Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 09.06.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 08.06.2022 abgeändert.

Die Gerichtskosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden der Mutter und dem Antragsgegner je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf zwischen 2.001 EUR und 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Die allein gegen die Kostenentscheidung gerichtete Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 58 ff. FamFG.

Bei der vom Amtsgericht getroffenen Kostenentscheidung handelt es sich nach der Rechtsprechung des BGH um eine Endentscheidung (vgl. BGH, NJW 2013, 3523 Rn. 6; NJW 2011, 3654 Rn. 15), so dass die Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG gegeben ist. Die Zulässigkeit dieser Beschwerde hängt, da Gegenstand des Hauptsacheverfahrens keine vermögensrechtliche Angelegenheit war, nicht vom Erreichen einer Mindestbeschwer von mehr als 600 EUR gemäß § 61 Abs. 1 FamFG ab (vgl. BGH, NJW 2013, 3523 Rn. 12 ff.; NJW-RR 2014, 129 Rn. 4).

2. Die Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat nicht der minderjährige Antragsteller, sondern haben dessen Mutter und der Antragsgegner die Gerichtskosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen, während die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten unterbleibt.

a) Das Amtsgericht hatte nach Rücknahme des Antrags auf Vaterschaftsfeststellung nur noch über die Kosten gemäß § 81 FamFG zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Kosten des Verfahrens, also die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (§ 80 FamFG), den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen.

b) Ob eine nach diesen Grundsätzen vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 3.1.2013 - II-2 UF 207/12, BeckRS 2013, 03576; Haußleiter, FamFG, 2. Aufl., § 81 Rn. 5; vgl. auch mit Differenzierungen MüKoFamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, § 81 Rn. 103) oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH, FamRZ 2013, 1876 Rn. 23; NJW 2011, 3654 Rn. 26 f; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Weidemann, 2. Aufl., § 2 Rn. 256; BeckOK FamFG/Obermann, 41. Ed. 01.01.2022, FamFG § 69 Rn. 31c; vgl. auch Augstein, FamRZ 2016, 1833; gerade auch in Bezug auf ein Abstammungsverfahren wie das vorliegende OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.01.2017 - 1 WF 182/16, BeckRS 2017, 102813 Rn. 17; OLG Brandenburg - 1. Familiensenat -, Beschluss vom 14.07.2020 - 9 WF 141/20, BeckRS 2020, 17108 Rn. 7; im Ergebnis auch BGH, NJW-RR 2014, 898 Rn. 15), kann hier dahinstehen. Denn da das Amtsgericht bezüglich der getroffenen Kostenentscheidung allein die angewendeten Normen benannt hat, ist eine Überprüfung der Ermessensausübung nicht möglich (vgl. auch OLG Brandenburg - 2. Familiensenat -, Beschluss vom 26.1.2015 - 10 WF 37/14, BeckRS 2015, 17599; Beschluss vom 06.07.2017 - 10 WF 89/17, BeckRS 2017, 141532 Rn. 7).

Somit hat der Senat in jedem Fall selbst eine Ermessensentscheidung gemäß § 81 FamFG zu treffen. Im vorliegenden Fall entspricht es billigem Ermessen, dass die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz der Mutter und dem Antragsgegner je zur Hälfte auferlegt werden und zudem die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten unterbleibt.

c) Eine Beteiligung des antragstellenden Kindes an den Verfahrenskosten scheidet aus. Zwar können entgegen der Auffassung des Antragstellers im Abstammungsverfahren auch dem Kind grundsätzlich Kosten auferlegt werden. Denn § 81 Abs. 3 FamFG bestimmt lediglich, dass einem minderjährigen Beteiligten nicht die Kosten in Kindschaftssachen auferlegt werden können, die seine Person betreffen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war aber keine Kindschaftssache i.S.d. §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG, sondern eine Abstammungssache im Sinne von §§ 111 Nr. 3, 169 FamFG. Von der durch § 81 Abs. 3 FamFG nicht ausgeschlossenen Möglichkeit ist aber nur sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen.

Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten seines Abstammungsverfahrens ist regelmäßig unbillig, da das Kind selbst nicht zur Unsicherheit über die Vaterschaft beigetragen oder Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben hat (OLG Brandenburg - 4. Familiensenat -, Beschluss vom 31.01.2020 - 13 WF 4/20, BeckRS 2020, 1648 Rn. 15; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.01.2017 - 1 WF 182/16, BeckRS 2017, 102813, beck-online)

Das Kind hat einen Anspruch auf Klärung seiner Abstammung. Bestehen Unklarheiten darüber, wer sein Vater ist, und ergreifen weder die Mutter noch der potentielle Vater die Initiative, die Vaterschaft außergerichtlich zu klären, ist das Kind gezwungen, ein Verfahren zur Klärung seiner Abstammung einzuleiten. Selbst i...

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