Gesetzestext

 

Nur der Sachwalter kann die Haftung nach den §§ 92 und 93 für die Insolvenzmasse geltend machen und Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 anfechten.

1. Bisherige gesetzliche Regelung

 

Rn 1

Die Vorschrift wurde bei Neuschaffung der Insolvenzordnung mit Gesetz vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2866) eingeführt und gilt seitdem unverändert.

2. Allgemeines

 

Rn 2

Im Rahmen der Eigenverwaltung besteht das Problem, dass sich bestimmte Ansprüche gegen dem Schuldner nahestehende Personen richten oder auf Handlungen beruhen, die diese Personen vorgenommen haben. Wenn solche Ansprüche geltend gemacht werden sollen, befindet sich der Schuldner in einem Interessenkonflikt, den die Insolvenzordnung dadurch löst, dass sie die Geltendmachung derartiger Ansprüche dem Sachwalter überträgt. Auf die allgemeine Geschäftsführung des Schuldnerunternehmens hat dies keinen Einfluss. Es darf aber nicht übersehen werden, dass erhebliches Streitpotenzial besteht, wenn Verwandte des Schuldners, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter in Anspruch genommen werden, das im ungünstigen Fall die weitere Zusammenarbeit zwischen Schuldner, Sachwalter und Gläubigern unmöglich machen kann.

 

Rn 3

Denkbar ist auch, dass schädigende oder anfechtbare Handlungen des Schuldners oder seiner Organe dazu Anlass geben, von der Anordnung einer Eigenverwaltung abzusehen, wenn aus ihnen gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 geschlossen wird, dass die Eigenverwaltung Nachteile für die Gläubiger erwarten lässt. Umgekehrt dürften bei angeordneter Eigenverwaltung, die auf einem begründeten und intakten Vertrauen zum Schuldner beruht, Schadensersatz- und Anfechtungsansprüche die Ausnahme darstellen.

 

Rn 4

Soweit die Anspruchsdurchsetzung dem Sachwalter zugewiesen ist, fällt ihm auch zu, das Bestehen der Ansprüche in eigener Verantwortung zu prüfen. Ihm stehen dafür die Informationsrechte gemäß §§ 274 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 3 gegen den Schuldner zu.

 

Rn 5

Eingezogene Beträge fließen unmittelbar in die Insolvenzmasse, wobei für Quotengeschädigte ggf. eine Sondermasse zu bilden ist, und unterfallen damit wieder der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners.

3. Haftung

 

Rn 6

§ 92 Satz 1 weist die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die Insolvenzgläubiger durch die Verringerung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach Verfahrenseröffnung erlitten haben, dem Verwalter zu. Ein sog. Gesamtschaden ist anzunehmen, wenn ein einheitlicher Quotenschaden vorliegt.[1] Typischer Anwendungsfall von § 92 ist die Organhaftung wegen verspäteter Stellung des Insolvenzantrages gemäß § 64 GmbHG oder § 92 Abs. 2 AktG. Bei verspäteter Insolvenzantragstellung sind jedoch nur Altgläubiger von § 92 umfasst, nicht auch Neugläubiger, weil letzteren ein Vertrauensschaden in individueller Höhe entsteht.[2] Bedeutsamkeit erlangt diese Unterscheidung in der Eigenverwaltung dann, wenn der Schuldner in einem Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 3 zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt wurde und diese nach Eröffnung nicht befriedigt werden können. Beruht dieser Zahlungsausfall auf einem schuldhaften Pflichtverstoß des Schuldners, muss der Massegläubiger den Anspruch selbst verfolgen. Dafür spricht auch, dass § 92 nur Schadensersatzansprüche von Insolvenzgläubigern, nicht aber von Massegläubigern, dem Verwalter zur Geltendmachung zuweist.

 

Rn 7

Soweit in §§ 26, 206 UmwG,[3] § 46 GmbHG und § 147 AktG besondere Vertreter genannt sind, deren Aufgaben jeweils die Durchsetzung von Ansprüchen ist, erfasst § 92 deren Aufgabe ebenfalls und weist sie dem Sachwalter zu.

 

Rn 8

Die Geltendmachung von Ansprüchen auf Ersatz eines Gesamtschadens gegen den Sachwalter weist § 92 Satz 2 einem neu zu bestellenden Verwalter zu. Zur Prüfung und Geltendmachung derartiger Ansprüche gegen den Sachwalter ist daher ein neu bestellter Sachwalter oder ein vom Gericht bestellter Sondersachwalter zu berufen.

 

Rn 9

Nach § 93 ist die persönliche Haftung bei Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft für die Dauer des Insolvenzverfahrens dem Sachwalter zugewiesen. Gemeint sind damit die in § 128 HGB, ggf. i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB oder § 278 Abs. 2 AktG geregelten Ansprüche gegen persönlich haftende Gesellschafter. Die Haftungsdurchsetzung gegenüber Kommanditisten ist dem Sachwalter ausdrücklich bereits in § 171 Abs. 2 HGB übertragen. § 93 verleiht dem Verwalter die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis für bestimmte Ansprüche. Die Verfügungsbefugnis über die Ansprüche verbleibt beim einzelnen Gläubiger, der von der Anspruchsgeltendmachung selbst jedoch ausgeschlossen ist. In Betracht kommt auch, die Vorschrift entsprechend auf § 133 UmwG anzuwenden, wonach für Verbindlichkeiten eines übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden einer Spaltung begründet worden sind, beide an der Spaltung beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuldner haften.

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