Gesetzestext

 

1Eine Rechtshandlung, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die nach § 81 Abs. 3 Satz 2, §§ 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken und §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen wirksam ist, kann nach den Vorschriften angefochten werden, die für die Anfechtung einer vor der Verfahrenseröffnung vorgenommenen Rechtshandlung gelten. 2Satz 1 findet auf die den in § 96 Abs. 2 genannten Ansprüchen und Leistungen zugrunde liegenden Rechtshandlungen mit der Maßgabe Anwendung, dass durch die Anfechtung nicht die Verrechnung einschließlich des Saldenausgleichs rückgängig gemacht wird oder die betreffenden Überweisungs-, Zahlungs- oder Übertragungsverträge unwirksam werden.

Bisherige gesetzliche Regelungen: § 42 KO – § 166 RegE, § 156 RefE

1. Allgemeines

1.1 Rechtsquellen

 

Rn 1

§ 147 Satz 1 entspricht inhaltlich dem § 42 KO und ist mit dem Wortlaut des § 166 RegE nahezu identisch. Die Unterschiede gegenüber § 166 RegE (Verweis auf § 81 Abs. 3 Satz 2 und § 96 Abs. 2) beruhen auf Art. 1 Nr. 6 des Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten vom 6.6.2002. § 147 Satz 2 ist durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften vom 8.12.1999 eingefügt worden.[1] Die Vorschrift wurde wegen der EU-Richtlinie 98/26/EG vom 19.5.1998 notwendig, die das reibungslose Funktionieren des internationalen Zahlungsverkehrs sicherstellen soll.[2] Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 wurde der frühere Abs. 2 aufgehoben, der den Beginn der Verjährungsfrist festlegte. Die Vorschrift wurde durch die Änderung des § 146 Abs. 1 überflüssig.[3]

[1] BGBl. I 1999 S. 2384; siehe auch HK-Kreft, § 147 Rn. 1.
[2] Braun-Riggert, § 147 Rn. 6; siehe auch BR-Drs. 456/99, S. 6 ff.
[3] Siehe auch HK-Kreft, § 147 Rn. 1.

1.2 Normzweck

 

Rn 2

§ 147 Satz 1 erweitert den Kreis der anfechtbaren Rechtshandlungen über § 129 hinaus und schließt damit weitgehend (siehe aber auch unten Rn. 8 ff.) die durch die Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb (§ 81 Abs. 1 Satz 2, § 91 Abs. 2) zu Lasten des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerissene Lücke. Danach sind – entgegen der sonstigen Wertung des Insolvenzrechts – Verfügungen über das Schuldnervermögen unter bestimmten Voraussetzungen wirksam, obwohl sie erst nach Verfahrensbeginn vorgenommen bzw. wirksam wurden. Letztlich erweitert damit der § 147 Satz 1 den Anwendungsbereich der Anfechtungstatbestände (§§ 130145) auf die Zeit nach Insolvenzeröffnung. Nicht einbezogen in § 147 Satz 1 hat der Gesetzgeber jedoch den Rechtserwerb nach § 91 Abs. 2 i.V.m. § 878 BGB. Dies war eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die jedoch einer teleologischen Reduktion bedarf (siehe unten Rn. 11).

 

Rn 3

§ 147 Satz 2 soll die Beständigkeit laufender und täglicher Verrechnungen in bestimmten, in § 96 Abs. 2 genannten Finanzsystemen für und gegen alle Teilnehmer sichern und dadurch das Vertrauen in die Finanzmärkte wahren.[4] Zusätzlich soll die durch die Neufassung des § 96 Abs. 2 bewirkte Sicherung von Verfügungen über Finanzsicherheiten i.S.d. § 1 Abs. 17 KWG geschützt werden.[5]

[4] BT-Drs. 14/1539, S. 11; Schmidt-Rogge, § 147 Rn. 2; MünchKomm-Kirchhof, § 147 Rn. 1; Nerlich/Römermann-Nerlich, § 147 Rn. 2a.
[5] HK-Kreft, § 147 Rn. 3.

2. § 147 Satz 1

 

Rn 4

Während § 129 Abs. 1 InsO die Anfechtung auf Rechtshandlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt, dehnt § 147 Satz 1 die Anfechtbarkeit auch auf solche Rechtshandlungen aus, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. § 147 Satz 1 erweitert mithin den Kreis der anfechtbaren Rechtshandlungen.

2.1 Die erfassten Rechtshandlungen

 

Rn 5

Für die zeitliche Abgrenzung des § 147 Satz 1 von § 129 kommt es darauf an, wann die Rechtshandlung vorgenommen wurde. Insoweit sind die Abs. 13 des § 140 zu beachten. Welche Rechtshandlungen in sachlicher Hinsicht von § 147 Satz 1 erfasst werden, ergibt sich aus dem Wortlaut sowie aus einer erweiterten Auslegung der Norm (siehe unten Rn. 8 ff.). In jedem Fall muss die Rechtshandlung Teil einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Schuldners sein, die – trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens – zu einem beschlagsfreien Erwerb geführt hat. In persönlicher Hinsicht berechtigen (im Rahmen eines mehraktigen Erwerbstatbestands) sowohl Rechtshandlungen des Schuldners als auch solche des Anfechtungsgegners – beispielsweise dessen Antrag auf Eigentumsumschreibung im Grundbuch – zu einer Anfechtung nach § 147 Satz 1.[6]

[6] Kübler/Prütting-Paulus, § 147 Rn. 3; Schmidt-Rogge, § 147 Rn. 7.

2.1.1 Die gesetzlich geregelten Fälle

 

Rn 6

In sachlicher Hinsicht erfasst § 147 Satz 1 neben Verfügungen des Schuldners über die in § 81 Abs. 3 Satz 2 genannten Finanzsicherheiten insbesondere solche über Grundstücke, Schiffe und Flugzeuge, die nach §§ 892, 893 BGB, §§ 16, 17 SchiffsRG oder §§ 16, 17 LuftfahrzeugRG wirksam sind. § 147 Satz 1 ist folglich insbesondere im Zusammenhang mit den Vorschriften in § 81 Abs. 1 Satz 2 und § 91 Abs. 2 zu sehen, die nach der Verfahrenseröffnung vorgenom...

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