Leitsatz (amtlich)

Der Betreiber eines Vergnügungsparks ist im Hinblick auf die Benutzung einer ca. 10 Meter hohen, sechs parallele Bahnen umfassenden Rutsche verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass Benutzer zu rutschen beginnen, bevor die Vorbenutzer die Rutschbahn geräumt haben. Der Betreiber ist zumindest dazu verpflichtet, entsprechende Hinweisschilder an der Rutsche anzubringen; auch die Installation einer Lichtschranke i.V.m. einer Ampel dürfte dem Betreiber einer solchen Anlage wirtschaftlich zumutbar sein.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Aktenzeichen 13 O 2854/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.12.2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des LG Oldenburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.519,77? nebst 4 % Zinsen auf 18.285,60? ab dem 17.11.1997 und auf 234,17? ab dem 4.8.2000 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz aller zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensfall vom 1.5.1997 verpflichtet ist, sofern diese Ansprüche nicht auf Dritte übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin 46 % und die Beklagte 64 %. Die Klägerin trägt ferner 46 % der Kosten des Streithelfers; im Übrigen trägt der Streithelfer seine Kosten selbst.

Von den Kosten des 2. Rechtszugs tragen die Klägerin 25 % und der Beklagte 75 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.d. jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit leistet.

Der Streitwert für den 2. Rechtszug beträgt bis zu 31.000 Euro. Der Wert der Beschwer übersteigt nur für die Beklagte 20.000 Euro.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Ersatz für Schäden, welche sie anlässlich eines Unfalls am 1.5.1997 in dem von der Beklagten betriebenen Tier- und Freizeitpark erlitten hat. Die Klägerin besuchte den Park mit ihrem damals dreijährigen Sohn. Gemeinsam mit dem Kind benutzte sie die dort aufgestellte „Riesenrutsche”. Von dem ca. 10 Meter hohen Gerät kann man auf 6 nebeneinander verlaufenden Bahnen über mehrere „Wellen” mit unterschiedlichem Neigungswinkel unter Zuhilfenahme von Bastmatten mit hoher Geschwindigkeit herunter rutschen. Im Auslaufbereich der Rutsche stand die Klägerin auf, um die Bahn zu verlassen. Hierbei rutschten ihr die auf der gleichen Bahn nachfolgenden damals 4 und 6jährigen Söhne des Streithelfers in die Beine, woraufhin sie zu Fall kam, auf der Bahn aufschlug und dadurch erhebliche Verletzungen davontrug.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Mit ihrer Klage hat die Klägerin vornehmlich ein Schmerzensgeld sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihr zum Ersatz aller zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet sei.

Das LG hat der – im Laufe des ersten Rechtszugs teilweise zurückgenommenen – Klage stattgegeben. Auf das am 17.12.2001 verkündete Urteil wird Bezug genommen. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten.

Sie beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat nur zum Teil Erfolg.

1. Das LG hat eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zu Recht bejaht. Die allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen, beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der Gefahrenquellen schafft, die notwendigen und ihm zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu schaffen hat. Das einzuhaltende Ausmaß der Sicherheitsvorkehrungen hat sich dabei nach dem jeweiligen Benutzerkreis zu richten; insbesondere ist zu berücksichtigen, dass bei Spiel- und Freizeitanlagen kindliche bzw. jugendliche Benutzer dazu neigen, sich im Spieleifer auch unbesonnen zu verhalten (BGH NJW 1978, 1629; NJW 1980, 1159; Staudinger/Hager, BGB [1999], § 823 E 286). Allerdings können keine Vorkehrungen gegen jede denkbare, nur entfernt liegende Möglichkeit einer Gefährdung verlangt werden (BGH NJW 1978, 1629; Staudinger/Hager, BGB, [1999], § 823 E 286). Diesen Grundsätzen entsprechend ist es allgemein anerkannt, dass bei größeren Wasserrutschen – zumindest – durch deutlich sichtbare Schilder, unterstützt durch entsprechend grafische Symbole, am Einstieg der Rutsche auf die Gefahren einer unsachgemäßen Benutzung, etwa bei Nichteinhaltung des notwendigen Mindestabstands, hinzuweisen ist (OLG Karlsruhe v. 22.5.1992 – 14 U 83/89, VersR 1993, 709; v. 20.7.2000 – 7 U 201/97, OLGReport Köln 2001, 32; Staudinger/Hager, BGB [1999], § 823 E 312).

Bei der hier vorliegenden „Landrutsche...

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