Entscheidungsstichwort (Thema)

Abstammungsverfahren: Kostenentscheidung nach streitloser Beendigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem in der Sache erfolgreichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren widerspricht es billigem Ermessen, einem Kindesvater die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn dieser berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft haben durfte und vor Kenntnis des Abstammungsgutachtens nicht sicher sein konnte, ob er der Vater des beteiligten Kindes ist (vgl. OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, JurBüro 2012, 602; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 5. A., § 183, Rn. 3 m. w. N.). Die Frage, inwiefern ein Beteiligter Anlass für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens hatte, ist in Fällen wie dem vorliegenden ein Gesichtspunkt, der im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG von maßgeblicher Bedeutung sein kann (vgl. BGH, FamRZ 2014, 744, Rn. 17 m.w.N.).

2. Die fehlende Mitwirkung an einem außergerichtlichen Abstammungsgutachten rechtfertigt noch nicht die alleinige Kostentragung im Abstammungsverfahren.

3. Für eine gleichmäßige Kostentragung beider Eltern kann ihre infolge ihrer intimen Beziehung gleichermaßen zu tragende Verantwortung, die Frage der Vaterschaft im Interesse des Kindes zuverlässig zu klären (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonke, FamFG, 5. A., § 183 Rn. 17), sprechen, sowie ihre fortbestehende gemeinsame Elternstellung, innerhalb derer eine gemeinsame Kostentragung geeignet ist, Spannungen oder Mißhelligkeiten gering zu halten.

4. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten seines Abstammungsverfahrens ist unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit über die Vaterschaft beigetragen oder Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben hat.

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 20 F 117/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers und unter Zurückweisung seiner weitergehenden Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 25.11.2019 abgeändert.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner und die weitere Beteiligte je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Der beschwerdeführende Antragsgegner, dem das Amtsgericht in einer Abstammungssache sämtliche Kosten auferlegt hat, erstrebt die Tragung sämtlicher Kosten durch die Mutter des Antragstellers, hilfsweise durch diesen.

Der Antragsgegner hatte nach Vorliegen eines seine Vaterschaft feststellenden gerichtlichen Abstammungsgutachtens (55 ff.) am 12.11.2019 außergerichtlich seine Vaterschaft anerkannt (77a.), was der Beistand des Antragstellers als eine Erledigung seines Antrags aufgefasst hat (77a). Mit Schreiben vom 20.11.2019 zeigte auch der Vater sein Anerkenntnis vom 12.11.2019 dem Gericht an, wobei er die Länge des einem Umgang entgegen stehenden Feststellungsverfahrens beklagte (78 ff).

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht dem Vater die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt, da er nicht bereit gewesen sei, seine Vaterschaft kostenfrei urkundlich anzuerkennen.

Mit seiner Beschwerde beanstandet der Vater im Wesentlichen die Kostenentscheidung als ermessensfehlerhaft.

Kind und Mutter verteidigen den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug.

2. Die Beschwerde ist zulässig, §§ 58 ff. FamFG, und in der Sache teilweise erfolgreich.

Die Vorschriften über das Verfahren in Abstammungssachen (§§ 169 ff. FamFG) enthalten, da § 183 FamFG nur den Fall der erfolgreichen Anfechtung erfasst, für den hier vorliegenden Fall einer streitlosen Verfahrensbeendigung keine Sondervorschriften für die Kostenentscheidung. Nach den hier anwendbaren §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1 S 1, S 2 FamFG ist über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Die Wertung der Beteiligtenkorrespondenz durch das Amtsgericht als übereinstimmende Erledigung erscheint, da Antragsteller und Vater insoweit übereinstimmend eine schnellstmögliche Beendigung des Verfahrens erstrebt haben, vertretbar, kann indessen dahinstehen, da auch im Falle einer sonst in Betracht zu ziehenden Antragsrücknahme die Kostenentscheidung jedenfalls nach gleichen Maßstäben zu erfolgen hätte.

Hierbei sind im Rahmen des auszuübenden Ermessens alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und damit neben dem voraussichtlichen Unterliegen eines Beteiligten - vorliegend des Vaters - auch die Frage, wer ein Verfahren veranlasst hat.

Bei einem in der Sache erfolgreichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren entspricht es nach Auffassung des Senats nicht billigem Ermessen, einem Kindesvater die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn dieser berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft haben durfte und vor Kenntnis des Abstammungsgutachtens nicht sicher sein konnte, ob er der Vater des beteiligten Kindes ist (vgl. OLG Brandenburg, 1. Familiensenat,...

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