Gesetzestext

 

(1) 1Die Anwendung der §§ 125 bis 127 wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Betriebsänderung, die dem Interessenausgleich oder dem Feststellungsantrag zugrunde liegt, erst nach einer Betriebsveräußerung durchgeführt werden soll. 2An dem Verfahren nach § 126 ist der Erwerber des Betriebs beteiligt.

(2) Im Falle eines Betriebsübergangs erstreckt sich die Vermutung nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder die gerichtiche Feststellung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 auch darauf, daß die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt.

Bisherige gesetzliche Regelungen

Keine.

 

Rn 1

In der Insolvenzpraxis hat sich die sog. übertragende Sanierung, d.h. die von Altverbindlichkeiten entlastete Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen bereits bestehenden oder neu zu gründenden Rechtsträger,[1] bewährt. Diese Übertragung erfüllt regelmäßig den Tatbestand eines (Teil-)Betriebsübergangs i.S.d. § 613a BGB, der auch nach der Insolvenzrechtsreform weiterhin Geltung beansprucht. Mit § 128 wurde eine vermittelnde Lösung gesucht, um die praktischen Schwierigkeiten zu mildern, die sich aus dem gesetzlich vorgeschriebenen Übergang der Arbeitsverhältnisse auf einen Betriebserwerber ergeben.[2]

 

Rn 2

Gemäß § 128 Abs. 1 wird die Anwendung der §§ 125127 auch auf den Fall erstreckt, dass die Betriebsänderung, die dem Interessenausgleich nach § 125 oder dem Feststellungsantrag nach § 126 zugrunde liegt, erst nach einer Betriebsveräußerung durchgeführt werden soll. Die Wirkungen der §§ 125127 greifen demnach unabhängig davon, ob der Verwalter vor dem Betriebsübergang oder der Betriebserwerber nach dem Betriebsübergang kündigt. Voraussetzung ist jedoch, dass der Verwalter vor dem Betriebsübergang den Interessenausgleich nach § 125 Abs. 1 mit dem Betriebsrat vereinbart bzw. das Feststellungsverfahren nach § 126 Abs. 1 eingeleitet hat. In diesem Feststellungsverfahren ist der Betriebserwerber gemäß § 128 Abs. 1 Satz 2 beteiligt.

 

Rn 3

Wird zwischen Verwalter und Betriebsrat ein Interessenausgleich vereinbart, in dem die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind, so erstreckt sich im Falle eines Betriebsübergangs die (widerlegliche) Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 gemäß § 128 Abs. 2 auch darauf, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt und damit wegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist.

 

Rn 4

Unerheblich ist dabei, ob Verwalter und Betriebsrat bei der Vereinbarung des Interessenausgleichs nach § 125 Abs. 1 noch von einer Betriebsstilllegung ausgegangen sind oder ob der geplante Betriebsübergang bereits Gegenstand des Interessenausgleichs war. Allerdings muss zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen die Betriebsstilllegung noch beabsichtigt sein, da ansonsten wegen wesentlicher Änderung der Sachlage gemäß § 125 Abs. 1 Satz 2 die Geschäftsgrundlage für den Interessenausgleich und damit auch die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 entfällt. Erfolgt der Betriebsübergang nach Zugang der Kündigungen und nach Ablauf der Kündigungsfristen, verbleibt es bei der gesetzlichen Vermutung gemäß § 125 Abs. 1 Satz1 Nr. 1, § 128 Abs. 2. Nur in den Fällen, in denen der Betriebsübergang vor Ablauf der Kündigungsfristen stattfindet, kann ein Wiedereinstellungsanspruch der gekündigten Arbeitnehmer gegen den Betriebserwerber bestehen.[3]

 

Rn 5

Die Vermutung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 128 Abs. 2 bewirkt, dass den Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist. Hierbei kann er sich auf Beweiserleichterungen (Anscheinsbeweis, Indizien), die die Rechtsprechung zu § 613a Abs. 4 BGB entwickelt hat,[4] nicht berufen.

 

Rn 6

Gemäß § 128 Abs. 2 erstreckt sich die gerichtliche Feststellung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 auch darauf, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt (vgl. § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB). Diese Feststellung kann nicht widerlegt werden und ist über § 127 Abs. 1 Satz 1 auch für ein Kündigungsschutzverfahren bindend.[5] Voraussetzung ist allerdings, dass der Betriebsübergang und die damit im Zusammenhang stehende Betriebsänderung bereits Gegenstand des Verfahrens nach § 126 Abs. 1 waren. Ansonsten kann eine wesentliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 127 Abs. 1 Satz 2 vorliegen, die die Bindungswirkung des § 127 Abs. 1 Satz 1 beseitigt.

 

Rn 7

Auf den vorläufigen Insolvenzverwalter findet die Vorschrift keine Anwendung (vgl. § 113 Rn. 23).

[1] K. Schmidt, Die übertragende Sanierung – Bestandsaufnahmen und Ausblicke an der Schwelle der Insolvenzrechtsreform, in: Insolvenzrecht im Umbruch, Bd. 1, 1991, S. 67.
[2] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I S. 334.
[3] Caspers, Rn. 309; BAG NZA 1997, 251 [BAG 10.10.1996 - 2 AZR 477/95]; 1998, 254 (255), das darauf abstellt, ob der Arbeitgeber in Bezug auf den Arbeitsplatz schon Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverh...

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