verdient sei. Diese Auslegung des § 68 AFG stünde nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung (BSG SozR Nr 2 zu § 143g AVAVG; LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1973, 586). Danach könne nur dasjenige Entgelt nicht als Arbeitsentgelt iS des § 68 AFG angesehen werden, das weder seiner Berechnungsweise noch seinem Wesen nach auf Arbeitsstunden bezogen werden könne. Bei den bisherigen Entscheidungen habe es sich um Vergütungen gehandelt, die - wie die Fahrkostenerstattung - in keiner Beziehung zur Arbeitsleistung gestanden oder - wie eine tägliche Anwesenheitsprämie in bestimmter Höhe bei Leistung einer feststehenden, unterhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegenden Mindestzahl von Arbeitsstunden - nicht in der einzelnen Arbeitsstunde verdient worden sei.

Bei den Arbeitnehmern, die in der Ausfallzeit Leistungslohn erhalten hätten, trete gemäß § 68 Abs 2 Satz 1 AFG an die Stelle des Arbeitsentgelts, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in der Arbeitsstunde erzielt hätte, das Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer im letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum mit Leistungslohn vor Beginn des Arbeitsausfalls durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielt habe. Bei ihnen sei das im Bemessungszeitraum erzielte Entgelt durch die Zahl der damals geleisteten Stunden zu teilen. Folglich müsse die Anwesenheitsprämie bei denjenigen Leistungslöhnern Berücksichtigung finden, die sie im Bemessungszeitraum erhalten hätten. Als Empfänger von Leistungslohn seien die Arbeiter und Angestellten (Meister) in der Produktion anzusehen, da ihnen eine Produktivitätsprämie nach individueller Leistung gezahlt worden sei. Der Umstand, daß bei beiden Arbeitnehmergruppen nicht die gesamte Vergütung, sondern nur ein Teil von der individuellen Leistung abhängig sei, nehme der Vergütung nicht den Charakter als Leistungslohn iS des Gesetzes.

Für alle Arbeitnehmer, die in der Ausfallzeit keinen Leistungslohn erhalten hätten, bemesse sich das Kug nach dem Arbeitsentgelt, das die Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in der Arbeitsstunde erzielt hätten. Aus der Formulierung des Gesetzes sowie aus dem Umstand, daß das Kug gemäß § 72 Abs 4 AFG nachträglich gezahlt werde, sei zu folgern, daß es ausreiche, wenn am Ende des Lohnzahlungszeitraumes festgestellt werden könne, welches Entgelt in der Ausfallstunde erzielt worden wäre. Unschädlich sei, daß die Anwesenheitsprämie unter der Bedingung gezahlt werde, daß keine Fehlzeiten von mindestens drei Tagen eintreten würden. Bei allen Arbeitnehmern könne festgestellt werden, wer weniger als drei Tage wegen Krankheit oder unbezahlten Urlaubs gefehlt habe. Diese Personengruppe habe einen Anspruch auf die Berücksichtigung der Anwesenheitsprämie bei der Bemessung von Kug. Der Anspruch auf die Anwesenheitsprämie und deren Berücksichtigung beim Kug bestehe unabhängig davon, ob im Einzelfalle ein Arbeitnehmer an einem Ausfalltag erkranke oder er keinen unbezahlten Urlaub nehme. Bei diesen Umständen handele es sich um Vorteile, wie sie der Kurzarbeit eigen seien und die der Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften nicht ausgleichen müsse.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG. Sie trägt dazu vor: Der Auffassung des LSG, wonach die Anwesenheitsprämie bei der Berechnung des Kug auch bei Zeitlöhnern (Stunde, Monat) zu berücksichtigen sei, könne nicht gefolgt werden. Aus der Regelung des § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG, wonach sich das Kug ua bemesse nach dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in der Arbeitsstunde erzielt hätte, ergebe sich, daß der Stundenlohn die maßgebliche Bemessungsgrundlage darstelle. Diese Auslegung erschließe sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Der Gesetzgeber habe für die Bemessung des Kug nach dem AFG die Regelung des früheren § 143g Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) übernommen, weil sich diese Bemessungsart bewährt habe und in ihrer Anwendung einfacher sei als die bisherige Kug-Bemessung. Im § 143g Abs 1 AVAVG sei der Begriff "Stundenlohn" ausdrücklich enthalten gewesen. Mit der Neufassung des § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG habe der Gesetzgeber keine materiell-rechtliche Änderung gegenüber dem früheren Recht des AVAVG beabsichtigt, so daß davon auszugehen sei, daß Entgeltanteile bei der Kug-Bemessung nur dann Berücksichtigung fänden, wenn sie als zum Stundenlohn gehörig angesehen werden könnten.

Der Stundenlohn sei sowohl von der Qualität als auch der Quantität der geleisteten Arbeit unabhängig. Er werde für die Stunde als Zeitdauer gezahlt. Nach den Feststellungen des LSG sei die Anwesenheitsprämie nur gezahlt worden, wenn eine bestimmte Zahl an Fehltagen nicht überschritten worden sei. Die Zahlung der Prämie sei folglich von der Quantität der Arbeitsleistung abhängig, da eine bestimmte Anzahl von Gesamtarbeitsstunden vorliegen müsse. Aus diesem Grunde könne die Anwesenheitsprämie nicht als Bestandteil des Stundenlohnes angesehen werden. Die betroffenen Arbeitnehmer seien auch nicht in einem Prämien- oder Mischlohn beschäftigt gewesen, weil die Höhe ihres Arbeitsentgelts zum weitaus überwiegenden Teil vom Stundenlohn bestimmt worden sei. Rechtlich gehöre die Prämie nicht zum Entgelt für die einzelne Arbeitsstunde. Sie sei weder ihrer Berechnungsweise noch ihrem Wesen nach auf die in den einzelnen Arbeitsstunden zu erbringende Arbeitsleistung bezogen.

Gleiches müsse auch gelten, wenn bei Monatslöhnern das Kug zu bemessen sei. Bei den Gehaltsempfängern werde das auf der Basis des Monats bemessene Entgelt immer in gleicher Höhe gezahlt, unabhängig davon, welche Normalstundenzahl der einzelne Monat jeweils umfasse.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Dezember 1983 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Behauptung der Beklagten, daß der Stundenlohn unabhängig von der Quantität und der Qualität der geleisteten Arbeit gezahlt werde, sei unrichtig. Vielmehr stelle er den Wert für die normale Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers dar, die der Arbeitgeber in einer Stunde erwarten könne. Die Beklagte berücksichtige nicht, daß sich die Bemessung des Kug nach einem fiktiven Arbeitsentgelt richte, wobei als Berechnungseinheit der Stundenlohn bestimmt sei. Was als Arbeitsentgelt anzusehen sei, bestimme sich grundsätzlich nach den steuer- und sozialrechtlichen Bestimmungen. Zulagen zum Stundenlohn seien, sofern sie Arbeitsentgelt darstellen würden und durch den Arbeitsausfall vom Arbeitnehmer nicht erzielt worden seien, bei der Berechnung des Kug zu berücksichtigen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1981 (§ 95 SGG). Die Beklagte lehnte darin die Gewährung eines höheren Anspruchs auf Kug für die Arbeitnehmer der Beigeladenen ab. Die hiergegen gerichtete Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Der Kläger macht geltend, durch den angefochtenen Verwaltungsakt, der eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht, beschwert zu sein (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG). Der nach § 70 Nr 2 SGG parteifähige Betriebsrat der Beigeladenen ist befugt, den bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen materiell den Arbeitnehmern der Beigeladenen zustehenden Anspruch auf Kug einzuklagen; er handelt insoweit verfahrensrechtlich selbständig als Prozeßstandschafter der Kurzarbeit leistenden Arbeitnehmer (BSGE 38, 94, 97 = SozR 1500 § 75 Nr 4; BSGE 38, 98, 99 = SozR 4100 § 69 Nr 1). Der Geltendmachung dieses Anspruchs steht es verfahrensrechtlich nicht entgegen, daß die Beklagte über den hier streitigen Anspruch auf Kug bereits auf einen Antrag der Beigeladenen hin entschieden hat. Dabei kann offenbleiben, ob diese Entscheidung dem Kläger gegenüber bindend geworden ist (§ 77 SGG), ggf welchen Regelungsumfang sie angesichts der vom LSG festgestellten Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten besitzt, daß sie der Zahlung eines höheren Kug nicht entgegenstehen solle. Die Beklagte hat jedenfalls mit der in dem rechtzeitig angefochtenen Verwaltungsakt enthaltenen sachlichen Entscheidung über den vom Kläger gestellten Antrag auf Zahlung von höherem Kug - nämlich unter Berücksichtigung der Anwesenheitsprämien - den Rechtsweg für eine gerichtliche Überprüfung des streitigen Kug-Anspruchs (wieder) eröffnet (BSG SozR 1500 § 84 Nr 3; § 87 Nr 5).

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist fehlerhaft, weil es die Beklagte darin zu Unrecht ablehnt, die den Arbeitnehmern der Beigeladenen zustehenden Anwesenheitsprämien bei der Bemessung des Kug zu berücksichtigen. Wie aus dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG folgt und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, liegen die Voraussetzungen für den streitigen Kug-Anspruch im übrigen vor. Die Beklagte ist mithin verpflichtet, das aus der begehrten Berücksichtigung der Anwesenheitsprämien folgende höhere Kug zu gewähren, so daß ihre Revision gegen das dem Antrag des Klägers entsprechenden Grundurteil des LSG (§ 130 SGG) ohne Erfolg bleiben muß.

Nach § 68 Abs 1 Satz 1 AFG in der hier maßgebenden Fassung des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656 - EG-EStRG -) wird das Kug für die Ausfallstunde gewährt. Es bemißt sich bei Arbeitnehmern, die im Zeitlohn stehen, grundsätzlich nach dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in der Arbeitsstunde erzielt hätte (§ 68 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG). Für Zeitlohnempfänger, deren Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen ist, wird dieser Wert durch eine den Stundenlohn ergebende Umrechnungsformel entsprechend § 112 Abs 2 Satz 2 AFG ermittelt (§ 68 Abs 1 Satz 3 AFG). Für Arbeitnehmer, die Leistungslohn (Akkordlohn) erhalten, tritt an die Stelle des - kaum feststellbaren - tatsächlichen Lohnausfalls als Bemessungsmaßstab für das Kug der durchschnittliche Stundenlohn aus einem bereits abgerechneten, ggf einem vergleichbaren Lohnabrechnungszeitraum mit Leistungslohn (im einzelnen: § 68 Abs 2 AFG).

Bei der Feststellung des den von dem Kug-Antrag erfaßten Arbeitnehmern der Beigeladenen zustehenden Kug ist die jeweilige Anwesenheitsprämie als Teil des maßgeblichen Stundenlohns nach § 68 AFG zu berücksichtigen; denn auch insoweit handelt es sich um auf die Arbeitsstunde bezogenes Arbeitsentgelt. Wie das LSG festgestellt hat, erhielten die Arbeitnehmer der Beigeladenen diese Anwesenheitsprämie als Zulage zum Grundlohn, ebenso wie Leistungszulagen und Produktivitätsprämien. Es handelt sich bei diesem Lohnsystem folglich um eine Mischung von Zeit-, bzw Akkordlohn und Prämienlohn (sog kombinierter Prämienlohn, vgl Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 1980, § 65 III 2.). Auf diese Erkenntnis haben - entgegen der Auffassung der Beklagten - die unterschiedlichen Höhen von Grundlöhnen und Anwesenheitsprämien keinen Einfluß.

Die Anwesenheitsprämie ist Arbeitsentgelt iS des § 68 AFG. Sie wird den Arbeitnehmern aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen gezahlt und steht deshalb ungeachtet ihrer Zielrichtung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beschäftigung. Sie gehört zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (vgl Giloy/Grundschok/Kleinsorge/Tullius, Komm 2. EStG, § 19 Anm 8; Brenner/Bals, BB, Beilage 20/1984 zu Heft 31 S 2); denn hierzu zählen ohne Rücksicht auf die Art der Zahlung und der Bemessung alle Zuflüsse in Geld oder Geldeswert, die dem Arbeitnehmer aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zufließen, ihn objektiv bereichern und als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen sind (vgl Frotscher, EStG, § 19 Anm 174, 176a). Damit entspricht die Anwesenheitsprämie dem Begriff des Arbeitsentgelts iS des § 14 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - (SGB 4) und der aufgrund § 17 SGB 4 ergangenen Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (ArEV), die hier idF vom 10. Dezember 1980 (BGBl I 2244) zu betrachten ist. Diese Vorschriften gelten zwar unmittelbar nur für die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit -BA- (vgl § 173a AFG iF des SGB 4, § 1 SGB 4). Sie enthalten jedoch bisherige Regelungen ablösende Bestimmungen über (ua) den sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Arbeitsentgelts (vgl Art II § 21 SGB 4, dort insbes. Abs 1 Nr 4), deren allgemeingültiger Charakter es erlaubt, sie für die Ausfüllung dieses Begriffs im Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung entsprechend heranzuziehen, soweit dort nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Das ist für das Arbeitsentgelt iS des § 68 AFG nicht der Fall (ebenso: Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm z. AFG, § 68 Anm 9; Hennig/Kühl/Heuer, Komm z. AFG, April 1984, Erl 2a zu § 68 mit Hinweis auf Erl 2 zu § 112; Schieckel, Komm z. AFG, § 68 II 1). Schließlich ist auch für das Arbeitsrecht anerkannt, daß Anwesenheitsprämien Teile des Arbeitsentgelts sind (vgl Schaub, aaO, § 79 II 3 mwN; s auch BAG in AP Nr 11 zu § 611 BGB-Anwesenheitsprämie).

Für die Bemessung des Kug im Einzelfalle ist allerdings nicht jegliches Arbeitsentgelt heranzuziehen; maßgeblich ist vielmehr nur das, was der Arbeitnehmer im Zeitlohn in der angefallenen Arbeitsstunde erzielt hätte (§ 68 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG), bzw was der Akkordarbeiter in einem früheren Lohnabrechnungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielt hat oder zu erzielen pflegte (§ 68 Abs 2 AFG). Abzustellen ist mithin auf den Stundenlohn (vgl zu der entsprechenden Regelung für das Schlechtwettergeld -SWG- BSG SozR 4100 § 86 Nr 1; ebenso Krebs, Komm z. AFG § 68 Anm 2, 3; Gemeinschafts-Kommentar zum AFG -GK-AFG- § 68 Anm 3). Das Kug soll nämlich - bei Zeitlohnempfängern unmittelbar, bei Akkordlohnempfängern durch eine rückblickende Betrachtung mittelbar - an dem Entgelt ausgerichtet sein, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in den ausgefallenen Arbeitsstunden vermutlich erzielt hätte (BSGE 50, 116, 119 = BSG SozR 4100 § 64 Nr 4). Infolgedessen werden dem Stundenlohn solche arbeitsrechtlichen Leistungen zugerechnet, die Arbeitsentgelt darstellen und die ihrer Berechnungsweise und ihrem Wesen nach auf Arbeitsstunden bezogen sind. Dies folgt aus der auch rechtsgeschichtlichen Übereinstimmung zwischen der Bemessung des Kug und des SWG, für welches dieser Grundsatz bereits zur Anwendung des § 143g AVAVG anerkannt war (vgl BSG SozR Nr 2 zu § 143g AVAVG).

Der Regierungsentwurf zum AFG sah für die Bemessung des Kug die Übernahme der Regelung des § 143g AVAVG über die Bemessung des SWG vor (vgl BR-Drucks 484/67 S 72). So wurde darauf hingewiesen, daß sich diese Bemessungsart in der Praxis bewährt habe und in ihrer Anwendung einfacher sei als die bisherige Kug-Bemessung nach § 121 AVAVG (idF des 3. Änderungsgesetzes zum AVAVG vom 28. Oktober 1960, BGBl I 833), die von dem Unterschied zwischen neun Zehntel des Brutto-Vollohnes und dem Brutto-Kurzlohn als Berechnungsgrundlage ausging, wobei Kug und Kurzlohn zusammen fünf Sechstel des Vollohnes nicht überschreiten durften. Neben einer Vereinfachung der Berechnung wurde eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der Vorschriften über das Kug mit den Vorschriften des SWG angestrebt, da die Bemessungsart auch für das SWG beibehalten wurde (BR-Drucks 484/67 S 74). Der § 68 Abs 1 AFG wurde im Gesetzgebungsverfahren lediglich um die Einfügung des Abs 1 Satz 3, der die Berechnung des Arbeitsentgelts bei Monatslöhnern festlegte, ergänzt.

Nach § 143g AVAVG idF des 2. Änderungsgesetzes zum AVAVG vom 7. Dezember 1959 (BGBl I 705 - 2. AVAVG-ÄndG -) war Bemessungsentgelt für SWG das im letzten Lohnabrechnungszeitraum vor Eintritt des jeweiligen Arbeitsausfalls in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die regelmäßig betriebsüblich am Ausfalltag innerhalb der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit geleistet worden wären. Aufgrund der Kritik der Arbeitgeber an der schwierigen Berechnung des SWG nach § 143g AVAVG aF hatte die Bundesregierung in dem Bericht über die Auswirkungen der Vorschriften zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft auf die Notwendigkeit einer Neuregelung hingewiesen und als Ausgangspunkt für die Bemessung des SWG den Lohn vorgeschlagen, der am Ausfalltag in der Stunde erzielt worden wäre (BR-Drucks 294/62 S 20, 26). Dieser Vorschlag wurde durch das 5. Änderungsgesetz zum AVAVG vom 15. November 1963 (BGBl I 789 - 5. AVAVG-ÄndG -) verwirklicht. Danach wurde das SWG ua je Ausfalltag nach dem Arbeitsentgelt bemessen, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in der Arbeitsstunde erzielt hätte (Stundenlohn). Ausgangspunkt für die Bemessung des SWG war somit der Lohn, der am Ausfalltag in der Stunde erzielt worden wäre, wobei auch regelmäßige Leistungszulagen zu berücksichtigen waren (BT-Drucks IV/1312 S 5). Schon zu § 143g AVAVG aF war anerkannt, daß neben dem Grundlohn und der Leistungszulage auch andere Zulagen der Bemessung des SWG zugrunde zu legen waren. Als bestimmend für die Berücksichtigungsfähigkeit von Zulagen wurde der Entgeltcharakter der Vergütung angesehen (Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, 1961, § 143g Anm 7). Die Frage, ob bestimmte Bezüge als Entgelt zu betrachten waren, richtete sich nach dem Gemeinsamen Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 10. September 1944 (AN 1944, 281). Erschwerniszuschläge für Schmutz-, Säure-, Wasserarbeiten, Mehrarbeitszuschläge und Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeiten (die letztgenannten Zuschläge nur, soweit sie der Lohnsteuerpflicht unterlagen) wurden, da sie Entgelt iS des oa Erlasses darstellten, auch bei der Bemessung des SWG berücksichtigt (Draeger/Buchwitz/Schönefelder, aaO § 143g Anm 7). Diese Einordnung wollte der Gesetzgeber, wie sich aus der oa Begründung für die Neufassung des § 143g AVAVG ergibt, grundsätzlich nicht ändern. Aus der geänderten Berechnungsmethode, wonach als Berechnungsfaktor der fiktive Stundenlohn zugrunde zu legen war, ergab sich jedoch, daß Zulagen und sonstige arbeitsrechtliche Leistungen - auch wenn sie Arbeitsentgelt darstellten - nicht dem Stundenlohn zugerechnet werden konnten, wenn sie weder ihre Berechnungsweise noch ihrem Wesen nach auf die Arbeitsstunden bezogen waren (BSG SozR Nr 2 zu § 143g AVAVG).

Auch aufgrund der von dieser Entwicklung geprägten Rechtslage des § 68 AFG ist die hier streitige Anwesenheitsprämie der Bemessung des Kug mit zugrunde zu legen; denn sie ist in ihrer Berechnungsweise stundenlohnbezogen, da sie jeweils in einem Vomhundertsatz des Stundenlohns gezahlt wird. Sie bezieht sich auch auf die in der einzelnen Arbeitsstunde zu erbringende Arbeitsleistung. Unter einer Anwesenheitsprämie versteht man einen Geldbetrag, der Arbeitnehmern zumeist über den Vertrags- oder Tariflohn hinaus zugesagt wird. Die Besonderheit der Prämie besteht darin, daß der Arbeitnehmer sie überhaupt oder jedenfalls in voller Höhe nur dann erhalten soll, wenn er während eines bestimmten Zeitraumes tatsächlich und ununterbrochen gearbeitet hat. Fehlzeiten lassen die Prämie entfallen oder mindern sie unabhängig davon, aus welchem Grunde der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat (Fenn/Bepler RdA 1973 S 218, 219; Trappe BB 1966, S 128, 129; Spies, Grundprobleme des arbeitsrechtlichen Sonderurlaubs S 84). Sie werden zum Teil für jede geleistete Arbeitsstunde als zusätzlicher Stundenlohn gezahlt oder als Pauschalsummen für einen bestimmten Zeitraum gewährt, wobei dies tage-, wochen- oder monatsweise, halbjährlich oder auch in Form einer Jahresprämie geschehen kann (Wuttke, Anwesenheitsprämien und ähnliche Belohnungsarten S 7). Die Zahlung von Anwesenheitsprämien setzte zu Beginn der sechziger Jahre ein. Anscheinend als Folge des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. Juni 1957 (BGBl I 649), das dem arbeitsunfähig erkrankten Arbeiter einen Arbeitgeberzuschuß zum Krankengeld bis zur Dauer von sechs Wochen gewährte, insbesondere seit dessen Novellierung durch das Gesetz vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913), war auf dem Hintergrund einer permanent angespannten Arbeitsmarktlage eine Zunahme von Krankmeldungen festzustellen. Dies legte die Vermutung nahe, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil davon auf einem Verhalten beruhte, zu dessen Umschreibung sich der Ausdruck "krankfeiern" eingebürgert hatte. Diesem Verhalten entgegenzuwirken, entwickelte man auf Arbeitgeberseite den an tatsächliche Anwesenheit am Arbeitsplatz geknüpften finanziellen Anreiz (Spies aaO S 85; Franke DB 1981, 1669, 1671).

Es ist richtig, daß die Gewährung der Anwesenheitsprämie unmittelbar weder von einem bestimmten Arbeitsergebnis noch von irgendeinem wirtschaftlichen Erfolg abhängig ist. Für ihre Zahlung ist allein die tatsächliche Anwesenheit des einzelnen Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz entscheidend (Wuttke aaO S 7; Delheid/Schreven RdA 1970, 10). Insoweit unterscheidet sich die Anwesenheitsprämie von den Leistungszulagen, die unmittelbar an das Arbeitsergebnis anknüpfen, wobei die Qualität und Quantität des Erzeugnisses sowie sonstige Faktoren, wie zB die Stoffersparnis, honoriert werden (vgl Schaub aaO § 63 II 5; Wuttke aaO S 6). Dieser Unterschied ist jedoch für die Berücksichtigungsfähigkeit von Lohnzulagen bei der Bemessung des Kug ohne Bedeutung. Es ist allgemein anerkannt, daß die steuerpflichtigen Zulagen für die Leistung von Nachtarbeit oder von besonders schmutziger und gefährlicher Arbeit bei der Bemessung des Kug der Stundenlöhner zu berücksichtigen sind (Krebs aaO § 68 Anm 3; GK-AFG § 68 Anm 4; Geffers/Schwarz, AFG § 68 Anm 2; Gebhard, Kurzarbeitergeld, § 68 Anm 13; diesen Standpunkt vertritt übrigens die Beklagte selbst in ihrem Runderlaß 307/76.4 Nrn 25.1 und 25.2). Die Nacht- und Erschwerniszulagen knüpfen ebenso wie die Anwesenheitsprämie nicht an ein Arbeitsergebnis an, sondern berücksichtigen primär die besondere Arbeitsschwierigkeit (Schaub aaO § 63 II 2). Für die Stundenlohnbezogenheit einer Zulage ist mithin nicht allein das damit verbundene Arbeitsergebnis entscheidend, sondern ihr Zusammenhang mit einer vom Arbeitgeber erwarteten zeitlichen Arbeitsleistung. Diese Bedingung erfüllt die hier streitige Anwesenheitsprämie.

Die Anwesenheitsprämie stellt eine Zusatzvergütung dar, die dem Arbeitnehmer gewährt wird, um eine besonders befriedigende Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten zu belohnen. Sie honoriert ein positives Betriebsverhalten des Arbeitnehmers, indem sie für generalisierte Verhaltens- oder Leistungsmerkmale gezahlt wird, die über die gewöhnlichen Anforderungen des Zeit- und Leistungslöhners noch hinausgehen (Knevels/Ortlepp, Gratifikationen, Anwesenheits- und Treueprämien, Tantiemen, S 16). Die Verhaltenspflicht gestaltet die Hauptverpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und gibt ihr den konkreten Inhalt (Schaub aaO § 53 I 3). Wirtschaftlich gesehen stellt die Anwesenheitsprämie eine Art Ergebnisbeteiligung dar, denn sie führt dazu, daß der Arbeitnehmer durch seine von Fehltagen nicht unterbrochene Mitarbeit zu einer Verminderung von Fehlzeiten und damit zum betrieblichen Erfolg beiträgt. Erfüllt der Arbeitnehmer die ihm obliegende besondere Verhaltenspflicht, indem er pünktlich seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und anwesend bleibt, dann hat er bereits mit der ihm obliegenden Arbeitsleistung begonnen (BAG AP Nr 2 zu § 611 BGB-Anwesenheitsprämie). Dafür wird er normalerweise mit seinem Lohn oder Gehalt abgefunden. Außerdem belohnt der Arbeitgeber allerdings etwas, worauf er keinen Anspruch hat, nämlich, daß seine Arbeitnehmer nicht aus Krankheitsgründen oder einem anderen (auch berechtigten) Grunde fehlen. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber allein für diesen Beginn und die stetige Arbeitsleistung eine zusätzliche Vergütung zahlt und zudem jede einzelne Fehlarbeitsstunde prämienschädlich berücksichtigt, dann stellt diese Anwesenheitsprämie auch einen Teil der Gegenleistung für die in der einzelnen Arbeitsstunde geleistete Arbeit dar und ist bei der Bemessung des Kug zu berücksichtigen.

Daran ändert es nichts, daß die Anwesenheitsprämie unter der aufschiebenden Bedingung gezahlt wurde, daß während eines Monats volle Anwesenheit bzw weniger als drei Fehltage bestehen. Die Zahlung der Anwesenheitsprämie war somit zwar nicht nur von der einzelnen Arbeitsstunde, sondern auch von der Quantität der monatlichen Arbeitsleitung abhängig. Dieser Zusammenhang allein spricht aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegen ihre Einordnung als Bestandteil des Stundenlohns iS des § 68 AFG. Obwohl der Stundenlohn im arbeitsrechtlichen Sinne grundsätzlich nicht abhängig ist von der Quantität und der Qualität der geleisteten Arbeit (Schaub aaO § 67 II 4), und auch im Falle der Schlecht- oder Minderleistung der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet bleibt, die vereinbarte Vergütung zu zahlen, hat der Zeitlöhner vertraglich die Arbeit zu leisten, die nach Treu und Glauben billigerweise erwartet werden kann (Schaub aaO § 45 VI 1). Eine vom Arbeitnehmer zu vertretende Schlecht- oder Minderleistung läßt ggf einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers erwachsen (Schaub aaO § 67 II 4). Gleichwohl bedeutet dieses Prinzip nicht, daß an die Quantität anknüpfende Lohnbestandteile dem Stundenlohn nicht zurechenbar wären. So ist anerkannt, daß vom Stundenlohn iS des § 68 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG nicht nur die reine Zeitvergütung, sondern auch eine gleichbleibende Lohnzulage wie beispielsweise die Leistungszulage erfaßt wird (Gebhardt aaO § 68 Nrn 12, 13). Auch eine solche Leistungszulage kann aber wie die Anwesenheitsprämie an die Quantität der Arbeitsleistung anknüpfen.

Nach der vom LSG festgestellten gleichbleibenden Höhe der Zulagen und Prämien ist für die von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer der Beigeladenen die Höhe des fiktiven (weil ausfallenden) Arbeitsentgelts für jede Stunde genau feststellbar. Auch die Anwesenheitsprämie ist in dieser Weise zu errechnen, zumal da sie als arbeitsvertraglicher Bestandteil des Grundlohns regelmäßig gewährt wurde. Ohne entscheidenden Einfluß darauf bleibt es, daß sie an die Bedingung einer bestimmten monatlichen Anwesenheit des Arbeitnehmers geknüpft worden ist. Der einzelne Arbeitnehmer hat nämlich trotz dieser Regelung auf die Anwesenheitsprämie einen im wesentlichen ebenso gesicherten Anspruch gehabt wie auf den Grundlohn bzw das Grundgehalt. Die vorliegende Bedingung, deren Eintritt vom Arbeitnehmer selbst abhängt, hindert nicht, daß er mit der Zahlung rechnen kann (vgl BSG vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 -). Für die Kalkulierbarkeit und Erwartung einer Leistung kommt es nicht darauf an, daß eine dreitägige Abwesenheit wegen Krankheit oder unbezahlten Urlaubs den Anspruch ausschließt.

An dieser Stelle ist zudem zu beachten, daß die Anwesenheitsprämie der Beigeladenen, soweit der zwingende Charakter von Lohnfortzahlungsbestimmungen (§ 1 Abs 1 Satz 1 Lohn-FG, § 616 Abs 2 Satz 2 BGB, § 63 Abs 1 Satz 1 HGB) reicht, offenbar unwirksam ist (vgl BAG AP Nr 11 zu § 611 BGB-Anwesenheitsprämie und die Anmerkung dazu von Fenn). Ein Anspruch auf Zahlung der Anwesenheitsprämie entfällt nämlich nach gefestigter Rechtsauffassung nicht bereits bei einer dreitägigen krankheitsbedingten Abwesenheit, sondern erst bei krankheitsbedingten Fehlzeiten über einen Sechs-Wochenzeitraum hinaus. Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) zunächst derartige Anwesenheitsprämienregelungen uneingeschränkt zugelassen hatte (BAGE 14, 38, 40; 19, 300, 303), erfolgte durch Urteil vom 29. Januar 1971 (BAGE 23, 178, 182) eine erste Eingrenzung. Laufend gezahlte Anwesenheitsprämien wurden danach als Teil des Arbeitsentgelts eingestuft und mußten deshalb bei der Berechnung der Höhe des vom Arbeitgeber zu zahlenden Zuschusses zum Mutterschaftsgeld miteingerechnet werden. In einer späteren Entscheidung vom 4. Oktober 1978 (BAG AP Nr 11 zu § 611 BGB-Anwesenheitsprämie) stellte das BAG fest, daß Arbeitnehmern über den Bereich des § 63 HGB hinaus im Krankheitsfalle das volle Arbeitsentgelt und damit auch die laufend gezahlte Anwesenheitsprämie gezahlt werden muß. In Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung entschied das BAG durch das Urteil vom 19. Mai 1982 (BAGE 39, 67, 72 = AP Nr 12 zu § 611 BGB-Anwesenheitsprämie), daß auch die jährlich gezahlte Anwesenheitsprämie wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten für die Zeit der ersten sechs Wochen der Erkrankung nicht gekürzt werden darf (vgl dementsprechend für Kürzungen einer Weihnachtsgratifikation wegen Fehlzeiten nach Ablauf des Sechs-Wochen-Zeitraums BAG vom 23. Mai 1984, AP Nr 14 zu § 611 BGB-Anwesenheitsprämie; BB 1984, 2132). Das LSG hat nach dem Tenor seiner Entscheidung diese Rechtsprechung des BAG offenbar nicht berücksichtigt, die einen möglicherweise weiterreichenden arbeitsvertraglichen Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf die Anwesenheitsprämie zur Folge haben könnte. Für die Entscheidung über die Revision der Beklagten kommt es hierauf jedoch wegen des Verbots der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers nicht mehr an.

Der Senat pflichtet nach allem dem LSG bei, daß die Beklagte bei der Höhe des Kug-Anspruchs die den kurzarbeitenden Arbeitnehmern der Beigeladenen für die nach § 68 Abs 1 Nr 1 bzw Abs 2 AFG maßgeblichen Arbeitsstunden arbeitsvertraglich zustehenden Anwesenheitsprämien als Teil des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts zugrunde zu legen hat. Hinsichtlich der Zuordnung der einzelnen Arbeitnehmergruppen zu den Bereichen der Empfänger von Zeit- bzw Leistungslohn läßt das Urteil des LSG keine Rechtsfehler erkennen. Soweit das LSG festgestellt hat, daß die Arbeitnehmer der Beigeladenen den Anspruch auf die Anwesenheitsprämie auch für Ausfalltage im Kurzarbeitszeitraum behielten, an denen sie erkrankt waren oder Besorgungen erledigten, für die sie bei Vollarbeit unbezahlten Urlaub hätten nehmen müssen, hat die Beklagte dies nicht angegriffen (§ 163 SGG). Der Rechtsauffassung des LSG, daß solche Sachverhalte im Einzelfalle den aus der Berücksichtigungsfähigkeit der Anwesenheitsprämie folgenden Kug-Anspruch nicht schmälern können, ist deshalb zuzustimmen.

Die Revision der Beklagten muß nach allem zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661950

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