Entscheidungsstichwort (Thema)

Impfschaden. Auslandsimpfung. richterliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen. Verursacherprinzip. Nutznießerprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Für einen Impfgeschädigten, der im Ausland geimpft wurde, ist die Versagung einer Entschädigung selbst dann keine "besondere Härte", wenn diese Impfung in dem Bundesland, aus dem er stammt und in dem er später seinen Wohnsitz nimmt, öffentlich empfohlen war.

 

Orientierungssatz

1. Zum Umfang der richterlichen Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen iS des § 54 Abs 3 BSeuchG iVm § 89 BVG (vgl BSG vom 1981-11-17 9 RVi 1/81 = SozR 3850 § 54 Nr 1).

2. Eine Entschädigung wegen der Folgen von Impfungen, die im Bundesgebiet und in Westberlin empfohlen waren, jedoch außerhalb des Bereichs stattfanden, hat der Gesetzgeber nicht versehentlich ungeregelt gelassen. Auf einen solchen Tatbestand trifft der Verursachungsgrundsatz nicht zu, der diesen Impfentschädigungsanspruch rechtfertigt.

3. Entschädigungen nach dem BSeuchG sind grundsätzlich durch das Nutznießerprinzip gerechtfertigt, dh: Generell wird eine Entschädigungspflicht der Allgemeinheit damit begründet, daß der Impfschutz, den sich jemand verschafft, auch der Bevölkerung des Bundesgebietes oder eines Bundeslandes, wo er wohnt oder sich aufhält in anerkennenswertem Maße zugute kommt (vgl BSG vom 1981-11-17 9 RVi 1/81 = SozR 3850 § 54 Nr 1). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt für alle Fälle, in denen sich jemand gegen Infektionskrankheiten schützt und später im Bundesgebiet niederläßt.

 

Normenkette

BVG § 89 Abs 1; BSeuchG § 51 Abs 1 S 1 Nr 3, § 54 Abs 3; SGG § 54 Abs 2 S 2; BSeuchG § 59 Abs 2

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 17.09.1981; Aktenzeichen L 10 Vi 8/80)

SG Landshut (Entscheidung vom 30.09.1980; Aktenzeichen S 9 Vi 1/79)

 

Tatbestand

Der 1967 in Istanbul (Türkei) geborene Kläger beantragte im Februar 1976 Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen eines Krampfleidens, eines Entwicklungsrückstandes und cerebraler Bewegungsstörungen. Er führt diese Erkrankungen auf Schutzimpfungen im März und Mai 1967 sowie im Juni 1968 zurück.Diese Impfungen sollten ihn gegen Diphtherie, Pertussis (Keuchhusten), Polio (Kinderlähmung) und Tetanus (Wundstarrkrampf) schützen. Sie wurden in Istanbul vorgenommen, wo der Vater des Klägers von 1964 bis 1970 als Auslandslehrer im Auftrag des Auswärtigen Amtes tätig war. Der Versorgungsantrag wurde abgelehnt (Bescheid vom 27. April 1976, Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 18. November 1976). Einem weiteren Antrag auf Härteausgleich wurde ebenfalls nicht entsprochen (Bescheid vom 6. November 1978 und Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 1979). Klage und Berufung, die sich gegen die letztgenannten Entscheidungen richteten, sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des SG vom 30. September 1980 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 17. September 1981). Das Berufungsgericht hält eine "besondere Härte", die einen Ausgleich nach § 54 Abs 3 BSeuchG iVm § 89 BVG rechtfertigen könnte, nicht für gegeben. Sie könne grundsätzlich nur im Fehlen einer einzigen von mehreren gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen liegen, wenn die darauf gestützte Versagung von Versorgungsleistungen deren Sinn und Zweck widerspräche. Unter bestimmten Bedingungen würden nach § 51 Abs 2 und 3 BSeuchG auch diejenigen entschädigt, die als Deutsche außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes einen Impfschaden durch eine Pflichtimpfung gegen Pocken erlitten hätten. Impfungen gegen andere Krankheiten seien jedoch nicht in den Schutzbereich einbezogen. Eine "besondere Härte" liege nicht darin, daß für diese Personen, die gegen andere Erkrankungen geimpft worden seien, der Versorgungsanspruch dann nicht bestehe, wenn eine entsprechende Impfung im Inland öffentlich empfohlen sei.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 54 Abs 3 BSeuchG iVm § 89 BVG sowie des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nachdem durch das 4. Änderungsgesetz zum BSeuchG der geschützte Personenkreis nach dem Nutznießerprinzip erweitert worden sei, müsse der Ausschluß von öffentlich empfohlenen Impfungen in Fällen wie dem gegenwärtigen als "besondere Härte" gewertet werden. Gerade bei nur vorübergehendem Auslandsaufenthalt habe der Gesichtspunkt des Vorteils für die Bevölkerung in Deutschland besonderes Gewicht. Im übrigen wäre aufzuklären, ob die weiteren Voraussetzungen des § 51 Abs 2 Satz 2 Nr 1 bis 3 BSeuchG gegeben seien und ob das Auswärtige Amt als Entsendestelle eine Empfehlung ausgesprochen oder einen anspruchsbegründenden Rechtsschein iS der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geschaffen habe. Er, der Kläger, habe mit seinen Eltern in einem rein türkisch bewohnten Viertel gelebt, wo es viele Keuchhustenfälle gegeben habe. Deshalb hätten der türkische Geburtshelfer und der Leiter des deutschen Krankenhauses eine Impfung gegen Keuchhusten für dringend erforderlich erklärt. Diese Schutzmaßnahme hätte nicht erst später in Deutschland vorgenommen werden können.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und Bescheide den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Rechtmäßigkeit des im Wege des Härteausgleichs geltend gemachten Anspruchs auf Leistungen nach dem BSeuchG unter Beachtung der Rechtsauffassung des BSG zu erteilen, hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß das BSeuchG einen Härteausgleich für Fälle dieser Art ausschließe. Eine solche Leistung sei auch nicht durch das Nutznießerprinzip gerechtfertigt.

Vom Bayerischen Staatsministerium des Inneren ist eine Auskunft über bayerische Impfempfehlungen beigezogen worden, vom Bundesverwaltungsamt und vom Auswärtigen Amt je eine Auskunft über Impfregelungen für Auslandslehrer und vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit (BMJFG) die Verwaltungsakte über die Novellierung des BSeuchG.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Beklagte hat zu Recht eine Impfentschädigung als Härteausgleich abgelehnt.

Eine solche ins Ermessen der Verwaltung gestellte Leistung kann mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BSeuchG besondere Härten ergeben (§ 54 Abs 3 Nr 1 BSeuchG in der zur Zeit der Verwaltungsentscheidungen maßgebenden, vor dem 4. Änderungsgesetz vom 18. Dezember 1979 - BGBl I 2248 - geltenden Fassung des 2. Änderungsgesetzes vom 25. August 1971 - BGBl I 1401 -, die bis Februar 1979 nicht mehr einschlägig geändert worden ist, iVm § 89 BVG). Ob eine "besondere Härte" in diesem Sinn als Rechtsvoraussetzung für eine Ermessensentscheidung besteht, haben die Gerichte nach der Rechtsprechung zu § 89 BVG regelmäßig in vollem Umfange zu prüfen; sonst sind aber Ermessensrichtlinien der Verwaltung auf ihre Vereinbarkeit mit Kerngedanken der gesetzlichen Grundlage gerichtlich zu kontrollieren (zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des erkennenden Senats vom 17. November 1981 - 9 RVi 1/81 - mwN). Zu prüfen ist, ob wegen der Umstände des Einzelfalles, die der Gesetzgeber nicht vorhergesehen hat, die Auswirkung der Gesetzesanwendung dem Zweck der begehrten, aber abgelehnten Versorgung widerspricht und dies besonders unbillig ist (BSG aaO). Dafür ist auf denjenigen gesetzlichen Tatbestand zurückzugreifen, auf dem der geltend gemachte Anspruch im Regelfall, dh wenn alle Voraussetzungen gegeben wären, beruhte (BSG aaO). Die "besondere Härte" kann darin zu erblicken sein, daß das Gesetz nicht in allen seinen Merkmalen verwirklicht ist.

Zum Vergleich sind bei der gegenwärtigen Sachlage zwei ähnliche Fallarten heranzuziehen: die Verursachung eines Impfschadens entweder durch eine öffentlich empfohlene, im Inland vorgenommene Schutzimpfung (§ 51 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 59 Abs 2 Nr 1 BSeuchG) oder durch eine Impfung, der sich ein Deutscher außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes nach dem Impfgesetz vom 8. April 1874 (RGBl 31) hat unterziehen müssen (§ 51 Abs 2 iVm § 59 Abs 2 Nr 2 BSeuchG). Keiner dieser Entschädigungstatbestände ist durch die Impfungen erfüllt, die beim Kläger 1967 und 1968 in der Türkei vorgenommen wurden. Das ist bereits rechtskräftig entschieden. Darüber hinaus ist auch die Annahme einer "besonderen Härte" deshalb ausgeschlossen, weil die begehrte Entschädigung mit dem erkennbaren Plan des BSeuchG nicht vereinbar wäre.

Zwar waren die Schutzimpfungen des Klägers zur selben Zeit im Gebiet des beklagten Landes durch die zuständige Behörde öffentlich empfohlen. Dies folgt aus einer Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren. Aber die Eingriffe wurden beim Kläger gerade nicht in diesem räumlichen "Bereich", für den die Empfehlungen galten, dh in Bayern, unternommen. Eine solche territoriale Eingrenzung wird in § 51 Abs 1 Satz 1 Nr 3 BSeuchG ausdrücklich verlangt. Damit fehlt es an einer zwingenden Voraussetzung für eine Ersatzpflicht des beklagten Landes (§ 59 Abs 2 Nr 1 BSeuchG). Eine Entschädigung wegen der Folgen von Impfungen, die im Bundesgebiet und in Westberlin empfohlen waren, jedoch außerhalb des Bereichs stattfanden, hat der Gesetzgeber nicht versehentlich ungeregelt gelassen. Auf einen solchen Tatbestand trifft der Verursachungsgrundsatz nicht zu, der diesen Impfentschädigungsanspruch rechtfertigt (BSGE 42, 28, 29, 32; 42, 172, 174 f). Außerhalb ihres Hoheitsgebietes haben die deutschen Länder, deren zuständige Behörden bestimmte Impfungen öffentlich empfehlen, diese Maßnahme dadurch nicht veranlaßt. Rechtfertigend für Impfentschädigungen ist aber grundsätzlich, daß den Eingriff überhaupt eine deutsche Behörde den Bürgern, bei Kinderimpfungen den Erziehungsberechtigten, mit staatlicher Autorität abverlangt oder wenigstens nahegelegt hat (BSGE 42, 172, 174 f; BSG SozR 3850 § 51 Nr 5; BSGE 50, 136, 140 f = SozR 3850 § 51 Nr 6; BSG 8. Januar 1982 - 9 RVi 3/80 -; BSG 17. November 1981).

Zudem hat der Gesetzgeber - durchaus sachgemäß - die Einstandspflicht für Folgen bloß empfohlener Impfungen auf solche, die im selben Land, genauer: im Empfehlungsbereich vorgenommen worden sind, wegen der territorial begrenzten Zuständigkeit der jeweiligen Landes-Gesundheitsverwaltung beschränken wollen. Die Verantwortung für die öffentliche Empfehlung soll sich mit der Überwachung des Vollzuges decken. Nach der Gesetzesbegründung, die die Vorarbeiten bestätigt, muß das Land, das eine Impfung empfiehlt, "die uneingeschränkte Möglichkeit haben, die Art der Durchführung der Impfung zu bestimmen und damit Impfschäden zu vermeiden" (Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesseuchengesetzes - BT-Drucks VI/1568, Begründung S 7, Art 1 Nr 1, zu § 51; Referentenentwurf vom 30. Juni 1969, S 7; Vorschläge eines Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Länder zur Novellierung des Bundesseuchengesetzes vom 10. September 1969; BMJFG in der Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates vom 6. Oktober 1970 S 7).

Auch war nicht etwa - außerhalb des Impfrechts - in den Jahren 1967 und 1968 den ins Ausland entsandten deutschen Lehrern vom Auswärtigen Amt empfohlen worden, ihre Kinder während des Auslandsaufenthaltes gemäß deutschen Impfempfehlungen zu schützen. Ferner war für einen Rechtsschein, daß deutsches Impfrecht für Deutsche im Ausland gelte, kein Anlaß gegeben (vgl dazu BSGE 50, 136; auch BSG 28. Januar 1981 - 9 RVi 3/80). Die allgemeine Zusicherung, die Aufwendungen für Schutzimpfungen seien beihilfefähig, betraf allein das beamtenrechtliche Verhältnis des Vaters. Sie bezog sich nicht auf die in Deutschland öffentlich empfohlenen Schutzmaßnahmen. Schon gar nicht wurde damit der Ersatz eines Impfschadens über den Geltungsbereich des BSeuchG hinaus in Aussicht gestellt.

Die Entschädigungen nach dem BSeuchG sind außerdem grundsätzlich durch das Nutznießerprinzip gerechtfertigt, auf das sich der Kläger vor allem beruft. Dh: Generell wird eine Entschädigungspflicht der Allgemeinheit damit begründet, daß der Impfschutz, den sich jemand verschafft, auch der Bevölkerung des Bundesgebietes oder eines Bundeslandes, wo er wohnt oder sich aufhält (§ 30 Abs 1 und 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB I -), in anerkennenswertem Maße zugute kommt (BSGE 42, 28, 34, 35; 42, 172, 175; SozR 3850 § 51 Nrn 4 und 5; BSG 17. November 1981). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt für alle Fälle, in denen sich jemand gegen Infektionskrankheiten schützt und später im Bundesgebiet niederläßt. Vielmehr hat der Gesetzgeber bloß unter ausdrücklich geregelten Voraussetzungen eine Entschädigung durch die öffentliche Hand vorgesehen. Damit hat er die schädigenden Auswirkungen einer Impfung, die erfahrungsgemäß gleichzeitig der Allgemeinheit nützt, nur begrenzt für abwälzbar erklärt (BSG SozR 3850 § 51 Nr 5). Allein in diesem gesetzlich geordneten Umfang wird ein "besonderes Opfer" für die Allgemeinheit, das dem einzelnen abverlangt worden ist, anerkannt (§ 5 Satz 1 SGB I; BSGE 42,174f, BSGE 42, 178, 182 f = SozR 3850 § 51 Nr 3; SozR 3850 § 51 Nr 4). Eine solche entschädigungsrechtliche Wirkung bloßer Impfempfehlungen könnte entsprechend der Schwäche dieser Aufforderung (BSGE 50, 136, 140 f) außerdem lediglich in Fällen, die dem gesetzlichen Tatbestand sehr nahe kommen, bejaht werden. Aus den übrigen Gründen dieser Entscheidung kann aber eine "besondere Härte" nicht allgemein dann angenommen werden, wenn sich jemand - wie möglicherweise die Eltern des Klägers - außerhalb des Geltungsbereiches des BSeuchG durch eine öffentliche Empfehlung - zu Unrecht - angesprochen fühlt und deshalb impfen läßt und später den Wohnsitz im Bundesgebiet nimmt. Eine Haftung eines einzelnen Bundeslandes nach dem Verursacher- oder nach dem Nutznießerprinzip oder übereinstimmend nach beiden Grundsätzen läßt sich angesichts der großen Zahl von Fällen, die einen solchen Tatbestand erfüllen können, nicht durch die Rechtsprechung im Wege des Billigkeitsausgleichs begründen. Sie ginge weit über eine "besondere Härte" in "einzelnen Fällen" hinaus. Vielmehr muß es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, ob und wie er solche Entschädigungsfälle allgemein regeln will.

Für Auslandsimpfungen wie diejenigen, denen der Kläger unterzogen wurde, hat der Gesetzgeber bewußt eine Entschädigungspflicht nicht anerkannt (Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des BSeuchG - BT-Drucks VI/1568, S 8, zu § 51; BSGE 42, 28, 31 ff; SozR 3850 § 51 Nrn 4 und 5). Im Gesetz wird allein auf die gesetzliche Impfpflicht nach dem Impfgesetz vom 8. April 1874 oder entsprechendes Pockenimpfrecht der DDR oder Ost- Berlins, neuerdings auch der sogen Vertreibungsgebiete abgestellt (§ 51 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 BSeuchG, vgl auch Abs 3 idF des 4. Änderungsgesetzes). Bei der interministeriellen Verhandlung, die der Gesetzänderung vorausging, hatten der Bundesminister der Verteidigung und das Auswärtige Amt im Interesse ihrer Bediensteten eine weitergehende Regelung gefordert. Dies war jedoch vom BMJFG wiederholt ausdrücklich abgelehnt worden, was dann der Referentenentwurf bestätigte (Schreiben des BMVg vom 9. Dezember 1968; Besprechung im BMJFG am 6. Januar 1969; Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 28. Januar 1969 und 24. März 1971; Referentenbesprechung im BMJFG am 23. April 1969; Schreiben des BMJFG vom 27. Januar 1970 und 26. März 1970) In der Gesetzesbegründung wurde die Ausdehnung der Impfschadensregelung auf bestimmte Auslandsimpfungen schon als Ausfluß der "Billigkeit" beurteilt (S 8, zu § 51 Abs 2). Dann kann darüber hinaus ein Härteausgleich, der auf dem Billigkeitsprinzip beruht, nicht als mit dem Willen des Gesetzes vereinbar angesehen werden. "Härte"-Gesichtspunkte für Fälle wie den des Klägers lägen außerhalb des äußersten Bereiches, in dem diese Vorschriften noch anwendbar sein können. Mit dieser Regelung wird nicht etwa grundsätzlich jedem Deutschen allein wegen seiner Staatsangehörigkeit und wegen der durch sie begründeten Verbundenheit mit Deutschland ein Anspruch eröffnet.

Mit den Folgen einer ausländischen Pockenschutzimpfung kann jedes einzelne Bundesland, das zufällig zum Wohnsitzland des Geimpften wird,nach § 59 Abs 2 Nr 2 BSeuchG wohl deshalb belastet werden, weil die Maßnahme nach gemeindeutschem Recht vorgenommen worden war. Im Unterschied dazu werden aber öffentliche Empfehlungen iS des § 51 Abs 1 Satz 1 Nr 3 BSeuchG von den einzelnen Bundesländern autonom ausschließlich für die Bewohner ihres Gebietes ausgesprochen (BT-Drucks VI/1568, Begründung, S 7, zu § 51; BSGE 50, 136, 137). Sie legen verschiedene Impfungen den Bürgern nicht einheitlich im ganzen Bundesgebiet nahe (BSGE 50, 136, 140, 142, 143; BSG 17.November 1981). Das zufällige Wohnsitz-Bundesland mit einer Entschädigung wegen eines Schadens zu belasten, der durch eine andere als eine Pockenimpfung außerhalb des Bundesgebietes und Berlin entstanden ist, wäre aber nach den Grundsätzen, die die Sonderfälle des § 51 Abs 2 und 3 BSeuchG tragend bestimmen, nicht gerechtfertigt.

Da der Beklagte zu Recht eine "besondere Härte" verneint hat, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 202

Breith. 1983, 629

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