Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Gesellschafter-Geschäftsführers wegen unterlassener Aufklärung des Warenlieferanten über wirtschaftliche Verhältnisse der GmbH; Verjährung des Anspruchs aus Verschulden bei Vertragsschluß

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, dessen Unternehmen in laufender Geschäftsbeziehung von einem Lieferanten Warenkredit in Anspruch nimmt, ist auf Anfrage des Lieferanten und dessen Bitte um persönliche Aufklärung verpflichtet, die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens zu offenbaren.

2. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann einen Ersatzanspruch des Lieferanten aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen gegen den alleinigen Geschäftsführer der GmbH begründen, wenn der Lieferant im Konkurs der GmbH mit Forderungen aus Warenlieferungen ausfällt. Dieser Anspruch verjährt in derselben Frist wie der Erfüllungsanspruch gegen die GmbH.

3. Die Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch beginnt, sobald der Geschädigte Kenntnis von den die Ersatzpflicht des alleinigen Geschäftsführers der GmbH begründenden Umständen erlangt.

 

Normenkette

BGB §§ 195, 196 Abs. 2, § 276

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Entscheidung vom 28.10.1981; Aktenzeichen 6 U 116/80)

LG Hannover (Entscheidung vom 15.04.1980; Aktenzeichen 15 O 38/80)

 

Tatbestand

Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Betonwerk N. GmbH (im folgenden BN) und der Betonwerk B. GmbH, einer Tochter der BN. Die BN ihrerseits war Kommanditistin der Betonwerk B. GmbH und Co. KG, deren alleiniger Geschäftsführer der Beklagte war.

Seit ihrer Gründung lieferte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Firma Baustoffhandel Erwin B. – BBB – (im folgenden Klägerin) an die BN Baustoffe. Ihr damaliger Inhaber war der 1975 verstorbene Bruder des Beklagten, Erwin B.. Im Laufe jahrelanger Geschäftsverbindung wurde die Abrechnung in der Weise gehandhabt, daß die Klägerin regelmäßig monatlich zwei oder drei Dreimonatswechsel über 50.000 DM von der BN erhielt. Am Monatsende wurde der von der Wechselsumme abweichende tatsächliche Saldo jeweils durch Scheck ausgeglichen. Aufgrund dieser Abrechnungsweise räumte die Klägerin der BN einen ständigen Kredit zwischen 250.000 DM und 500.000 DM ein.

Von Juni 1973 bis 23. August 1973 lieferte die Klägerin Baustoffe zum Gesamtpreis von 339.698,44 DM. Während dieses Zeitraums stellte der Beklagte mehrere Wechsel über jeweils 50.000 DM für die Klägerin aus. Da einige Wechsel nicht eingelöst wurden, wurde das Konto der Klägerin bei der V.bank am 31. Dezember 1974 mit 293.763,23 DM rückbelastet. Erstmals Ende Juni 1973 blieb der Ausgleichsscheck der BN für Warenlieferungen der Klägerin im Juni 1973 aus. Anfang 1973 erhielt die Klägerin jedoch einen von dem Beklagten selbst unterschriebenen Scheck über 44.279,22 DM, der auch eingelöst wurde. Ein weiterer Scheck folgte am 14. August 1973 über 35.938,89 DM.

Zur Überwindung von Liquiditätsschwierigkeiten der Betonwerk B. GmbH, deren Bilanzentwurf per 31. Dezember 1972 einen Verlust von 19.160.139,24 DM auswies, stellte der BN der B.er Firma in der Zeit von Ende 1972 bis Frühjahr 1973 rund 15 Mio. DM zur Verfügung. Dem Beklagten war seit April 1973 die Bilanz des Betonwerkes B. GmbH bekannt. Im Frühjahr 1973 traten Liquiditätsengpässe auch bei der BN auf. Der kaufmännische Berater des Beklagten, Diplom-Kaufmann Dr. S. diskutierte ab Februar 1973 nächtelang mit dem Beklagten über die kritische Lage, nachdem zu dieser Zeit das Kreditlimit bei den Banken ausgeschöpft war. Der Beklagte bestimmte darum, welche Gläubiger in welcher Reihenfolge mit welchen Beträgen befriedigt werden sollten. Zu diesem Zwecke wurde ab Februar 1973 zunächst monatlich, dann wöchentlich, schließlich täglich, Finanzpläne aufgestellt. Am 9. Juli 1973 informierte der bis März 1973 bei der BN als Finanzprokurist beschäftigte und mit der Erstellung der Bilanz beauftragte Zeuge D. den Beklagten darüber, daß nach seinen Feststellungen für 1972 bei der BN ein Verlust von ca. 31 Mio. DM eingetreten sei. Gleichzeitig händigte er dem Beklagten die Unterlagen für den Abschluß 1972 für die BN aus. Mit Schreiben vom 17. Juli 1973 nahm der Zeuge D. noch einmal Bezug auf die Rücksprache und machte den Beklagten darauf aufmerksam, daß sich seit den Abschlüssen per 31. Dezember 1972 die Schuldwechselsumme um rund 2,5 Mio. DM und die Bankschulden um weitere ca. 8 Mio. DM erhöht hätten, im Juli 1973 sei von einer Überschuldung der BN und des Betonwerkes B. GmbH in Höhe von insgesamt 48 bis 50 Mio. DM auszugehen. Mit Schreiben vom 27. Juli 1973 wiesen die Wirtschaftsprüfer S. und S. in G. den Beklagten darauf hin, daß eine eingehende Überprüfung der Bilanz per 31. Dezember 1972 voraussichtlich zu keinem günstigeren Ergebnis führen würde. Wahrscheinlich liege außer Überschuldung auch Zahlungsunfähigkeit vor, weil die Liquidität per 31. Dezember 1972 für den BN und das Betonwerk B. GmbH eine Unterdeckung von zusammen fast 44 Mio. DM ausweise. Die Wirtschaftsprüfer rieten deshalb dringend, im Hinblick auf § 64 des GmbH- Gesetzes Konkurs zu beantragen. Auch der kaufmännische Berater Dr. S. wies den Beklagten im Juli 1973 auf die Konkursreife hin.

Der Beklagte kannte den Umfang der Warenlieferungen der Klägerin und die Zahlungsweise. Die Ausgleichsschecks im Mai, Juli und August 1973 hat der Beklagte selbst unterschrieben. Erwin B. hat, nachdem er gerüchteweise von der finanziellen Krise der BN erfahren hatte, im März/April, Mai/Juni und Ende Juni/Anfang Juli 1973 mit dem Beklagten fernmündlich über die wirtschaftliche Lage der BN und deren Zahlungsverpflichtungen gesprochen. Der Beklagte hat Erwin B. jedes Mal mit dem Hinweis beruhigt, daß die BN finanziell gesund sei und er sich keine Sorgen wegen der Forderungen der Klägerin zu machen brauche.

Um seine Unternehmen vor dem Konkurs zu bewahren, verhandelte der Beklagte noch Anfang August 1973 mit einem Interessenten über dessen eventuelle Beteiligung am Betonwerk B.. Da die geforderte Bewertung des B.er Unternehmens nicht rechtzeitig zum 9. August 1973 vorlag und das Betonwerk B. infolge einer Auftragskündigung am 10. August 1973 die Zahlungen einstellte, scheiterten die Verhandlungen. Auf Verlangen eines Gläubigers bestellte der Beklagte diesem am 18. August 1973 zur Absicherung seiner Forderungen an das Betonwerk B. Grundschulden in Höhe von 2,5 Mio. DM. Dies führte später zu einem Strafverfahren gegen den Beklagten wegen Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB), das mit einem Freispruch endete, weil dem Beklagten eine absichtliche und wissentliche Benachteiligung der übrigen Gläubiger nicht nachgewiesen werden konnte.

Am 19. August 1973 anläßlich einer Familienfeier setzte der Beklagte seinen Bruder Erwin über die finanzielle Situation seiner Firmen in Kenntnis.

Am 24. August 1973 beantragte der Beklagte das Vergleichsverfahren über das Vermögen der BN und am 7. September den Anschlußkonkurs, der am 10. September 1973 eröffnet wurde. Am 23. August 1973 beantragte der Beklagte das Konkursverfahren für das Betonwerk B. GmbH und am 29. August 1973 für das Betonwerk B..

Die Klägerin fiel im Konkurs mit ihren Forderungen aus. Sie nimmt den Beklagten persönlich auf Ersatz des Ausfalls in Höhe von 339.698,44 DM nebst Zinsen in Anspruch. Nach ihrer Ansicht hat der Beklagte pflichtwidrig und schuldhaft die finanzielle Lage der BN nicht rechtzeitig offenbart, obwohl Erwin B., was der Beklagte bestritten hat, seit Frühjahr 1973 um Aufklärung gebeten habe, und dem Beklagten die prekäre Situation seiner Firmen zu jener Zeit schon bekanntgewesen sei.

Der Beklagte hat u.a. die Verjährungseinrede erhoben.

Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über die Vermögenslage der BN aufzuklären; jedenfalls sei ein Verschulden des Beklagten zu verneinen. Das Berufungsgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

A) Das Berufungsgericht hat Ersatzansprüche der Klägerin aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 826 BGB) verneint. Das nimmt die Revision als ihr günstig hin und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

B) Dagegen hat die Vorinstanz das Klagebegehren aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen, weil der Beklagte ihm obliegende Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt habe.

I.

Der Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung von Sorgfaltspflichten, so meint das Berufungsgericht, richte sich gemäß §§ 242, 278 BGB auch während Verhandlungen bei bestehendem wirksamen Vertragsverhältnis gegen den gesetzlichen Vertreter des Vertragspartners selbst, wenn dieser entweder ein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen habe oder aus eigenem Interesse einen persönlichen Nutzen aus dem Geschäft erstrebe. Beide Voraussetzungen träfen für den Beklagten zu. Der Beklagte habe als Bruder des Inhabers der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen. Dies sei ihm klargeworden, als Erwin B. aufgrund von Telefongesprächen, in denen der Beklagte jede Gefahr für die Klägerin leugnete und die Bonität der BN versicherte, sich zu weiteren nicht abgesicherten Lieferungen auf Kredit habe verleiten lassen. Er habe zudem als beherrschender Mehrheitsgesellschafter ein eigenes unmittelbares wirtschaftliches Interesse an den Geschäften gehabt. Der wirtschaftliche Erfolg habe sich auf seinen persönlichen Gewinn ausgewirkt. Der Beklagte habe die ihn aufgrund der Krediteinräumung treffende Aufklärungspflicht verletzt. Entgegen der Behauptung des Beklagten habe dieser die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der BN nicht erst am 9. Juli 1973 erfahren. Er habe sich vielmehr schon im Frühjahr 1973 intensiv um die finanzielle Lage gekümmert und selbst angeordnet, in welcher Reihenfolge und mit welchen Beträgen die Gläubiger zu befriedigen seien. Ihm sei die ungünstige Geschäftsentwicklung nicht verborgen geblieben; denn er habe mit Dr. S. ab Februar 1973 nächtelang die kritische Lage der BN und die Möglichkeit ihrer Überwindung diskutiert, nachdem das Kreditlimit bei den Banken ausgeschöpft gewesen sei. Der Beklagte habe fahrlässig gehandelt. Für die nach objektiven Maßstäben zu beurteilende Fahrlässigkeit gemäß § 276 BGB genüge es, daß der Beklagte bei gewissenhafter Prüfung der wirtschaftlichen Lage habe in Rechnung stellen müssen, daß die Erfüllung der Verpflichtungen an die Klägerin begründeten Zweifeln unterlag. Der Beklagte habe die Schwierigkeiten auch nicht im Hinblick darauf als vorübergehend ansehen dürfen, daß er mit einem Interessenten über die Beteiligung verhandelte. Das Verhalten des Beklagten sei auch ursächlich für den Schaden der Klägerin. Erwin B. habe durch Hinweise anderer Firmen auf die schleppende Zahlungsweise Anlaß gehabt, der wirtschaftlichen Lage der BN nachzugehen. Demgemäß habe er bei seinem Bruder selbst nachgefragt. Durch das Vertrauen in die fernmündlichen Erklärungen seines Bruders sei er davon abgehalten worden, den Gerüchten Glauben zu schenken. Bei wahrheitsgemäßer Aufklärung hätte die Klägerin weiterhin derart erhebliche Vermögenswerte nicht ohne Sicherheit aus der Hand gegeben. Der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo sei auch nicht verjährt. Es könne dahinstehen, ob hier die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB eingreife oder die vierjährige des § 196 Abs. 2 BGB; denn jedenfalls führe ein modifizierter Fristbeginn bei der kurzen Verjährung, der darauf abstellt, wann der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, zur Verjährung frühestens am 31. Dezember 1982.

II.

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, als Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch greife Verschulden bei Vertragsverhandlungen ein.

a) Die Revision führt aus, die Krediteinräumung habe auf einer jahrelang geübten und mithin vereinbarten Abrechnungsweise beruht. Es hätten nicht nur ständige Geschäftsbeziehungen vorgelegen, sondern ein zumindest durch die vereinbarte Krediteinräumung bestehendes langfristiges Vertragsverhältnis zwischen der BN einerseits und der Klägerin andererseits. Unter diesen Umständen könne von einem Verschulden bei Vertragsverhandlungen nicht gesprochen werden, weil der Beklagte mit seinem Bruder nicht über den Abschluß eines Vertrages, sondern über die Aufrechterhaltung seines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses verhandelt habe, nämlich um die weitere Gewährung eines ungesicherten Lieferantenkredits. Der von der Klägerin erhobene Anspruch sei somit allenfalls ein solcher aus positiver Vertragsverletzung, der sich grundsätzlich von demjenigen unterscheide, der aus einem Verschulden bei Vertragsverhandlungen folge.

b) Dem kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, daß sich während jahrelanger Geschäftsverbindung eine entsprechende Geschäftsübung herausgebildet habe. Eine ausdrückliche Vereinbarung der Vertragspartner, die Klägerin solle verpflichtet sein, alle künftigen Waren gegen Annahme von Dreimonatswechseln zu liefern, ist dagegen nicht festgestellt worden. Eine solche Abrede ergibt sich auch nicht aus konkludentem Verhalten der Vertragspartner, das in der jahrelang geübten Geschäfts- und Abrechnungspraxis gesehen werden könnte. Im Zweifel ist nämlich davon auszugehen, daß die Klägerin sich ihre Entscheidungsfreiheit über die Warenlieferung gegen Wechsel jederzeit vorbehalten wollte. Außerdem hat das Berufungsgericht festgestellt, daß sich Erwin B. für die Klägerin nur aufgrund der Versicherungen des Beklagten über die Bonität der BN zu weiteren, nicht abgesicherten Lieferungen auf Kredit veranlassen ließ. Schon das Reichsgericht (RGZ 161, 100, 104) hat im übrigen ausgesprochen, der Umstand für sich allein, daß mehrere Verträge zur gleichen Zeit, unter gleichen Bedingungen oder im Laufe einer fortdauernden Geschäftsverbindung abgeschlossen worden seien, könne nicht stets dazu führen, die einzelnen Verträge ihrer rechtlichen Selbständigkeit zu entkleiden. In einem vom erkennenden Senat entschiedenen Fall (Senatsurteil vom 27. Oktober 1982 - VIII ZR 187/81 = WM 1982, 1322), in dem während langjähriger Geschäftsbeziehungen Dreimonatswechsel für Warenlieferungen akzeptiert wurden, ist ebenfalls Verschulden bei Vertragsverhandlungen als Anspruchsgrundlage angenommen worden.

2. Ohne Erfolg greift die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts an, der Beklagte hafte als Vertreter der BN persönlich, weil er besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und aus eigenem Interesse einen persönlichen Nutzen aus dem Geschäft erstrebt haben.

a) Die Revision ist der Ansicht, eine persönliche Haftung des Beklagten scheide aus, selbst wenn grundsätzlich ein etwaiges Verschulden im Rahmen von Vertragsverhandlungen in Betracht käme; denn aus der Eigenschaft des Beklagten als Bruder des Erwin B. könne nicht geschlossen werden, der Beklagte habe in besonderem Maße Vertrauen in Anspruch genommen. Persönliche Beziehungen allein seien bisher in der Rechtsprechung hierfür nicht als ausreichend erachtet, ein besonderer Vertrauenstatbestand sei vielmehr stets nur aus in der Sache selbst liegenden Umständen hergeleitet worden. Die Revision führt weiter aus, der Beklagte habe auch kein eigenes, unmittelbares Interesse an den Vertragsabschlüssen gehabt. Der wirtschaftliche Erfolg des Betonwerks sei nur mittelbar über die Gewinnberechtigung auch ein Nutzen für den Beklagten gewesen.

b) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß auch ein Vertreter für ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen dann haften kann, wenn er wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsabschluß interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt oder in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 1982 - VIII ZR 187/81 = WM 1982, 1322; vom 5. April 1967 - VIII ZR 82/64 = WM 1967, 481; vom 19. Dezember 1962 - VIII ZR 216/61 = WM 1963, 160, 161).

Der Gesichtspunkt, die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens könne nur aus in der Sache selbst liegenden Umständen hergeleitet werden, steht mit der Auffassung des Berufungsgerichts nicht in Widerspruch. Worauf das Vertrauen konkret abzielt, richtet sich nach dem Inhalt des beabsichtigten Vertrages. Allgemein wird der Kreditgeber auf eine im Verhältnis zur Kredithöhe angemessene, sichere Einkommens- und Vermögenssituation des Kreditnehmers sowie auf dessen persönliche Redlichkeit und Zuverlässigkeit Wert legen. Das hierauf gerichtete Vertrauen ist ebenso sachlich orientiert wie das Vertrauen auf die besonderen Fachkenntnisse einer Person, wenn es für den Vertragsabschluß gerade darauf ankommt. Das bei Kreditgewährung allgemein vorausgesetzte Vertrauen in die Person des Kreditnehmers kann von diesem im Einzelfall in besonderem Maße in Anspruch genommen werden, z.B. weil er zu dem Kreditgeber in nahen persönlichen Beziehungen steht. Ein solcher Fall ist hier gegeben, denn Erwin B. hat aufgrund der Gerüchte über die schlechte Finanzlage der BN Kontakt zu dem Beklagten aufgenommen, um sich von diesem persönlich Aufklärung zu erbitten. Von der sonst geübten routinemäßigen Geschäftsabwicklung über Angestellte beider Firmen hat er in diesem Falle abgesehen. Statt dessen hat er gerade den Versicherungen des Bruders besonderen Glauben geschenkt.

Der Beklagte hatte darüber hinaus ein starkes eigenes Interesse an den Verträgen mit der Klägerin über weitere Lieferungen auf Kredit. Zwar trifft es zu, daß die Rechtsprechung ein nur mittelbares wirtschaftliches Interesse des Vertreters für die Annahme seiner Haftung nicht genügen läßt (vgl. BGHZ 56, 81, 84). Jedoch ist das wirtschaftliche Interesse des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH keineswegs nur mittelbar (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 1982 - VIII ZR 187/81 aaO und vom 19. Dezember 1962 aaO). Das trifft auch für den Beklagten zu, der zwar nicht alle GmbH-Anteile auf sich vereinigte, der aber – wie sein Einsatz für die Firma sei Frühjahr 1973 beweist – seine eigenen wirtschaftlichen Interessen mit denen der Firmen völlig identifizierte und wirtschaftlich betrachtet, gleichsam in eigener Sache verhandelte (BGHZ 56, 81, 84; Senatsurteil vom 10. Juni 1964 - VIII ZR 294/62 = WM 1964, 916, 918).

3. Im Ergebnis hat das Berufungsgericht darin recht, daß der Beklagte verpflichtet war, die Klägerin über den Wegfall der für die Kreditgewährung maßgebenden Umstände auf deren Anfrage hin aufzuklären. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht. Zwar ist der Käufer in der Regel nicht verpflichtet, dem Geschäftspartner seine Vermögenslage und Kreditwürdigkeit zu offenbaren. Anders ist es jedoch dann, wenn der eine Vertragspartner vorleistet und der andere Vertragsteil weiß oder wissen muß, daß die begründeten Verbindlichkeiten nicht erfüllt werden könne. In solchen Fällen gebieten die schutzwürdigen Belange des Vertragsgegners – jedenfalls im Falle einer langjährigen Geschäftsbeziehung, und, wie hier, bei ausdrücklicher Anfrage – eine Aufklärung über die wirtschaftliche Bedrängnis des Käufers, weil dieser Umstand geeignet ist, den Vertragszweck zu vereiteln (Senatsurteil vom 27. Oktober 1982 - VIII ZR 187/81 = WM 1982, 1322, 1323; vgl. auch Senatsurteil vom 5. April 1967 - VIII ZR 82/64 = WM 1967, 481, 482). Der Beklagte wußte jedenfalls seit Februar 1973 um die erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der BN. Der dem Beklagten im April 1973 bekannte Jahresabschluß 1972 für das Betonwerk B., der Entzug von Zahlungsmitteln in Millionenhöhe zugunsten des Betonwerkes B., die Ausschöpfung des Kreditlimits bei den Banken und der Mangel an Zahlungsmitteln seit Februar 1973, der es erforderlich machte, Pläne darüber auszuarbeiten, in welcher Reihenfolge die Gläubiger befriedigt werden sollten, waren Anlaß genug für den Beklagten, seinen Bruder auf dessen Anfrage schon im Frühjahr 1973 rückhaltlos über die Situation zu informieren.

4. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht die Kausalität zwischen dem Verhalten des Beklagten und dem Schaden der Klägerin.

Entgegen der Revisionsrüge, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Frage befaßt, ob und inwieweit die Klägerin den Schaden mitverursacht habe, hat sich das Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung der Kausalität auch damit auseinandergesetzt. Die Haftung aus culpa in contrahendo kann durch die Mitschuld des Geschädigten an der Schadensursache schon dem Grunde nach gemindert sein (vgl. Senatsurteil vom 19. April 1967 - VIII ZR 8/65 = WM 1967, 798, 799). Gerade das aber hat die Vorinstanz mit aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint und ausgeführt, Erwin B. habe sich um die Angelegenheit gekümmert und den Beklagten selbst wiederholt um Aufklärung gebeten.

5. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, daß der Beklagte die Pflichtverletzung fahrlässig begangen habe, wobei es bei der Beurteilung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zutreffend von einem objektiven Maßstab ausgeht. Hiergegen wendet sich die Revision nicht.

6. Dem Berufungsgericht ist, entgegen der Auffassung der Revision jedenfalls im Ergebnis darin zuzustimmen, daß der Schadensersatzanspruch nicht verjährt ist.

Der Bundesgerichtshof hat bisher allerdings nicht entschieden, ob der gegen den Vertreter des Vertragspartners gerichtete Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in kürzerer als in § 195 BGB bestimmter Frist verjährt, wenn die Verhandlungen zu einem wirksamen Vertrag geführt haben. Im Urteil vom 16. November 1967 (BGHZ 49, 77, 80ff) ist dargelegt, die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gelte grundsätzlich auch für Ersatzansprüche aus culpa in contrahendo. In Ausnahmefällen seien jedoch die Vorschriften über eine kürzere Verjährung vertraglicher Ansprüche entsprechend anzuwenden. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Geschädigte verlange, so gestellt zu werden, wie wenn er aus dem Vertrage, der aufgrund eines Verschuldens seines Verhandlungspartners nicht zustande gekommen ist, einen Erfüllungsanspruch erworben hätte. Bei solcher Fallgestaltung wird unterschieden, ob der Geschädigte Ersatz für das Vertrauensinteresse oder für das Erfüllungsinteresse verlangt. Zu den im Urteil vom 16. November 1967 beschriebenen Ausnahmetatbeständen, für die kurze Verjährungsfristen gelten, hat der Bundesgerichtshof später auch Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen jedenfalls in den Fällen gerechnet, in denen Vertragsverhandlungen durch Verschulden eines Beteiligten nicht bis zum Vertragsschluß fortgeführt worden sind, und der andere hierdurch Nachteil erlitten hat; sie sollen grundsätzlich derselben Verjährungsfrist unterliegen, die für den Erfüllungsanspruch gelten würde, wenn der Vertrag zustande gekommen wäre, und zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte das negative oder das positive Interesse begehrt (BGHZ 57, 191, 194). Im vorliegenden Falle haben die Vertragsverhandlungen – abweichend von dem zuletzt zitierten Sachverhalt – dagegen zu einem wirksamen Vertrag geführt. Aus diesem Vertrag hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch erworben. Darauf, daß sie ihren Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in gleicher Höhe wie den Erfüllungsanspruch beziffert, kommt es bei der Beurteilung der Frage, welcher Verjährungsfrist dieser Anspruch unterliegt, nicht an. Richtig ist auch, daß der Ersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen nicht an die Stelle des Erfüllungsanspruchs getreten ist. Beide Ansprüche bestehen vielmehr nebeneinander. Wegen der Vermögenslosigkeit der BN ist der Erfüllungsanspruch nicht realisierbar, mithin wirtschaftlich wertlos. Daß die Klägerin in die Lage geraten ist, im Konkurs der BN, ihrer Vertragspartnerin, in Höhe der eingeklagten Forderung auszufallen, ist durch das festgestellte pflichtwidrige Verhalten des Beklagten verursacht worden. Dieser Umstand verknüpft den Erfüllungsanspruch aus Warenlieferungen einerseits und den Ersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen andererseits trotz ihres unterschiedlichen Rechtsgrundes und ohne Rücksicht darauf, daß sie sich gegen verschiedene Schuldner richten, so eng, daß es dem Senat nicht gerechtfertigt erscheint, den Erfüllungsanspruch der kurzen Verjährungsfrist von vier Jahren, den Ersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen dagegen der Verjährungsfrist von 30 Jahren zu unterwerfen. Der beide Ansprüche verbindende Lebenssachverhalt gebietet vielmehr, im einen wie im anderen Falle binnen gleicher Frist dem Rechtsfrieden Vorrang vor der gerichtlichen Durchsetzbarkeit berechtigter Ansprüche einzuräumen. Ob der Erfüllungsanspruch nicht entsteht und deshalb für den an seiner Stelle getretenen Ersatzanspruch die kurze Verjährungsfrist Platz greift (vgl. BGHZ 73, 266, 269) oder ob der Erfüllungsanspruch zwar entsteht, aber nicht realisierbar ist, macht keinen Unterschied.

7. Auch wenn der Ersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten in derselben Frist verjährt, wie der Erfüllungsanspruch gegen die BN (§ 196 Abs. 2 BGB), muß der Verjährungseinrede der Erfolg versagt bleiben. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war die vierjährige Frist noch nicht abgelaufen. Das verkennt die Revision. Der Ersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen verträgt es seiner Natur nach nicht, daß die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, bevor der Geschädigte Kenntnis von den Umständen erlangt, welche die Ersatzpflicht gerade des für den Vertragspartner handelnden Vertreters begründen. Die Ausgangslage unterscheidet sich wesentlich von derjenigen beim Erfüllungsanspruch. Markiert dort bereits der Vertragsschluß auch im Bewußtsein der Beteiligten das Risiko, für die eingegangene Lieferpflicht den vereinbarten Gegenwert möglicherweise nicht zu erhalten, so ist es bei einem Verschulden bei Vertragsverhandlungen erst die Kenntnis von dem pflichtwidrigen Verhalten und der Person des dafür Verantwortlichen, welche beim Geschädigten die Gefahr von Einbußen deutlich werden läßt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin erst aufgrund des Strafverfahrens im Frühjahr 1978 von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt hat. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision nicht. Sie war deshalb der Entscheidung zugrunde zu legen. Daraus folgt aber, daß der Ersatzanspruch erst am 31. Dezember 1982 verjährt wäre.

III.

Der Revision mußte danach der Erfolg versagt bleiben.

 

Fundstellen

BGHZ 87, 27-38 (LT1-3)

BGHZ, 27

BB 1983, 1241-1244 (LT1-3)

DB 1983, 981-982 (LT1-3)

Information StW 1983, 288-289 (LT1-3)

NJW 1983, 1607

NJW 1983, 1607-1610 (LT1-3)

GmbH-Rdsch 1983, 197-200 (LT1-3)

LM BGB § 196 (L1-3), Nr. 51

LM BGB § 276 (Fa) (LT1-3), Nr. 76

WM IV 1983, 413-416 (LT1-3)

ZIP 1983, 428

ZIP 1983, 428-432 (LT1-3)

JuS 1983, 630-632 (LT1-3)

MDR 1983, 658-659 (LT1-3)

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