Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung eines für eine GmbH & Co. KG auftretenden Kommanditisten aus Verschulden bei Vertragsabschluß und aus unerlaubter Handlung wegen unterlassener Aufklärung des Geschäftspartners über die Kreditunwürdigkeit oder Konkursreife der Gesellschaft.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 823, 826

 

Verfahrensgang

Saarländisches OLG (Urteil vom 07.07.1982)

LG Saarbrücken

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 7. Juli 1982 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Rosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten einerseits als Gesellschafter ihrer Vertragspartnerin, einer GmbH & Co. KG, auf Zahlung des Kaufpreises für geliefertes Rohrmaterial und andererseits wegen eigenen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen und aus unerlaubter Handlung auf Schadensersatz für den Ausfall der Kaufpreisforderung in Anspruch.

Am 28. Januar 1977 wurde im Handelsregister die Firma Gebrüder Wo. KG eingetragen, die am 1. Mai 1975 ihren Betrieb aufgenommen hatte. Persönlich haftende Gesellschafter waren Hubert und Karl Wo.. Kommanditistin war die Firma Gebrüder M. OHG, deren Gesellschafter die Beklagten sind. Aufgrund der Anmeldungen vom 16. Juni 1976, 13. Juli 1976 und 7. März 1977 wurde am 30. März 1977 im Handelsregister A eingetragen:

„Hubert und Karl Wo. sind als persönlich haftende Gesellschafter aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden. Als persönlich haftende Gesellschafterin ist die Stahlhandel Wo. GmbH in die Gesellschaft eingetreten. Die bisherigen persönlich haftenden Gesellschafter Hubert und Karl Wo. sind als Kommanditisten eingetreten, und zwar Hubert Wo. … mit einer Einlage von 40.000,– DM und Karl Wo. mit einer Einlage von 24.000,– DM. Die Firma Gebrüder Wo. KG ist geändert worden in Gebrüder Wo. GmbH & Co. KG.”

Gesellschafter der Firma Stahlhandel Wo. GmbH waren u.a. die Beklagten sowie Hubert und Karl Wo., Geschäftsführer waren zunächst Hubert Wo. und der Erstbeklagte und ab 23. März 1977 Hubert und Karl Wo.. Die Bekanntmachung der Firmenänderung erfolgte – wie das Berufungsgericht feststellt – am 2. April 1977 in der Kölnischen Rundschau, am 5. April 1977 im Kölner Stadtanzeiger und am 12. April 1977 im Bundesanzeiger.

Am 24. März 1977 fragte die Wo. KG (im folgenden nur: Kommanditgesellschaft) fernschriftlich bei der Klägerin nach Rohrleitungszubehörmaterial an. Das Fernschreiben enthielt das Diktatzeichen „me” des Zweitbeklagten und als Absenderbezeichnung die Firma „Gebrüder Wo. KG”. Der Geschäftsführer der Klägerin verhandelte daraufhin telefonisch mit dem Zweitbeklagten und erklärte die Lieferbereitschaft der Klägerin. Ihr Angebot erfolgte durch Fernschreiben vom 28. März 1977. Mit Schreiben vom 4. April 1977, in dem abermals mit „Gebrüder Wo. KG” firmiert wurde und das von Karl Wo. unterzeichnet war, wurde der Auftrag unter Bezugnahme auf das fernschriftliche Angebot erteilt. Die Klägerin bestätigte mit Schreiben vom 12. April 1977 den Auftrag unter Beifügung ihrer Allgemeinen Verkaufsbedingungen (1968).

Am 22. April 1977 erfolgte die Versandverfügung der Käuferin, die wiederum mit „Gebrüder Wo. KG” unterzeichnet war und das Diktatzeichen des Zweitbeklagten enthielt. Am 25. April, 5. Mai und 16. Mai 1977 lieferte die Klägerin die Ware durch einen Spediteur an das Lager der Kommanditgesellschaft. Die Lieferungen wurden durch Rechnungen vom 25. April, 5. Mai und 16. Mai 1977 mit insgesamt, 127.179,91 DM zum 15. des der Lieferung folgenden Monats fälliggestellt. Der Kaufpreis wurde trotz wiederholter Mahnungen nicht bezahlt.

Die Kommanditgesellschaft verkaufte die Ware an die Firma S., die sich auf Anraten des Erstbeklagten an sie gewandt hatte. Da der Abnehmer der Firma S. den Auftrag entzog, einigte man sich dahin, daß die gelieferte Ware bei der Firma Gebrüder M. OHG gelagert werden sollte. Ein Teil des gelieferten Materials wurde im Jahre 1977 an andere Firmen weiterverkauft. Die Kommanditgesellschaft stellte ihrerseits der Firma S. die Ware am 3., 9. und 18. Mai 1977 in Rechnung. Zum Zwecke der Tilgung des Kaufpreises gewährte die Firma Gebrüder M. OHG der Firma S. ein Darlehen. Die Firma S. bezahlte sodann in der Weise, daß der Erstbeklagte mit einem Barscheck von einem Konto der Firma Gebrüder M. OHG 472.802,23 DM abhob und davon 460.605,77 DM am 3. Juni 1977 unter Benennung der Firma S. als Einzahler bei der Kreissparkasse in Sa. auf das Konto der Kommanditgesellschaft einzahlte. Unstreitig befand sich dieses Konto mit einem hohen Betrag – nach der Behauptung der Klägerin mit mehr als 1 Mio. DM – im Debet. Der Kredit war durch dingliche Sicherheiten und durch unbeschränkte selbstschuldnerische Bürgschaften der beiden Beklagten gesichert. Am 28. Juli 1977 kündigte die Kreissparkasse Sa. den Kredit.

Mit Schreiben vom 30. August 1977 forderte die Klägerin den Erstbeklagten zur Zahlung von 127.179,91 DM auf. Über das Vermögen der Kommanditgesellschaft wurde am 29. August 1977 das Konkursverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt war das Warenlager der Gesellschaft leer. Am 29. Oktober 1979 wurde die Firma wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 127.179,91 DM nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin den Klagantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Nach Auffassung der Klägerin haften die Beklagten für die Erfüllung der Kaufpreisforderung aus dem Vertrag vom 4. April 1977 bereits unter dem in den Vorinstanzen nicht erörterten Gesichtspunkt der Auffüllung einer zurückgezahlten Kommanditeinlage (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4, 128 HGB). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

1. Die Revision führt hierzu aus, die Beklagten hafteten als Gesellschafter der Gebrüder M. OHG, der Kommanditistin der GmbH & Co. KG, nach §§ 171 Abs. 1, 128 HGB unmittelbar für die Vertragserfüllung. Da die Kommanditgesellschaft spätestens Ende 1976 konkursreif gewesen sei, hätten die Bürgschaften der Beklagten für die Verbindlichkeiten bei der Kreissparkasse Sa. kapitalersetzenden Charakter gehabt. Daraus folge, daß die Bezahlung des von der Firma S. als Abnehmerin gegenüber der Kommanditgesellschaft geschuldeten Kaufpreises aus Mitteln der OHG, die Rückführung des Kredits bei der Kreissparkasse und die damit verbundene Entlastung der Beklagten von ihrer Bürgschaftsschuld gleichzeitig eine Zurückzahlung der Kommanditeinlage im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB an die Kommanditistin darstelle.

2. Diese Auffassung der Revision ist unzutreffend, weil nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin ein Anspruch nach den §§ 171 Abs. 1, 1. Halbsatz, 172 Abs. 4 HGB nicht besteht.

a) Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Kommanditgesellschaft unmittelbar bis zur Höhe seiner Kommanditeinlage, soweit diese noch nicht eingezahlt war oder ihm zurückgewährt worden ist (§§ 171 Abs. 1, 1. Halbsatz, 172 Abs. 4 HGB). Die Klägerin hat nicht behauptet, daß die OHG ihre Kommanditeinlage von 136.000,– DM nicht geleistet habe. Eine Haftung der Kommanditistin, für die die Beklagten nach § 128 HGB unbeschränkt einzustehen hätten, käme also nur in Betracht, wenn die infolge der teilweisen Kreditrückführung bei der Kreissparkasse Sa. eingetretene Entlastung der Beklagten von einem Teil ihrer Bürgschaftsverpflichtung als Rückzahlung der von der OHG geleisteten Einlage anzusehen wäre.

b) Die teilweise Befreiung der Beklagten von der Bürgschaftsverpflichtung bedeutet hier jedoch keine Rückzahlung der Einlage.

Die Rechtsprechung hat allerdings – worauf die Revision zutreffend hinweist – den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG unter unmittelbarer bzw. analoger Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG für verpflichtet gehalten, unter bestimmten Voraussetzungen sogenannte „kapitalersetzende” Leistungen, zu denen auch die Übernahme einer Bürgschaft gehören kann, zu erstatten, wenn sie an den Gesellschafter zurückgewährt worden sind (BGHZ 60, 324, 328, 329; 67, 171, 174; 76, 326, 329, 336; 81, 252, 255). Dieser Anspruch (vgl. dazu jetzt § 172 a HGB) steht aber nicht jedem einzelnen Gläubiger zu, sondern nur der Gesellschaft. Das Gesetz hat die Haftung gegenüber einem einzelnen Gläubiger ausdrücklich nur davon abhängig gemacht, ob der Kommanditist seine Einlage eingezahlt hatte oder ob sie ihm zurückgewährt worden ist. Die aus der Besonderheit der Rechtslage bei der GmbH stammende Verpflichtung, der Gesellschaft unter gewissen Umständen auch freiwillige zusätzliche Leistungen zu erhalten, kann auf den Gläubigeranspruch nicht übertragen werden, weil andernfalls das Haftungssystem der Kommanditgesellschaft weitgehend beseitigt würde (BGHZ 60, 324, 327, 328; vgl. auch BGHZ 67, 171, 175 f).

II. Die Beklagten haften auch nicht, wie die Revision meint, unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung wegen unrichtigen Firmengebrauchs.

1. Das Berufungsgericht führt hierzu aus: Die Kommanditgesellschaft sei bei der Auftragserteilung vom 4. April 1977 und in der zuvor geführten Korrespondenz ohne einen Hinweis auf ihre neue Gesellschaftsform aufgetreten, obwohl zu dieser Zeit bereits die Firma Stahlhandel Wo. GmbH als Komplementärin eingetreten war. Dadurch sei gesetzeswidrig der Anschein erweckt worden, der Klägerin hafte zumindest eine Person unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen. Dies führe jedoch nur zu einer Haftung der Kommanditgesellschaft in der vor der Firmenänderung bestehenden Form, in der die OHG ihrerseits nur als Kommanditistin gehaftet habe.

Im Ergebnis halten diese Ausführungen der rechtlichen Prüfung stand.

2. Für die vertraglichen Verpflichtungen einer Gesellschaft haftet grundsätzlich nur diese selbst. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch auch eine persönliche Haftung der für eine GmbH & Co. KG handelnden Geschäftsführer der Komplementär-GmbH angenommen, weil sie verantwortlich dafür waren, daß entgegen den analog anzuwendenden Bestimmungen des § 4 GmbHG und des § 4 AktG ein die Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG klarstellender Zusatz nicht geführt wurde (BGHZ 71, 354, 356; vgl. auch BGHZ 62, 216, 222, 228). Der Grund für diese besondere Haftung liegt darin, daß bei dem Geschäftspartner der unrichtige Eindruck erweckt wird, hinter der Kommanditgesellschaft stehe als persönlich haftender Gesellschafter mindestens eine natürliche Person mit unbeschränkter Haftung.

Im vorliegenden Falle fehlt es jedoch an diesem unrichtigen Anschein. Die Umwandlung der Kommanditgesellschaft in eine GmbH & Co. KG war zwar am 30. März 1977 in das Handelsregister eingetragen, mithin bereits vor der Annahme des Angebots mit Schreiben vom 4. April 1977. Die Eintragung war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber erst am 12. April 1977 im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Für die Zeit vor dieser Bekanntmachung kann die Gesellschaftsänderung deshalb von denjenigen, in deren Angelegenheiten sie einzutragen war, Dritten gegenüber nicht geltend gemacht werden (§§ 10, 15 Abs. 1 HGB). Daraus folgt, daß für die Kaufpreisverpflichtung gegenüber der Klägerin nicht nur die Kommanditgesellschaft selbst, sondern auch deren vor der Gesellschaftsumwandlung persönlich haftenden Gesellschafter einstehen müssen. Denn ihr Ausscheiden aus der Gesellschaft war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nach § 15 Abs. 1 HGB der Klägerin gegenüber noch nicht wirksam. Infolgedessen war der bei der Klägerin durch den unrichtigen Firmengebrauch erweckte Anschein nicht falsch. Ihr gegenüber steht letztlich nicht nur eine GmbH als persönlich haftender Gesellschafter. Vielmehr haften – wie es nach der Firmenführung in der Korrespondenz den Anschein hatte – zwei natürliche Personen, nämlich die Brüder Hubert und Karl Wo.. Damit entfällt jeder Anlaß, über die gesetzliche Regelung hinaus eine persönliche Haftung der Geschäftsführer oder anderer Personen nur wegen des falschen Firmengebrauchs anzunehmen.

III. Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, daß die Beklagten als Gesellschafter der Firma Gebrüder M. OHG (§ 128 HGB) für deren Verpflichtung auf Herausgabe des von der Firma S. geleisteten Kaufpreises nach § 816 Abs. 2 BGB haften. Dies setzte voraus, daß die Firma S. den Betrag an die Firma Gebrüder M. OHG als Nichtberechtigte geleistet hätte. Davon kann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht ausgegangen werden. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig geworden, daß der Firma S. aus dem Vermögen der Firma Gebrüder M. OHG ein Darlehen zur Tilgung der Kaufpreisforderung der Kommanditgesellschaft gewährt worden ist. Die Einzahlung des Kaufpreisbetrages auf das Konto bei der Kreissparkasse Sa. war also eine Leistung der Firma S. an die Kommanditgesellschaft, die der Erstbeklagte im Auftrag der Firma S. vorgenommen hat.

IV. Die Rüge der Revision, die Beklagten hafteten entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 826 BGB führt zur Aufhebung des Berufungsurteils hinsichtlich beider Beklagten und zur Zurückverweisung.

Zwar trifft die Haftung für eine unerlaubte Handlung, die ein Vertreter oder sonstiger Beauftragter in Ausführung der Geschäfte, eines anderen gegenüber einem Dritten begeht, grundsätzlich den Geschäftsherrn (BGH, Urteil vom 14. Mai 1974 – VI ZR 8/73 = NJW 1974, 1371, 1372). Jedoch haftet daneben auch der unmittelbare Schädiger für sein eigenes Verschulden (BGH, Urteile vom 14. Mai 1974 a.a.O. S. 1372; vom 30. November 1978 – II ZR 204/76 = LM GmbHG § 13 Nr. 11 = NJW 1979, 2104). Um ein Durchgriffsproblem handelt es sich dabei nicht.

1. Die Revision macht mit Recht geltend, daß das angefochtene Urteil auf einer Verfahrensverletzung beruht, weil erhebliche Beweisangebote der Klägerin für den Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung unbeachtet geblieben sind.

a) Das Berufungsgericht führt dazu aus, die Klägerin habe zwar durch auszugsweise Wiedergabe der Anklageschrift die Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB schlüssig vorgetragen. Sie habe sich zum Nachweis ihrer Behauptungen aber lediglich auf den entsprechenden Inhalt der Anklageschrift berufen. Diese sei jedoch kein geeignetes Beweismittel.

b) Zutreffend ist die Annahme, die Klägerin habe die Tatbestandsmerkmale eines Betruges schlüssig dargelegt. Mit ihren Schriftsätzen vom 11. August 1981 und vom 4. Juni 1982 hat sie vorgetragen, daß die Kommanditgesellschaft bereits Ende 1976 überschuldet und konkursreif gewesen sei. Dies sei den Beklagten auch bereits zu jener Zeit bekanntgewesen. Schon auf der Grundlage dieser Behauptungen könnte der Betrugstatbestand erfüllt sein. Denn die Eingehung jeder vertraglichen Verpflichtung enthält – wenn sich aus den Umständen nichts anderes ergibt – die stillschweigende Erklärung des Schuldners, daß er zur Vertragserfüllung willens und nach seinem Urteil bei Fälligkeit auch in der Lage sei (BGH NJW 1954, 1414; Dreher/Tröndle, StGB, 41. Aufl., § 263 Rdn. 7). Im übrigen hat die Klägerin auch behauptet, die Beklagten hätten die spätere Nichterfüllung der Kaufpreisforderung bereits von Anfang an geplant.

Die Klägerin hat sich jedoch zum Beweise ihrer Behauptungen nicht nur pauschal auf den Inhalt der Ermittlungsakten und der Anklageschrift berufen, worin kein zulässiger Beweisantritt gelegen hätte (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1962 – III ZR 129/61 = DRiZ 1963, 60, insoweit in LM BGB § 823 Eb Nr. 15 und NJW 1963, 37 nicht abgedruckt). Sie hat darüber hinaus Beweis angetreten durch Beiziehung des Gutachtens aus den Strafakten, Zuziehung des Steuerberaters Oberföll als Sachverständigen und Vernehmung des Rechtsbeistandes M. als Zeugen. Diese angebotenen Beweise hätte das Berufungsgericht nicht übergehen dürfen, weil sich aus ihnen – ggf. in Verbindung mit weiteren Indizien wie dem von den Beklagten ausgehenden Anstoß zu der Geschäftsanbahnung – der Tatbestand eines Betruges ergeben konnte.

2. Erweisen sich die Behauptungen der Klägerin als zutreffend, so liegt nach den bisherigen Feststellungen die Annahme einer Mittäterschaft der Beklagten (§ 830 BGB) aufgrund bewußten und gewollten Zusammenwirkens nahe. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß der Erstbeklagte die Firma S. zur Antrage bei der Kommanditgesellschaft ermuntert und später den der Firma S. zur Verfügung gestellten Geldbetrag abgehoben und bei der Kreissparkasse eingezahlt hat.

3. Aus den zum Betrugstatbestand noch zu treffenden Feststellungen kann sich weiterhin ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB ergeben.

Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch seien nicht dargetan. Nach dem Vortrag der Klägerin ist sie von den Beklagten nach einem vorgefaßten Plan über die Bereitschaft und Fähigkeit der Käuferin zur Bezahlung des Kaufpreises getäuscht worden. Eine solche Täuschung war zugleich arglistig und verpflichtete die Beklagten zum Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung (Senatsurteile vom 29. Oktober 1959 – VIII ZR 125/58 = NJW 1960, 237; vom 15. Januar 1969 – VIII ZR 239/66 = WM 1969, 496, 498; MünchKomm/Kramer, BGB, § 123 Rdn. 7; BGB-RGRK/Krüger-Nieland, 12. Aufl. § 123 Rdn. 6). Dabei genügte es bereits, wenn die Beklagten die für die künftige Nichterfüllung maßgebenden Tatsachen kannten und nur mit der Möglichkeit eines Schadens für die Klägerin rechneten, also bedingt vorsätzlich handelten (MünchKomm/Mertens, BGB, § 826 Anm. 2; Erman/Drees, BGB, 6. Aufl. § 826 Rdn. 18).

4. Das angefochtene Urteil konnte daher keinen Bestand haben, soweit es einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gegenüber beiden Beklagten verneint. Da weitere Beweise zu erheben sind, mußte die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

V. 1. In der erneuten Verhandlung wird ferner zu prüfen sein, ob die Klägerin gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsabschluß hat.

a) Die Revision führt dazu aus, die Beklagten hätten eine Aufklärungspflicht über die mangelnde Kreditwürdigkeit der Kommanditgesellschaft verletzt. Sie seien die maßgeblichen Sachwalter in der Firma gewesen. Bereits in der Berufungsantwort vom 20. Mai 1981 habe die Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen, die Beklagten hätten sich lediglich formell aus der Geschäftsführung zurückgezogen, auch danach aber alle Entscheidungen über Warenbestellungen getroffen. Angesichts ihrer Kenntnis von der unter Sachverständigen- und Zeugenbeweis gestellten Konkursreife der Kommanditgesellschaft seien sie zur Mitteilung über die mangelnde Kreditwürdigkeit verpflichtet gewesen.

b) Aus Verschulden bei Vertragsabschluß kann nicht nur der Vertragspartner selbst, sondern auch ein für ihn auftretender Vertreter oder Beauftragter haften, wenn er wirtschaftlich in besonderem Maße an dem Abschluß interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt oder besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (Senatsurteile vom 23. Februar 1983 = BGHZ 87, 27 und vom 27. Oktober 1982 – VIII ZR 187/81 = NJW 1983, 676 mit Anm. Ulmer S. 1575 = WM 1982, 1322, jeweils m.w.N.). Dabei muß es sich bei dem Haftenden nicht um den gesetzlichen oder vertraglich bestellten Vertreter des Vertragspartners handeln. Ausreichend ist, daß der Verhandelnde besonderen Einfluß in der vertretenen Firma ausübt, dem Vertragspartner als diejenige Person gegenüber tritt, von dessen Entscheidung nach den gegebenen Umständen der Abschluß des Geschäfts maßgeblich abhängt und von dessen Verhalten die Entschließung des anderen Teils entscheidend beeinflußt wird (vgl. BGHZ 56, 81, 85, 86; 72, 382, 384, 385). Die Haftung der Beklagten scheitert somit nicht daran, daß sie nicht oder nicht mehr zur Vertretung der Kommanditgesellschaft berufen waren.

Die erste Voraussetzung für eine Haftung – das eigene wirtschaftliche Interesse der Beklagten – ist hier zu bejahen. Zwar ist das allgemeine Interesse, das jeder Gesellschafter eines Unternehmens an florierenden Handelsgeschäften seiner Firma hat, dafür nicht ausreichend. Vielmehr setzt die Haftung des Vertreters eine engere Beziehung zu dem mit dem Vertragsabschluß verfolgten Ziel voraus (BGHZ 56, 81, 84). Der Vertreter muß – wirtschaftlich betrachtet – gleichsam „in eigener Sache” beteiligt sein (BGH a.a.O. S. 84). Davon ist die Rechtsprechung in solchen Fällen ausgegangen, in denen der Vertreter alleiniger Geschäftsführer und Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH war (Senatsurteile vom 27. Oktober 1982 und vom 23. Februar 1983 a.a.O.), weil hier praktisch Identität zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter besteht. Eine ebenso enge Interessenverknüpfung ist anzunehmen, wenn – wie hier – die Gesellschafter durch unbeschränkte selbstschuldnerische Bürgschaften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften und damit praktisch das ganze unternehmerische Risiko tragen. Die Beklagten haften also, wenn sie bei den Vertragsverhandlungen die mangelnde Kreditwürdigkeit pflichtwidrig nicht offenbart haben.

Die Offenbarungspflicht kann sich aus den vom Berufungsgericht noch festzustellenden und zu würdigenden besonderen Umständen des Falles ergeben. In der bisherigen Rechtsprechung ist sie vor allem dann bejaht worden, wenn bereits längere Zeit Vertragsbeziehungen bestanden hatten und Geschäfte ordnungsgemäß abgewickelt waren oder wenn der Geschäftspartner Anlaß hatte, aus persönlichen Gründen auf die Ordnungsmäßigkeit der Abwicklung zu vertrauen (vgl. die Senatsurteile vom 23. Februar 1983 und vom 27. Oktober 1982 a.a.O.). Redliches Geschäftsgebaren erfordert darüber hinaus eine Offenlegung der Vermögenslage aber auch dann, wenn bei einem erstmaligen Geschäftsabschluß Umstände vorliegen, die nach Treu und Glauben dem anderen Teil bekannt sein müssen, weil seine Vertragsentschließung davon wesentlich beeinflußt wird. Das gilt z.B. hinsichtlich rechtlicher, der Vertragsdurchführung entgegenstehender Hindernisse (Senatsurteile vom 19. Dezember 1962 – VIII ZR 216/61 = LM BGB § 276 Fa Nr. 14 = WM 1963, 160 f), aber auch in Fällen, in denen die Durchführbarkeit des Vertrages infolge der schlechten Vermögenslage des einen Teils von vornherein schwer gefährdet ist (Senatsurteil vom 5. April 1967 – VIII ZR 82/64 = LM BGB § 276 Fa Nr. 21 = WM 1967, 481; BGHZ 56, 81 ff), insbesondere bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (Senatsurteil vom 27. Oktober 1982 a.a.O. unter II 2 d).

Haben die Beklagten oder einer von ihnen als erkennbar persönlich Handelnder mit maßgeblicher Entscheidungsbefugnis die Klägerin in betrügerischer Absicht (vgl. oben zu IV) zum Vertragsabschluß veranlaßt, so haben sie die Offenbarungspflicht vorsätzlich verletzt und haften dann auch wegen Verschuldens bei Vertragsabschluß. Selbst wenn der Betrugstatbestand nicht in allen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein sollte, käme eine Haftung bei fahrlässig unterlassenem Hinweis auf die Vermögenslage in Betracht (Senatsurteil vom 27. Oktober 1982 a.a.O. unter II 2 c). Voraussetzung dafür wäre, daß die Kommanditgesellschaft im März 1977 konkursreif war, daß mit einer ordnungsmäßigen Abwicklung angesichts der Verschuldung bei der Kreissparkasse und der über diese Kasse zu leistenden Zahlungen nicht gerechnet werden konnte und daß den Beklagten diese Umstände bei kaufmännisch sorgfältigem Verhalten hätten bewußt sein müssen. Dem wird das Berufungsgericht daher ebenfalls nachzugehen haben.

2. Da der Erfolg des Rechtsmittels der Klägerin noch nicht feststeht, war dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten der Revisionsinstanz zu übertragen.

 

Unterschriften

Braxmaier, Wolf, Dr. Brunotte, Dr. Zülch, Dr. Paulusch

 

Fundstellen

Haufe-Index 1622032

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1984, 439

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