Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.03.1993; Aktenzeichen L 6 Eg 3/92)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. März 1993 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Erziehungsgeld (Erzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG).

Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und seit 1984 mit einem Offizier der US-Armee verheiratet. Von Januar 1986 bis August 1989 befand sie sich mit ihrem Ehemann in den USA. Der Ehemann der Klägerin absolvierte in dieser Zeit eine Kommandeursausbildung. Nach der Rückkehr nach Deutschland brachte die Klägerin am 5. Juli 1990 eine Tochter zur Welt, für die sie Erzg beansprucht. Seit August 1991 ist sie als Lehrerin beschäftigt; zuvor war sie nicht erwerbstätig.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Erzg lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 1991 ab, weil die Klägerin die besonderen Voraussetzungen, unter denen Ehegatten von NATO-Truppenmitgliedern Erzg zu gewähren sei, nicht erfülle. Sie sei zusammen mit ihrem Ehegatten in den Geltungsbereich des BErzGG eingereist und habe in den letzten zwei Jahren vor der Einreise ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Bundesgebiet gehabt. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. September 1991). Die hiergegen gerichtete Klage ist vom Sozialgericht abgewiesen worden (Urteil vom 18. März 1992); das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26. März 1993). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, § 1 Abs 6 Nr 1 BErzGG begründe für alle Ehepartner von NATO-Truppenangehörigen einen Anspruch auf Erzg, sofern diese mindestens zwei Jahre vor ihrer Einreise in der Bundesrepublik gelebt hätten. Die Klägerin habe während ihres USA-Aufenthalts in der Bundesrepublik keinen Wohnsitz beibehalten; ihre Zwischenaufenthalte in der Bundesrepublik während der genannten Zeit könnten nicht als Innehabung eines Wohnsitzes angesehen werden, es handele sich lediglich um längere Urlaube. § 1 Abs 6 Nr 1 BErzGG enthalte möglicherweise eine Regelungslücke, die im Falle der Klägerin zu einer Härte führe, doch bestehe wegen des Gesetzesvorbehalts in § 2 Abs 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil – (SGB I) keine Möglichkeit, § 1 Abs 6 Nr 1 BErzGG zugunsten der Klägerin erweiternd auszulegen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das angefochtene Urteil verstoße gegen § 1 Abs 6 BErzGG; die Auslegung des § 1 Abs 6 BErzGG durch das LSG sei zudem mit Art 6 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Sinn und Zweck der Einfügung des § 1 Abs 6 BErzGG sei es gewesen, deutschen Ehefrauen, die nur aufgrund ihrer Heirat mit einem Angehörigen der NATO-Truppen nicht in den Genuß von Erzg kamen, in den Kreis der Leistungsberechtigten aufzunehmen. Die Einschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises im 2. Halbsatz von § 1 Abs 6 Nr 1 BErzGG könne nicht auf solche Ehegatten angewandt werden, die bereits vor ihrer Heirat mit einem Angehörigen der NATO-Truppen ihren ständigen Wohnsitz im Bundesgebiet gehabt hätten und lediglich nach der Heirat für eine vorübergehende Zeit in das Heimatland ihres Ehegatten gereist seien. Der Wortlaut von § 1 Abs 6 Nr 1 – 2. Halbsatz – BErzGG lege es nicht nahe, wie das LSG auf die Wiedereinreise der Klägerin ins Bundesgebiet abzustellen. Die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf sei nicht geeignet, die Auffassung des LSG zu stützen. Das angefochtene Urteil sei zudem auch insoweit unrichtig, als es davon ausgehe, daß die Klägerin während des Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik aufgegeben habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

  1. das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. März 1993, das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 18. März 1992 sowie die Bescheide des Beklagten aufzuheben,
  2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 5. Juli 1990 bis 31. Juli 1991 Erziehungsgeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das beklagte Land hat es zu Recht abgelehnt, ihr wegen der Geburt der Tochter Stephanie Erzg zu gewähren.

Das LSG hat zunächst zutreffend bejaht, daß die Klägerin an sich die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nrn 1 bis 4 BErzGG erfüllt: Die Klägerin lebt als deutsche Staatsangehörige in der Bundesrepublik und hat hier ihren Wohnsitz (Nr 1). Die Ehe mit einem Soldaten der US-amerikanischen Streitkräfte berührt diesen Tatbestand nicht. Bestimmungen des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut, BGBl II 1961, 1190) und des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, BGBl II 1961, 1218) fingieren grundsätzlich nicht einen Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt allein im Entsendestaat (BSG SozR 2200 § 1233 Nr 7). Die Klägerin lebt auch mit ihrem Kind, für das ihr die Personensorge zusteht, in einem gemeinsamen Haushalt (Nr 2). Sie betreut und erzieht das Kind selbst (Nr 3) und hat im hier streitigen Zeitraum keine Erwerbstätigkeit ausgeübt (Nr 4).

Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat, stehen der Anwendung des § 1 Abs 1 BErzGG auf Ehegatten von NATO-Truppenangehörigen jedoch grundsätzlich zwischenstaatliche Kollisionsnormen entgegen (SozR 6180 Art 13 Nr 5). Der Vorrang über- und zwischenstaatlichen Rechts vor inländischen Normen ist im BErzGG nicht ausdrücklich übernommen worden. Er ist jedoch in § 30 Abs 2 SGB I niedergelegt. Die Klägerin zählt als Ehefrau eines Mitglieds der US-Armee zu dem von Art 13 Abs 1 Satz 1 des Zusatzabkommens des NATO-Truppenstatuts erfaßten Personenkreis. Nach dieser Vorschrift werden zwischenstaatliche Abkommen und andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über Soziale Sicherheit und Fürsorge – zu denen gemäß §§ 1 Abs 1, 6 und 25 Abs 2 SGB I das BErzGG zählt – auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist. Diese Kollisionsregel, die aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 18. August 1961 (BGBl II S 1183) unmittelbar geltendes Bundesrecht enthält, schließt einen Anspruch der Angehörigen von NATO-Truppenangehörigen auf Gewährung von Erzg an sich aus (so die ständige Rechtsprechung des BSG, vgl BSG SozR 6180 Art 13 Nr 5 und zuletzt Urteil vom 28. Juni 1990 ≪4 REg 36/89≫). Familienangehörige eines Mitglieds der Streitkräfte einer Vertragspartei der NATO-Truppen sind – unabhängig von der Staatsangehörigkeit – in den durch das multilaterale Abkommen begründeten Entsendestatus einbezogen. Nach dem Willen der Vertragsparteien sind grundsätzlich die Entsendestaaten und nicht die Bundesrepublik Deutschland für die soziale Sicherheit dieses Personenkreises verantwortlich (vgl im einzelnen BSG aaO).

Nach Art 13 Abs 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut sind die Bestimmungen über die soziale Sicherheit und Fürsorge jedoch dann auch auf den von dem Abkommen erfaßten Personenkreis anzuwenden, wenn dies in einer Regelung des nationalen Rechts ausdrücklich angeordnet ist. Eine solche abweichende Regelung ist zugunsten der Ehegatten von NATO-Truppenmitgliedern durch das Erste Bundeserziehungsgeldänderungsgesetz (1. BErzG-ÄndG vom 17. Januar 1990, BGBl I S 2823) eingeführt worden. Nach § 1 Abs 6 BErzGG (idF des 1. BerzG-ÄndG) haben Anspruch auf Erzg für nach dem 30. Juni 1990 geborene Kinder unter den Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BErzGG ua solche Ehegatten eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates, die Deutsche iS des Art 116 GG sind. Ein Anspruch besteht jedoch nicht, wenn der Betroffene als Ehegatte des NATO-Truppenmitglieds in den Geltungsbereich des BErzGG eingereist ist, es sei denn, daß er in den letzten zwei Jahren vor der Einreise einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte (§ 1 Abs 6 Nr 1 – zweiter Halbsatz BErzGG).

Die Klägerin hatte in den letzten zwei Jahren vor ihrer Einreise ins Bundesgebiet im Jahre 1989 schon nach ihrem eigenen Vorbringen im Geltungsbereich des BErzGG keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Dabei wird ihr Vorbringen, wie es sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt, als wahr unterstellt. Die Klägerin hatte hiernach bei ihrem Umzug in die USA im Januar 1986 bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland im August 1989 den Willen, sich nur befristet für die Dauer der Ausbildung ihres Ehemannes in den USA aufzuhalten und danach nach Deutschland zurückzukehren. Die gemeinsame eheliche Wohnung in Deutschland wurde aufgegeben. Sie hat sich in der Zeit von Januar 1986 bis August 1989 einmal für drei Monate und dreimal für je 6 Wochen besuchsweise in Deutschland aufgehalten. Mit der Schwester der Klägerin war vereinbart, daß die Familie nach ihrer Rückkehr so lange in deren Haus leben könne, bis eine neue Wohnung gefunden sei. Ob die Möbel untergestellt oder verkauft wurden, blieb offen. Bei diesem Sachverhalt hätte die Klägerin selbst dann keinen Zweitwohnsitz in Deutschland fortgeführt, wenn sie die alte Wohnung beibehalten und während ihrer Urlaube bewohnt hätte. Für den Begriff des Wohnsitzes in § 1 Abs 6 Nr 1 BErzGG gilt die Legaldefinition des § 30 Abs 3 SGB I. Bei Begründung eines ausländischen Wohnsitzes kann ein inländischer Wohnsitz beibehalten werden, wenn die inländische Wohnung dem Berechtigten jederzeit zur Benutzung zur Verfügung steht und tatsächlich auch benutzt wird, sei es durch Angehörige oder Bedienstete oder den Wohnungsinhaber selbst. Die Rechtsprechung hat bei Begründung eines ausländischen Wohnsitzes eine Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes jedoch dann verneint, wenn im Inland eine Wohnung beibehalten wurde, die in der Zeit des Auslandsaufenthalts nur urlaubsweise benutzt wurde (BSG SozR 5870 § 1 Nr 7 und Urteil vom 7. September 1988, 10 RKg 4/87 = SozSich 1989, 318). Entsprechend wurde zum Begriff des Wohnorts in Art 71 Abs 1 Buchst b der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV 1408/71) entschieden, daß längeren Ferien im Herkunftsland keine ausschlaggebende Bedeutung zukomme (dort fünf Monate im Jahr: EuGH SozR 3-6050 Art 71 Nr 1).

Eine tatsächliche Benutzung hat das BSG nur ausnahmsweise als nicht erforderlich angesehen. Die hierfür maßgebenden Überlegungen sind im vorliegenden Fall weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. So hat das BSG im Falle einer mehrjährigen Auslandsreise, bei der im Ausland keine rechtliche oder tatsächliche Bindung eingegangen wurde, die tatsächliche Benutzung der beibehaltenen und nicht vermieteten Eigentumswohnung als nicht erforderlich angesehen, weil die Länge des Auslandsaufenthalts lediglich vom eigenen Willen abhing (BSG SozR 5870 § 1 Nr 4). Hier unterlag der Ehemann der Klägerin einer rechtlichen und die Klägerin einer tatsächlichen Bindung. Bei der Beitragsnachentrichtung im Rahmen des Wiedergutmachungsrechts (BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 58) war die Ausnahme durch Besonderheiten des betroffenen Personenkreises begründet, die eine auf das betroffene Rechtsgebiet abstellende Auslegung des Wohnsitzbegriffs erforderlich machten (zur Notwendigkeit der sog Einfärbung des Wohnsitzbegriffs vgl auch BSGE 67, 243, 246 = SozR 3-7833 § 1 Nr 2). Bei Ehegatten von NATO-Truppenangehörigen hat die Rechtsprechung jedoch in bezug auf den Kindergeldanspruch einen inländischen Wohnsitz verneint, wenn der Berechtigte während eines Aufenthalts im Entsendestaat des Angehörigen der NATO-Truppen nicht über eine Wohnung im Bundesgebiet verfügte (BSG SozR 6180 Art 13 Nr 2). Dies kann in bezug auf den Anspruch auf Erzg nicht anders beurteilt werden.

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin als Ehegatte eines NATO-Truppenmitglieds in den Geltungsbereich des BErzGG eingereist ist. Dieses Tatbestandsmerkmal kann nicht – wie die Klägerin annimmt – auf diejenigen beschränkt werden, die erstmals als Ehegatte eines NATO-Truppenmitglieds in die Bundesrepublik einreisen. Zwar ist die Bundesregierung beim Entwurf eines 1. BErzG-ÄndG generell von der Zielsetzung ausgegangen, die Anspruchsberechtigung auf Ehepartner von Mitgliedern der NATO-Truppen auszudehnen, die Deutsche oder Staatsangehörige eines EG-Staates sind, „wenn sie schon vor der Versetzung des Mitglieds der Truppe in der Bundesrepublik gelebt haben” (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 11/7103, S 1). Gleichzeitig hat sie jedoch schon in den Entwurf zur Einfügung des Abs 6 in den § 1 BErzGG die einschränkenden Voraussetzungen des 2. Halbsatzes in der später Gesetz gewordenen Fassung aufgenommen. Die Anspruchsberechtigung sollte danach nicht nur davon abhängig sein, daß der nichterwerbstätige Ehepartner eines Mitglieds der NATO-Truppe „schon vor dessen Versetzung in die Bundesrepublik Deutschland” hier gelebt hat.

Der Bundesrat hatte demgegenüber entsprechend der Empfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BR-Drucks 138/1/90, S 3) vorgeschlagen, die einschränkenden Voraussetzungen des 2. Halbsatzes zu streichen (BT-Drucks 11/7103, S 5). Er hatte dies ua damit begründet, daß die beabsichtigte Einschränkung im zweiten Halbsatz der Nr 1 weder interessengemäß noch praktikabel sei. Sie führe im Ergebnis dazu, daß die Angehörigen der NATO-Truppen nur dann ErzG erhalten könnten, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor der Einreise des Ehegatten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätten. Die Erfahrung zeige jedoch, daß Mitglieder der NATO-Truppen häufig ihre Einsatzorte wechseln müßten, da die Zusammenarbeit der Truppenteile der einzelnen Mitgliedstaaten erprobt werden solle. Die Bundesregierung stimmte dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu, weil er in allen Fällen, in denen Ehegatten mit EG-Staatsangehörigkeit ein Kind bekommen, die Möglichkeit eröffne, Erzg in Anspruch zu nehmen. Dies führe zu weit höheren Kosten als veranschlagt (BT-Drucks 11/7103, S 7). Die Bundesregierung sah es jedoch auch in diesem Stadium der Gesetzgebung als das Ziel der Einfügung des § 1 Abs 6 an, Ehepartner mit deutscher oder EG-Staatsangehörigkeit, die ihren Wohnsitz schon vor der Versetzung des Mitglieds der NATO-Truppe im Bundesgebiet hatten, von der Wirkung des Art 13 Abs 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut auszunehmen.

Wortlaut und Sinn des 2. Halbsatzes von § 1 Abs 6 Nr 1 BErzGG sprechen gegen die Auslegung der Klägerin, wonach von der Einschränkung von vornherein nur diejenigen Ehegatten von NATO-Truppenangehörigen erfaßt werden sollen, die „erstmals” zusammen mit ihrem Ehegatten in die Bundesrepublik Deutschland kommen. Zweck der Einschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises kann es nur sein, Mitnahmeeffekte durch kurzfristige Aufenthalte in Fällen zu vermeiden, in denen die Betroffenen vor ihrer Einreise im Bundesgebiet familiär nicht verwurzelt waren und hier auch keine anderen längerfristigen Bindungen eingegangen waren. Es wurde vor allem auf die Möglichkeit hingewiesen, daß EG-Staatsangehörige sich andernfalls allein wegen der Aussicht auf Erzg zu einer im Bundesgebiet stationierten Nato-Truppe versetzen ließen (BT-Plenarprotokoll 11/215, S 16955) Dies könnte dagegen sprechen, auch diejenigen Fälle den Einschränkungen des 2. Halbsatzes von § 1 Abs 6 Nr 1 zu unterstellen, in denen ein deutscher Ehegatte erst nach der Eheschließung mit einem Angehörigen der NATO-Truppen die Bundesrepublik Deutschland verläßt und später erneut einreist. Die einschränkenden Regelungen des 2. Halbsatzes sind jedoch nicht auf Antragsteller ohne deutsche Staatsangehörigkeit beschränkt worden. Hätte der Gesetzgeber eine solche Beschränkung gewollt, so wäre im Gesetzgebungsverfahren der Vorrang des EG-Rechts angesprochen worden.

Das LSG hat zudem zutreffend deutlich gemacht, daß eine Auslegung des 2. Halbsatzes von § 1 Abs 1 Nr 6 BErzGG im Sinne der Klägerin der weiteren Regelung in dieser Vorschrift, wonach die Einreise ins Bundesgebiet als Ehegatte eines NATO-Truppenangehörigen dann unschädlich ist, wenn der Betroffene in den letzten zwei Jahren vor der Einreise einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BErzGG hatte, keinen Anwendungsbereich beläßt. Denn wenn man die Einschränkung des 2. Halbsatzes von vornherein auf Fälle beschränkt, in denen der Betroffene erstmals als Ehegatte eines Angehörigen der NATO-Truppen in den Geltungsbereich des BErzGG einreist, läßt sich kein Fall denken, in dem erst die der gemeinsamen Einreise vorhergehende Innehabung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet den Erzg-Anspruch begründet. Diejenigen, die nicht erstmals als Ehegatte eines NATO-Truppenmitglieds einreisen, müssen – mit Ausnahme kurzfristiger Besuche – denknotwendig zuvor hier bereits einmal einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben. Auf die zeitliche Einschränkung „in den letzten zwei Jahren” käme es dann ohnehin nicht an. Wäre der Gesetzgeber von dieser Auslegung ausgegangen, hätte er den mit „es sei denn” beginnenden Teil des Satzes weggelassen. Dieser Teil der Regelung spricht somit dafür, daß auch der Fall der Wiedereinreise erfaßt und für Deutsche und Angehörige eines EG-Mitgliedstaates einheitlich geregelt werden sollte. Der Gesetzgeber hat zudem, wie die Diskussion im Gesetzgebungsverfahren (aaO) deutlich macht, die Notwendigkeit häufiger Wechsel der Einsatzorte bei Mitgliedern der NATO-Truppen gesehen, die Abwesenheit vom deutschen Staatsgebiet jedoch nur innerhalb der Zweijahresgrenze für unschädlich gehalten.

Die Regelung in § 1 Abs 6 Nr 1 BErzGG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wie bereits aufgezeigt, war der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gehalten, die Ehegatten von Mitgliedern der NATO-Truppen in den Anwendungsbereich des BErzGG einzubeziehen (BSG SozR 6180 Art 13 Nr 5; vgl auch SozR aaO Nr 6). Sein Gestaltungsfreiraum umfaßt im Rahmen eines aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanzierten Leistungsgesetzes auch eine typisierende Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises; zumindest wenn er – wie hier – davon ausgeht, daß dies wegen der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel erforderlich ist (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) und die zur Begrenzung gewählten Kriterien nicht willkürlich erscheinen. Die Regelung in § 1 Abs 6 Nr 1 zweiter Halbsatz BErzGG verstößt nicht gegen das Willkürverbot. Sie setzt bei Ehegatten mit deutscher und EG-Staatsangehörigkeit gleichermaßen voraus, daß sie schon vor der Eheschließung mit einem Angehörigen der NATO-Truppen in der Bundesrepublik gelebt haben, wobei allein die durch einen vorangegangenen Aufenthalt begründete Beziehung zur Bundesrepublik dann nicht als ausreichend angesehen wird, wenn sich der Betroffene für mehr als zwei Jahre im Ausland aufhält. Das Erfordernis eines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet in den letzten zwei Jahren vor der Einreise zur Vermeidung einer durch gemeinsame Einreise ins Bundesgebiet eintretenden anspruchsausschließenden Wirkung ist nicht sachwidrig. Mit ihm sollten offenkundig Ansprüche auf Erzg in den Fällen ausgeschlossen werden, in denen die durch einen Aufenthalt im Bundesgebiet begründete Beziehung zur Bundesrepublik Deutschland längere Zeit zurückliegt, wobei auch in diesen Fällen deutsche und EG-Staatsangehörige gleich behandelt werden. Zwar kann das Erfordernis eines früheren Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet innerhalb der letzten zwei Jahre zu Härten führen; doch ist dies regelmäßig mit einer auf zeitliche Mindestvoraussetzungen abstellenden Typisierung verbunden. Die Revision konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173313

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