Gesetzestext

 

(1) Der Insolvenzverwalter darf eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat.

(2) Der Verwalter darf eine Forderung, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat, einziehen oder in anderer Weise verwerten.

(3) Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung

1. auf Gegenstände, an denen eine Sicherheit zu Gunsten des Betreibers oder des Teilnehmers eines Systems nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem System besteht,
2. auf Gegenstände, an denen eine Sicherheit zu Gunsten der Zentralbank eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums oder zu Gunsten der Europäischen Zentralbank besteht, und
3. auf eine Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes.

Bisherige gesetzliche Regelungen:

§ 127 KO, § 12 Abs. 1 GesO

1. Normzweck und Anwendungsbereich

 

Rn 1

§ 166 gewährt dem Insolvenzverwalter eine umfassende Verwertungsbefugnis im Hinblick auf mit Absonderungsrechten belastete bewegliche Gegenstände.[1] Durch diese Regelung wird das Interesse der Gesamtgläubigerschaft an einer sinnvollen Gesamtverwertung des "technisch organisatorischen Verbundes des Schuldnervermögens" in den Vordergrund und damit über die möglichen Einzelinteressen einzelner Sicherungsnehmer gestellt (zur Intensität des Eingriffs in die Rechte der gesicherten Gläubiger siehe Vorbemerkung §§ 165, 166 Rn. 1 f.). Sie ermöglicht es dem Insolvenzverwalter, durch eine gemeinsame Verwertung zusammengehöriger, aber durch Sicherungsrechte unterschiedlicher Gläubiger belasteter Gegenstände einen höheren Verwertungserlös zu erzielen (zur Realfolgenorientierung der §§ 165 ff. siehe Vorbemerkung §§ 165, 166 Rn. 4).[2] Darüber hinaus verhindert § 166, dass einzelne Gläubiger in Ausübung ihrer Absonderungsrechte dem Unternehmen des Schuldners zum Betrieb benötigte Sachmittel entziehen und so eine Betriebsfortführung erschweren oder gar unmöglich machen können, da ansonsten eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens erheblich beeinträchtigt oder sogar vereitelt würde (ausf. zu diesem Regelungsanliegen siehe Vorbemerkung §§ 165, 166 Rn. 2).

 

Rn 2

Dogmatisch hat § 166 Ermächtigungswirkung: Abs. 1 ist Veräußerungsermächtigung i.S.v. § 185 BGB und Abs. 2 ist Einziehungsermächtigung und weist dem Insolvenzverwalter das Recht zur Einziehung zur Sicherheit abgetretener Forderungen zu.[3]

 

Rn 3

Auch die Einziehungsermächtigung nach Abs. 2 des § 166 entspricht dem Interesse der Gesamtgläubigerschaft, da im Regelfall allein der Verwalter – nicht aber der Sicherungsnehmer – Zugriff auf die Geschäftsunterlagen des Schuldners hat.[4] Der Sicherungsnehmer wird daher ohne die Unterstützung des Verwalters im Regelfall gar nicht in der Lage sein, die abgetretene Forderung zu belegen und sich gegen mögliche Einwendungen des Drittschuldners zu verteidigen. Aus diesem Grund wurde bereits unter Geltung der KO und der GesO die heutige Gesetzeslage faktisch vorweggenommen, in dem die gesicherten Gläubiger (insbes. Kreditinstitute) regelmäßig den Verwalter – gegen entsprechende Beteiligung am Erlös zu Gunsten der Masse – mit der Einziehung solcher Forderungen beauftragten.

Die Vorteile der Verwertung durch den Insolvenzverwalter sind evident. Die Verwertungsbefugnis wurde daher auch auf den vorläufigen Insolvenzverwalter erstreckt.[5]

 

Rn 4

Gemäß § 313 Abs. 3 findet die Regelung des § 166 keine Anwendung auf Verbraucherinsolvenzverfahren. Für den Nachlassinsolvenzverwalter ist sie mangels abweichender Regelung in den §§ 315 ff. ebenfalls anwendbar.[6] Das Verwertungsrecht besteht auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gem. § 208, wenn der Verwalter gemäß § 208 Abs. 3 die Verwertung fortsetzt.[7]

[1] Ausnahmen bestehen bei der Eigenverwaltung nach § 282 Abs. 1 Satz 1 und im Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 313 Abs. 3 Satz 1.
[2] Vgl. BGH, Urt. v. 23. 4. 2009 – IX ZR 65/08, NJW 2009, 2305 = ZIP 2009, 1075, im Kontext des § 166 Abs. 2: "Sinn und Zweck des § 166 Abs. 2 InsO sprechen für eine umfassende Verwertungsbefugnis des Verwalters. Die Interessen der Beteiligten sollen dadurch so koordiniert werden, dass der Wert des Schuldnervermögens maximiert wird. Dies rechtfertigt es zugleich, den Sicherungsgläubigern durch die Einbindung in das Verfahren bei der Durchsetzung ihrer Rechte gewisse Rücksichtnahmen abzuverlangen."
[3] Uhlenbruck-Brinkmann. 13. Aufl. 2010, § 166 Rn. 9.
[4] Zu diesem Umstand, aus dem sich ergibt, dass eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter effizienter ist als durch den Sicherungszessionar, vgl. auch BGH, Urt. v. 23. 4. 2009 – IX ZR 65/08 [Tz. 14], NJW 2009, 2305 = ZIP 2009, 1075 [BGH 23.04.2009 - IX ZR 65/08] m. w. Nachw.
[5] Vgl. unten Rn. 57, 60.
[7] Statt vieler MünchKomm-Hefermehl, 2. Aufl. 2008, § 208 Rn. 44.

2. Verwertungsbefugnis des Verwalters

2.2 Ausschluss der Verwertungsrechte der Gläubiger

 

Rn 5

Anders als bei § 165 InsO ist der abs...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge