Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz wegen Verkehrsunfall: Nachweis der Unfallbedingtheit von Folgeschäden einer HWS-Verletzung; Bemessung eines Schmerzensgeldes

 

Normenkette

BGB §§ 253, 823 Abs. 1; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 28.01.2010; Aktenzeichen 2 O 103/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28.1.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Potsdam, Az.: 2 O 103/09, teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 4.500 EUR sowie weitere 3.004,76 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.4.2009 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zum Ersatz aller weiteren materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 24.9.2009 gegen 18:33 Uhr in W. verpflichtet ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 12 % und der Beklagte 88 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung des Beklagten hat nur zu einem geringen Teil hinsichtlich der geltend gemachten Nutzungsausfallentschädigung sowie eines Teilbetrages der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Soweit hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 825,27 EUR zunächst Bedenken im Hinblick auf die Prozessführungsbefugnis der Klägerin bestanden, da sie selbst vorgetragen hat, dass die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch den Rechtsschutzversicherer gezahlt worden seien (Bl. 7 GA), so dass der Erstattungsanspruch gem. § 67 VVG a.F./§ 86 VVG n.F. in dieser Höhe auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen ist und die Klägerin mangels Aktivlegitimation zu einer gerichtlichen Geltendmachung im eigenen Namen daher nur berechtigt wäre, wenn sie von dem Rechtsschutzversicherer hierzu im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft zur Zahlung an sich ermächtigt worden wäre (so auch LG Bremen RVGreport 2005, 359; OLG Köln JurBüro 2003, 468), wofür es jedoch an einem entsprechenden Vortrag der Klägerin fehlte, hat die Klägerin mit dem nachgereichten Schriftsatz vom 5.8.2010 eine entsprechende Rückabtretungserklärung des Rechtsschutzversicherers vom 4.8.2010 vorgelegt, mit der der Rechtsschutzversicherer den auf ihn übergegangenen Erstattungsanspruch wieder an die Klägerin rückabgetreten hat (Bl. 188 GA). Diese Abtretung hat die Klägerin spätestens konkludent mit der Vorlage der Abtretungserklärung in dem vorliegenden Rechtsstreit angenommen. Die darin liegende Klageänderung ist gem. § 533 ZPO zulässig, da sie zum einen sachdienlich ist und zum anderen auf neue Tatsachen gestützt ist, die der Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bei der Entscheidung zugrunde zu legen hat.

2. Die Klage ist überwiegend begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus den §§ 7 Abs. 1, 11 S. 2 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 ff., 253 Abs. 2 BGB jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.

a) Die grundsätzliche Einstandspflicht des Beklagten in vollem Umfang für die von der Klägerin bei dem Unfall vom 24.9.2008 erlittenen Schäden ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Unstreitig hat die Klägerin bei diesem Unfall eine HWS-Beschleunigungsverlet-zung davongetragen. Zutreffend ist das LG gestützt auf die Ausführungen des landgerichtlichen Sachverständigen Dr. S. auch davon ausgegangen, dass es infolge des Unfalls zu einer Verschlechterung der bei der Klägerin bereits vorhandenen altersbedingten Vorschädigung der Halswirbelsäule und zu einem Bandscheibenprolaps gekommen ist.

aa) Anders als vom LG angenommen, ist die Frage, ob der bei der Klägerin festgestellte Bandscheibenprolaps auf den Unfall zurückzuführen ist, nach dem Beweismaß des § 287 ZPO zu beurteilen. Zwar ist der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität bei Personenschäden nach den strengen Anforderungen des Vollbeweises gem. § 286 ZPO zu führen, während die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität nach Maßgabe des § 287 ZPO zu prüfen ist. Steht eine Primärverletzung fest, ist es gerechtfertigt, hinsichtlich der Feststellung der Schadensfolgen auf das Beweismaß des § 287 ZPO zu verweisen. Im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 287 ZPO werden geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts gestellt; es genügt je nach Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung. Dabei ist es dem Gericht nicht verwehrt, im Wege des Ausschlusses anderer Ursachen zu der Feststellung zu gelangen, dass als einzig realistische Ursache für die Beschwerden der Unfall in Betracht kommt (vgl. BGH VersR 2003, 474, 476; BGH NJW 2004, 777, 778; OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2005, 489, 491; Senat, Urt. v. 8.3.2007 - 12 U 48/06, Schadenpraxis 2007, 428; v. 25.9.2...

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