Leitsatz (amtlich)

1. In dem um die Höhe des Schlechtwettergeldes geführten Prozeß kann der Arbeitnehmer mittels einfacher Beiladung gemäß § 75 Abs 1 S 1 SGG beteiligt werden. Die alleinige Prozeßführungsbefugnis des Arbeitgebers steht dem nicht entgegen.

2. Bei der Bemessung des Schlechtwettergeldes von Leistungslohnempfängern sind gemäß § 86 Abs 2 S 1 AFG in den Bemessungszeitraum ggf Lohnabrechnungszeiträume aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen einzubeziehen, und zwar so viele, bis sie insgesamt mindestens 13 Wochen umfassen.

 

Normenkette

SGG § 75 Abs 1 S 1 Fassung: 1953-09-03; SGG § 75 Abs 2 Fassung: 1953-09-03; AFG § 68 Abs 2 Fassung: 1969-06-25, § 86 Abs 2 S 1 Fassung: 1972-05-19

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 09.10.1980; Aktenzeichen L 9 Al 100/78)

SG Bayreuth (Entscheidung vom 12.04.1978; Aktenzeichen S 6 Al 83/77)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berechnung des Schlechtwettergeldes (SWG) des Beigeladenen für die Ausfalltage vom 22. bis 26. November 1976.

Der Beigeladene war in seinem Beruf als Pflasterer-Facharbeiter vom 16. März bis 23. Juli 1976 in N (Ng) sowie vom 26. Juli bis 25. September 1976 bei der Firma S - (S,) in N (N) beschäftigt. Seit dem 11. Oktober 1976 arbeitete er - überwiegend gegen Akkordlohn - als einziger Beschäftigter dieser Art bei der Klägerin. Dort wurde ihm - bei monatlicher Lohnabrechnung - die Abrechnung für Oktober am 5. November 1976 und für November am 6. Dezember 1976 erteilt. Aus dem bereinigten Entgelt für Oktober ergibt sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von 11,99 DM; aus dem bereinigten Entgelt für die gesamte Beschäftigungszeit bei der Klägerin bis zum ersten Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit am 22. November 1976 ergibt sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von 15,25 DM.

In ihrer Abrechnung für November 1976 gab die Klägerin den auf eine Stunde umgerechneten Akkordlohn des Beigeladenen mit 17,75 DM an und verlangte deshalb für 5 x 8 Stunden Arbeitsausfall in der Zeit vom 22. bis 26. November 1976 je 8,42 DM SWG, zusammen 336,80 DM. Die Beklagte bewilligte die beantragte Leistung mit Bescheid vom 16. Dezember 1976 unter dem Vorbehalt der Rückforderung, falls sich nach Prüfung der Arbeitszeit- und Lohnunterlagen des Betriebes eine geringere Leistung ergebe.

Nachdem die Beklagte bei der Betriebsprüfung festgestellt hatte, daß der Beigeladene bei der Klägerin in der Zeit vom 11. Oktober bis 19. November 1976 einen auf die Arbeitsstunde umgerechneten - bereinigten - Durchschnittslohn von 15,25 DM erzielt hatte, berechnete sie mit Bescheid vom 2. Februar 1977 das SWG neu, legte hierbei jedoch nicht diesen Betrag, sondern einen gemäß § 4 Nr 7 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV-Bau) ermittelten fiktiven Durchschnittslohn von 13,25 DM (10,40 DM tariflicher Zeitlohn zzgl 25 % + 0,25 DM vermögenswirksame Leistungen) zugrunde. Da sich hiernach nur ein SWG von 6,35 DM je Ausfallstunde ergab, hob die Beklagte insoweit ihren früheren Bewilligungsbescheid auf und forderte die überzahlten 82,30 DM zurück.

Widerspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. April 1977, Urteil des Sozialgerichts -SG- Bayreuth vom 12. April 1978). Die Berufungen der Klägerin und des Beigeladenen, mit denen sie die Aufhebung des Bescheides vom 2. Februar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 1977 begehrt haben, hatten ebenfalls keinen Erfolg (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 9. Oktober 1980). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Das SWG könne nicht nach dem Entgelt berechnet werden, das der Beigeladene oder ein gleichartig Beschäftigter im Betrieb der Klägerin erzielt habe. Beide in § 86 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vorgesehenen Berechnungsmethoden seien im vorliegenden Falle nicht anwendbar, weil der Beigeladene bei der Klägerin nicht mindestens 13 Wochen beschäftigt gewesen und ein gleichartig Beschäftigter in deren Betrieb nicht vorhanden gewesen gewesen sei. Eine Bemessung der Leistung nach dem Entgelt auch in anderen Betrieben als dem Beschäftigungsbetrieb vor dem Leistungsfall, wie sie nach § 112 AFG stattfinden könne, sei dem SWG und dem Kurzarbeitergeld (Kug) wesensfremd. Als Bemessungsentgelt komme vielmehr ausschließlich das Entgelt in Betracht, das der Arbeitnehmer in dem Betrieb erzielen würde oder erzielt habe, in dem der Arbeitsausfall eintrete; denn beim SWG und beim Kug handele es sich um Leistungen, die das konkrete Arbeitsentgelt ersetzen sollten, das der Arbeitnehmer in dem bestimmten Betrieb ohne Arbeitsausfall erzielt hätte. Dies schreibe § 86 Abs 1 AFG mit seiner Verweisung auf § 68 AFG ausdrücklich für den Fall der Zeitlohngewährung vor. Für die Bemessung des SWG bei Leistungslohngewährung gelte nach § 86 Abs 2 AFG, wie dessen Entstehungsgeschichte ergebe, nichts anderes. Die Ersatzberechnung nach § 86 abs 2 Satz 2 AFG sei daher ebenfalls nicht möglich. Als gleichartig Beschäftigter könne entsprechend dem Zweck des SWG und wegen der Verknüpfung mit dem grundsätzlichen Berechnungsmodell des § 86 Abs 2 Satz 1 AFG nur ein Arbeitnehmer des gleichen Betriebes in Betracht kommen, wofür im übrigen auch Gründe der Praktikabilität sprächen. Die Beklagte sei daher nicht gehalten gewesen, in die Bemessungsgrundlage auch Verhältnisse von Arbeitnehmern in anderen Betrieben einzubeziehen. Es sei unbedenklich, wenn die Beklagte zur Ausfüllung der bestehenden Gesetzeslücke in Anlehnung an den Grundgedanken des § 112 Abs 7 AFG auf die tarifliche Regelung in § 4 Nr 7 BRTV-Bau zurückgegriffen habe, da andere zu erwägende Berechnungsmethoden zu einem erheblichen Nachteil für den Beigeladenen führen würden. Die Beklagte habe somit das SWG zutreffend endgültig festgestellt. Zur Rückzahlung des überzahlten Betrages sei die Klägerin aufgrund des bei der vorläufigen Zahlung mit ihren Einverständnis gemachten Vorbehalts verpflichtet.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 86 Abs 2 AFG und führt hierzu aus: Entgegen der Auffassung des LSG enthalte diese Bestimmung keine Lücke, die mit der von der Beklagten angewandten Berechnungsmethode ausgefüllt werden könne. In § 86 Abs 2 AfG werde eindeutig nicht auf die Verhältnisse des jeweiligen Betriebes, in dem der Arbeitsausfall eintrete, abgestellt, so daß zur Berechnung des SWG ohne weiteres vorhergehende Beschäftigungsverhältnisse bei anderen Arbeitgebern in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden könnten. Da Pflasterer durchweg im Leistungslohn und selten mehr als 13 Wochen bei einem Arbeitgeber beschäftigt seien, hätten sie niemals Anspruch auf das volle SWG nach ihrem bisherigen Entgelt, sondern müßten sich immer mit dem tariflichen Akkordlohn bescheiden. Dies widerspreche eindeutig Art 3 des Grundgesetzes (GG). Der Beigeladene erfülle die gleiche Arbeitsleistung wie Pflasterer, die nur bei einem Arbeitgeber bzw bei einem Arbeitgeber länger als 13 Wochen beschäftigt seien. Selbst wenn davon ausgegangen werde, daß § 86 Abs 2 Satz 1 AFG keine Anwendung finde, müsse doch § 86 Abs 2 Satz 2 zur Anwendung kommen, wonach - mangels gleichartig Beschäftigter im Betrieb der Klägerin - auf die Verhältnisse gleichartig Beschäftigter in anderen Betrieben hätte zurückgegriffen werden müssen. Derartige Vergleichspersonen, die sehr wohl vorhanden seien, erzielten durchweg übertarifliches Entgelt bzw höheres Entgelt, als es die Beklagte bei ihrer Berechnung zugrunde gelegt habe. Deshalb hätte das LSg das durchschnittliche Arbeitsentgelt eines gleichartig Beschäftigten in einem anderen Betrieb ermitteln müssen, weil der fiktive tarifliche Stundenlohn keinen gerechten Ausgleich für den Arbeitsausfall des Beigeladenen in der Schlechtwetterperiode darstelle.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Oktober 1980,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 12. April 1978 sowie

den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 1977 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheides vom 19. April 1977 aufzuheben.

Der Beigeladene, der ebenfalls Revision eingelegt hat, schließt sich dem Antrag der Klägerin an und führt zur Begründung seiner Revision ergänzend aus, das LSG habe verkannt, daß die Regelung des § 68 Abs 2 Satz 1 AFG vollständig durch § 86 Abs 2 AFG ersetzt werde. Für die Auslegung dieser Vorschrift bedeute dies, daß eine Rückbeziehung auf § 68 Abs 2 Satz 1 AFG auslegungsmethodisch nicht zulässig sei. Der § 86 Abs 2 AFG sei aus sich heraus nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck auszulegen. Im Unterschied zu der Regelung in § 68 Abs 2 Satz 1 AFG stelle § 86 Abs 2 AFG nicht auf die im selben Betrieb mindestens 13 Wochen umfassenden Lohnabrechnungszeiträume oder auf den Durchschnittsverdienst eines dort gleichartig Beschäftigten ab. Dieser unterschiedlichen Formulierung des Gesetzestextes liege eine bewußte Absicht des Gesetzgebers zugrunde, in Fällen der vorliegenden Art zur Ermittlung des durchschnittlichen Stundenlohnes auf die in einem anderen Betrieb zurückgelegten Beschäftigungszeiten zurückzugreifen. Eine vergleichbare Regelung finde sich in § 112 Abs 3 Satz 1 und 2 AFG. Die hierzu vom erkennenden Senat angestellten rechtlichen Erwägungen (Urteil vom 12. Februar 1980 - 7 RAr 112/78 -), wonach auf weiter zurückliegende Beschäftigungszeiten zurückgegriffen werden könne, wenn aus der letzten Beschäftigung allein die Mindestanzahl von Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt werde, träfen in gleicher Weise für die Anwendung des § 86 Abs 2 AFG zu. Erst wenn danach eine Berechnung nicht möglich sei, stelle sich die Frage der Heranziehung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts eines gleichartig Beschäftigten, wobei dieser nicht demselben Betrieb angehören müsse.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin und des Beigeladenen zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug, die sie für zutreffend hält.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig und mit der Maßgabe begründet, daß der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Dies gilt auch für die Revision des Beigeladenen. Der Zulässigkeit seiner Rechtsmittel steht nicht entgegen, daß er nur nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGG beigeladen ist. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, darf auch ein einfach Beigeladener - mit der Einschränkung, daß er keine abweichende Sachanträge stellen darf (§ 75 Abs 4 Satz 2 SGG) - selbständig Rechtsmittel einlegen, wenn das ergangene Urteil ihn beschwert. Das ist der Fall, wenn das Urteil seine berechtigten Interessen berührt und dem Inhalt nach für ihn ungünstig ist (vgl BSG SozR Nr 34 zu § 75 SGG; BSGE 18, 131 = SozR Nr 9 zu § 160 SGG; BSG SozR 1500 § 161 Nr 1; BVerwGE 31, 233; 37, 43, 45; BVerwG DVBl 1982, 73). Dies trifft für den beigeladenen Revisions- und Berufungskläger zu; denn es sind mit Wirksamkeit ihm gegenüber Urteile ergangen, die seine Interessenlage beeinträchtigen bzw für ihn ungünstig sind. Eine Beschwer für die Rechtsmittel des Beigeladenen ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beiladung zu Unrecht erfolgt ist (vgl Kopp, VwGO, 5. Aufl, Vorbem vor § 124, RdNr 47 mwN; BVerwGE 31, 233 f; 37, 43, 44; 47, 19, 20; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl, Vorbem vor § 143, Anm 9 und § 75 Anm 19). Die Beiladung ist nicht zu Unrecht erfolgt. In dem zwischen dem Arbeitgeber und der Bundesanstalt für Arbeit (BA) geführten Prozeß um SWG des Arbeitnehmers kann der Arbeitnehmer jedenfalls als einfach Beigeladener iS von § 75 Abs 1 Satz 1 SGG beteiligt werden, wenn - wie im vorliegenden Falle - der Rechtsstreit um die Höhe seines SWG geführt wird. Dem steht weder entgegen, daß der Arbeitnehmer selbst materiell-rechtlich Inhaber des streitigen Anspruchs ist, noch läuft die einfache Beiladung der besonderen Regelung der Klage- bzw Prozeßführungsbefugnis im SWG-Prozeß zuwider. Der Arbeitnehmer ist im Verhältnis zu den Hauptbeteiligten dieses Prozesses "anderer" iS von § 75 Abs 1 Satz 1 SGG, dessen berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden.

Hierbei bedarf es keiner Entscheidung der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob der materiell an dem streitigen Rechtsverhältnis Beteiligte schon aus begrifflichen Gründen nicht zu dem Prozeß, den sein Prozeßstandschafter für ihn führt, beizuladen ist, weil die Entscheidung materiell nur ihn - also keinen "Dritten" - betrifft (BVerwGE 35, 247, 248 zu § 65 VwGO), oder ob hinsichtlich der Erforderlichkeit der Beiladung darauf abzustellen ist, ob an dem streitigen Rechtsverhältnis jemand beteiligt ist, der noch nicht "Verfahrensbeteiligter" ist, also grundsätzlich auch der Träger des materiellen Rechts im Prozeß seines Prozeßstandschafters notwendig beizuladen ist (BSG SozR Nr 3 zu § 69 SGG), sofern nicht die besondere Ausgestaltung der Klage- bzw Prozeßführungsbefugnis dem entgegensteht (vgl hierzu auch BSG SozR 1500 § 75 Nr 33). Bei den vorgenannten Entscheidungen geht es vornehmlich um die im Rahmen der notwendigen Beiladung (§ 75 Abs 2 SGG, § 65 Abs 2 VwGO) zu entscheidende Frage, wonach es sich richtet, ob ein Dritter an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Demgegenüber handelt es sich im vorliegenden Falle um eine einfache Beiladung iS von § 75 Abs 1 Satz 1 SGG, bei der darauf abgestellt ist, ob ein anderer in seinen berechtigten Interessen durch die Entscheidung berührt wird. Deshalb ist der Senat durch keines der vorgenannten Urteile an einer abweichenden Entscheidung gehindert: Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG- (BVerwGE 35, 247, 248) - auch soweit es eine Gleichstellung des Dritten mit dem anderen iS von § 65 Abs 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erkennen läßt - schon deshalb nicht, weil § 65 Abs 1 VwGO ein Berührtsein des anderen in seinen "rechtlichen" Interessen voraussetzt, während § 75 Abs 1 Satz 1 SGG auf die "berechtigten Interessen" des anderen abstellt und damit auch der Begriff des "anderen" iS von § 75 Abs 1 Satz 1 SGG von dem des "anderen" iS von § 65 Abs 1 VwGO abweicht. In dem vom 3. Senat entschiedenen Fall (BSG SozR Nr 3 zu § 69 SGG) ist die Notwendigkeit der Beiladung des Rechtsinhabers bei gewillkürter Prozeßstandschaft eines Dritten bejaht worden, ohne daß in diesem Falle zu der Frage Stellung zu nehmen war, inwieweit bei einer gesetzlichen Prozeßstandschaft infolge der besonderen Ausgestaltung der Prozeßführungsbefugnis die Beiladung des Rechtsinhabers ausgeschlossen sein kann.

Ist für die notwendige Beiladung des Trägers des materiell-rechtlichen Anspruchs deshalb kein Raum, weil sein Anspruch im Prozeß von einem kraft Gesetzes hierzu ermächtigten Prozeßstandschafter allein geltend gemacht werden kann, so schließt dies jedenfalls seine einfache Beiladung nicht grundsätzlich aus (so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd I/2 S 234x). Dies gilt auch für die Rechtsstellung des Arbeitnehmers im Prozeß zwischen seinem Arbeitgeber und der BA um seinen Anspruch auf SWG. Dem Arbeitnehmer ist zwar, wie der Senat bereits zur früheren, im wesentlichen gleichartigen Regelung des SWG in §§ 143d ff des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) entschieden hat (BSGE 33, 64, 66 = SozR Nr 5 zu § 1431 AVAVG; zu § 88 AFG s auch BSG SozR 1500 § 75 Nr 10 mwN; zu der entsprechenden Regelung des Kug in § 72 AFG vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 4; BSGE 38, 98 = BSG SozR 4100 § 69 Nr 1), als Folge der besonderen Ausgestaltung des Feststellungs- und Bewilligungsverfahrens (§ 88 AFG) die Prozeßführungsbefugnis entzogen, und zwar in vollem Umfange, weil sich diese Befugnis nur auf den geltend gemachten Anspruch als Ganzes beziehen kann, nicht aber auf einzelne Elemente seiner Begründung (vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 4; offengelassen in BSGE 33, 64, 66). Dies bedeutet, daß eine notwendige Beiladung der Arbeitnehmer ausgeschlossen ist, weil damit die vom Gesetzgeber im SWG-Bereich erstrebte Verfahrensvereinfachung durchkreuzt würde (so auch Stern, Rechtsschutz im Sozialrecht, 1965, 243 ff, 245). Dies schließt jedoch ihre einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGG nicht aus. Ist der Arbeitnehmer von jeglicher gerichtlicher Durchsetzung seines Anspruchs ausgeschlossen, so hat er im Verhältnis zu seinem Prozeßstandschafter (Arbeitgeber), der seinen Anspruch allein im eigenen Namen geltend zu machen berechtigt ist, die Rechtsstellung eines "anderen", dessen Rechte durch die Entscheidung berührt werden können; der Arbeitnehmer ist nicht selbst Partei - Kläger oder Beklagter - dieses Verfahrens, so daß seine Beiladung nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGG nicht bereits begrifflich ausgeschlossen ist.

Durch die einfache Beiladung wird die besondere Rechtsstellung des prozeßführungsberechtigten Arbeitgebers nicht beeinträchtigt. Die Befugnis des Arbeitgebers, anstelle und unter Ausschluß des materiell-rechtlich berechtigten Arbeitnehmers auf SWG - wie auf Kug - zu klagen, ist Ausdruck der besonderen Rechtsstellung des Arbeitgebers im Verwaltungsverfahren. Wegen der weitgehend von betrieblichen Verhältnissen abhängigen Leistung des SWG wurden die Nachweis- und Mitwirkungspflichten dem Arbeitgeber (oder dem Betriebsrat) auferlegt. Hierfür sind im wesentlichen Gründe der praktischen Durchführbarkeit der SWG-Regelung maßgebend, weil die allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen des SWG-Anspruchs nur vom Arbeitgeber einheitlich vorgebracht und nachgewiesen werden können. Die Arbeitsverwaltung wäre überfordert, wenn sie anstelle der vom Arbeitgeber mit den notwendigen Unterlagen eingereichten Anzeige- und Antragslisten eine Vielzahl oft unvollständiger Einzelanträge der Arbeitnehmer zu bearbeiten hätte. Ebenso wäre aber der einzelne Arbeitnehmer überfordert, wenn er seinen Anspruch selbst geltend machen müßte, zumal da er die betrieblichen Voraussetzungen regelmäßig kaum erkennen und nachweisen könnte. Durch die hiernach gebotene Regelung des § 88 AFG ist der Arbeitgeber verpflichtet worden, den SWG-Anspruch als Treuhänder seiner Arbeitnehmer geltend zu machen (vgl BSGE 33, 66). Wenn ihm aus dieser Rechtsstellung im Prozeß eine umfassende Prozeßführungsbefugnis - auch hinsichtlich der persönlichen Anspruchsvoraussetzungen - zuwächst, so kann eine einfache Beiladung jedenfalls in den Fällen seine Rechtsstellung nicht beeinträchtigen, in denen - wie im vorliegenden Falle - in dem Rechtsstreit nur noch um die persönlichen Voraussetzungen des SWG-Anspruchs bzw dessen Höhe gestritten wird. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn auch die allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen des SWG-Anspruchs im Streit stünden, kann dahingestellt bleiben, weil hier diese Voraussetzungen nicht mehr streitig sind; der Anspruch des Beigeladenen ist vielmehr bereits versicherungsrechtlich konkretisiert. In derartigen Fällen steht die einfache Beiladung auch nicht der vom Gesetzgeber mit § 88 AFG erstrebten Verfahrensvereinfachung entgegen. Anders als die Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG, die zwingend erfolgen muß - was zu einer unerwünschten Verzögerung des Verfahrens schon deshalb führen kann, weil bei einer Vielzahl betroffener Arbeitnehmer die Beiladung häufig nicht oder nur erschwert durchführbar sein wird -, steht die einfache Beiladung ausschließlich im Ermessen des Gerichts. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Beiladung; das Gericht braucht ihn nicht beizuladen, kann dies aber tun, wenn die Beiladung nach der Sachlage zweckmäßig erscheint. Nicht nur unter dem Aspekt einer erschöpfenden Sachaufklärung (vgl BSGE 7, 183, 185), sondern gerade im Hinblick auf die praktische Durchführbarkeit der SWG-Regelung kann es in Einzelfällen, zB wenn es - wie hier - wesentlich auf Beschäftigungsverhältnisse in anderen Betrieben abkommt, sachgerecht sein, den Arbeitnehmer mittels einfacher Beiladung in das Verfahren einzubeziehen, abgesehen davon, daß der Arbeitgeber selbst ein Interesse an der Beteiligung des Arbeitnehmers haben kann, soweit es um die ihm nicht bekannten persönlichen Anspruchsvoraussetzungen geht. Seine prozessuale Stellung wird durch die einfache Beiladung auch insoweit nicht eingeschränkt, als der einfache Beigeladene im Vergleich zum notwendig Beigeladenen nur eine verminderte prozessuale Stellung erhält. Er hat nicht wie dieser eine dem Hauptbeteiligten weitgehend angenäherte Rechtsstellung (vgl dazu Kopp, VwGO, 5. Aufl, § 66 RdNrn 5 ff), sondern kann nur innerhalb der Sachanträge der Hauptbeteiligten tätig werden, dh er ist hinsichtlich des Streitgegenstandes und der Gestaltung der Prozeßlage an deren Sachanträge gebunden (§ 75 Abs 4 Satz 2 SGG). Auch im Hinblick darauf, daß die betriebliche Treuhand- und Prozeßstandschaft des Arbeitgebers wesentlich auch dem Schutz der Arbeitnehmer vor Anspruchsverlusten dient, ist kein sachlicher Grund ersichtlich, den Arbeitnehmer jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art von der einfachen Beiladung auszuschließen. Die einfache Beiladung hat, wie sich aus der zweiten Fassung des § 75 Abs 1 Satz 1 SGG ergibt, gerade den Zweck, andere, die am Verfahren nicht beteiligt oder zu beteiligen sind, die aber ein berechtigtes Interesse in bezug auf die Entscheidung des Gerichts haben, am Verfahren beteiligen zu "können", um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen zu wahren. Die Beiladung ist im vorliegenden Falle daher zu Recht erfolgt.

Den - mithin zulässigen - Rechtsmitteln des Beigeladenen war der Erfolg auch nicht bereits deshalb zu versagen, weil die von ihm angefochtenen Entscheidungen - ihre Fehlerhaftigkeit unterstellt - ihn nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt hätten (vgl BVerwG DVBl 1982, 73, 74 mwN). Das Urteil des SG wie des LSG berührt die subjektiven Rechte des Beigeladenen, nämlich seinen Anspruch auf SWG.

Ob und inwieweit die Beklagte die frühere Bewilligung des SWG, dessen Berechnung ein Arbeitsentgelt von 17,75 DM je Ausfallstunde zugrunde gelegt war, mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Februar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 1977 aufheben durfte, läßt sich aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Grundlage für die Aufhebung der Bewilligung des SWG ist § 151 Abs 1 AFG idF vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582). Hiernach werden Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG gewährt worden sind, insoweit aufgehoben, als die Voraussetzungen für die Leistungen nicht vorgelegen haben oder nachträglich weggefallen sind. Die Vorschrift ist trotz ihrer Streichung durch Art II § 2 Nr 1 Buchst a des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) für die vor dem 1. Januar 1981 erfolgten Aufhebungen von Bewilligungsbescheiden maßgebend, denn das SGB X ist erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten (Art II § 40 Abs 1 SGB X). Danach konnte der Beklagte die SWG-Bewilligung nur insoweit aufheben, als der Bemessung des SWG ein geringeres Arbeitsentgelt als 17,75 DM je Ausfallstunde zugrundezulegen war.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG hätte der Beigeladene, der im Betrieb der Klägerin überwiegend gegen Leistungslohn beschäftigt war, an den Ausfalltagen vom 22. bis 26. November 1976 Leistungslohn erhalten; der am 22. November 1976 beginnende Arbeitsausfall war dort der erste Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit. Deshalb ist für die Bemessung des SWG des Beigeladenen nicht das fiktive Arbeitsentgelt (Stundenlohn) maßgebend das er ohne Arbeitsausfall in der Arbeitsstunde erzielt hätte )§ 86 Abs 1 iVm § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG), sondern der auf die Arbeitsstunde umgerechnete Durchschnittslohn innerhalb des dem ersten Arbeitsausfall vorangegangenen Bemessungszeitraums nach § 86 Abs 2 Satz 1 AFG. Diese Bestimmung in der hier maßgebenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des AFG vom 19. Mai 1972 (BGBl I 791) sieht für die Bemessung des SWG bei Arbeitnehmern, die für die Ausfallstunden Leistungslohn (Akkordlohn) erhalten hätten, vor, daß an die Stelle des Arbeitsentgelts iS des § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG das Arbeitsentgelt tritt, das sie in den letzten mindestens 13 Wochen umfassenden Lohnabrechnungszeiträumen vor dem ersten Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielt haben. Ist eine Berechnung danach nicht möglich, so ist das durchschnittliche Arbeitsentgelt eines gleichartig Beschäftigten zugrundezulegen (§ 86 Abs 2 Satz 2 AFG).

Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG erfolgte die Lohnabrechnung im Betrieb der Klägerin monatlich. Deshalb gehört in den vorgenannten Bemessungszeitraum nicht der Monat November 1976, in den der erste Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit fällt; dieser bleibt unberücksichtigt (vgl Hennig/Kühl/Heuer, AFG, Stand: Februar 1981, RdNr 8 zu § 86). Der von der Klägerin in der Abrechnung für November angegebene Durchschnittslohn des Beigeladenen für diesen Monat kann daher bei der Bemessung des SWG nicht zugrunde gelegt werden. Als letzte Lohnabrechnungszeiträume iS des § 86 Abs 2 Satz 1 AFG sind vielmehr die Zeiträume anzusehen, die vor dem ersten Arbeitsausfall geendet haben. Dies ist im vorliegenden Falle der Monat Oktober 1976, in dem der Beigeladene im Betrieb der Klägerin beschäftigt war und, falls in der vorhergehenden Beschäftigungszeit vom 26. Juli bis 25. September 1976 bei der Firma S. in N ebenfalls monatliche Lohnabrechnung vereinbart war, die Monate August und September 1976, falls dort wöchentliche Lohnabrechnung vereinbart war, die Wochen am 26. Juli bis 25. September 1976, die jeweils 13 Wochen umfassen. Diese Lohnabrechnungszeiträume sind mit ihrer gesamten kalendermäßigen Dauer zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob in die jeweiligen Lohnabrechnungsperioden Zeiten fallen, für die kein Entgelt gezahlt worden ist oder in denen Entgelt ohne Arbeitsleistung enthalten ist; denn anders als in § 112 Abs 3 AFG ist der Bemessungszeitraum des § 86 Abs 2 Satz 1 AFG nicht danach bestimmt, ob in ihm eine Mindestzahl von Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erfaßt ist. Es kommt vielmehr lediglich darauf an, daß die letzten Lohnabrechnungszeiträume mindestens 13 Wochen umfassen. Der Senat kann hierbei offenlassen, ob für die Einbeziehung eines Lohnabrechnungszeitraums für einen Tag Arbeitsentgelt bezogen worden ist und ob, falls dies nicht zutrifft, die Berechnung nach § 86 Abs 2 Satz 2 AFG zu erfolgen hat (ablehnend Hennig/Kühl/Heuer, AFG, RdNr 8 zu § 86). Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob § 86 Abs 2 Satz 1 AFG, wie seinem Wortlaut entnommen werden könnte, auch die nicht abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume vor dem ersten Arbeitsausfall erfaßt, oder ob entsprechend der ursprünglich auch für das SWG geltenden Regelung in § 68 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG nur die bereits abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume in den Bemessungszeitraum einzubeziehen sind (ablehnend Hennig/Kühl/Heuer, AFG RdNr 8 zu § 86). Aus den unangegriffenen Feststellungen des LSG, das insoweit ausdrücklich auf die Arbeitsbescheinigung der Firma S. in N vom 28. September 1976 Bezug genommen hat, ergibt sich, daß - außer dem bei der Klägerin erzielten Lohn für Oktober 1976 - auch der Lohn für die vorhergehende Beschäftigungszeit vom 26. Juli bis 25. September 1976 bei Eintritt des Leistungsfalles abgerechnet war und der Beigeladene in jedem der in Frage kommenden Lohnabrechnungszeiträume Arbeitsentgelt erzielt hat.

Entgegen der Auffassung des LSG ist eine Berechnung des SWG des Beigeladenen nach § 86 Abs 2 Satz 1 AFG nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen im Betrieb der Klägerin noch keine 13 Wochen bestanden hat und daher die letzten Lohnabrechnungszeiträume in diesem Betrieb nicht mindestens 13 Wochen umfaßt haben. Die Klägerin und der Beigeladene machen zu Recht geltend, daß in den Bemessungszeitraum auch Lohnabrechnungszeiträume aus vorhergehenden Beschäftigungsverhältnissen einbezogen werden können.

Schon aus dem Wortlaut des § 86 Abs 2 Satz 1 AFG kann nicht entnommen werden, daß bei der Festlegung des Bemessungszeitraums nur Lohnabrechnungszeiträume aus dem zur Zeit des Eintritts des ersten Arbeitsausfalls in der Schlechtwetterzeit bestehenden Beschäftigungsverhältnis zugrunde gelegt werden dürfen. Die dort vorgesehene Maßgeblichkeit des "Arbeitsentgelts", das die Arbeitnehmer "in den letzten mindestens 13 Wochen umfassenden Lohnabrechnungszeiträumen vor dem ersten Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit erzielt haben", enthält keine derartige Einschränkung. Die Klägerin und der Beigeladene weisen zutreffend darauf hin, daß sich das LSG bei der Begründung seiner gegenteiligen Auffassung zu eng an den Wortlaut des § 68 Abs 2 Satz 1 AFG gehalten und nicht genügend berücksichtigt hat, daß diese Bestimmung, die ursprünglich auch für die Bemessung des SWG der Leistungslöhner gegolten hat, durch § 86 Abs 2 AFG idF vom 19. Mai 1972 in vollem Umfange ersetzt worden ist. Auslegungsmethodisch ist daher ein Rückgriff auf den Wortlaut dieser Bestimmung, die hinsichtlich der Bemessung des Kug für Leistungslöhner eine engere Bindung an die Entgeltverhältnisse "im Betrieb" erkennen läßt, grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Vergleich des Wortlauts des § 68 Abs 2 Satz 1 AFG mit demjenigen des § 86 Abs 2 AFG und die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen lassen vielmehr erkennen, daß der Gesetzgeber eine derartige Bindung an die Lohnverhältnisse des Betriebes, in der der Arbeitsausfall eingetreten ist, jedenfalls bei der Bemessung des SWG für ausgefallenen Leistungslohn nicht mehr gewollt hat.

Die auf dem 2. AFG-Änderungsgesetz (2. AFG-ÄndG) vom 19. Mai 1972 beruhende Fassung des § 86 Abs 2 AFG löste § 77 Abs 2 AFG idF vom 25. Juni 1969 ab, der hinsichtlich der Berechnung des SWG für Leistungslöhner auf die entsprechende Regelung des Kug in § 68 Abs 2 Satz 1 AFG verwies. Diese Bestimmung beruhte ihrerseits auf der früheren Regelung über die Bemessung des SWG für Leistungslöhner in § 143g AVAVG idF des 5. ÄndG vom 15. November 1963 (BGBl I 789). Mit dieser wurde erstmals - ab 1. November 1963 - nicht mehr grundsätzlich auf einen in der Vergangenheit erzielten Lohn abgestellt (Bemessungszeit war bisher für Zeit- und Leistungslöhner einheitlich der letzte abgerechnete Lohnabrechnungszeitraum vor dem Arbeitsausfall), sondern grundsätzlich auf den Lohn, der am Ausfalltag erzielt worden wäre. Gleichzeitig wurde aber für Leistungslöhner eine besondere Bemessungsart vorgesehen, die hinsichtlich der Höhe des ausgefallenen Entgelts - wie bisher - auf die Arbeitsergebnisse der Vergangenheit zurückgriff, weil sich bei ihnen kaum schätzen läßt, welches Entgelt der Betreffende in der Zeit des Arbeitsausfalls erzielt hätte (vgl Krebs, AVAVG, 1966, § 143g RdNr 18). Für sie wurden zwei Berechnungsmöglichkeiten vorgesehen, die in § 68 Abs 2 Satz 1 Nrn 1 und 2 AFG vom 25. Juni 1969 übernommen worden sind und noch heute für die Berechnung des Kug der Leistungslöhner gelten. Danach bemißt sich das Kug eines Leistungslöhners nach dem Arbeitsentgelt, das er im letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum "mit Leistungslohn" vor Beginn des Arbeitsausfalls durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielt hat (§ 68 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG). Liegt das Ende dieses - abgerechneten - Lohnabrechnungszeitraums mit Leistungslohn mehr als sechs Monate vor Beginn des Arbeitsausfalls oder hat der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsausfall noch keinen Leistungslohn "im Betrieb" erzielt, so ist das Arbeitsentgelt zugrundezulegen, das Arbeitnehmer des Betriebes im Leistungslohn bei gleichartiger Arbeit in der Arbeitsstunde zu erzielen pflegen (§ 68 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AFG). Nach § 77 Abs 2 AFG idF vom 25. Juni 1969 galt diese Bestimmung im SWG-Bereich mit der Maßgabe, daß an die Stelle des letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraums mit Leistungslohn vor Beginn des Arbeitsausfalls der letzte abgerechnete Lohnabrechnungszeitraum mit Leistungslohn vor dem ersten Ausfall in der Schlechtwetterzeit tritt. Das 2. AFG-ÄndG hat - unter Beibehaltung der Verweisung auf § 68 AFG im übrigen - diese Verweisung auf § 68 Abs 2 Satz 1 AFG vollständig beseitigt und hinsichtlich des Bemessungsentgelts für Akkordlöhner durch die Neuregelung des § 86 Abs 2 AFG ersetzt. Einer solchen hätte es aber nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber - wovon das LSG ausgeht - bei der Neufassung des § 86 Abs 2 AFG vom 19. Mai 1972 an der in § 68 Abs 2 Satz 1 AFG enthaltenen Grundregel hätte festhalten wollen, wonach es grundsätzlich auf das Entgelt ankommt, das Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitsausfalls im Leistungslohn erzielt haben bzw zu erzielen pflegen; der Gesetzgeber hätte dann nämlich die in § 77 AFG aF enthaltene Verweisung auf § 68 Abs 2 Satz 1 AFG lediglich in der Form erweitern müssen, daß an die Stelle des "letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraums mit Leistungslohn" die "letzten abgerechneten, insgesamt 13 Wochen umfassenden Lohnabrechnungszeiträume mit Leistungslohn" treten. Aus den wesentlichen Abweichungen des Wortlauts der Neufassung von der bisherigen Regelung ergibt sich, daß dies nicht gewollt war. Abgesehen von der Erstreckung auf Lohnabrechnungszeiträume von mindestens 13 Wochen Dauer ist im Unterschied zu der bisherigen Bemessungsgrundlage weder danach abgegrenzt, ob es sich um Lohnabrechnungszeiträume "mit Leistungslohn" handelt, noch, ob diese "abgerechnet" worden sind. Offensichtlich wegen des Verzichts auf diese Merkmale ist auch keine Differenzierung danach erfolgt, wie lange die abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume mit Leistungslohn zurückliegen dürfen, um noch als Bemessungsgrundlage herangezogen werden zu dürfen; ferner wurde auf eine spezielle Regelung für den Fall verzichtet, daß der Arbeitnehmer "im Betrieb" noch keinen Leistungslohn erhalten hat. Daß es offensichtlich nicht mehr auf die betrieblichen Lohnverhältnisse des Arbeitnehmers ankommen sollte, ergibt sich insbesondere daraus, daß in der Ersatzberechnung des § 86 Abs 2 Satz 2 AFG nicht mehr auf das Arbeitsentgelt abgestellt worden ist, das Arbeitnehmer "des Betriebes im Leistungslohn bei gleichartiger Arbeit" zu erzielen pflegen, sondern nunmehr das Arbeitsentgelt eines "gleichartig Beschäftigten" heranzuziehen ist. Das kann nur bedeuten, daß die Bindung an die speziellen betrieblichen Lohnverhältnisse des Akkordlöhners aufgegeben werden sollte, daß es vielmehr für die Bemessung der Höhe des Leistungslohns, den Arbeitnehmer vermutlich in der Ausfallzeit erzielt hätten, grundsätzlich darauf ankommen soll, welches Durchschnittsentgelt sie - als Ausdruck ihres individuellen Arbeitsergebnisses - in einer längeren Periode ihres Arbeitslebens vor Eintritt des ersten Arbeitsausfalls tatsächlich erzielt haben. Dies läßt die Einbeziehung von Beschäftigungszeiten aus vorhergehenden Beschäftigungsverhältnissen jedenfalls dann zu, wenn es sich - wie hier - um eine gleichartige Beschäftigung gehandelt hat. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG ist der Beigeladene in der Zeit vom 26. Juli bis 25. September 1976 im Betrieb der Firma S. in N wie im Betrieb der Klägerin als Pflasterer beschäftigt gewesen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob dies auch dann gilt, wenn die vorhergehende Beschäftigung nicht gleichartig gewesen ist.

Für die vorgenannte Auslegung, die die Einbeziehung von Beschäftigungszeiten aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen in dem Bemessungszeitraum zuläßt, sprechen auch die Motive des Gesetzgebers, aus denen sich ergibt, daß der Bemessungszeitraum erweitert werden sollte, um die Lohnausfallvergütung der Leistungslöhner ihrem vor dem Arbeitsausfall typischerweise erzielten Entgelt mehr anzunähern. Nach der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zu § 86 Abs 2 AFG (BT-Drucks VI/2689), der unverändert Gesetz geworden ist, hat zur Änderung des Bemessungszeitraums die Überlegung Anlaß gegeben, "daß das Bemessungsentgelt, das Akkordarbeiter im letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum vor dem ersten Arbeitsausfall in der Schlechtwetterzeit erzielen (bisherige Bemessungsgrundlage), häufig nicht typisch für ihr durchschnittliches Arbeitsentgelt ist". Wenn dementsprechend der Gesetzgeber wegen des schwankenden Einkommens von Leistungslöhnern den Bemessungszeitraum auf Lohnabrechnungszeiträume mit mindestens 13 Wochen Dauer erweitert hat, um eine bessere Aussage über das individuelle Durchschnittsentgelt vor dem ersten Arbeitsausfall zu erzielen, so mußte er angesichts des Umstandes, daß Bauarbeiter häufig den Arbeitsplatz wechseln, in Rechnung gestellt haben, daß auch Arbeitsentgelt aus anderen Beschäftigungsverhältnissen als dem, in dem der erste Arbeitsausfall eingetreten ist, in den Bemessungszeitraum einbezogen werden kann. Bei anderer Auslegung verlöre die Ersatzberechnung des § 86 Abs 2 S Satz 2 AFG ihren Sinn. Es müßte dann in allen Fällen, in denen das Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers im Betrieb des ersten Arbeitsausfalls noch nicht mindestens 13 Wochen gedauert hat, nach der Ersatzberechnung des § 86 Abs 2 Satz 2 AFG auf das Arbeitsentgelt eines gleichartig Beschäftigten zurückgegriffen werden, ohne daß das Entgelt berücksichtigt werden könnte, das der Arbeitnehmer selbst in entsprechender Beschäftigung erzielt hat.

Auch Sinn und Zweck des § 86 Abs 2 AFG lassen es geboten erscheinen, für die Ermittlung des maßgeblichen Arbeitsentgelts ggf Lohnabrechnungszeiträume aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen zugrundezulegen. Damit wird am ehesten eine einigermaßen sichere Aussage über das Durchschnittseinkommen von Arbeitnehmern mit schwankenden individuellen Einkommensverhältnissen erreicht. Daß eine derartige Lösung dem SWG und dem Kug im Hinblick auf die besondere Betriebsbezogenheit dieser Ansprüche wesensfremd sei, trifft nicht zu. Das SWG ist zwar - wie das Kug - eine auf Lohnausfallvergütung gerichtete Leistung, deren Bemessung sich - anders als die des Alg - grundsätzlich nicht (mehr) nach einem vor dem Leistungsfall erzielten Arbeitsentgelt, sondern nach dem Entgelt richtet, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall in der Arbeitsstunde erzielt hätte (§ 86 Abs 1 iVm § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG). Dies gilt, wie der Senat bereits ausgesprochen hat (BSGE 50, 116, 118 = SozR 4100 § 64 Nr 4) im Prinzip auch für Leistungslohnempfänger, was sich insbesondere daraus ergibt, daß sich ihr SWG nach der Zahl der Arbeitsstunden bemißt, die sie am Ausfalltag innerhalb der - regelmäßigen betriebsüblichen - Arbeitszeit (§ 69 AFG) geleistet hätten (§ 86 Abs 1 iVm § 68 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AFG). Diese Bindung an den Betrieb gilt aber nicht gleichermaßen für die Ermittlung des Arbeitsentgelts, das Leistungslohnempfänger ohne Arbeitsausfall vermutlich erzielt hätten. Da sich der Leistungslohn nach dem individuellen Erfolg der Arbeit richtet, bedarf es bei ihnen eines Rückgriffs auf die individuellen Arbeitsergebnisse der Vergangenheit. Auch wenn dieser Rückgriff in § 86 Abs 2 AFG nur auf berechnungstechnischen Gründen beruhen mag, entspricht es der Funktion derartiger Bemessungsvorschriften, eine den Ausfall von Akkordlohn ersetzende Leistung an das im Bemessungszeitraum regelmäßig bzw typischerweise erzielte - individuelle - Arbeitsentgelt anzulehnen. Hierzu bedarf es nicht notwendig einer Einschränkung auf das im Betrieb des Arbeitsausfalles erzielte Entgelt.

Da bei dieser Auslegung für die Ermittlung des nach § 86 Abs 2 Satz 1 AFG maßgeblichen Arbeitsentgelts auch das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen bei der Firma S. mitzuberücksichtigen ist, bleibt für die Anwendung der Ersatzberechnung des § 86 Abs 2 Satz 2 AFG im vorliegenden Falle kein Raum. Es kann daher dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen im einzelnen eine Ersatzberechnung zu erfolgen hätte und ob hierbei anstelle des maßgeblichen Arbeitsentgelts eines gleichartig Beschäftigten in Anlehnung an § 4 Nr 7 BRTV-Bau auf einen um 25 vH erhöhten tariflichen Stundenlohn zurückgegriffen werden könnte.

Ist das im Betrieb der Firma S. erzielte Arbeitsentgelt bei der Berechnung des SWG des Beigeladenen mitzuberücksichtigen, so kommt es für die Entscheidung der Frage, ob und in welchem Umfange die Beklagte die ursprüngliche Bewilligung des SWG aufheben und evtl entstandene Überzahlungen zurückfordern durfte, darauf an, welches Arbeitsentgelt der Beigeladene in diesem Betrieb und im Betrieb der Klägerin in dem nach § 86 Abs 2 Satz 1 AFG maßgeblichen Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielt hat. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob in den von diesen Beschäftigungen zu berücksichtigenden Lohnabrechnungszeiträumen Akkord- bzw Leistungslohn erzielt worden ist; ausschlaggebend ist vielmehr allein, daß während der Ausfallstunden Leistungslohn erzielt worden wäre, was in der Regel nur zutrifft, wenn - wie auch im vorliegenden Falle - zuvor bereits Akkordlohn erzielt worden ist. Ist im maßgeblichen Bemessungszeitraum nicht ausschließlich Akkordlohn, sondern wechselweise Zeit- und Akkordlohn erzielt worden, so ist das Bemessungsentgelt des § 86 Abs 2 Satz 1 AFG nach dem Durchschnitt beider Lohnarten zu bemessen (vgl auch den Runderlaß der BA 346/72.4 § 86 AFG Nr 52.2, abgedruckt in der Loseblattausgabe "Winterbau", herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, 565 ff, 136). Da aus den Beschäftigungsverhältnissen bei der Klägerin und bei der Firma S. soviele rückwärts aufeinander folgende Lohnabrechnungszeiträume einzubeziehen sind, bis sie - einschließlich des Monats Oktober 1976 - mindestens 13 Wochen umfassen, bedarf es noch der Feststellung, welche Lohnabrechnungszeiträume im Betrieb der Firma S. vereinbart waren und welches Arbeitsentgelt der Beigeladene dort in den auf den Bemessungszeitraum entfallenden Lohnabrechnungszeiträumen durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielt hat. Da der Senat diese Feststellungen nicht selbst treffen kann, war der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657515

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