Rn 1

Das Ziel des COVInsAG ist es, die Fortführung von Unternehmen zu ermöglichen und zu erleichtern, und zwar auch dann, wenn die Unternehmen infolge der COVID-19-Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, wörtlich heißt es:[1]

 
Hinweis

"Den betroffenen Unternehmen und ihren organschaftlichen Vertretern soll Zeit gegeben werden, um die notwendigen Vorkehrungen zur Beseitigung der Insolvenzreife zu treffen, insbesondere um zu diesem Zwecke staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen oder Finanzierungs- oder Sanierungsarrangements mit Gläubigern und Kapitalgebern zu treffen. Auch sollen durch die Einschränkung von Haftungs- und Anfechtungsrisiken die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass solchen Unternehmen Sanierungskredite gewährt werden können und dass die Geschäftsverbindungen zum Schuldner nicht abgebrochen werden."

 

Rn 2

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG ist notwendige Bedingung zur Erreichung eines solchen "Zeitgewinns", aber allein nicht hinreichend, um die Fortführung von Unternehmen zu ermöglichen, weswegen sich an die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht weitere Folgen anknüpfen. Den Geschäftsführern droht insbesondere nicht nur eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung, sondern auch wegen eines Verstoßes gegen die rechtsformspezifischen Zahlungsverbote nach § 64 Satz 2 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 130a Abs. 1 Satz 2 HGB (ggf. i.V.m. § 177a Satz 1 HGB) und § 99 Satz 2 GenG bzw. seit dem 01.01.2021 wegen eines Verstoßes gegen das rechtsformübergreifende Zahlungsverbot nach § 15b InsO. Ferner ist die Betriebsfortführung selbstverständlich kein Selbstzweck, sondern muss, so wie es § 1 Abs. 1 Satz 2 COVInsAG auch für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausdrücklich voraussetzt, aus der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung herausführen, und zwar spätestens bis zum Ende des Aussetzungszeitraums, nach dessen Ablaufen die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO wieder eingreift. Dies setzt regelmäßig eine Zufuhr von Liquidität voraus. Der Gesetzgeber hat daher die Suspendierung der Insolvenzantragspflicht mit weitere Privilegierungen flankiert:

  • Eingrenzung der rechtsformspezifischen Zahlungsverbote nach § 64 Satz 2 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 130a Abs. 1 Satz 2 HGB (ggf. i.V.m. § 177a Satz 1 HGB) und § 99 Satz 2 GenG (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) bzw. seit dem 01.01.2021 des rechtsformübergreifenden Zahlungsverbots nach § 15b InsO;
  • umfassende Privilegien für die Kreditgewährung in der aktuellen COVID-19-Krise (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 u. Nr. 3), einschließlich besonderer Erleichterungen für Gesellschafterdarlehen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Var. 2) und Sonderregeln für Finanzierungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme (Abs. 3);
  • Privilegien zwecks Motivation zur Aufrechterhaltung des Leistungsaustauschs in der COVID-19-Krise (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4);
  • Privilegierung von Zahlungen auf gestundete Forderungen, insbesondere auch gestundete Steuerforderungen des Fiskus (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5);
  • Privilegierung der vorinsolvenzlichen Sanierung (Abs. 2).
 

Rn 3

Die Begrenzung des Risikos einer Betriebsfortführung soll die Bereitschaft der Geschäftsführung erhöhen, in der aktuellen COVID-19-Krise "an Bord zu bleiben". Die weiteren Privilegierungen sollen eine Perspektive schaffen, dass die Betriebsfortführung aus der Insolvenzreife herausführen kann.

 

Rn 3a

Der § 2 Abs. 1 COVInsAG stellt im ersten Halbsatz die Grundvoraussetzungen für die von ihm gewährten Privilegien im Insolvenzanfechtungs- und Haftungsrecht voran: Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags muss nach § 1 Abs. 1 COVInsAG, ggf. in Verbindung mit dessen Abs. 2 (Aussetzungszeitraum vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2020) und/oder dessen Abs. 3 (Aussetzungszeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30.04.2021), ausgesetzt sein.

 

Rn 3b

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG wird mithin als allgemeines Tatbestandsmerkmal aller Privilegierungstatbestände nach § 2 COVInsAG vor die Klammer gezogen. Es sind also die Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den jeweiligen Aussetzungszeitraum nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 und/oder Abs. 3 COVInsAG im Zusammenhang mit den Privilegierungstatbeständen vollständig inzident zu prüfen. Damit gelten auch die Einschränkungen nach Satz 2 von § 1 Abs. 1 COVInsAG ("dies gilt nicht"), d.h. die Insolvenzreife der Gesellschaft muss auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruhen und es müssen Aussichten darauf bestehen, dass eine bestehende Zahlungsunfähigkeit oder entsprechend eine bestehende Überschuldung bis zum Ende des Aussetzungszeitraums beseitigt werden kann. Allerdings gilt wiederum auch der Vermutungstatbestand des Satzes 3 von § 1 Abs. 1 COVInsAG, der die Darlegung der Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erleichtert (dazu Kommentierung § 1 Rdn. 29 ff.).

 

Rn 3c

Im Hinblick auf den mehrfach verlängerten Aussetzungszeitraum (zunächst vom 01.10.2020 bis zum 31.12.2020, sodann bis zum 31.0...

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