Verfahrensgang

LG Cottbus (Urteil vom 16.06.2015; Aktenzeichen 4 O 64/13)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.6.2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Cottbus, Az.: 4 O 64/13, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß §§ 517 ff ZPO eingelegte Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG ein Anspruch auf Schmerzensgeld in der vom LG ausgeurteilten Höhe zu.

Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach in vollem Umfang für die vom Kläger infolge des Verkehrsunfalls am 11.10.2011 auf der B. in G. erlittenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie der ergänzend vor dem Senat vorgenommenen persönlichen Anhörung des Klägers ebenso wie das LG davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die beim Kläger diagnostizierte Hüftgelenksverletzung eine Folge des Verkehrsunfalls vom 11.10.2011 ist und ein Schmerzensgeld in der vom Kläger begehrten Höhe rechtfertigt.

1. Grundsätzlich trägt der Anspruchsteller die Beweislast dafür, dass die geltend gemachten Beschwerden adäquate Folgen des Unfallereignisses sind. Im Streitfall hat daher der Kläger nach den strengen Anforderungen des Vollbeweises gem. § 286 ZPO zur vollen Überzeugung des Gerichts den Nachweis zu führen, dass er bei dem Unfall eine Primärverletzung erlitten hat. Steht eine solche Primärverletzung fest, richtet sich die Frage, ob der Unfall über diese Primärverletzung hinaus auch für weitere Beschwerden des Klägers ursächlich ist, nach dem Beweismaß des § 287 ZPO, wonach je nach Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung genügt (vgl. BGH VersR 2003, 474, 476; BGH NJW 2004, 777, 778; Senatsurteil v. 11.11.2010 - 12 U 33/10, Schaden-Praxis 2011, 141 m.w.N.; Saarländisches OLG NZV 2011, 340). Bei den geltend gemachten Schmerzen im rechten Hüftgelenk handelt es sich um eine Primärverletzung, da diese nach dem Vorbringen des Klägers unabhängig von der bei dem Unfall ebenfalls erlittenen HWS-und LWS-Distorsion entstanden sein soll. Den danach zu erbringenden vollen Beweis für die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Hüftgelenksbeschwerden hat der Kläger erbracht.

Der gerichtliche Sachverständige Dr. O. hat eine Unfallbedingtheit der Hüftgelenksverletzung in Form einer Ruptur des Ligamentum capitis femoris aufgrund des Unfallmechanismus, insbesondere unter Berücksichtigung der Positionierung des Fahrers, und des arthroskopischen Befundes bei Vorliegen degenerativer Abnutzungserscheinungen bejaht. Soweit der Sachverständige dieser Beurteilung die vom Kläger geschilderte und von den Beklagten bestrittene Sitzposition zum Zeitpunkt des Aufpralls zugrunde gelegt hat, wonach sich der Kläger in seitlich noch vorn gebeugter gebückter Haltung befunden habe, um bei dem Anhalten zu Boden gefallene Unterlagen aufzuheben, ist der Sachverständige nicht von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Zwar hätte das LG das Gutachten nicht alleine seiner Überzeugungsbildung zugrunde legen dürfen, da die streitige Frage der Sitzposition des Klägers für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs von Bedeutung war und in erster Instanz ungeklärt geblieben ist. Nach der in erster Instanz unterbliebenen und vom Senat nachgeholten persönlichen Anhörung des Klägers gem. § 141 ZPO ist der Senat jedoch aufgrund der plausiblen und nachvollziehbaren Unfallschilderung des Klägers davon überzeugt, dass seine Angaben betreffend die Sitzposition zum Zeitpunkt des Aufpralls der Wahrheit entsprechen.

Da der Senat seine Überzeugung gem. § 286 ZPO aus dem gesamten Inhalt der Verhandlung und der Beweisaufnahme zu gewinnen hat und zu dem Inhalt der mündlichen Verhandlung auch die Angaben des Klägers im Rahmen der persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO gehören, ist der Senat nicht daran gehindert, im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Angaben einer Partei auch dann zu glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann (vgl. BGH NJW-RR 1991, 983; BGH NJW-RR 1992, 920; BGH NJW-RR 2006, 672, 673 Rn. 9). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Für den Senat bestehen an der Richtigkeit der glaubhaften Unfallschilderung des Klägers und in diesem Zusammenhang an der von ihm zum Zeitpunkt des Aufpralls eingenommenen Sitzposition keine vernünftigen Zweifel. Der Kläger hat anschaulich geschildert, dass er, nachdem er sich durch einen Blick in den Rückspiegel darüber vergewissert hatte, dass das hinter ihm fahrende Fahrzeug noch rechtzeitig zum Stehen gekommen war, sich seitlich nach vorne gebeugt hat, um die a...

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