Leitsatz (amtlich)

Haftung des Vertreters für Verschulden bei Vertragsverhandlungen; wirtschaftliches Eigeninteresse des GmbH-Gesellschafters und GmbH-Geschäftsführers)

1. Ein Vertreter kann für ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen selbst haften, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat oder die Vertragsverhandlungen maßgeblich beeinflußt und aus dem Geschäftsabschluß eigenen wirtschaftlichen Nutzen erstrebt hat.

2. Die Beteiligung des Gesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH an der von ihm vertretenen Gesellschaft reicht allein nicht aus, um seine Haftung aus Verhandlungsverschulden wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses zu begründen.

 

Orientierungssatz

Ein persönliches wirtschaftliches Interesse des Gesellschafters, das seine eigene Haftung zur Folge hat, kann gegeben sein, wenn er bei Abschluß des Vertrages die Absicht hat, die vom Vertragspartner zu erbringende vertragliche Leistung nicht ordnungsgemäß an die vertretene Gesellschaft weiterzuleiten, sondern sie zum eigenen Nutzen von ihm selbst bestimmten Zwecken zuzuführen.

 

Tatbestand

Die Grundstückseigentümergemeinschaft G./K. verpachtete mit schriftlichem Vertrag vom 10. Dezember 1975 ein ihr gehörendes Wirtschaftsanwesen in Ki. an die F. GmbH & Co. KG (im folgenden: F. KG), zur Führung eines gastronomischen Betriebes mit der Erlaubnis zur Unterverpachtung. Die F. KG betrieb darin die Gaststätte „Tanzcafe N.”. Sie übertrug mit Vertrag vom 1. April 1979 ihre Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag gegen eine Abstandszahlung von 100.000 DM auf die Beklagten zu 2 und 3, die alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der zu 1 beklagten GmbH; zugleich verkaufte sie den Beklagten zu 2 und 3 das Gaststätteninventar zum Preise von 95.000 DM. Die Übertragung der Rechtsstellung aus dem Pachtvertrag sollte erst nach Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen sowie der mitübernommenen Getränkebezugsverpflichtungen durch die Beklagten zu 2 und 3 wirksam werden. Bis dahin schlossen die F. KG und die Beklagten zu 2 und 3 am 14. April 1979 einen Unterpachtvertrag. Am 19. Dezember 1979 begrenzten die F. KG und die Beklagten zu 2 und 3 – die nunmehr als Geschäftsführer für die Beklagte zu 1 auftraten – die Geltung des Unterpachtverhältnisses rückwirkend bis zum 25. April 1979 und vereinbarten, daß ab diesem Zeitpunkt der Übernahmevertrag vom 1. April 1979 Geltung haben sollte.

In der Folgezeit kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der Eigentümergemeinschaft und der F. KG. Die Eigentümergemeinschaft kündigte den Pachtvertrag vom 10. Dezember 1975, die F. KG erklärte ihrerseits die Kündigung der mit den Beklagten im Jahre 1979 getroffenen Vereinbarungen. Am 16. Dezember 1981 schlossen die F. KG und die Beklagte zu 1 einen neuen Vertrag. Danach sollte die Beklagte zu 1 anstelle der F. KG in die Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag vom 10. Dezember 1975 eintreten. Bis zur Erfüllung der von der Beklagten zu 1 übernommenen Zahlungs- und Getränkebezugsverpflichtungen sollte die F. KG Hauptpächterin und die Beklagte zu 1 Unterpächterin bleiben. Der Vertrag enthielt den Vermerk, daß die Eigentümer ihre Zustimmung zu der Vereinbarung bereits erteilt hätten; die beigefügte Zustimmungserklärung der Eigentümer war jedoch nicht unterzeichnet. Ebenfalls am 16. Dezember 1981 vereinbarten die F. KG und die Beklagte zu 1 in gesonderter Erklärung, daß der am selben Tage geschlossene Vertrag nur wirksam werden solle, wenn A. K. als Vertreter der Eigentümergemeinschaft ihm zustimme und die Kündigung des Pachtvertrages vom 10. Dezember 1975 zurücknehme. Auf demselben Blatt nahm K. in handschriftlicher Erklärung die Kündigung des Pachtvertrages mit Zustimmung der F. KG zurück, behielt sich aber die Zustimmung zu dem neuen Vertrag vom 16. Dezember 1981 noch vor. Diese Zustimmung blieb in der Folgezeit aus. Die F. KG räumte der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 21. Dezember 1981 das Recht zur Unterverpachtung des „Tanzcafes N.” ein.

Am 23. Dezember 1981 schloß die Beklagte zu 1, vertreten durch die Beklagten zu 2 und 3, mit den Klägern einen Vertrag, wonach die Kläger in alle Rechte und Pflichten der Beklagten zu 1 aus den Verträgen vom 16. Dezember 1981 und 10. Dezember 1975 gegen Zahlung eines Kaufpreises von 95.000 DM für das Inventar und eines weiteren Betrages von 105.000 DM für den Geschäftswert des Lokals, jeweils zuzüglich 13 % Mehrwertsteuer, eintreten sollten. Bis zur Erfüllung aller von den Klägern übernommenen Verpflichtungen sollte die Beklagte zu 1 Pächterin bleiben. Bei den Vertragsverhandlungen wurden den Klägern die Verträge vom 10. Dezember 1975 und 16. Dezember 1981 sowie das Schreiben der F. KG vom 21. Dezember 1981 vorgelegt. Die Gaststätte wurde den Klägern alsbald übergeben. Die Kläger ihrerseits zahlten der Beklagten zu 1 den Betrag von 226.000 DM; ob sie an die Beklagte zu 1 darüber hinaus weitere 40.000 DM in Form von Goldmünzen „schwarz” geleistet haben, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Eigentümergemeinschaft lehnte es mit Schreiben vom 13. Februar 1982 ab, die Zustimmung zu dem zwischen der F. KG und der Beklagten zu 1 geschlossenen Vertrag vom 16. Dezember 1981 zu erteilen. Daraufhin kündigte die F. KG am 23. Februar 1982 erneut die mit der Beklagten zu 1 bestehenden Verträge und verlangte von ihr und den Klägern Räumung. Die Kläger nutzten den Pachtgegenstand zunächst noch aufgrund einer mit der F. KG getroffenen Gestattungsvereinbarung vom 20. April 1982, gaben das Grundstück jedoch spätestens Ende April 1983 der F. KG auf deren Verlangen heraus.

Mit der Klage begehren die Kläger von den Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe der von ihnen angeblich geleisteten 266.000 DM und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 2.994,50 DM sowie die Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet seien, ihnen den durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages vom 16./23. Dezember 1981 entstandenen Schaden zu ersetzen. Sie haben geltend gemacht, die Beklagten hätten sie über das Vorliegen der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zum Vertrag vom 16. Dezember 1981 getäuscht und ihnen insbesondere die handschriftliche Erklärung des Miteigentümers K. vom selben Tage vorenthalten. Deswegen hafteten ihnen neben der Beklagten zu 1, die ihre Geschäftstätigkeit eingestellt habe und mittellos sei, auch die Beklagten zu 2 und 3. Die Beklagten haben dem entgegengehalten, sie hätten die Kläger davon unterrichtet, daß die Zustimmung der Eigentümer noch ausstehe, und im übrigen ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 23. Dezember 1981 durch Überlassung von Besitz und Nutzung der Gaststätte sowie durch Übertragung des aufschiebend bedingten Rechts auf Eintritt in den Pachtvertrag erfüllt. Widerklagend hat die Beklagte zu 1 von den Klägern zu 1 und 2 sowie von dem Widerbeklagten als Bürgen einen Betrag von 17.113,32 DM für übernommene Waren und verauslagte Aufwendungen und Gebühren verlangt.

Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 zur Zahlung von 219.343,93 DM und vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 2.257,18 DM sowie entsprechend dem Feststellungsantrag der Kläger verurteilt; die weitergehende Klage gegen die Beklagte zu 1, die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 und die Widerklage hat es abgewiesen. Auf die Berufungen der Kläger und der Beklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht alle drei Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 212.182,20 DM und vorgerichtlichen Kosten von 2.994,50 DM verurteilt und der Feststellungsklage auch hinsichtlich der Beklagten zu 2 und 3 stattgegeben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, begehren die Beklagten zu 2 und 3 die Abweisung der gegen sie gerichteten Klage. Die Beklagte zu 1 hat ihre Revision zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Gegen die Beklagte zu 1 stehe den Klägern ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 325 BGB zu, weil der Beklagten zu 1 die ihr vertraglich obliegende Pflicht, den Klägern die Stellung eines Hauptpächters zu verschaffen, nach Verweigerung der Zustimmung zur Vertragsübernahme durch die Grundstückseigentümergemeinschaft unmöglich geworden sei. Der Schaden der Kläger bestehe in den gezahlten 266.000 DM, deren Hingabe durch die erstinstanzliche Beweisaufnahme bewiesen sei, abzüglich einer Vergütung für die Nutzung der Gaststätte nebst Inventar während der Besitzzeit der Kläger, die das Berufungsgericht mit 38.493,65 DM bemessen hat. Der Anspruch der Kläger mindere sich weiter aufgrund einer von ihnen erklärten Aufrechnung um einen Teilbetrag der Widerklageforderung in Höhe von 15.324,15 DM auf 212.182,20 DM. Die Kläger hätten weiter Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe einer vollen Besprechungsgebühr (2.994,50 DM).

Die Beklagten zu 2 und 3 hafteten den Klägern zwar nicht aus unerlaubter Handlung, weil sich das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu Recht nicht davon habe überzeugen können, daß die Beklagten zu 2 und 3 die Kläger bewußt und gewollt getäuscht hätten. Ihre Verpflichtung zum Schadensersatz ergebe sich aber aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen. Als Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten zu 1 hätten sie die Verhandlungen im eigenen Interesse maßgeblich geführt und aus dem Geschäft einen persönlichen Nutzen erstrebt; ob sie darüber hinaus auch persönlich besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hätten, sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dann nicht mehr entscheidend. Die Beklagten zu 2 und 3 hätten bei den Verhandlungen die Kläger pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, daß noch offen sei, ob die Erstbeklagte den Klägern die Stellung von Hauptpächtern verschaffen könne. Der den Beklagten zu 2 und 3 obliegende Beweis, daß die Kläger auch bei pflichtgemäßer Aufklärung den Vertrag abgeschlossen hätten, sei nicht erbracht. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs aus Verhandlungsverschulden decke sich der Höhe nach mit dem gegen die Beklagte zu 1 verfolgten Nichterfüllungsschaden und bestehe neben diesem Ersatzanspruch.

II. Das Bestehen einer Aufklärungspflicht der Beklagten zu 2 und 3, die Verletzung dieser Pflicht und die Kausalität dieses Verhaltens für den Vertragsabschluß sowie die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Anspruchs zieht die Revision nicht in Zweifel. Insoweit sind aus Rechtsgründen Beanstandungen nicht zu erheben.

1. Mit Erfolg greift die Revision aber die Erwägungen an, mit denen das Berufungsgericht eine persönliche Haftung der Beklagten zu 2 und 3 aus Verschulden bei Vertragsschluß begründet hat. Die Beklagten zu 2 und 3 haben den Vertrag vom 23. Dezember 1981 für die Beklagte zu 1 geschlossen. Grundsätzlich hat die Folgen des rechtsgeschäftlichen Handelns eines Vertreters nicht dieser, sondern der Vertretene zu tragen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB); dies ist nicht anders bei der organschaftlichen Vertretung einer GmbH durch ihre Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Auch aus dem Gesichtspunkt des Verhandlungsverschuldens haftet grundsätzlich nur, wer Vertragspartner ist oder werden soll. So treffen die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis in der Regel den Vertretenen (§ 278 BGB) und nicht den Vertreter (BGHZ 88, 67, 68).

a) Gleichwohl kann ausnahmsweise auch ein Vertreter für ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen dann haften, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat oder dem Verhandlungsgegenstand besonders nahe steht, weil er wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsabschluß interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt. An dieser schon vom Reichsgericht (RGZ 120, 249, 252 f; 143, 219, 222 f; 159, 33, 54 f) entwickelten und vom Bundesgerichtshof (vgl. die Senatsurteile vom 10. Juni 1964 – VIII ZR 294/62 = WM 1964, 916, 918; vom 5. April 1967 – VIII ZR 82/64 = WM 1967, 481; vom 15. November 1967 – VIII ZR 100/65 = WM 1968, 5; vom 22. April 1981 – VIII ZR 34/80 = WM 1981, 876, 877; ferner BGHZ 14, 313, 318; 56, 81, 83) fortgeführten Rechtsprechung über die Haftung des Vertreters bei wirtschaftlicher Eigenbeteiligung ist trotz im Schrifttum verschiedentlich geäußerter Bedenken (z.B. Stoll JW 1928, 1285 f; Ballerstedt AcP 151, 501, 502, 524 f; Canaris VersR 1965, 114, 118; Müller NJW 1969, 2169, 2170 f; Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969, S. 336 ff; Esser/E.Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1 Teilbd. 2, 5. Aufl., § 29 II 2.3.1 S. 100; Schanze, Einmanngesellschaft und Durchgriffshaftung, 1975, S. 108; Schulze JuS 1983, 81, 82) festgehalten worden.

b) Sowohl der erkennende Senat (Urteile vom 19. Dezember 1962 – VIII ZR 216/61 = WM 1963, 160, 161; vom 27. Oktober 1982 – VIII ZR 187/81 = WM 1982, 1322 f und BGHZ 87, 27, 32 f; für die KG vgl. Urteil vom 25. Januar 1984 – VIII ZR 227/82 = WM 1984, 475, 477) als auch andere Senate des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 3. November 1976 – I ZR 156/74 = WM 1977, 73, 75 f; vom 5. Juli 1977 – VI ZR 268/75 = VersR 1978, 59, 60; vom 4. Mai 1981 – II ZR 193/80 = WM 1981, 1021, 1022; vgl. auch BAG AP GmbHG § 13 Nr. 1) haben diesen Grundsatz – je nach Sachlage mit unterschiedlichem Ergebnis – auch in Fällen angewendet, in denen es um die Vertreterhaftung von (Allein-) Gesellschaftern und/oder (Allein-) Geschäftsführern einer GmbH ging. Auch die hiergegen erhobenen Bedenken (vor allem von Ulmer NJW 1983, 1577, 1579 und Brandner, Festschrift für Winfried Werner, 1984, S. 53, 59, 62, 64; zurückhaltend auch Wiedemann NJW 1984, 2286 f; zustimmend dagegen z.B. MünchKomm-Emmerich, BGB, 2. Aufl., Rdn. 82 vor § 275; Emmerich JuS 1983, 630, 631; Alff in: BGB-RGRK, 12. Aufl., § 276 Rdn. 108; Hachenburg/Mertens, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., § 13 Anh. I Rdn. 53, § 35 Rdn. 282; Mertens in Anm. zu BAG AP GmbHG § 13 Nr. 1; Scholz/Winter, GmbH-Gesetz, 6. Aufl., § 13 Rdn. 34; im Prinzip auch Scholz/Uwe Schneider aaO § 43 Rdn. 223 ff, 226; weitergehend noch MünchKomm-Roth aaO § 242 Rdn. 194 f) sind kein Grund, diese Rechtsprechung aufzugeben. Zwar läßt sich in den Fällen wirtschaftlichen Eigeninteresses des Vertreters dessen Haftung nicht mit einer besonderen Vertrauensbeziehung zum Verhandlungspartner begründen. Demjenigen, der bei von ihm maßgeblich beeinflußten Verhandlungen seinen eigenen wirtschaftlichen Nutzen in einer Weise verfolgt, als sei er gleichsam „in eigener Sache” tätig, muß es dennoch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf seine Unzuständigkeit zu berufen, wenn er bei den Vertragsverhandlungen einen für den anderen Teil schädlichen Fehler begangen hat (so zutreffend Brandner aaO S. 61; zu dem Gesichtspunkt des § 242 BGB vgl. auch schon BGHZ 14, 313, 318 und BGH Urteil vom 4. Dezember 1958 – II ZR 168/57 = LM BGB § 276 (Fa) Nr. 4 unter IV). Es kann auch nicht zugegeben werden, daß die Eigenhaftung des Vertreters stets in Widerspruch zu dem in der GmbH geltenden Haftungssystem steht und zu unabsehbaren persönlichen Haftungsrisiken des Gesellschafters/Geschäftsführers führt. Denn es geht nicht um eine – durch § 13 Abs. 2 GmbHG ausgeschlossene – Haftung des Gesellschafters/Geschäftsführers für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, sondern um eine persönliche Haftung aus eigenem Verschulden (vgl. schon Senatsurteil vom 5. April 1967 aaO WM 1967, 481 unter II 1). Unübersehbar ist das Haftungsrisiko deswegen nicht, weil als Voraussetzungen einer Haftung der maßgebliche Einfluß auf die Vertragsverhandlungen und das besondere und – wie noch zu zeigen sein wird (unten c) – nicht allein aus der Beteiligung an der GmbH abzuleitende Eigeninteresse des Vertreters vorliegen müssen. Der erkennende Senat sieht sich auch nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Der Revision ist zwar einzuräumen, daß der II. Zivilsenat, der den Grundsatz der Haftung des Vertreters bei Eigeninteresse, soweit ersichtlich, erstmals auf einen (dort allerdings offenbar rechtsgeschäftlich bevollmächtigten) Vertreter einer GmbH übertragen (Urteil vom 4. Dezember 1958 aaO) und ihn auch später noch mehrfach bekräftigt hat (Urteil vom 4. Mai 1981 – II ZR 193/80 = WM 1981, 1021, 1022; für die KG vgl. Urteil vom 14. Dezember 1972 – II ZR 82/70 = LM HGB § 132 Nr. 3), in einigen jüngeren Entscheidungen nur noch den Fall der Eigenhaftung wegen Inanspruchnahme besonderen Verhandlungsvertrauens erwähnt (z.B. Urteile vom 14. November 1983 – II ZR 184/82 = WM 1984, 127, 128; vom 28. November 1983 – II ZR 72/83 = WM 1984, 221; vom 2. April 1984 – II ZR 122/83 = WM 1984, 766; vom 17. Mai 1984 – II ZR 275/83 und 199/83 = WM 1984, 960, 961; vom 21. Mai 1984 – II ZR 83/84 = WM 1984, 889), wobei es um die Haftung des Geschäftsführers oder eines Angestellten oder selbständigen Handelsvertreters einer GmbH für die Verletzung von Aufklärungspflichten beim Vertrieb von Warenterminoptionen ging und der Vertreter keinen maßgeblichen Einfluß auf die Vertragsverhandlungen genommen hatte (dazu auch Bundschuh WM 1985, 249, 251). Daß der II. Zivilsenat damit seine eigene und die Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs zur – unter bestimmten Voraussetzungen denkbaren – Haftung des an einer GmbH Beteiligten wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses grundsätzlich aufgeben wollte, läßt sich den angeführten Entscheidungen nicht entnehmen.

c) Ein bloß mittelbares wirtschaftliches Interesse des Vertreters am Abschluß des Vertrages – etwa das Provisionsinteresse des Handelsvertreters, Prokuristen oder sonstigen Angestellten (BGHZ 56, 81, 83 f; 88, 67, 70; BGH Urteile vom 27. September 1965 – VII ZR 210/63 = WM 1965, 1288; vom 26. Januar 1971 – VI ZR 152/69 = WM 1971, 498, 499; vom 17. März 1976 – VIII ZR 208/74 = WM 1976, 614; vom 22. April 1981 aaO WM 1981, 876, 877; vom 14. November 1983 aaO WM 1984, 127, 128; vom 17. Mai 1984 aaO = WM 1984, 960, 961) oder das ganz allgemeine Interesse, das jeder Gesellschafter an den Geschäften „seiner” GmbH hat (Senatsurteil vom 25. Januar 1984 aaO WM 1984, 475 unter V 1 b), – reicht allerdings für die Begründung seiner Eigenhaftung nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine so enge Beziehung zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen, daß der Vertreter als eine Art „procurator in rem suam” (RGZ 120, 249, 253) wirtschaftlich gleichsam in eigener Sache beteiligt ist (BGHZ 56, 81, 83 f; Senatsurteil vom 25. Januar 1984 aaO). Der Senat ist davon mehrfach in Fällen ausgegangen, in denen der Vertreter alleiniger Geschäftsführer und Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH war (Urteile vom 27. Oktober 1982 aaO WM 1982, 1322 f und BGHZ 87, 27, 34), wobei freilich in dem einen Fall (WM 1982, 1323) dieser Annahme die von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde lagen und in dem anderen Fall (BGHZ 87, 34) besondere Umstände für ein Eigeninteresse des Vertreters sprachen. Nach erneuter Überprüfung erscheint gleichwohl die Klarstellung veranlaßt, daß allein die maßgebliche oder auch beherrschende Beteiligung des Vertreters an der von ihm vertretenen GmbH noch nicht ausreicht, um eine Haftung wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses annehmen zu können. Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß der Gesellschafter einer GmbH, dem der Jahresgewinn der Gesellschaft ganz oder teilweise zufließt (§ 29 GmbHG), rein tatsächlich ein nicht nur mittelbares Interesse am Abschluß eines günstigen Vertrages für die GmbH hat. Im Rechtssinne aber genügt dieses aus der Beteiligung an der Gesellschaft hergeleitete persönliche Interesse zur Begründung einer Eigenhaftung des Vertreters nicht. Denn würde allein aus der Stellung des (Allein-) Gesellschafters/Geschäftsführers das wirtschaftliche Eigeninteresse und damit die Haftung des Vertreters abgeleitet, so hätte dies einen Wertungswiderspruch zu der in der GmbH geltenden Haftungsordnung (§ 13 Abs. 1 und 2 GmbHG) zur Folge, die die Stellung des (Allein-) Gesellschafters und Geschäftsführers für sich genommen noch nicht als Haftungsgrund ausreichen läßt. Das zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der Einmann-GmbH, bei der der handelnde Alleingesellschafter andernfalls stets für ein Verschulden bei Vertragsschluß auch persönlich haften würde, obwohl nach allgemeiner Ansicht auch bei der Einmann-Gesellschaft den Gläubigern grundsätzlich nur die GmbH mit dem Gesellschaftsvermögen und nicht auch der Gesellschafter haftet (Senatsurteile vom 26. November 1957 – VIII ZR 301/56 = WM 1958, 460, 461 und vom 4. Mai 1977 = BGHZ 68, 312, 314) und der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Einheit allein eine Durchbrechung des Trennungsprinzips nicht rechtfertigt (z.B. Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 1 Rdn. 55). Auch das Zurückgreifen auf den Grundsatz von Treu und Glauben (oben II 1 b) vermag hier eine Eigenhaftung des Vertreters nicht zu begründen. Ist nämlich das eigene Interesse, das der Gesellschafter/Geschäftsführer an dem Abschluß und der Durchführung des Vertrages hat und das ihm verbietet, sich auf seine Unzuständigkeit zu berufen, identisch mit demjenigen der GmbH, so folgt wiederum aus Sinn und Zweck des § 13 Abs. 2 GmbHG, daß er wegen dieses Interesses allein noch nicht haftbar gemacht werden kann.

d) Daraus folgt indessen nicht, daß eine Eigenhaftung des als Vertreter für die Gesellschaft auftretenden Gesellschafters/Geschäftsführers nur bei Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens in Betracht kommt. Das besondere wirtschaftliche Eigeninteresse des Vertreters am Zustandekommen des vermittelten Vertrages braucht sich nämlich nicht auf die Beteiligung an der vertretenen Gesellschaft zu beschränken, sondern kann darüber hinausgehen, so z.B. wenn der Gesellschafter aufgrund von ihm übernommener unbeschränkter selbstschuldnerischer Bürgschaften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet (vgl. für die KG Senatsurteil vom 25. Januar 1984 aaO WM 1984, 475 unter V 1 b) oder wenn die Tätigkeit des Vertreters auf die Beseitigung von Schäden abzielt, für die er andernfalls vom Vertretenen in Anspruch genommen werden könnte (BGH Urteil vom 27. Juni 1963 – VII ZR 7/62 = NJW 1963, 2166 unter C II 1 a).

Ein derartiges persönliches wirtschaftliches Interesse des Gesellschafters, das seine eigene Haftung zur Folge hat, kann auch gegeben sein, wenn er bei Abschluß des Vertrages die Absicht hat, die vom Vertragspartner zu erbringende vertragliche Leistung nicht ordnungsgemäß an die vertretene Gesellschaft weiterzuleiten, sondern sie zum eigenen Nutzen von ihm selbst bestimmten Zwecken zuzuführen (offengelassen in BGH Urteil vom 26. Januar 1971 aaO WM 1971, 498 unter 3). Denn es ist nicht einzusehen, wieso sich das Eigeninteresse des Gesellschafters nur aus der vereinbarungsgemäßen Abwicklung des Vertrages sollte ergeben können, er hingegen von der eigenen Haftung verschont bleiben sollte, wenn er entsprechend seiner vorgefaßten Absicht die vertraglichen Leistungen des Partners nicht der Gesellschaft, sondern unmittelbar sich selbst zugute kommen läßt. Die Kläger haben behauptet, die Beklagten zu 2 und 3 hätten die aufgrund des Vertrages vom 23. Dezember 1981 geleisteten Zahlungen „an der GmbH vorbei persönlich eingesteckt und ihren Zwecken zugeführt”. Diesem Vortrag fehlt zwar bislang die erforderliche Substantiierung, insbesondere zu der Frage, ob die Beklagten zu 2 und 3 dieses Vorgehen schon spätestens bei dem für eine Haftung aus Verhandlungsverschulden maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses beabsichtigt haben, ob also schon zu dieser Zeit ihr wirtschaftliches Eigeninteresse vorgelegen hat. Den Klägern muß jedoch Gelegenheit gegeben werden, ihr Vorbringen zu diesem Punkt näher auszuführen und gegebenenfalls Beweis hierfür anzutreten, nachdem sich die vom Berufungsgericht gegebene Begründung für die Annahme eines wirtschaftlichen Eigeninteresses der Beklagten zu 2 und 3 als nicht tragfähig erwiesen hat.

2. Diese Frage kann auch nicht etwa deshalb offenbleiben, weil die Beklagten zu 2 und 3 – wie die Revisionserwiderung meint – jedenfalls deliktisch aus den §§ 823 Abs. 2 in Verbindung mit 263 StGB, 826 BGB haften. Zwar hat der im ersten Rechtszug als Partei vernommene Widerbeklagte erklärt, daß der Beklagte zu 2 ihm gegenüber geäußert habe, Herr K. habe bereits zugestimmt, er werde in nächster Zeit seine Unterschrift nachholen. Ob dies geeignet wäre, um eine Haftung wegen unerlaubter Handlung zu begründen, kann dahinstehen. Denn das Landgericht, dessen Beweiswürdigung sich das Berufungsgericht zulässigerweise angeschlossen hat, hat schon seine – im einzelnen begründeten – Zweifel, was der Beklagte zu 2 genau gesagt hat, nicht überwinden können. Rechtsfehler läßt diese tatrichterlich mögliche Wertung nicht erkennen. Die von den Klägern vorgelegte Aktennotiz vom 23. Februar 1983, deren inhaltliche Richtigkeit sie unter Beweis gestellt haben, bezieht sich nur auf Erklärungen des Miteigentümers K. und ergibt nicht zwingend, daß die Beklagten zu 2 und 3 die Kläger bewußt getäuscht haben. Die Vorinstanzen haben – ohne daß die Revisionserwiderung dem in der Sache etwas entgegensetzt – nicht ausschließen können, daß die Beklagten zu 2 und 3 den – wenn auch unbegründeten – Optimismus hegten, K. werde zustimmen, nachdem er sich nicht von vornherein ablehnend gezeigt hatte. Dann aber läßt sich ein vorsätzliches betrügerisches Handeln der Beklagten zu 2 und 3 nicht feststellen.

III. Der Senat ist schon deshalb gehindert, selbst in der Sache zu entscheiden, weil den Klägern Gelegenheit zu geben ist, ihr Vorbringen zum wirtschaftlichen Eigeninteresse der Beklagten zu 2 und 3 zu ergänzen (oben II 1 d). Das Berufungsgericht hat es darüber hinaus offen gelassen, ob die Beklagten zu 2 und 3 persönlich besonderes Vertrauen in Anspruch genommen haben. Bedenken gegenüber einem hierauf gestützten, vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise oben II 1 a am Anfang) anerkannten Grund für eine Eigenhaftung des Vertreters bestehen nach Ansicht des Senats nicht (zweifelnd dagegen Brandner aaO 59 f, 65). Denn die Vertrauensinanspruchnahme durch den Vertreter schafft einen besonderen Verpflichtungstatbestand in dessen Person, weil er mit den Vertragsverhandlungen eine erfolgreiche Vertrauenswerbung für sich persönlich verbindet und die auf dieses Vertrauen gegründete Erwartung des Vertragspartners nicht enttäuschen darf (ähnlich schon Ballerstedt AcP 151, 501, 523). Die Kläger haben behauptet, daß sie den Beklagten zu 2 und 3 besonderes persönliches Vertrauen geschenkt hätten. Zwar fehlt es bisher an einer näheren Darlegung, worauf dieses Vertrauen beruhte und inwiefern es für den Vertragsabschluß der Kläger bedeutsam war (dazu z.B. BGHZ 88, 67, 69 f). Auch insoweit muß den Klägern jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, dies nachzuholen, nachdem die vom Berufungsgericht gegebene Begründung für den zu ihren Gunsten angenommenen Haftungsgrund keinen Bestand hat.

Die Sache war daher zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

NJW 1986, 586

ZIP 1986, 26

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