Leitsatz (amtlich)

Zur Kostenverteilung in einem Abstammungsverfahren, wenn die Mutter Mehrverkehr in der Empfängniszeit erst nach und nach einräumt.

 

Normenkette

FamFG § 81

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 16.05.2017; Aktenzeichen 2.2 F 222/16)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden der Antragstellerin zu 3/4 und dem Antragsgegner zu 1/4 auferlegt.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf zwischen 501 EUR und 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrte zunächst vor dem Amtsgericht ... die Feststellung, dass Herr S... O... Vater ihres am ....1.2012 geborenen Sohnes sei. Das Amtsgericht ... holte ein Abstammungsgutachten ein, das zu dem Ergebnis kam, Herr S... O...sei als Vater ausgeschlossen. Daraufhin nahm die Antragstellerin ihren Antrag zurück. Durch Beschluss vom 7.6.2012 (144 F 2538/12) legte das Amtsgericht ... der Antragstellerin die Verfahrenskosten mit der Begründung auf, sie habe schuldhaft unwahre Angaben gemacht, indem sie ausdrücklich erklärt habe, in der Empfängniszeit nur Herrn S... O... beigewohnt zu haben, obwohl sie nach dem Ergebnis des Gutachtens noch mit einer weiteren Person Verkehr gehabt haben müsse.

Das vorliegende Verfahren hat die Antragstellerin unter dem 24.5.2016 mit dem Ziel eingeleitet, festzustellen, dass der Antragsgegner der Vater ihres Sohnes sei. Zur Begründung hat sie ausgeführt, in der gesetzlichen Empfängniszeit mit dem Antragsgegner zwei- bis dreimal Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Daneben habe sie in der gesetzlichen Empfängniszeit eine intime Beziehung zu Herrn S... O...unterhalten, dessen Vaterschaft aufgrund des vom Amtsgericht ... eingeholten Abstammungsgutachtens ausgeschlossen sei. Andere Personen kämen als Vater ihres Sohnes nicht in Betracht. Als sie dem Antragsgegner mitgeteilt habe, dass sie schwanger sei und das Kind von ihm sein könne, habe er mitgeteilt, dass er mit der Sache nichts zu tun haben wolle. Er sei auch nicht bereit gewesen, an einem privaten Vaterschaftstest mitzuwirken. Auf ein Schreiben des Jugendamtes ... als damaliger Beistand, das die Klärung der Vaterschaft zum Ziel gehabt habe, habe der Antragsgegner ebenfalls nicht reagiert.

Zu dem Antrag der Antragstellerin hat der Antragsgegner schriftsätzlich nicht Stellung genommen. Im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht vom 24.1.2017 haben Antragstellerin und Antragsgegner übereinstimmend angegeben, in der gesetzlichen Empfängniszeit zweimal Geschlechtsverkehr miteinander gehabt zu haben. Nach dem Ergebnis des vom Amtsgericht eingeholten Abstammungsgutachtens vom 9.3.2017 ist der Antragsgegner als Erzeuger des Kindes ausgeschlossen. Im Termin vor dem Amtsgericht vom 16.5.2017 hat die Antragstellerin ihren Vaterschaftsfeststellungsantrag zurückgenommen. Durch den angefochtenen Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht angeordnet, dass Antragstellerin und Antragsgegner die gerichtlichen Kosten je zur Hälfte tragen und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Zur Begründung macht er geltend, er habe immer wieder gesagt, dass er nicht der Vater sei und er es deshalb nicht einsehe, dafür zu bezahlen. Die Antragstellerin habe das gewusst und ihn dennoch vor Gericht gezogen.

II. Die gemäß §§ 58 f FamFG zulässige, insbesondere von der Kostenbeschwer unabhängige Beschwerde (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1876) führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Antragstellerin in einem größeren Umfang als der Antragsgegner, nämlich zu 75 %, an den Kosten des Verfahrens erster Instanz zu beteiligen.

1. Wird das Verfahren, wie hier, ohne streitige Entscheidung in der Hauptsache zum Abschluss gebracht, ist über die Kosten nach §§ 83 Abs. 1, 81 FamFG zu entscheiden. Danach kann das Gericht die Kosten des Verfahrens, also die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen, § 80 FamFG, den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen.

Über die Kosten des Verfahrens hat das Gericht mithin nach billigem Ermessen zu entscheiden, vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Ob eine nach diesen Grundsätzen vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 3.1.2013 - II-2 UF 207/12, BeckRS 2013, 03576) oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH, FamRZ 2013, 1876 Rn. 23; NJW 2011, 3654 Rn. 26 f; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Weidemann, § 2 Rn. 256; vgl. auch Augstein, FamRZ 2016, 1833), kann hier dahinstehen (vgl. auch Senat, Beschluss vom 19.3.2015 - 10 WF 1/15, FamRZ 2016, 4...

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